VwGH 22.10.2008, 2007/06/0092
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | BauO Tir 2001 §6 Abs9; BauRallg; |
RS 1 | Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass ein Bauvorhaben durch seine Lage und Größe definiert wird und Einzelfälle denkbar sind, bei denen durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerks nicht vom Vorliegen eines rechtlichen aliud auszugehen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0152, und die dort angeführte Vorjudikatur). In seinem Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0130, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass es bei der Qualifikation, ob ein anderes (neues) Bauvorhaben vorliegt, ausschließlich auf die Unterschiede bzw. Identität zwischen dem ursprünglich bewilligten und dem beantragten Projekt ankommt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde 1. der Dr. H S und 2. des T S, beide in B, beide vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve1-8-1/106-6, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. S W in B 2. C W in B 3. E H in B, 4. H H K, 5. Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom , eingelangt bei der Gemeinde B am , beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für den Umbau der "alten Sensenschmiede" in eine Arztpraxis, Konstruktionsbüro und einen Wohnbereich auf dem Grundstück 1286, KG B. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom wurde dieses Baugesuch abgewiesen, weil eine dem Verwendungszweck entsprechende rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche fehle.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom wurde die Berufung der Bauwerber als unbegründet zurückgewiesen (gemeint wohl: abgewiesen), auf Grund der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom den Bescheid des Gemeindevorstandes aufgehoben und näher begründet dargelegt, dass eine dem Verwendungszweck entsprechende rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche vorliege.
Im fortgesetzten Verfahren hat der Gemeindevorstand mit Bescheid vom die Baubewilligung unter Vorschreibung verschiedener Auflagen erteilt.
Auf Grund der dagegen erhobenen Vorstellung der Erst- bis Viertmitbeteiligten hat die belangte Behörde mit Bescheid vom den Bescheid des Gemeindevorstandes aufgehoben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Mitbeteiligten seien Eigentümer des unmittelbar an den Bauplatz angrenzenden Grundstückes 144, KG B. Sie seien berechtigt, Einwendungen im Sinne des § 25 Abs. 3 TBO 2001 zu erheben. Anlässlich der mündlichen Bauverhandlung vom hätten die Nachbarn Einwendungen in Bezug auf die Verletzung von Abstandsbestimmungen sowie dahingehend, dass kein brandschutztechnisches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, erhoben. § 6 Abs. 9 TBO 2001 stelle auf ein nach früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude ab. Diesbezüglich sei zwar vom Bürgermeister bzw. vom Gemeindevorstand versucht worden, Feststellungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Bestandes auf dem Bauplatz Gst. 1286, KG B, zu treffen. Einerseits stehe fest, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft R vom der Firma Ing. NF & Co die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Fahrraderzeugungswerkstätte durch den Umbau der "Sensenschmiede" erteilt worden sei. Der Baubeschreibung sei zu entnehmen, dass das Gebäude eine Länge von 35,25 m und eine Breite von maximal 10,80 m habe. Die Einreichunterlagen bzw. der Tekturplan zum Einreichplan vom wiesen jedoch als Bestand eine Gebäudelänge von 36,40 bzw. 35,51 m auf. Anlässlich der mündlichen Bauverhandlung vom sei der hochbautechnische Sachverständige lediglich auf den Dachstuhl bzw. das Vordach eingegangen, ohne jedoch Ausführungen zum derzeitigen Bestand vorzunehmen. Da in der Gemeinde offensichtlich für das gegenständliche Gebäude keine Bauakten mehr auffindbar seien, könne nicht mit eindeutiger Sicherheit festgestellt werden, dass das auf dem Grundstück 1286 bestehende Gebäude ein nach früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude sei. Ein Zu- bzw. Umbau setze jedoch einen rechtmäßigen Bestand voraus. Die Frage, ob ein konsentierter Bestand vorliege, sei bei der Erteilung der Baubewilligung für einen Zubau als Vorfrage zu beurteilen und von der Behörde von Amts wegen zu entscheiden. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass durch den beantragten Zu- bzw. Umbau Rechte der Beteiligten verletzt werden. Im fortgesetzten Verfahren sei daher vom Gemeindevorstand ein entsprechendes Ermittlungsverfahren zur Frage des rechtmäßigen Bestandes der "alten Sensenschmiede" durchzuführen sowie das Parteiengehör dazu zu wahren. Weiters hätten die Erst- bis Viertmitbeteiligten zu Recht gerügt, dass der Gemeindevorstand das Gebot der Wahrung des Parteiengehörs verletzt habe. Ein brandschutztechnisches Gutachten sei zwar eingeholt, jedoch den Mitbeteiligten niemals zur Kenntnis gebracht worden. Ebenso finde sich im Bescheid des Gemeindevorstands lediglich die Auflage, dass die Auflagen der Landesstelle für Brandverhütung einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildeten und nach Kenntnisnahme durch den Bauwerber einzuhalten seien. Welche konkreten Auflagen dies jedoch seien, sei dem Bescheid des Gemeindevorstandes nicht zu entnehmen. Es seien diese Auflagen dem Bescheid des Gemeindevorstandes auch nicht angeschlossen.
In der Folge holte die mitbeteiligte Gemeinde ein ergänzendes Gutachten des D.I. A.S. vom ein. Dieser führte aus:
"Im Juli 1951 wurde die Errichtung einer Fahrraderzeugungswerkstätte auf einer bestehenden Sensenfabrik mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft genehmigt. Die bestehende Fabrik wurde in der Folge umgebaut, erweitert und aufgestockt, wobei nur wenige Bauteile erhalten blieben. Ein Teil davon ist als Bruchsteinmauerwerk noch sichtbar. Ein weiterer Bauteil, an der Nordostseite des Baugrundes, konnte wegen seiner massiven Bauweise als Beton als Unterbau weiter verwendet werden. Damit ist mit Sicherheit festzustellen, dass später im Bereich der Nordostseite die Grenzabstände nicht geändert wurden.
Durch die Aufstockung wurden die benachbarten Gebäude auch nicht beeinträchtigt, da die Sensenschmiede, wegen der Nutzung der Wasserkraft, in der tiefer gelegenen Talsohle des Schmittenbaches errichtet wurde. Außerdem waren die unmittelbar angrenzenden Grundstücke durch ihre Größe und Konfiguration unbebaubar.
Die Kollaudierung wurde noch im selben Jahr mit Bescheid vom , Bezirkshauptmannschaft R, durch eine kommissionelle Verhandlung durchgeführt und es wurde festgehalten, dass die Betriebsanlage im großen und ganzen plan- und bescheidgemäß ausgeführt wurde. Es wurde auch festgestellt, dass die Lager- und Büroräume im südöstlichen Teil des Obergeschosses zu Wohnräumen umfunktioniert wurden. Bezüglich dieser Wohnung wurden weder Auflagen noch Einschränkungen im Kollaudierungsbescheid erteilt. Die Wohnung ist ident mit der von der Familie S jetzt bewohnten Wohnung.
Durch die Übernahme der Fabriksanlage durch Familie S wurden im Wesentlichen nur wichtige Instandhaltungsarbeiten vorgenommen, die Räumlichkeiten an der Nordwestseite wurden im Inneren umgestaltet und dienen einem kleinen Büroraum bzw. einer kleinen Arztpraxis. Außen wurde nichts verändert.
Obwohl sämtliche Bauakten von Tiroler Landesarchiv durchgesehen wurden, konnten keine Baupläne für die genehmigte Fahrraderzeugungswerkstätte gefunden werden.
Es kann daher die plangerechte Ausführung zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr nachgewiesen werden, was ja zum Zeitpunkt der Kollaudierung möglich war. Die Baubeschreibung kann Baupläne, wenn solche vorhanden waren, nicht ersetzen.
Im Kollaudierungsverfahren wird die Bauausführung anhand der genehmigten Pläne überprüft und entschieden, wie weit Planabweichungen zu tolerieren sind oder welche Maßnahmen von Seiten der Behörde zu treffen sind. An dieser bewährten Praxis sollte festgehalten werden.
Eine weitere Verzögerung der dringend notwendigen Sanierungsarbeiten ist fachlich und wohl auch 'menschlich' nicht mehr zu verantworten."
Den Erst- bis Viertmitbeteiligten wurden sowohl diese Stellungnahme als auch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens im zweiten Rechtsgang zur Kenntnis gebracht. Mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom , mit welchem die Baubewilligung abgewiesen wurde, als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die die Aufhebung tragenden Gründe des Vorstellungsbescheides vom hätten vor allem darin bestanden, dass § 6 Abs. 9 TBO nicht erfüllt sei. So sei festgestellt worden, dass mit Bescheid der BH-R vom für das Gebäude ursprünglich die Baubewilligung erteilt worden sei, wobei der Baubeschreibung zu entnehmen sei, dass das Gebäude eine Länge von 35,25 und eine Breite von max. 10,80 m habe. Das gegenständlich zur Bewilligung vorliegende Gebäude habe jedoch nach den Planunterlagen (samt Tekturplan) einen Bestand mit einer Gebäudelänge von 36,40 m bzw. 35,51 m zum Gegenstand. Es sei daher nicht nachgewiesen, dass ein rechtmäßiger Bestand im Sinne des § 6 Abs. 9 TBO 2001 vorliege. Der Gemeindevorstand habe zu dieser Frage ein weiteres Gutachten des Amtsachverständigen D.I. A.S. eingeholt. Dieser habe keinerlei nachvollziehbare Erklärung für den Widerspruch zwischen dem bewilligten Bestand aus dem Jahre 1951 und dem in der Natur vorhandenen und als Bestand im nunmehrigen Baubewilligungsverfahren wiedergegebenen Ausmaß darlegen können. Ein rechtmäßiger Altbestand im Sinne des § 6 Abs. 9 TBO 2001 liege daher auf Grund der unterschiedlichen Abmessungen nicht vor. Auf Grund des Baubewilligungsbescheides aus dem Jahre 1951 könne nicht vom vermuteten Konsens ausgegangen werden. Die Erteilung einer Benützungsbewilligung saniere nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bescheidwidrige Ausführungen nicht.
Da davon auszugehen sei, dass der Altbestand nicht im Sinne des § 6 Abs. 9 TBO 2001 entspreche, habe die Baubewilligung nicht erteilt werden können, da die gesetzlichen Abstände des § 6 gegenüber den angrenzenden Grundstücken ohne Anwendung des § 6 Abs. 9 TBO 2001 nicht erfüllt seien.
Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die Einreichunterlagen bzw. der Tekturplan zum Einreichplan vom wiesen als Bestand eine Gebäudelänge von 36,40 bzw. 35,51 m auf. Andererseits sei der Baubeschreibung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft R vom zu entnehmen, dass das Gebäude eine Länge von 35,25 und eine Breite von maximal 10,80 m habe. Vor allem hinsichtlich der Länge des Gebäudes ergebe sich somit eine Differenz von 26 cm bzw. 1,15 m. Bei einer derartigen Differenz zwischen einem genehmigten Bauvorhaben und einem in der Natur bestehenden bzw. in den Einreichplänen als Bestand dargestellten Gebäude sei daher zweifellos nicht von einer rechtmäßig bestehenden baulichen Anlage auszugehen. Da es somit an einem wesentlichen Tatbestandsmerkmal des § 6 Abs. 9 TBO 2001 fehle, sei die beantragte Baubewilligung zu Recht versagt worden.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof hat dieser mit Beschluss vom , B 27/07-4, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Die Beschwerde rüge die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger und auf Unversehrtheit des Eigentums. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes.
In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das gegenständliche Bauvorhaben weist als Bestand einen von Südwesten nach Nordosten gelegenen, länglichen Baukörper aus, der an seiner Südostseite eine Länge von 35,51 m aufweist, an der Nordwestseite eine Länge von 36,40 m. Die nordöstliche Front ist geknickt und schräg verlaufend. Das Untergeschoss, das teilweise unter dem anschließenden Gelände liegt, weist den Bestand eines 8 m breiten, rechteckigen, ca. 31 m langen und 8,20 m breiten Baukörpers aus, nordostseitig daran schließt ein 10,20 m tiefer, annähernd trapezförmiger Baukörper an, an den südöstlich noch eine Auskragung von 1,40 m mal 1,90 m anschließt. Überdies weist der Baukörper an der südöstlichen Stelle, ausgehend von der Gebäudetiefe von 8 m eine Auskragung von 2 m mal 2,4 m und in der östlichen Front eine Auskargung von 2,5 m mal 2,6 m auf. Im Erdgeschoss weist der Bestand keine Auskragungen auf, die Breite beträgt durchgehend 8,10 m.
Mit dem im Akt einliegenden Baubewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft R vom , Zl. 1706/6, wurde die baubehördliche und feuerpolizeiliche Genehmigung zur Errichtung einer Fahrraderzeugungswerkstätte durch Umbau der Sensenschmiede erteilt. Laut Baubeschreibung sollten die bestehenden Mauern im Erdgeschoss, soweit noch brauchbar, wieder verwendet werden, das Gebäude habe eine Länge von 35,25 m und eine Breite von maximal 10,80 m. Vorgesehen seien zwei Geschosse. Pläne bilden nach diesem Bescheid keinen Bescheidbestandteil. (Derartige Pläne konnten auch in der Folge nicht aufgefunden werden.)
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft R vom , Zl. 1706/8, wurde für die mit Bescheid vom genehmigte Errichtung einer Fahrraderzeugungswerkstätte eine Benützungsbewilligung erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Betriebsanlage im Großen und Ganzen plan- und bescheidmäßig ausgeführt wurde, soweit Mängel festgestellt worden waren, wurden diese durch fünf baupolizeiliche Vorschreibungen erfasst. Demnach war eine vorgeschriebene Abortgrube noch zu erstellen, die Decke im Obergeschoss zu verputzen, das Dach mit genügend Schneefängen und Dachrinnen zu versehen, der Schornstein am oberen Ende in Stand zu setzen und die Falltüre zum Dachboden an der Oberseite mit Blech zu beschlagen.
§ 6 Abs. 9 der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO) LGBl. Nr. 74/2001, lautet wie folgt:
"(9) Erfüllt ein nach früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude die Voraussetzungen nach den Abs. 1 bis 4 und 6 nicht, so sind ein Umbau, ein geringfügiger Zubau oder eine sonstige Änderung dieses Gebäudes, eine Änderung seines Verwendungszweckes oder sein Wiederaufbau im Falle des Abbruches oder der sonstigen Zerstörung auch dann zulässig, wenn
a) von diesen Voraussetzungen nicht weiter als bisher abgewichen wird,
den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen wird und
bei einer Änderung des Verwendungszweckes weiters keine zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen auf die angrenzenden Grundstücke, insbesondere durch Lärm, zu erwarten sind.
An jener Seite des Gebäudes, an der die Mindestabstände unterschritten werden, darf die Wandhöhe gegenüber dem bestehenden Gebäude nicht vergrößert werden. Dieser Absatz gilt sinngemäß für die Änderung und die Wiedererrichtung sonstiger baulicher Anlagen."
Weder die Baubehörden noch die belangte Behörde haben geprüft, ob nachteilige Auswirkungen auf die Nachbargrundstücke auf Grund der Differenz zwischen den Einreichplänen und dem laut Baubescheid von 1951 genehmigten Ausmaß zu erwarten seien, noch, ob die Wandhöhe auf der Seite des Gebäudes, wo die Mindestabstände unterschritten werden, größer würde, eine derartige Vergrößerung der Wandhöhe kann den eingereichten Plänen nicht entnommen werden.
Die belangte Behörde geht aber wie der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde davon aus, dass kein konsentierter Altbestand vorliege, weil Differenzen zwischen dem in den Einreichplänen ausgewiesenen Bestand und der Baubewilligung aus 1951 vorlägen.
Zunächst ist festzuhalten, dass laut ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/05/0074, und die dort angeführte Vorjudikatur) den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zukommt. An diese bindende Wirkung sind auch der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof gebunden.
Da der Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem der Bescheid des Gemeindevorstandes aufgehoben wurde, unbekämpft blieb, ist auch der Verwaltungsgerichtshof an die die Aufhebung tragenden Gründe gebunden. Entgegen der im Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom vertretenen Ansicht, wonach die aufhebenden Gründe vor allem darin bestanden hätten, dass § 6 Abs. 9 TBO nicht erfüllt sei, hat die belangte Behörde lediglich ausgeführt, dass Differenzen zwischen den Maßen im Tekturplan zum Einreichplan und der Baubewilligung aus 1951 bestehen, sie hat aber die Frage, ob ein konsensgemäßer Zustand vorliegt, nicht abschließend beurteilt, sondern dem Gemeindevorstand vielmehr aufgetragen, ein entsprechendes Ermittlungsverfahren zur Frage des rechtmäßigen Bestandes der "alten Sensenschmiede" auf Gst. 1286 durchzuführen, sowie das Parteiengehör einzuräumen.
Das ergänzende Ermittlungsverfahren auf Gemeindeebene hat darin bestanden, eine Befundergänzung des Amtssachverständigen D.I. A.S. vom einzuholen. Es wurde nur durch eine weitere Stellungnahme dieses Amtssachverständigen ergänzt, in der er aber darauf hinwies, keine weiteren Ausführungen mehr machen zu können. Aus der Befundergänzung vom geht aber nicht hervor, dass nach 1951 eine Vergrößerung des Gebäudes an der Nordseite und damit eine Verringerung dieser Grenzabstände vorgenommen worden wäre. Aus diesem Gutachten ist auch nicht ableitbar, dass die Baubewilligung aus 1951 nicht eingehalten worden wäre.
Die Frage, ob im vorliegenden Fall ein rechtliches "aliud" anzunehmen ist, wonach das gesamte Gebäude als konsenslos anzusehen wäre, ist im Beschwerdefall deshalb schwierig zu beantworten, weil über die Baubewilligung aus 1951 keine Baupläne vorliegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass ein Bauvorhaben durch seine Lage und Größe definiert wird und Einzelfälle denkbar sind, bei denen durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerks nicht vom Vorliegen eines rechtlichen aliud auszugehen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0152, und die dort angeführte Vorjudikatur). In seinem Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0130, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass es bei der Qualifikation, ob ein anderes (neues) Bauvorhaben vorliegt, ausschließlich auf die Unterschiede bzw. Identität zwischen dem ursprünglich bewilligten und dem beantragten Projekt ankommt. Im Beschwerdefall wurde nicht behauptet und ist auch nicht erkennbar, dass das gesamte Bauvorhaben in seiner Lage verschoben worden sei, lediglich die Differenz in den Ausmaßen wurde als Beurteilungskriterium herangezogen.
Nun ist die Baubeschreibung im Bescheid vom äußerst dürftig, sie enthält nur das Längenmaß von 35,25 und die Breite von max. 10,80 m. Bei der Länge wurde nicht von einem maximalen Maß ausgegangen, es wurde auch nicht berücksichtigt, dass der nordöstliche Gebäudeteil schräg und geknickt verläuft.
Die maximale Breite von 10,80 m wird lediglich in einem 2,6 m breiten Bereich im Untergeschoss überschritten. Im Erdgeschoss wird die Gebäudebreite nicht überschritten.
In Anbetracht der Größe des Objektes und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass schon 1951 der Umbau eines alten Bestandes - ohne Pläne - bewilligt wurde und auf die Konfiguration des Gebäudes in der Baubeschreibung keine Rücksicht genommen wurde, kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass durch die geringfügige Überschreitung der Breite lediglich durch die Auskargung im Untergeschoss und die Überschreitung der Länge der Südostfront um 26 cm und infolge der schräg verlaufenden Nordostfront die Überschreitung der Länge der Nordwestseite um 115 cm das Gebäude als rechtliches "aliud" zu qualifizieren, somit der gesamte Altbestand als konsenslos anzusehen wäre.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer war abzuweisen, weil in der genannten Verordnung der Schriftsatzaufwand mit EUR 991,20 bestimmt ist und in diesem Betrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO Tir 2001 §6 Abs9; BauRallg; |
Schlagworte | Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2008:2007060092.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAE-90438