zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 03.05.2017, Ko 2017/03/0001

VwGH vom 03.05.2017, Ko 2017/03/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über den Antrag der antragstellenden Parteien 1. Gemeinde K, 2. Gemeinde E,

3. Bürgerinitiative "N", 4. Bürgerinitiative "H", alle vertreten durch Concin & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6700 Bludenz, Mutterstraße 1a, auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und dem Verwaltungsgericht Wien betreffend eine Angelegenheit nach dem Starkstromwegegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Verwaltungsgericht Wien ist zur Entscheidung über die Beschwerde der antragstellenden Parteien gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft vom , Zl. BMWFW-556.050/0157-III/4a/2015, betreffend die Zurückweisung eines Antrags auf Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung im Zusammenhang mit einer Bewilligung nach dem Starkstromwegegesetz 1968 (StWG), zuständig.

Der entgegenstehende Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zlen VGW-101/020/3263/2016-1, VGW- 101/020/3264/2016, VGW-101/020/3265/2016, VGW-101/020/3266/2016, wird aufgehoben.

Das Land Wien hat den antragstellenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom wies - auf das Wesentliche zusammengefasst - der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft den Antrag der antragstellenden Parteien auf Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung nach den Bestimmungen der SUP-RL 2001/42/EG im Zusammenhang mit einer Bewilligung nach dem Starkstromwegegesetz 1968 (StWG) zurück.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde der antragstellenden Parteien wies das Verwaltungsgericht Wien mit Beschluss vom wegen Unzuständigkeit zurück (Spruchpunkt I.) und es leitete die Beschwerde gemäß § 6 AVG an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zuständigkeitshalber weiter (Spruchpunkt II.). Dieser Beschluss wurde nicht mit Revision angefochten.

3 Mit Beschluss vom wies auch das BVwG die Beschwerde wegen Unzuständigkeit zurück und erklärte die Revision für zulässig.

4 Die von den antragstellenden Parteien gegen den Beschluss des BVwG erhobene ordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ro 2016/04/0049, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG zurück.

5 Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vor allem Folgendes aus:

"Vorliegend hat das (BVwG) die Revision zugelassen, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in Beschwerdesachen nach dem StWG fehle. Dem schließt sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsausführung an.

Zu dieser Frage liegt bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor:

Im Erkenntnis vom , Ro 2016/04/0014 bis 0045, hat sich der Verwaltungsgerichtshof sowohl mit der sachlichen als auch mit der örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte im Bereich des StWG beschäftigt. Zur hier maßgeblichen Frage der sachlichen Zuständigkeit hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt (Rz. 17 bis 19):

‚6.2.1. Art. 131 B-VG sieht eine Aufteilung der (sachlichen) Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte in Form von Generalklauseln zugunsten der Landesverwaltungsgerichte (Abs. 1 und Abs. 6 leg. cit.) in Verbindung mit einer taxativen Aufzählung jener Angelegenheiten, über die die Verwaltungsgerichte des Bundes entscheiden (Abs. 2 und Abs. 3 leg. cit.), vor. Gemäß Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig 'in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden'. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes knüpft also daran an, dass eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung im Sinne des Art. 102 Abs. 2 B-VG erledigt wird ... Rechtssachen in Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, fallen nach der Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG zur Gänze in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte. Den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist zudem zu entnehmen, dass eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nicht besteht, wenn in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird, (ausnahmsweise) eine erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesministers vorgesehen ist (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 15 ...).

6.2.2. Das 'Starkstromwegerecht ist, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt' gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 10 B-VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Es handelt sich jedoch weder um eine in Art. 102 Abs. 2 B-VG genannte Angelegenheit noch um einen Anwendungsfall des Art. 102 Abs. 4 B-VG (vgl. wiederum RV 1618 BlgNR 24. GP, 15). Eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Vollziehung dieser Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung ist dem StWG nicht zu entnehmen. Vielmehr sieht dieses neben den erstinstanzlichen Ministerialzuständigkeiten die Möglichkeit der Delegation an die örtlich zuständigen Landeshauptmänner vor. Es ist daher - und nur darauf kommt es bei der Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit an - davon auszugehen, dass es sich beim Starkstromwegerecht um eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung handelt, in der ausnahmsweise erstinstanzliche Ministerialzuständigkeiten bestehen.

6.2.3. Für die vom Verwaltungsgericht Wien vertretene, nicht auf die 'Angelegenheit' als solche, sondern auf die einzelne Rechtssache abstellende Verteilung der sachlichen Zuständigkeit zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und den Landesverwaltungsgerichten findet sich in Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG kein Anhaltspunkt. Folgte man dieser Rechtsansicht würde es in den nach dem StWG geregelten Angelegenheiten zu einer zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und den Landesverwaltungsgerichten 'nach organisatorischen Kriterien geteilten Zuständigkeit in ein und derselben Angelegenheit' kommen. Eine solche geteilte Zuständigkeit wollte der Verfassungsgesetzgeber aber gerade vermeiden (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP 15).

Das Verwaltungsgericht Wien hat die sachliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte zu Unrecht verneint.'

Von dieser Rechtsprechung ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht seine Zuständigkeit in der vorliegenden Rechtssache nach dem StWG zu Recht verneint."

6 Mit dem vorliegenden Antrag streben die antragstellenden Parteien die Entscheidung des gegenständlichen negativen Kompetenzkonfliktes an. Der Verwaltungsgerichtshof habe im oben zitierten Verfahren zwar geklärt, dass das BVwG nicht zuständig sei. Nicht abschließend sei jedoch geklärt, ob das Verwaltungsgericht Wien seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint habe und somit zuständig sei.

7 Die beteiligten Verwaltungsgerichte legten die Verfahrensakten vor, gaben jedoch zum Antrag auf Entscheidung des Kompetenzkonfliktes keine Stellungnahmen ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Gemäß Art 133 Abs 1 Z 3 B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof (unter anderem) über Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten. Gemäß § 71 VwGG sind im Verfahren zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Verwaltungsgerichten die §§ 43 bis 46, 48, 49, 51 und 52 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 (VfGG) sinngemäß anzuwenden.

9 Der vorliegende Antrag auf Entscheidung des Kompetenzkonfliktes ist zulässig, da beide beteiligten Verwaltungsgerichte ihre Zuständigkeit mit Beschluss förmlich abgelehnt haben, die Revisionsfrist in Bezug auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien bereits (ungenützt) abgelaufen ist und auch das Revisionsverfahren gegen die Unzuständigkeitsentscheidung des BVwG abgeschlossen ist, ohne dass in diesem Verfahren die Zuständigkeit des BVwG rechtsverbindlich festgestellt worden wäre. Es liegt daher (nach wie vor) ein negativer Kompetenzkonflikt vor, der vom Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist.

10 In der Sache hat der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom , Ro 2016/04/0014 bis 0045, und in dem darauf Bezug nehmenden - in der gegenständlichen Angelegenheit ergangenen - Beschluss vom , Ro 2016/04/0049, zutreffend dargelegt, dass und aus welchen Gründen im vorliegenden Fall von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien auszugehen ist. Für die Lösung des Kompetenzkonfliktes reicht es daher, auf die oben wiedergegebene Begründung dieser Entscheidungen zu verweisen (§ 43 Abs 2 VwGG).

11 Es war daher die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde auszusprechen und der entgegenstehende Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom nach § 71 VwGG iVm § 51 VfGG aufzuheben.

12 Diese Entscheidung konnte gemäß § 71 VwGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden; die Kostenentscheidung gründet auf § 71 VwGG iVm § 52 VfGG und den §§ 47ff VwGG.

Wien, am