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VwGH vom 28.06.2011, 2011/17/0031

VwGH vom 28.06.2011, 2011/17/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der Gemeinde L, vertreten durch Estermann Partner KG, Rechtsanwälte in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(Gem)-525081/1-2010- Be/Wm, betreffend Einwendungen gegen einen Rückstandsausweis (mitbeteiligte Partei: AV in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Aus der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde und dem in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Die beschwerdeführende Gemeinde schloss im Jahre 2002 mit einem Eigentümer eines Grundstücks im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde eine zivilrechtliche Vereinbarung betreffend die Festlegung der Anschlussbedingungen für den Anschluss eines sogenannten Hüttendorfes an die Ortskanalisation und an die gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage. Gemäß Punkt 1. dieser Vereinbarung waren "für den Anschluss des Hüttendorfs R an das gemeindeeigene öffentliche Kanalnetz und an die gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage" Anschlussgebühren zu erheben. Gemäß Punkt 2. wurden die Anschlussgebühren je Badehütte mit einem pauschalen Betrag festgelegt. Punkt 4. der Vereinbarung regelte die Höhe der Kanalbenützungsgebühr und der Wasserbenützungsgebühr.

1.2. Der Vertragspartner der beschwerdeführenden Gemeinde entrichtete die ersten beiden vereinbarten Raten der Anschlussgebühren, nicht jedoch die dritte Rate. Nachdem die dritte Rate von der Gemeinde nochmals in Rechnung gestellt und eingemahnt wurde, stellte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde am einen Rückstandsausweis betreffend die offene Restzahlung in der Höhe von insgesamt EUR 27.101,72 aus. Mit Beschluss vom bewilligte das Bezirksgericht M als Exekutionsgericht die Fahrnisexekution. Mit Beschluss vom wurde die Fahrnisexekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rückstandsausweis auf Antrag des Grundstückseigentümers aufgeschoben.

1.3. Der Grundstückseigentümer hatte am den Antrag auf Aufhebung des Rückstandsausweises gestellt. Er berief sich darauf, dass eine privatrechtliche Vereinbarung hinsichtlich des Kanalbaus bestehe und daher kein Rückstandsausweis ausgestellt werden könne.

Nachdem über diesen Antrag nicht entschieden wurde, stellte der Grundstückseigentümer am einen Devolutionsantrag. Mit Bescheid vom wies der Gemeinderat diesen Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass nach den Gebührenordnungen der beschwerdeführenden Gemeinde für Wasser und Kanal die Anschlussgebühr für das Hüttendorf R bei bescheidmäßiger Vorschreibung um EUR 831,58 teurer gewesen wäre als in der getroffenen Vereinbarung aus dem Jahre 2002. 1.4. Der Grundstückseigentümer erhob Vorstellung. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung des Grundstückseigentümers statt und hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften aus, dass als Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen gemäß § 4 AbgEO die über Abgaben ausgestellten Rückstandsausweise in Betracht kämen. Als Grundlage für die Einbringung sei nach § 176 Oö LAO 1996 über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschulden ein Rückstandsausweis auszufertigen.

Die Erlassung eines Rückstandsausweises setze ein gegen den Abgabenschuldner wirkendes Leistungsgebot in Form eines Titelbescheides voraus, sodass dem Vorbringen des Grundstückseigentümers beizupflichten sei, wonach es im vorliegenden Fall an einer der Rechtskraft und damit der Vollstreckbarkeit fähigen Abgabenschuld mangle. Sowohl der im Zeitpunkt der Ausstellung des Rückstandsausweises einschlägige

§ 176 Oö LAO 1996 als auch der seit maßgebliche

§ 229 BAO beschränke die Zuständigkeit der Abgabenbehörde zur

Ausstellung eines Rückstandsausweises ausschließlich auf jene Fälle, in denen eine vollstreckbare Abgabenschuldigkeit vorliege. Vollstreckbar seien nach § 226 BAO und § 174 Oö LAO 1996 jene Abgabenschulden, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet worden seien. Da es im vorliegenden Fall an einer Rechtsgrundlage zur Ausstellung eines Rückstandsausweises gefehlt habe, habe der Gemeinderat als Abgabenbehörde erster Instanz durch die Abweisung des Antrages nach § 15 Abs. 2 AbgEO seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gemeinde zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , B 1384/10-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab. Mit weiterem Beschluss vom , B 1384/10-5, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

1.6. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die mit Ablauf des außer Kraft getretenen (vgl. § 17 Abs. 3d F-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2007 und des Landesgesetzes, mit dem allgemeine Bestimmungen hinsichtlich der vom Land Oberösterreich und den oö. Gemeinden verwalteten Abgaben erlassen werden (Oö. Abgabengesetz - Oö. AbgG), LGBl 2009/102) §§ 174 und 176 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 107/1996, lauteten:

"Vollstreckbarkeit

§ 174

Abgabenschulden, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, sind in dem von der Abgabenbehörde festgesetzten Ausmaß vollstreckbar; solang die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete und der Abgabenbehörde bekanntgegebene Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt."

"4. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen über die Einbringung und Sicherstellung

1. Rückstandsausweis

§ 176

Als Grundlage für die Einbringung ist über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschulden ein Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschulden, und den Vermerk zu enthalten, daß die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das abgabenbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren."

Die seit auch im Verfahren vor den Abgabenbehörden der Gemeinden anwendbaren §§ 226 und 229 Bundesabgabenordnung (BAO) lauten:

"C. Vollstreckbarkeit .

§ 226. Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, sind in dem von der Abgabenbehörde festgesetzten Ausmaß vollstreckbar; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete und der Abgabenbehörde bekanntgegebene Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt."

"D. Allgemeine Bestimmungen über die Einbringung und Sicherstellung.

1. Rückstandsausweis.

§ 229. Als Grundlage für die Einbringung ist über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, daß die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren."

Gemäß § 323a Abs. 1 BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2009 ist die BAO in der Fassung des genannten Bundesgesetzes am in Kraft getreten. Eine ausdrückliche Übergangsvorschrift bezüglich (nach landesrechtlichen Verfahrensbestimmungen vor dem erlassenen) Rückstandsausweisen und ihrer Bekämpfung enthält § 323a Abs. 1 Z 1 bis 7 BAO nicht.

2.2. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag des Grundstückseigentümers auf Aufhebung des Rückstandsausweises (am ) hatte die Gemeindebehörde bereits die Vorschriften der BAO anzuwenden. Mangels ausdrücklicher Übergangsvorschrift war der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Erlassung des Rückstandsausweises die Rechtslage im Zeitpunkt dieser Entscheidung zu Grunde zu legen. Dies deshalb, weil eine Nichtstattgebung die Aufrechterhaltung des Rückstandsausweises bedeutete, eine solche aber nur in Betracht kam, wenn der Rückstandsausweis auch im Zeitpunkt der Entscheidung der Gemeindebehörde der Rechtslage entsprach (zur Bekämpfung von Rückstandsausweisen vgl. allgemein die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/17/0454, und die dort zitierten Belegstellen bei Stoll, BAO, Kommentar, sowie vom , Zl. 2002/17/0063, und vom , Zl. 2002/16/0048).

Gemäß dem oben wieder gegebenen § 229 BAO setzt die Ausstellung eines Rückstandsausweises das Vorliegen einer vollstreckbar gewordenen Abgabenschuld voraus (vgl. auch in diesem Zusammenhang das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0454). Wie die belangte Behörde richtig aufgezeigt hat, lag eine solche vollstreckbare Abgabenschuld weder im Zeitpunkt der Ausstellung des Rückstandsausweises noch im Zeitpunkt der Abweisung des Antrags des Grundstückseigentümers auf Aufhebung des Rückstandsausweises vor (im Übrigen kam die Erlassung eines Rückstandsausweises auch im Zeitpunkt von dessen Erlassung durch den Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde im Jahre 2007 nach der OÖ LAO ebenfalls nur bei Vorliegen einer vollstreckbaren Abgabenschuld in Betracht).

Eine bescheidmäßige Vorschreibung der Abgabe war jedoch nicht erfolgt, sodass keine fällige Abgabenschuld vorlag, die vollstreckbar hätte werden können.

Die Abweisung des Aufhebungsantrages durch die Gemeindebehörden verletzte den Grundeigentümer daher in seinen Rechten, sodass die belangte Behörde den mit Vorstellung bekämpften Gemeindebescheid zu Recht behob und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwies.

2.3. Entgegen den Beschwerdeausführungen kommt dem Abgabepflichtigen sehr wohl ein subjektives Recht darauf zu, dass ein Rückstandsausweis nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ausgestellt wird.

Dass in der Vorstellung allenfalls ein überschießender Antrag gestellt wurde, ist im Beschwerdefall nicht ausschlaggebend, zumal die belangte Behörde sich im angefochtenen Vorstellungsbescheid darauf beschränkt hat, den den Vorstellungswerber in seinen Rechten verletzenden Gemeindebescheid aufzuheben und die Sache an die Gemeinde zur neuerlichen Entscheidung zu verweisen. Eine Verletzung der Rechte der beschwerdeführenden Gemeinde liegt insofern nicht vor.

2.4. Wenn sich die beschwerdeführende Gemeinde für ihren Standpunkt auf ihre Kanal- und Wassergebührenordnung vom beruft, ist sie darauf zu verweisen, dass der Umstand, dass eine Abgabe allenfalls hätte vorgeschrieben werden können, nicht ausreicht, einen Rückstandsausweis auszustellen. Die Ausstellung des Rückstandsausweises hätte die Vorschreibung einer Abgabe vorausgesetzt. Da eine solche unterblieben ist, war die Ausstellung des Rückstandsausweises ohne Rechtsgrundlage. Eine Fälligkeit einer Abgabenschuld ist nicht eingetreten. Insbesondere kann eine allfällige zivilrechtliche Verpflichtung des Grundeigentümers nicht im Wege der Abgabenexekution durchgesetzt werden.

In gleicher Weise gehen die Beschwerdeausführungen zu den §§ 226 und 229 BAO fehl. Die beschwerdeführende Gemeinde übersieht auch hiebei, dass eine zivilrechtliche Verpflichtung keine Abgabenschuld im Sinne der BAO ist und daher eine Anwendung der genannten Bestimmungen im Beschwerdefall ausschied.

2.5. Aus den oben dargelegten Gründen trifft auch der Vorwurf der Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zu, weil der Umstand, dass ein Abgabenbescheid eine Grundlage hätte, nicht die tatsächliche Erlassung eines solchen Bescheides ersetzt. Ob die zivilrechtliche Verpflichtung vom Grundstückseigentümer nur eingegangen wurde, weil ihm bewusst war, dass er ansonsten die Abgabe hätte entrichten müssen, ist dabei nicht von Belang. Da die Organe der beschwerdeführenden Gemeinde keine bescheidmäßige Vorschreibung vorgenommen haben, war die belangte Behörde auch nicht gehalten, auf eine allfällige Grundlage einer solchen Vorschreibung einzugehen.

2.6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am