VwGH vom 28.06.2011, 2011/17/0044
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des Finanzamtes Spittal Villach in 9500 Villach, Meister-Friedrich-Straße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zl. RV/0371-K/10, betreffend Rückzahlung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld (mitbeteiligte Partei: S W, I), zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Beschwerde wird, soweit mit dem angefochtenen Bescheid der offene Rückzahlungsbetrag um die in den Jahren 2002 und 2003 der Kindesmutter gewährten Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld reduziert wurde, als unbegründet abgewiesen.
2. Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Festsetzung des offenen Rückzahlungsbetrages mit EUR 1.878,60 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom wurde die vom Mitbeteiligten als Kindesvater gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) - auf Grundlage seines Einkommens gemäß § 19 Abs. 1 KBGG - zu bezahlende Abgabe betreffend die an die Mutter seines unehelichen Kindes S O ausbezahlten Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeldgeld für das Jahr 2004 mit EUR 467,23 (gemäß § 19 Abs. 1 KBBG 3 % des Einkommens des Mitbeteiligten) und der offene Rückzahlungsbetrag für die Folgejahre mit EUR 3.564,40 festgesetzt. Der zuletzt genannte Betrag wurde derart ermittelt, dass von den an die Kindesmutter bis zum insgesamt ausbezahlten Zuschüssen zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von EUR 4.926,78, die bisher vorgeschriebenen Rückzahlungsbeträge in Höhe von EUR 895,14 und der für das Jahr 2004 festgesetzte Rückzahlungsbetrag in der Höhe von EUR 467,23 abgezogen wurden.
Über Berufung des Beschwerdeführers änderte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom unter teilweiser Stattgebung der Berufung dahin ab, dass der offene Rückzahlungsbetrag für die Folgejahre um EUR 836,28 (Zuschüsse des Jahres 2002) und EUR 2.211,90 (Zuschüsse des Jahres 2003) auf EUR 1.878,60 (Zuschüsse des Jahres 2004) reduziert wurde. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Kindesmutter habe unbestritten bis zum EUR 4.926,78 (2002: EUR 836,28, 2003: EUR 2.211,90 und 2004: EUR 1.878,60) an Zuschüssen zum Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt erhalten. Für die Jahre 2002 und 2003 wurde davon ausgegangen, dass einer Festsetzung von Rückzahlungsbeträgen die eingetretene Verjährung entgegenstehe. Weiters wurde ausgeführt, im Übrigen entspreche der erstinstanzliche Bescheid, mit dem der Mitbeteiligte verpflichtet worden sei, die der Kindesmutter bis Dezember 2004 ausbezahlten Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld (in Höhe von insgesamt EUR 1.878,60) im Ausmaß von jährlich EUR 467,23 zurückzuzahlen, der Rechtslage.
Mit Erkenntnis vom , G 184-195/10-7, hob der Verfassungsgerichtshof § 18 Abs. 1 Z 1 des KBGG, BGBl. I Nr. 103/2001, in seiner Stammfassung als verfassungswidrig auf (Spruchpunkt I.) und sprach in Spruchpunkt II. aus, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Gemäß Spruchpunkt III. treten frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof zusammengefasst aus, § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG verstoße zum einen deswegen gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz, weil auf die zivilrechtliche Unterhaltssituation zwischen den betroffenen Elternteilen und die gegenüber (anderen) Kindern bestehenden Unterhaltsverpflichtungen nicht hinreichend Bedacht genommen werde, zum anderen deswegen, weil die in § 16 KBGG normierte Informationspflicht nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise ausgestaltet sei.
Gegen die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Festsetzung des offenen Rückzahlungsbetrages für die Folgejahre richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Amtsbeschwerde des Finanzamtes Spittal Villach mit dem Antrag, diesen in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch - ebenso wie der Mitbeteiligte - auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 18 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2001, in der Stammfassung und §§ 19, 20 und 21 KBGG, die mit BGBl. I Nr. 76/2007, BGBl. I Nr. 34/2004 bzw. BGBl. I Nr. 24/2009 mit Wirkung vom rückwirkend novelliert wurden; vgl. § 49 Abs. 8 bzw. 18 KBGG, lauten auszugsweise wie folgt:
"Abschnitt 4
Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld Abgabepflichtige
§ 18. (1) Eine Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld haben zu leisten:
1. Der Elternteil des Kindes, wenn an den anderen Elternteil ein Zuschuss gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 ausbezahlt wurde.
2. Die Eltern des Kindes, wenn an einen der beiden Elternteile ein Zuschuss gemäß § 9 Abs. 1 Z 2, 3 oder 4 ausbezahlt wurde.
3. Der Elternteil des Kindes, der sich gemäß § 11 Abs. 3 zur Rückzahlung des Zuschusses verpflichtet hat.
(2) Leben die Eltern in den Fällen des Abs. 1 Z 2 im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs (§ 21) dauernd getrennt, so ist die Rückzahlung bei den Elternteilen insoweit zu erheben, als dies bei dem jeweiligen Elternteil billig ist. Dabei ist insbesondere auf die jeweiligen Einkommensverhältnisse der Elternteile sowie auf die Tragung der mit der Haushaltszugehörigkeit des Kindes verbundenen Lasten Bedacht zu nehmen.
(3) Die Rückzahlung ist eine Abgabe im Sinne des § 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961.
Höhe der Abgabe
§ 19. (1) Die Abgabe beträgt jährlich
1. in den Fällen des § 18 Abs. 1 Z 1 und 3 bei einem jährlichen Einkommen von
Tabelle in neuem Fenster öffnen
mehr als 14 000 EUR | 3% |
mehr als 18 000 EUR | 5% |
mehr als 22 000 EUR | 7% |
mehr als 27 000 EUR | 9% |
des Einkommens, | |
2. … |
(2) Als Einkommen für Zwecke der Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld gilt das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 zuzüglich steuerfreier Einkünfte im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a bis d EStG 1988 und Beträge nach den §§ 10 und 12 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden. Werden Gewinne nicht nach Führung ordnungsgemäßer Bücher und Aufzeichnungen, sondern nach Durchschnittssätzen (§ 17 EStG 1988) ermittelt, sind diese Einkünfte zu erhöhen. Die Erhöhung beträgt
1. bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft 40 vH des Einheitswertes des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens,
2. bei Einkünften aus Gewerbebetrieben 10 vH dieser Einkünfte.
§ 20. Die Abgabe ist im Ausmaß des Zuschusses, der für den jeweiligen Anspruchsfall ausbezahlt wurde, zu erheben.
Entstehung des Abgabenanspruchs
§ 21. Der Abgabenanspruch entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Einkommensgrenze gemäß § 19 erreicht wird, frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres der Geburt des Kindes, letztmals mit Ablauf des auf die Geburt des Kindes folgenden 7. Kalenderjahres."
Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.
Mit der vorliegenden Amtsbeschwerde erfolgte ausdrücklich nur eine Anfechtung im Umfang der Festsetzung des offenen Rückzahlungsbetrages für die Folgejahre. Der angefochtene Bescheid ist im Hinblick auf die Festsetzung der Abgabe betreffend die ausbezahlten Zuschüsse für das Jahr 2004 einerseits und die Festsetzung des offenen Rückzahlungsbetrages für die Folgejahre andererseits teilbar, sodass auf Grund der eingeschränkten Anfechtung durch die beschwerdeführende Amtspartei durch den Verwaltungsgerichtshof nur eine Überprüfung der Festsetzung des offenen Rückzahlungsbetrages für die Folgejahre zu erfolgen hat, obwohl grundsätzlich mit einer Amtsbeschwerde die objektive Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/15/0032 oder vom , Zl. 2003/09/0010).
Da der Verfassungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom , G 184-195/10-7, ausgesprochen hat, dass § 18 Abs. 1 Z 1 KBGG in der Stammfassung nicht mehr anzuwenden ist (dies gilt als Folge des Ausspruchs des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG auch im vorliegenden Fall), mangelt es der Festsetzung eines offenen Rückzahlungsbetrages für die Folgejahre mit dem angefochtenen Bescheid an einer Rechtsgrundlage.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher insoweit als (objektiv) inhaltlich rechtswidrig, sodass er betreffend die Festsetzung eines offenen Rückzahlungsbetrages für die Folgejahre in Höhe von EUR 1.878,60 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (siehe Spruchpunkt 2.).
Die im angefochtenen Bescheid (gegenüber dem Ausspruch im erstinstanzlichen Bescheid) vorgenommene Reduzierung des offenen Rückzahlungsbetrages für die Folgejahre erweist sich im Hinblick auf das Fehlen einer Rechtsgrundlage für eine Festsetzung eines Rückzahlungsbetrages auf Grund des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom als im Ergebnis richtig, sodass die Amtsbeschwerde insoweit abzuweisen war (siehe Spruchpunkt 1.).
Wien, am