VwGH vom 07.10.2013, 2011/17/0035
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des RF in P, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 22-24/4/9, gegen den Bescheid der Datenschutzkommission vom , Zl. K121.637/0009- DSK/2010, betreffend Anspruch auf Löschung nach dem Datenschutzgesetz 2000 (mitbeteiligte Partei: Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich in 3100 St. Pölten, Herrengasse 15), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom sprach diese aus, dass die Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers vom gegen die Sicherheitsdirektion Niederösterreich (kurz: SID NÖ) wegen Verletzung im Recht auf Löschung infolge teilweiser Ablehnung des Löschungsbegehrens vom (hinsichtlich der Daten eines näher bezeichneten Ermittlungsverfahrens in den "allgemeinen Protokollen" des Landespolizeikommandos für Niederösterreich und im Ermittlungsakt) abgewiesen werde.
Die belangte Behörde ging dabei davon aus, dass das der SID NÖ unterstehende Landeskriminalamt von Februar 2008 bis April 2009 Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts des Vergehens nach § 207a StGB (pornographische Darstellungen Minderjähriger) geführt habe. Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom sei der Beschwerdeführer von der auf Grundlage des Ermittlungsverfahrens erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO (Anmerkung: laut Urteilsbegründung mangels Schuldbeweises) freigesprochen worden.
Das Ermittlungsverfahren sei mithilfe des PAD-Systems dokumentiert worden, wobei sowohl Protokollierungs- und Aktenverwaltungsdaten ("äußere" PAD-Daten) als auch elektronisch dokumentierter Akteninhalt ("innere" PAD-Daten, z. B. die Niederschrift über die Beschuldigteneinvernahme des Beschwerdeführers und mehrere Berichte) verarbeitet und verwendet worden seien. Daneben bestehe ein mit weiterem Inhalt ergänzter Papierakt des Ermittlungsverfahrens ("Kopienakt") in Form eines Ringordners mit eingeheftetem Inhalt.
Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom verlangt, sämtliche zu seiner Person im Zusammenhang mit den genannten sicherheitsbehördlichen Erhebungen (automationsunterstützt oder nicht automationsunterstützt) verarbeiteten Daten, insbesondere im kriminalpolizeilichen Aktenindex (KPA), in den allgemeinen Protokollen und in den entsprechenden Erhebungsakten, zu löschen.
Die SID NÖ habe dieses Löschungsbegehren mit Mitteilung vom abgelehnt (gemeint: im verfahrensgegenständlichen Umfang, nämlich hinsichtlich der PAD-Daten und des Papieraktes).
In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde hinsichtlich des Papieraktes auf ihre langjährige Rechtsprechung zur Frage nicht besonders strukturierter und damit keine Dateiqualität aufweisender Papierakten. Da das Ermittlungsverfahren nichts ergeben habe, was einen Schluss auf eine besondere Dateiqualität des Ermittlungsaktes zulasse, komme dem Beschwerdeführer hier kein Löschungsrecht zu.
Bei den (äußeren wie inneren) PAD-Daten handle es sich um die Dokumentation von Amtshandlungen gemäß § 13 Abs. 2 des Sicherheitspolizeigesetzes (kurz: SPG) iVm § 27 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (kurz: DSG 2000).
Die §§ 51 ff SPG könnten im vorliegenden Fall keine Anwendung finden, da sie nur die Verwendung von Daten für sicherheitspolizeiliche Zwecke, nicht aber für kriminalpolizeiliche Zwecke, beträfen.
Da die Verarbeitung personenbezogener Daten über Personen, auf die sich sicherheitspolizeiliche Maßnahmen bezögen, nicht dem inneren Dienst zugerechnet werden könnten, soweit damit deren Rechtsposition gestaltet werde, sei im konkreten Fall auf die allgemeinen Grundsätze des § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 über die zulässige Speicherdauer von personenbezogenen Daten zurückzugreifen, wonach Daten nur solange in personenbezogener Form aufbewahrt werden dürften, als dies für die Erreichung der Zwecke, für die sie ermittelt worden seien, erforderlich sei. Eine längere Aufbewahrungsdauer könne sich aus besonderen gesetzlichen, insbesondere archivrechtlichen, Vorschriften ergeben. Sinngemäß Gleiches ergebe sich aus § 27 Abs. 3 DSG 2000.
Entscheidend sei, dass auch Verfahren, die zur Einstellung oder zum Freispruch geführt hätten, unter Umständen nach ihrem Abschluss wieder eröffnet werden könnten. Schon dies setze voraus, dass eine Dokumentation über den bisherigen Verfahrensverlauf in jedem Fall auch nach Verfahrensabschluss noch vorhanden sein müsse.
§ 75 StPO regle als Spezialbestimmung zu den allgemeinen Vorschriften des DSG 2000 die Frage der höchstzulässigen Löschungsfristen von automationsunterstützt für Zwecke (u. a.) kriminalpolizeilicher Ermittlungsverfahren verarbeiteten Daten. Da keine der in § 75 Abs. 2 und 3 StPO festgelegten Fristen bereits abgelaufen sei, sei das Löschungsbegehren des Beschwerdeführers auch hinsichtlich der in der StPO geregelten Aspekte der PAD-Dokumentation zu Recht abgelehnt worden, da ein weiterhin bestehendes öffentliches Interesse an der Dokumentation des Verfahrens zu berücksichtigen gewesen sei.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Auch die SID NÖ als mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Hinsichtlich der Darstellung der anzuwendenden Rechtslage kann auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0064, verwiesen werden; die Novelle BGBl. I Nr. 133/2009 hat in den hier relevanten Bestimmungen keine maßgebliche Änderung herbeigeführt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0266).
Der vorliegende Beschwerdefall gleicht sowohl hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers zum Löschungsbegehren als auch hinsichtlich des entscheidungswesentlichen Sachverhalts jenem, über den der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0064, zu entscheiden hatte. Auf dieses Erkenntnis kann daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden.
Vor diesem Hintergrund kann der Einschätzung der belangten Behörde, dass das Dokumentationsinteresse hinsichtlich der PAD-Daten das Interesse des Beschwerdeführers an deren Löschung überwiege, nicht entgegengetreten werden.
Auch die Heranziehung von § 75 StPO - dessen Absatz 3 vom Verfassungsgerichtshof geprüft und nicht als verfassungswidrig aufgehoben wurde - führt zu keinem anderen Ergebnis, da auch § 75 Abs. 3 StPO eine Interessenabwägung im Einzelfall zwischen dem Interesse des Betroffenen an der Löschung gegenüber den öffentlichen Interessen an der Weiterspeicherung verlangt (siehe Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 7/12).
Was die Dateiqualität eines "Kopienaktes" betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere in dem bereits erwähnten Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0064, im Anschluss an die dort angeführte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ausgesprochen, dass auch aus seiner Sicht kein Anlass besteht, von der Beurteilung abzugehen, dass ein "Kopienakt" im Allgemeinen nicht als Datei zu qualifizieren sei. Auch im vorliegenden Fall ist nichts hervorgekommen, was für eine derartige "Strukturierung" des gegenständlichen "Kopienaktes" spräche, dass eine andere Beurteilung geboten wäre (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/17/0248).
Soweit der Beschwerdeführer den geltend gemachten Anspruch auf Löschung auf verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte stützt, wird er auf den amtsbekannten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 226/11, verwiesen, mit dem die Behandlung der gegen den auch hier verfahrensgegenständlichen Bescheid erhobenen Beschwerde mangels Erforderlichkeit spezifisch verfassungsrechtlicher Überlegungen abgelehnt wurde.
Aus den dargelegten Erwägungen folgt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus Eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am