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VwGH 28.03.2011, 2011/17/0015

VwGH 28.03.2011, 2011/17/0015

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Einerseits sieht § 38 AVG eine Aussetzung von Verwaltungsverfahren wegen Anhängigkeit eines Verfahrens über die gleiche oder eine ähnliche Rechtsfrage vor einem Gericht nicht vor und andererseits ist auch bei einer Aussetzung von (Berufungs-)Verfahren gemäß § 281 Abs. 1 BAO, der einen solchen Aussetzungstatbestand enthält, zu beachten, dass die betroffenen Parteien gegebenenfalls um die Anlassfallwirkung einer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof gebracht werden, wenn der Verfassungsgerichtshof im Fall der Aufhebung der präjudiziellen Bestimmung keinen Ausspruch über die Ausdehnung der Anlassfallwirkung tätigt. Einer derartigen Aussetzung können daher "überwiegende Interessen der Partei" entgegenstehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/17/0067, und vom , Zl. 99/16/0104). Dies gilt selbst dann, wenn Identität der betroffenen Parteien gegeben ist. Ohne Erstreckung der Anlassfallwirkung durch den Verfassungsgerichtshof kommt einer Aufhebung einer generellen Norm nur Wirkung im Anlassfall zu.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2011/17/0016

2011/17/0018

2011/17/0017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerden der Marktgemeinde Eibiswald, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung jeweils vom , 1. Zl. FA7A-481- 439/2007-3, 2. Zl. FA7A-481-438/2007-3, 3. Zl. FA7A-481-423/2006- 12, und 4. Zl. FA7A-481-422/2006-12, betreffend Kanalbenützungsgebühr für die Jahre 2005 und 2006 (mitbeteiligte Parteien: zu 1. und 3. J und MR, zu 2. und 4. JR, in E), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Aus den Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof und den über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes nach Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof ergänzten Beschwerden sowie den jeweils vorgelegten angefochtenen Bescheiden ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Verfahren zu den Zlen. 2011/17/0015 und 0016:

Mit erstinstanzlichen Bescheiden der Bürgermeisterin der beschwerdeführenden Marktgemeinde wurde den mitbeteiligten Parteien in diesen Verfahren jeweils Kanalbenützungsgebühr für eine konkrete Liegenschaft im Gebiet der beschwerdeführenden Marktgemeinde für das Jahr 2006 gemäß dem (Stmk) Kanalabgabengesetz 1955, LGBl. Nr. 71/1955 in der geltenden Fassung, sowie der Kanalabgabenordnung der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom und vom bzw. vorgeschrieben. Die Berufungen der mitbeteiligten Parteien wurden mit Bescheiden des Gemeinderats der beschwerdeführenden Marktgemeinde jeweils vom als unbegründet abgewiesen.

Die mitbeteiligten Parteien erhoben Vorstellung. Die Vorstellungsbehörde setzte die Verfahren "betreffend die Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr für die Liegenschaft xy für den Zeitraum bis " bis zur Entscheidung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der Kanalabgabenordnungen der beschwerdeführenden Marktgemeinde "in der Fassung vom und " unter Berufung auf § 38 AVG aus. Das dabei bezogene Verfahren zu den Zlen. V 323-326/08-11 war von Amts wegen aus Anlass von Beschwerden der mitbeteiligten Parteien in Abgabenverfahren betreffend das Jahr 2005, die den Beschwerden zu den Zlen. 2011/17/0017 und 2011/17/0018 zu Grunde liegen (siehe 1.2.), eingeleitet worden.

Die Frage, ob die Kanalabgabenordnung vom gültig beschlossen worden sei, sei eine Vorfrage im Vorstellungsverfahren, über die auf Grund einer anhängigen Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof zu entscheiden sei.

Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom , V 323-326/08-11, die Kanalabgabenordnung der beschwerdeführenden Marktgemeinde Eibiswald "in der Fassung des Beschlusses vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis " und die "Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Eibiswald, in der Fassung des Beschlusses vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis ", als gesetzwidrig auf. Einen Ausspruch über die Ausdehnung der Anlassfallwirkung gemäß Art. 139 Abs. 6 zweiter Satz B-VG enthält das Erkenntnis nicht.

Mit Bescheiden der belangten Behörde als Aufsichtsbehörde jeweils vom , Zl. FA7A-481-439/2007-2 bzw. FA7A-481- 438/2007-2, wurde sodann der jeweilige mit Vorstellung bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde verwiesen. Begründet wurden diese Aufhebungen ausschließlich mit dem Hinweis auf die Aufhebung der Verordnung des Gemeinderats der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom in der Fassung des Beschlusses vom .

Die Vorstellungswerber seien daher durch den jeweils mit Vorstellung bekämpften Bescheid wegen Anwendung von gesetzwidrigen Verordnungen (die Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Eibiswald in der Fassung des Beschlusses vom und die Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Eibiswald in der Fassung des Beschlusses vom ) in ihren Rechten verletzt worden.

Dieser Bescheid blieb jeweils unbekämpft.

Mit zwei Bescheiden des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde jeweils vom , GZ 227-851-2009 bzw. GZ 229- 851-2009, wurde den Berufungen der mitbeteiligten Parteien sodann stattgegeben und der Abgabenbescheid dahingehend abgeändert, dass nunmehr auf Grundlage der Kanalabgabenordnung der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom in der Fassung vom bzw. der Verordnung vom die Kanalbenützungsgebühr für die jeweilige Liegenschaft für das Jahr 2006 mit einem einheitlichen Gesamtbetrag festgesetzt wurde und dabei für den Zeitraum bis bzw. bis auf Grund verschiedener Rechtsgrundlagen die Berechnung durch Aliquotierung des festgestellten Verbrauchs und Anwendung des jeweiligen Gebührensatzes vorgenommen wurde. Diese Vorschreibung stützte die Gemeindebehörde für den Zeitraum bis zum wegen der Aufhebung der Verordnung aus dem Jahre 2004 auf die Verordnung des Gemeinderates vom (wirksam ab ), weil die danach (zwischen 1999 und 2004) beschlossenen Verordnungen den Anwendungsbereich ausdrücklich befristet für das jeweilige Jahr umschrieben hätten. Für den Zeitraum vom bis wurde die Verordnung des Gemeinderats vom angewendet.

Auf Grund der Vorstellungen der mitbeteiligten Parteien ergingen die nunmehr angefochtenen Bescheide, mit welchen den Vorstellungen Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben wurden.

Begründend führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden - ohne auf die Frage der Anwendbarkeit der Verordnung aus dem Jahre 1989 in der Fassung vom nach der Aufhebung der späteren Verordnungen aus dem Jahre 2004 durch den Verfassungsgerichtshof einzugehen - unter Hinweis auf § 56 Abs. 4 Stmk. Gemeindeordnung 1967 idgF aus, dass Beschlüsse des Gemeinderats nur über Verhandlungsgegenstände gefasst werden könnten, die in der Tagesordnung aufschienen oder die im Wege eines Dringlichkeitsantrages in die Tagesordnung aufgenommen worden seien. Aus der Einladung zur Gemeinderatssitzung vom sei ersichtlich, dass betreffend die Änderung der Kanalabgabenordnung kein eigener Tagesordnungspunkt vorgesehen gewesen sei. Aus dem Auszug aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich, dass die Änderung der Kanalabgabenordnung auch nicht im Wege eines Dringlichkeitsantrages in die Tagesordnung aufgenommen worden sei. Aus Punkt 3.) "Beschlussfassung über den Haushaltsvoranschlag für das Wirtschaftsjahr 2000" sei ersichtlich, dass der Gemeinderat beabsichtigt habe, die Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2000 mit ATS 25,80 exkl. MWSt. zu beschließen. Nach Diskussion über diesen Tagesordnungspunkt habe der Gemeinderat der Marktgemeinde mehrheitlich "den Voranschlag 2000 in all seinen Ansätzen" beschlossen. Von bis sei an der Amtstafel der Marktgemeinde Eibiswald öffentlich kundgemacht worden, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung vom unter Punkt 3.) der Tagesordnung gemäß § 6 und § 7 des Kanalabgabengesetzes 1955 beschlossen habe, die Kanalbenützungsgebühr mit ATS 25,80 pro Kubikmeter zu erheben. Mit dieser Vorgangsweise habe der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde jedoch gegen den oben zitierten § 56 Abs. 4 Stmk GemO 1967 verstoßen. Dadurch, dass die Änderung der Kanalabgabenordnung nicht in der Tagesordnung als eigener Punkt aufgeschienen sei und - wie aus dem Auszug aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich sei - auch nicht durch einen Dringlichkeitsantrag in die Tagesordnung aufgenommen worden sei, hätte der Gemeinderat eine Änderung der Kanalabgabenordnung - und somit auch die gegenständliche Erhöhung der Kanalbenützungsgebühr -

nicht ordnungsgemäß beschließen dürfen. Der Gemeinderat habe zwar unter dem Tagesordnungspunkt 3.) den Voranschlag 2000 beschlossen, nicht jedoch eine Änderung der Kanalabgabenordnung.

Da gegenüber den mitbeteiligten Parteien die Kanalbenützungsgebühr für den Zeitraum bis mit ATS 25,80 pro Kubikmeter exkl. MWSt. festgesetzt worden sei, diese Höhe jedoch nicht ordnungsgemäß im Gemeinderat beschlossen worden sei, sei der bescheidmäßigen Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr in diesem Ausmaß keine Rechtsgrundlage zu Grunde gelegen.

Die von den mitbeteiligten Parteien behauptete Rechtsverletzung liege daher vor, weshalb - ohne auf die weiteren Vorstellungsargumente eingehen zu müssen - die mit Vorstellung bekämpften Bescheide aufzuheben gewesen seien.

1.2. Verfahren zu den Zlen. 2011/17/0017 und 2011/17/0018:

In den zu den Zlen. 2011/17/0017 bzw. 2011/17/0018 protokollierten Beschwerdefällen sind Abgabenvorschreibungen gegenüber denselben mitbeteiligten Parteien wie in den Verfahren zu den Zlen. 2011/17/0015 und 2011/17/0016 für das Jahr 2005 gegenständlich. Die Vorschreibungen stützten sich ebenfalls auf die Kanalabgabenordnung der beschwerdeführenden Marktgemeinde in der Fassung des Beschlusses vom und vom .

Es wurde zunächst mit Bescheiden der belangten Behörde als Aufsichtsbehörde vom , Zlen. FA7A-481-423/2006-1 bzw. FA7A-481-422/2006-1, den Vorstellungen der mitbeteiligten Parteien keine Folge gegeben.

Diese Bescheide wurden mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft und von diesem mit Erkenntnis vom , B 471/07-10 und B 472/07-10, nach Aufhebung der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Eibiswald in der Fassung des Beschlusses vom und der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Eibiswald in der Fassung des Beschlusses vom mit dem Erkenntnis ebenfalls vom , V 323-326/08, aufgehoben.

Mit Ersatzbescheiden der belangten Behörde je vom wurden sodann die letztinstanzlichen Gemeindebescheide aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde verwiesen. Begründend wurde auch hier ausgeführt, dass die Vorstellungswerber durch den angefochtenen Gemeinderatsbescheid wegen Anwendung von gesetzwidrigen Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden seien.

Mit Gemeinderatsbescheiden jeweils vom , GZ 228- 851-2009 bzw. GZ 230-851-2009, wurde den Berufungen stattgegeben und der jeweilige angefochtene erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, dass nunmehr auf der Grundlage der Kanalabgabenordnung der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom in der Fassung vom die Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2005 unter Zugrundelegung eines Einheitssatzes von ATS 25,80 vorgeschrieben werde.

Auf Grund der Vorstellungen der mitbeteiligten Parteien ergingen die zur Zl. 2011/17/0017 und Zl. 2011/17/0018 angefochtenen Bescheide, mit denen der Vorstellung Folge gegeben wird und die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden. Begründend wird auch in diesen Bescheiden auf § 56 Abs. 4 Stmk Gemeindeordnung 1967 idgF hingewiesen und mit ähnlicher Begründung wie in den beiden anderen Verfahren dargelegt, dass der angewendete Einheitssatz in der Höhe von ATS 25,80 pro Kubikmeter exkl. MWSt. nicht ordnungsgemäß im Gemeinderat beschlossen worden sei.

1.3. Gegen die unter 1.1. und 1.2. genannten Vorstellungsbescheide erhob die beschwerdeführende Marktgemeinde zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , B 1407/09-14, B 1419/09-13, B 1420/09-13 und B 1421/09-13, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerden ab.

Begründend führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus:

"Die vorliegenden Beschwerden rügen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen. Die Verordnungsbestimmungen aus 1999, denen durch spätere Verordnungen derogiert wurde, stehen nach der Aufhebung einer Folgeverordnung aus 2006 durch den Verfassungsgerichtshof nicht mehr in Geltung (vgl. dazu zB VfSlg. 12.560/1990 und 16.674/2002)."

Darüber hinaus wies der Verfassungsgerichtshof abschließend darauf hin, dass die §§ 54 Abs. 3 und 60 Abs. 1 Z 7 Stmk. Gemeindeordnung 1967, LGBl. 115/1967, wonach "Gegenstände, die nicht auf der Tagesordnung stehen, nur dann behandelt werden (können), wenn der Gemeinderat hiezu seine Zustimmung gibt" und die Verhandlungsschrift "alle in der Sitzung gestellten Anträge und die gefassten Beschlüsse nach ihrem Wortlaut unter Anführung des Abstimmungsergebnisses" zu enthalten habe, wobei "bei Mehrheitsbeschlüssen … die Gegenstimmen (Stimmenthaltungen) namentlich anzuführen" seien, keinen Bedenken begegneten.

1.4. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird jeweils die Auffassung der belangten Behörde bekämpft, dass keine ordnungsgemäße Beschlussfassung über die Einhebung der Kanalbenützungsgebühr in den Verordnungen aus dem Jahre 1989 bzw. 1999 vorliege.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß Art. 139 Abs. 6 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden, wenn eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden ist. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausgesprochen hat. Anders als in Art. 140 B-VG (für die Aufhebung von Gesetzen) enthält Art. 139 Abs. 6 B-VG für den Fall der Aufhebung einer Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof keine Vorschrift über ein Wiederinkrafttreten früherer Verordnungen.

2.2. Die von den Gemeindebehörden in allen Beschwerdefällen (auch in den Verfahren, die den Beschwerden zu den Zlen. 2011/17/0015 und 2011/17/0016 zu Grunde liegen, wenngleich dort nur für den Monat Jänner 2006) nach Aufhebung der Verordnung aus dem Jahre 2004 angewendeten Verordnungen aus den Jahren 1989 und 1999 sind daher auch nach der Aufhebung der späteren Verordnungen aus dem Jahre 2004 nicht wieder in Kraft getreten (vgl. in diesem Sinn auch den oben zitierten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes, wenngleich in diesem offenbar irrtümlich auf die Aufhebung einer Verordnung aus dem Jahre 2006 rekurriert wird).

Die Gemeindebehörden haben sich somit hinsichtlich des Abgabenzeitraums 2005 und des Zeitraums vom bis von vornherein auf eine Rechtsgrundlage gestützt, die nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.

2.3. Auf die zwischen den Verfahrensparteien strittige Frage, ob die Verordnungen aus dem Jahre 1989 bzw. 1999 in rechtlich wirksamer Form die Kanalbenützungsgebühr vorgesehen haben, ist daher im Beschwerdefall nicht näher einzugehen. Eine Anwendung dieser Verordnungen kommt in keinem Falle in Betracht.

2.4. Daraus folgt, dass die Aufhebung der das Jahr 2005 betreffenden Gemeindebescheide in den Verfahren zu den Zlen. 2011/17/0017 und 2011/17/0018 jedenfalls die beschwerdeführende Gemeinde nicht in ihren Rechten verletzt.

2.5. Hinsichtlich der zu den Zlen. 2011/17/0015 und 2011/17/0016 angefochtenen Bescheide ist jedoch zu prüfen, welche Wirkung die Aufhebung der Gemeindebescheide (zur Gänze) in diesen Verfahren hat. Die beschwerdeführende Gemeinde hat ein Recht darauf, dass ihr keine rechtswidrige Rechtsauffassung für das fortgesetzte Verfahren überbunden wird.

In diesem Zusammenhang ergibt sich jedoch, dass die belangte Behörde in beiden Verfahren die Abgabenvorschreibung für das (gesamte) Jahr 2006 "schon deshalb" aufgehoben hat, weil die Gemeindebehörden für den Monat Jänner eine nicht anwendbare Rechtslage zu Grunde gelegt hätten. Da diese Auffassung nach dem Vorgesagten zutreffend ist, entsprach auch diese Aufhebung des jeweiligen Gemeindebescheids (da dieser die Abgabe in einem einzigen Betrag für das Jahr 2006 vorschrieb) jedenfalls dem Gesetz.

Eine Aussage über die Berechnung der Abgabe im Zeitraum vom bis enthält der in diesen Verfahren angefochtene Bescheid nicht (vgl. insbesondere den Hinweis, der Abgabenvorschreibung sei "in diesem Ausmaß", nämlich für Jänner 2006, keine Rechtsgrundlage zu Grunde gelegen, und auf das übrige Vorbringen nicht mehr einzugehen gewesen). Dem Bescheid kommt daher keine über die Aussage, dass die für den Monat Jänner angewendete Verordnung nicht anwendbar gewesen sei, hinaus gehende Bindungswirkung zu.

2.6. Die beschwerdeführende Marktgemeinde wurde somit durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt.

2.7. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

2.8. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zu der Bemerkung veranlasst, dass einerseits § 38 AVG eine Aussetzung von Verwaltungsverfahren wegen Anhängigkeit eines Verfahrens über die gleiche oder eine ähnliche Rechtsfrage vor einem Gericht nicht vorsieht und andererseits auch bei einer Aussetzung von (Berufungs-)Verfahren gemäß § 281 Abs. 1 BAO, der einen solchen Aussetzungstatbestand enthält, zu beachten ist, dass die betroffenen Parteien gegebenenfalls um die Anlassfallwirkung einer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof gebracht werden, wenn der Verfassungsgerichtshof im Fall der Aufhebung der präjudiziellen Bestimmung keinen Ausspruch über die Ausdehnung der Anlassfallwirkung tätigt. Einer derartigen Aussetzung können daher "überwiegende Interessen der Partei" entgegenstehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/17/0067, und vom , Zl. 99/16/0104). Dies gilt selbst dann, wenn wie in den vorliegenden Beschwerdefällen Identität der betroffenen Parteien gegeben ist. Ohne Erstreckung der Anlassfallwirkung durch den Verfassungsgerichtshof kommt einer Aufhebung einer generellen Norm nur Wirkung im Anlassfall zu.

Wien, am

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ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2011170015.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAE-90454