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VwGH vom 23.02.2017, Ro 2014/07/0081

VwGH vom 23.02.2017, Ro 2014/07/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des A W in S, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 20.3-19/2013-12, betreffend Ausübung von Überprüfungsbefugnissen gemäß § 75 Abs. 4 AWG 2002 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Am führte die Bezirkshauptmannschaft G (im Folgenden: BH) auf Grundstücken des Revisionswerbers einen Ortsaugenschein inklusive einer Geländevermessung unter Beiziehung von Vermessungsbeamten des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung und von zwei Beamten der Polizeiinspektion K. sowie im Beisein des Revisionswerbers und seines Bruders durch.

2 Mit Eingabe vom erhob der Revisionswerber dagegen eine Maßnahmenbeschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark (belangte Behörde). Er begründete die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er durch die Abhaltung eines abfallrechtlichen Ortsaugenscheins am , dem seine persönliche Verständigung nicht vorausgegangen sei, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in sonstigen einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten, nämlich insbesondere nach § 75 Abs. 4 vorletzter Satz Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), § 133 Abs. 5 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), hilfsweise §§ 21 ff und 41 ff AVG, und letztlich auch §§ 2, 16, 17 und 21 ZustellG verletzt worden sei, wobei die Verletzung insbesondere darin zu ersehen sei, dass die BH über allfällige Betretungsbefugnisse hinaus im Rahmen dieses Ortsaugenscheins eine Vermessung seines Geländes ohne seine Zustimmung veranlasst habe.

3 Mit Schreiben vom nahm die BH zu dieser Beschwerde Stellung.

4 In der am vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung legte der Revisionswerber ein ergänzendes Vorbringen vor und schränkte den Antrag insoweit ein, als ausschließlich die Vermessung nach dem AWG 2002 den Gegenstand der Beschwerde darstelle.

5 Mit dem angefochtenen Bescheid vom entschied die belangte Behörde wie folgt:

"Die Beschwerde wegen Betreten und Vermessen der Grst. Nr. 458, 465, 468 und 469, alle KG (R.), am , von ca. 10:30 Uhr bis 11:30 Uhr, durch ein Behördenorgan und beigezogene Hilfsorgane der Bezirkshauptmannschaft G, sowie der Antrag, dass ein abfallrechtlicher Ortsaugenschein am ohne vorherige persönliche Verständigung des Beschwerdeführers abgehalten wurde, wird als unbegründet abgewiesen."

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf §§ 67a Abs. 1 Z 2 und 67c AVG sowie auf §§ 75 und 82 AWG 2002.

6 Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei Eigentümer der Liegenschaften Nr. 458, 465, 468 und 469 der KG R. und es befänden sich dort ein Reitstall und weitere Reitanlagen. Auf Grund einer Anzeige der Gemeinde S vom an die BH sei am ein Ortsaugenschein durchgeführt worden. Dieser habe damit geendet, dass die Schüttungsmenge, welche über einen wasserrechtlichen Konsens aus dem Jahr 1995 hinausgehe, nicht genau bestimmbar gewesen sei. Die BH habe sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren bemüht, eine Vermessung der Schüttungskubatur zu erwirken, um hinsichtlich der Schüttung die Erlassung eines Beseitigungsauftrages nach § 73 AWG 2002 durchführen zu können.

7 Die BH habe am eine Verständigung "in Fortführung des abfallrechtlichen Ortsaugenscheins vom sowie aufgrund einer Anzeige mit wasserrechtlichem Sachverhalt" erlassen, wonach sie einen Ortsaugenschein im Rahmen des AWG 2002 und des WRG 1959 am Grundstück des Revisionswerbers am , um ca. 10:30 Uhr, durchführen werde. In der Verständigung seien auch ein wasserbautechnischer Amtssachverständiger sowie ein Vermessungsbeamter genannt worden. Die Verständigung sei ohne Zustellnachweis den Verhandlungsteilnehmern übermittelt worden, wobei der Revisionswerber hievon keine Verständigung bekommen habe. Am sei der Revisionswerber beim zuständigen Referenten für Wasser- und Abfallrecht der BH erschienen und habe Auskunft über das laufende Verfahren begehrt. In dem hiebei gefertigten Aktenvermerk sei unter anderem festgehalten worden, "hinsichtlich der geplanten Vermessung am 06.06. wird er (der Revisionswerber) mündlich informiert und beginnt sich wieder aufzuregen". In einem weiteren Aktenvermerk des Referenten der BH vom werde ausgeführt, dass sich der Revisionswerber fernmündlich beschwert habe, dass die Vermessung der Schüttung nicht zulässig sei und er mit Maßnahmenbeschwerden und Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft gedroht habe.

8 Am habe auf den Grundstücken des Revisionswerbers ein Ortsaugenschein unter Beiziehung von Vermessungsbeamten des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung und von zwei Beamten der Polizeiinspektion K. sowie des Revisionswerbers und seines Bruders stattgefunden. Dem Revisionswerber sei um ca. 10:30 Uhr vom zuständigen Referenten mitgeteilt worden, dass die Grundstücke vermessen werden würden. Es sei daraufhin zu einem Streitgespräch gekommen, weil der Revisionswerber darauf beharrt habe, weder gefährlichen Abfall zu haben, noch Abfallbehandler zu sein, weshalb eine Vermessung nicht zulässig sei. Dem Revisionswerber sei daraufhin mitgeteilt worden, dass der wasserbautechnische Amtssachverständige an der Verhandlung nicht teilnehme und daher ein Verfahren nach dem WRG 1959 an dem Tag nicht durchgeführt werde. Gefahr in Verzug sei für den Referenten der BH nicht vorgelegen, sondern er habe die Amtshandlung auf § 75 Abs. 4 AWG 2002 gestützt. Der Revisionswerber habe versucht, die Vermessung zu verhindern, und er habe erst durch die Intervention der beiden beigezogenen Polizisten von seinem Vorhaben abgehalten werden können.

9 Soweit der Revisionswerber angebe, vom Termin des Ortsaugenscheines am nicht informiert worden zu sein, werde auf die beiden im Akt aufscheinenden Aktenvermerke vom 21. und verwiesen, wonach der Revisionswerber von der Vermessung am informiert worden sei und sich darüber beschwert habe. Die belangte Behörde sehe keinen Grund, die beiden Aktenvermerke in Zweifel zu ziehen, der Referent habe dies auch in seiner Zeugenaussage nachvollziehbar bestätigt. Dass dem Revisionswerber aufgrund seines aufbrausenden Verhaltens die mündliche Mitteilung des Termins nicht mehr in Erinnerung gewesen sei, sei nachvollziehbar. Vom Revisionswerber selbst werde bestätigt, dass er vor Beginn der Verhandlung von der bevorstehenden Vermessungstätigkeit informiert worden sei. Die belangte Behörde folge den Angaben des Revisionswerbers, dass er keine schriftliche Verständigung von der Durchführung des Ortsaugenscheines bekommen habe, weil eine schriftliche Verständigung ohne Zustellnachweis durchgeführt worden sei und die BH keine weiteren Nachforschungen über eine Zustellung getätigt habe. Im Übrigen bestehe über den Ablauf der Amtshandlung im Wesentlichen Einvernehmen und werde auch vom zuständigen Referenten dargetan, dass der Revisionswerber die Vermessung "nur gegen Protest" zugelassen habe und keinesfalls von einer Freiwilligkeit von Seiten des Revisionswerbers ausgegangen werden könne.

10 § 75 Abs. 4 AWG 2002 - so führte die belangte Behörde weiter aus - räume der BH als der mit der Vollziehung betrauten Behörde und den beigezogenen Hilfsorganen diverse Kontrollbefugnisse ein. Die Befugnisse stünden nur zur Verfügung, soweit der Einsatz zur Vollziehung des AWG 2002 und diesbezüglicher Durchführungsverordnungen "erforderlich" sei, wobei ein konkreter Verdacht einer Gesetzesübertretung keine Voraussetzung darstelle. Im Rahmen der Kontrolle könne die Behörde die Liegenschaften betreten und diese besichtigen, wobei die Beiziehung von Sachverständigen ausdrücklich für zulässig erklärt werde. Eine Vermessung der Schüttungskubatur sei zur Beurteilung der Erlassung eines Beseitigungsauftrages im Sinne des § 73 AWG 2002 notwendig gewesen. Die Vermessung könne aufgrund der Eingriffsintensität als qualifizierte "Besichtigung" durch beigezogene Sachverständige angesehen werden. Die Vermessung finde ihre Deckung somit in den in § 75 Abs. 4 AWG 2002 angeführten Kontrollbefugnissen, "Liegenschaften und Gebäude zu betreten und zu besichtigen". Der Revisionswerber habe als Eigentümer der Liegenschaften die Kontrollbefugnis, nämlich das Betreten und Vermessen zu dulden, weil ihm sonst ein Verwaltungsstrafverfahren drohe. Im Hinblick darauf, dass der Revisionswerber die Vermessung nur unter Protest und aufgrund der Intervention der Polizeibeamten zugelassen habe, sei die Beurteilung der Vorgangsweise der BH dem Verfahren des § 67c AVG zu unterstellen. Dass der Revisionswerber tatsächlich nicht mit Gewalt an der Verhinderung der Vermessung habe zurückgehalten werden müssen, sei für die Wertung als Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht notwendig, weil zumindest "Befehlsgewalt" vorgelegen sei.

11 Aufgrund der mangelnden Verständigung betreffend die Durchführung der Amtshandlung eine Verletzung des Art. 6 EMRK herzuleiten, gehe schon deshalb fehl, weil der Revisionswerber selbst angegeben habe, vor Beginn der Amtshandlung, nämlich beim Betreten der Liegenschaft durch den zuständigen Referenten, über den Zweck der Amtshandlung verständigt worden zu sein. Eine derartige Verständigung im Sinne des § 75 Abs. 4 AWG 2002 sei zulässig, wobei der Revisionswerber auch bereits zuvor mündlich bei der Vorsprache am vom Termin verständigt worden sei.

12 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 70/2014-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte in diesem Beschluss u. a. aus, dass "eine regelmäßige angemessene Überprüfung, wie sie § 75 Abs. 4 AWG 2002 vorsieht, jedenfalls im öffentlichen Interesse liegt".

13 In dem nach der hg. Verfügung vom fristgerecht eingebrachten Ergänzungsschriftsatz macht der Revisionswerber Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

14 Das mit an die Stelle der belangten Behörde getretene Landesverwaltungsgericht Steiermark legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Abgabe einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Hat der Verfassungsgerichtshof eine Bescheidbeschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung nach Ablauf des dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, ist in sinngemäßer Anwendung des § 4 VwGbk-ÜG vorzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/07/0061, mwN).

16 Die Revision erweist sich als zulässig, zumal - wie vom Revisionswerber geltend gemacht wird - Rechtsprechung sowohl zur Frage der Einordnung der auf § 75 Abs. 4 AWG 2002 gestützten Amtshandlung als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als auch zur Frage des Anwendungsbereiches des § 75 Abs. 4 AWG 2002 sowie zur Frage des Umfangs der in § 75 Abs. 4 AWG 2002 geregelten Befugnisse fehlt. Ferner wird geltend gemacht, die BH habe die Rechtslage verkannt, weil sie aufgrund des teilweisen Wegfalls von Forstflächen davon ausgegangen sei, sie wäre nunmehr ermächtigt, einen neuerlichen Beseitigungsauftrag zu erlassen, weshalb auch die vorbereitende Amtshandlung rechtswidrig gewesen sei.

Die Revision ist auch begründet.

17 Die hier maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 103/2013, lauten:

"Behandlungsauftrag

§ 73. (1) Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses

Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen,

nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert,

befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von

Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3)

geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem

Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige

Handeln zu untersagen.

(2) Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

(3) Werden gefährliche Abfälle entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit anderen Abfällen oder Sachen vermischt, hat die Behörde dem Verpflichteten eine entsprechende Trennung aufzutragen, wenn dies technisch und wirtschaftlich möglich und zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist. Abs. 1 bleibt unberührt.

(...)

(6) (...) Für Waldflächen, die dem Forstgesetz, BGBl. Nr. 440/1975, unterliegen, sind die Abs. 1 bis 3 nicht anzuwenden.

(...)

Überprüfungspflichten und -befugnisse

§ 75. (...)

(4) Soweit dies zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes und

darauf beruhender Verordnungen erforderlich ist, sind

1. die mit der Vollziehung betrauten Behörden im Rahmen

ihrer Zuständigkeiten,

2. Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen

ihrer Befugnisse gemäß § 82,

3. Zollorgane im Rahmen ihrer Befugnisse gemäß § 83 und die von diesen herangezogenen Sachverständigen befugt,

Liegenschaften und Gebäude zu betreten und zu besichtigen, Transportmittel anzuhalten, Behältnisse und Transportmittel zu öffnen und zu besichtigen und Überprüfungen vorzunehmen, die notwendigen Auskünfte zu verlangen, Einsicht in die notwendigen Unterlagen zu nehmen und die Vorlage der notwendigen Unterlagen, einschließlich der Aufzeichnungen des Lagerbestands und der sonstigen Betriebsaufzeichnungen, zu verlangen. Allenfalls abgenommene zollamtliche Nämlichkeitszeichen sind durch entsprechende amtliche Nämlichkeitszeichen zu ersetzen. Der Eigentümer der Liegenschaft, der Inhaber einer Anlage oder der Vertreter dieser Personen ist spätestens beim Betreten der Liegenschaft oder des Betriebs nach Tunlichkeit zu verständigen. Ist Gefahr im Verzug und ist weder der Eigentümer der Liegenschaft noch der Inhaber einer Anlage oder der Vertreter dieser Person erreichbar, so genügt die nachträgliche Verständigung. Die Behörden, Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Zollorgane und Sachverständigen haben jede nicht unbedingt erforderliche Störung oder Behinderung des Betriebs zu vermeiden.

(5) Soweit dies zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes und darauf beruhender Verordnungen erforderlich ist, haben die durch dieses Bundesgesetz verpflichteten Personen oder die Beauftragten dieser Personen den mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes betrauten Behörden und den von diesen herangezogenen Sachverständigen, den Organen der öffentlichen Aufsicht und den Zollorganen das Betreten der Liegenschaften und Gebäude, das Öffnen und Besichtigen der Behältnisse und Transportmittel zu ermöglichen und den Anordnungen dieser Organe zur Inbetriebnahme oder Außerbetriebsetzung und über die Betriebsweise von Maschinen und Einrichtungen zu entsprechen; weiters haben die genannten Personen und Personen, in deren Gewahrsame sich die Produkte oder Abfälle befanden, einschließlich die gegenwärtigen und früheren Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Liegenschaften, auf denen sich derartige Produkte oder Abfälle befinden, die notwendigen Auskünfte zu geben, Einsicht in die Unterlagen zu gewähren und die notwendigen Unterlagen, einschließlich der Aufzeichnungen über den Lagerbestand und der sonstigen Betriebsaufzeichnungen, vorzulegen.

(...)

Mitwirkung der Bundespolizei§ 82. (...)

(2) Die Bundespolizei hat den nach diesen Bundesgesetzen zuständigen Behörden und Organen über deren Ersuchen zur Sicherung der Ausübung der Befugnisse gemäß den §§ 62 und 75 im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten.

(...)"

18 Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts liegt eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn ohne Durchführung eines Verfahrens einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/07/0069, mwN).

19 Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0333, mwN).

20 Die am stattgefundene Amtshandlung stellt eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dar, weil der Revisionswerber nur durch Intervention der beigezogenen Polizisten und der damit unmittelbar drohenden Anwendung physischen Zwangs davon abgehalten werden konnte, die Vermessung zu vereiteln.

21 § 75 Abs. 4 AWG 2002 setzt voraus, dass das Vorgehen der Behörde "zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes und darauf beruhender Verordnungen erforderlich ist". Zur Vollziehung dieses Bundesgesetzes zählt ohne Zweifel auch die Erlassung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 73 AWG 2002. Zur Beurteilung der Erlassung eines solchen Beseitigungsauftrages im Sinne der genannten Bestimmung war nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen die hier zu beurteilende Vermessung der Schüttungskubatur notwendig.

22 Der Revisionswerber bestreitet jedoch die Zuständigkeit der für den Vollzug des AWG 2002 zuständigen Behörde und behauptet unter Verweis auf den Bescheid des Landeshauptmannes für Steiermark vom die Zuständigkeit der Forstbehörde. Mit dem genannten Bescheid war einem Wiederaufnahmeantrag des Revisionswerbers in einem Verfahren betreffend einen Beseitigungsauftrag nach dem Abfallwirtschaftsgesetz Folge gegeben und der Bescheid der BH vom bezüglich der auferlegten Verpflichtung, die auf den Grundstücken Nr. 458, 465, 466, 467 und 469, je KG R., vorgenommenen Ablagerungen im Ausmaß von 30.000 m3 bestimmter Abfälle zu beseitigen, aufgehoben worden. Gleichzeitig war der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom ersatzlos aufgehoben worden.

23 In der Begründung des Bescheides vom war ausgeführt worden, dass die erwähnten Beseitigungsaufträge nach § 32 AWG 1990 hinsichtlich der Grundstücke Nr. 458, 465 und 469, KG R., im Widerspruch zu § 42 Abs. 2 (Anmerkung: gemeint wohl: § 42 Abs. 4) AWG 1990 stünden, weil die Beseitigungsmaßnahmen für diese Teilflächen, bei denen es sich um Waldflächen im Sinne des Forstgesetzes handle, nach dem Abfallrecht nicht hätten erlassen werden dürfen. Ferner war in der Bescheidbegründung dargelegt worden, dass die gegenständliche Ablagerung als Einheit anzusehen sei und die verbleibenden "Nichtwaldgrundstücke" Nr. 466 und 467 bezüglich der Ablagerung untrennbar seien.

24 Zu beachten ist, dass nach der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden - zu § 42 Abs. 4 AWG 1990 korrespondierenden - Bestimmung des § 73 Abs. 6 zweiter Satz AWG 2002 die Abs. 1 bis 3 des § 73 AWG 2002 für Waldflächen, die dem Forstgesetz, BGBl. Nr. 440/1975, unterliegen, nicht anzuwenden sind.

25 Bereits in seiner Maßnahmenbeschwerde hatte der Revisionswerber unter Hinweis auf den genannten Wiederaufnahmebescheid die fehlende Zuständigkeit der Abfallwirtschaftsbehörde behauptet und vorgebracht, nach diesem Bescheid sei der Beseitigungsauftrag nach § 32 AWG 1990 im Widerspruch zu § 42 Abs. 2 AWG 1990 gestanden, weil es sich hier um Forstflächen handle.

26 Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid - aufgrund der Abweisung der Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers - zwar im Ergebnis von der Zuständigkeit der AWG-Behörde zur Durchführung der Vermessung nach § 75 Abs. 4 AWG 2002 (zur Erlassung eines Beseitigungsauftrages nach § 73 AWG 2002) ausgegangen. Nähere Feststellungen zu der bereits in der Maßnahmenbeschwerde vom Revisionswerber behaupteten Unzuständigkeit der AWG-Behörde finden sich im angefochtenen Bescheid jedoch nicht.

27 Nun hatte die BH in ihrer zur Maßnahmenbeschwerde erstatteten Stellungnahme vom angemerkt, es sei in der Zwischenzeit mit Bescheid der BH vom forstrechtlich rechtskräftig festgestellt worden, dass es sich bei den in einem näher genannten Lageplan strichliert gekennzeichneten Teilen der Grundstücke Nr. 458, 465 und 469, KG R., welche sich im Eigentum des Revisionswerbers befänden, nicht um Wald im Sinne des § 1a Forstgesetz 1975 handle. Ferner war von der BH in der Stellungnahme vom ausgeführt worden, anhand der mittlerweile durchgeführten Vermessung der Schüttungskubatur lasse sich ersehen, dass es sich bei den betroffenen Grundstücken um die Grundstücke Nr. 458, 465, 468 und 469 handle, zumal der Revisionswerber am ein Feststellungsverfahren zwecks Feststellung der Abfalleigenschaft gemäß § 6 AWG 2002 der auf den genannten Grundstücken abgelagerten Materialien bei der BH beantragt und diesen Antrag später wieder bei der Berufungsbehörde zurückgezogen habe.

28 In seiner Replik zur genannten Stellungnahme der BH hatte der Revisionswerber allerdings lediglich von einer Nichtwaldfeststellung hinsichtlich des Grundstückes Nr. 465 gesprochen und betont, auch diese Nichtwaldfeststellung ändere nichts daran, dass Teile der Grundstücke Nr. 458 und 469 als Waldflächen verblieben seien, wobei der Grundsatz der Untrennbarkeit weiterhin aufrecht sei. Ferner verwies er ausdrücklich auf die Bestimmung § 73 Abs. 6 AWG 2002.

29 Abgesehen von dieser Replik des Revisionswerbers kann auch anhand der erwähnten Ausführungen der BH in ihrer Stellungnahme vom nicht zweifelsfrei beantwortet werden, ob nach Ansicht der BH sämtliche von den in Rede stehenden Ablagerungen betroffenen Flächen inzwischen als Nichtwald festgestellt wurden, verwies doch auch die BH (lediglich) auf die im Bescheid der BH vom erwähnten, "in einem näher genannten Lageplan strichliert gekennzeichneten Teile der Grundstücke Nr. 458, 465 und 469". In den dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakten liegt der Bescheid der BH vom nicht auf. Im Anschluss an die Verhandlungsschrift vom und die Replik des Revisionswerbers befindet sich im Akt ein Plan, der mit dem Vermerk "genehmigt nach Maßgabe des Bescheides vom (...)" versehen ist und auf dem strichliert Waldflächen eingezeichnet sind, die das Grst. Nr. 465, jedoch nur Teile der Grst. Nr. 458 und 469 - und das Grst. Nr. 468 überhaupt nicht - umfassen. Auch anhand dieses Planes kann nicht beurteilt werden, ob sich die hier gegenständlichen Ablagerungen (allenfalls teilweise) auf Wald- oder Nichtwaldflächen befinden.

30 Aufgrund der im angefochtenen Bescheid fehlenden Feststellungen zu der bereits in der Maßnahmenbeschwerde geltend gemachten Frage der Unzuständigkeit der eingeschrittenen AWG-Behörde kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass dem diesbezüglichen Revisionsvorbringen Berechtigung zukommt.

31 Auch die weiteren Ausführungen der BH in der Stellungnahme zur Maßnahmenbeschwerde, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , 2006/07/0105, bestätigt, dass es sich "bei den abgelagerten Materialien" um Abfall gemäß dem Altlastensanierungsgesetz handle, ändern an diesem relevanten Mangel des angefochtenen Bescheides nichts.

32 So steht nicht zweifelsfrei fest, ob es sich bei den erwähnten "abgelagerten Materialien" um die gesamten hier in Rede stehenden Materialien handelt. Vor allem aber wäre mit der genannten Feststellung, es handle sich um Abfall gemäß dem Altlastensanierungsgesetz, noch nicht die - im Hinblick auf § 73 Abs. 6 AWG entscheidende - Frage beantwortet, ob es sich bei den (bzw. allen) Flächen, auf denen die Materialien abgelagert sind, zu deren Vermessung die AWG-Behörde unter Berufung auf § 75 Abs. 4 AWG 2002 eingeschritten ist, um Nichtwaldflächen handelt. Unabhängig davon, ob man mit dem Revisionswerber von einer Einheit der gegenständlichen Ablagerungen ausgeht oder nicht, kann somit eine (zumindest teilweise) Unzuständigkeit der eingeschrittenen AWG-Behörde nicht ausgeschlossen werden.

33 Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit einem zu seiner Aufhebung führenden wesentlichen Feststellungs- und Begründungsmangel behaftet.

34 Auf das weitere Revisionsvorbringen war aus diesem Grund nicht mehr näher einzugehen.

35 Aus dem genannten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

36 Die vom Revisionswerber beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG entfallen.

37 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm §§ 3 und 4 VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am