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VwGH vom 22.12.2010, 2009/08/0277

VwGH vom 22.12.2010, 2009/08/0277

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des A K in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-440.020/0283-VI/1/2009, betreffend Zurückweisung von Feststellungsanträgen nach dem AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom den Antrag, es möge festgestellt werden, dass die Anordnung eines Informationstages für den um 13 Uhr bei der Gesellschaft für Aus- und Weiterbildung in Wien mit Schreiben vom als solcher und darüber hinaus als Kontrollmeldetermin im Sinne des § 49 AlVG außerhalb einer Geschäftsstelle des AMS unzulässig sei bzw. gewesen sei.

Mit weiterem Schreiben vom stellte er den Antrag, es möge festgestellt werden, dass die Anordnung eines Informationstages "Trendwerk" für den um 13 Uhr in Wien mit Schreiben vom als solcher und darüber hinaus als Kontrollmeldetermin im Sinne des § 49 AlVG außerhalb einer Geschäftsstelle des AMS unzulässig sei bzw. gewesen sei.

Begründend führte der Beschwerdeführer jeweils aus, er habe nicht nur ein rechtliches Interesse daran, dass die Unzulässigkeit einer offenbar beabsichtigten Sperre des Arbeitslosengeldes geklärt werde, sondern darüber hinaus auch einen Anspruch auf vorbeugenden Rechtsschutz gegen offensichtlich rechtswidrige Vorgangsweisen des AMS. Im Übrigen bestehe sowohl ein öffentliches Interesse wie auch ein persönliches Interesse des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise des AMS zur Abklärung von Amtshaftungsansprüchen, die er gegebenenfalls geltend machen müsse.

Mit Schreiben vom begehrte der Beschwerdeführer den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die beiden Anträge vom an die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien als sachlich zuständige Oberbehörde.

Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien gab dem Devolutionsantrag mit Bescheid vom Folge (Spruchpunkt 1) und wies gleichzeitig die Anträge auf Feststellung als unzulässig zurück (Spruchpunkt 2). Sie führte begründend - zu Spruchpunkt 2 - aus, der Beschwerdeführer habe die Termine am 10. und nicht wahrgenommen. Deswegen sei aber keine Einstellung der Leistung erfolgt, vielmehr sei der Anspruch auf Notstandshilfe mit Bescheid vom wegen Vereitelung eines Beschäftigungsverhältnisses bereits ab bis aberkannt worden. Ein Feststellungsanspruch sei deshalb nicht gegeben, weil die für die Feststellung maßgebliche Rechtsfrage (Zulässigkeit der Anordnung eines Kontrollmeldetermines) im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens (Aberkennung des Anspruches wegen Versäumung eines Kontrollmeldetermines gemäß § 49 Abs. 2 AlVG) zu entscheiden sei. Auch sei ein allfälliges rechtliches Interesse an der Feststellung spätestens mit der Aberkennung des Leistungsanspruches aus einem anderen Grund, im konkreten Fall wegen Verhängung einer Sperre nach § 10 AlVG, weggefallen. Zudem sei eine arbeitslose Person während einer Sperrfrist nicht zur Einhaltung von Kontrollmeldeterminen verpflichtet. Auch ein öffentliches Feststellungsinteresse sei zu verneinen, weil die Frage der Zulässigkeit der Vorschreibung eines Kontrollmeldetermines außerhalb einer regionalen Geschäftsstelle nicht abstrakt - losgelöst von der konkreten Anordnung eines Kontrollmeldetermines - zu klären sei. Kontrollmeldetermine außerhalb einer regionalen Geschäftsstelle seien nicht generell unzulässig. Amtshaftungsansprüche seien allenfalls im Rahmen eines anderen Verfahrens zu entscheiden, sodass auch insoweit ein Feststellungsbescheid ausgeschlossen sei.

In der gegen diesen Bescheid (inhaltlich nur gegen dessen den Antrag zurückweisenden Spruchpunkt 2) erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, der Arbeitslose habe sich zur Sicherung des Anspruches auf Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe regelmäßig bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Diesen Meldungen komme er nach. Die Ausschreibung einer Informationsveranstaltung habe nichts mit dem Wesen einer Kontrollmeldung nach § 49 AlVG zu tun. Aufgrund der Ankündigung, im Falle der Nichtteilnahme an der Informationsveranstaltung seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verlieren, habe er jedenfalls ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass es sich bei der angeordneten Informationsveranstaltung um keinen Kontrolltermin im Sinne des § 49 Abs. 1 AlVG handle. Der Kontrollmeldetermin sei auch deswegen rechtswidrig, weil er an einem vom Gesetz her unzulässigen Ort und obendrein dessen Durchführung durch Privatpersonen angeordnet worden sei. Da dies vom Arbeitsmarktservice Wien nicht ausnahmsweise, sondern immer wieder und auch in zahlreichen anderen Fällen so gehandhabt werde, sei das Feststellungsbegehren auch aus verwaltungsökonomischen Gründen zulässig und geboten, um die Rechtslage mit zahlreichen Folgeverfahren für die Arbeitsmarktverwaltung klarzustellen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte sie aus, von einer zukünftigen Rechtsgefährdung der Partei könne nicht mehr die Rede sein, weil der beantragte Feststellungsbescheid Informationsveranstaltungen betreffe, die in der Vergangenheit lägen. Das für einen Feststellungsbescheid erforderliche Kriterium einer zukünftigen Rechtsgefährdung sei demnach nicht vorhanden. Die für die Feststellung maßgebliche Rechtsfrage (Rechtswidrigkeit der Anordnung eines Informationstages und auch dessen Anordnung als Kontrolltermin außerhalb des AMS) sei in einem eigenen, in § 49 Abs. 2 AlVG geregelten Verfahren zu entscheiden. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei daher für die Partei kein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverfolgung. Der Beschwerdeführer habe die beiden Informationstermine nicht wahrgenommen. Der Leistungsanspruch sei dennoch nicht entzogen worden, weil ein solcher Anspruchsverlust bereits ab wegen Vereitelung eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben gewesen sei. Während des Zeitraumes eines Anspruchsverlustes könnten keine verpflichtenden Kontrolltermine vorgeschrieben werden, sodass auch insoweit kein rechtliches Interesse gefährdet werden könne. In § 49 Abs. 1 letzter Satz AlVG sei ausdrücklich vorgesehen, dass die Landesgeschäftsstelle auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen könne. Von dieser gesetzlichen Möglichkeit sei Gebrauch gemacht worden. Auch könne von einer unzulässigen "Privatisierung der Tätigkeit des AMS" keine Rede sein, weil die §§ 9 und 10 AlVG vom AMS beauftragte Dienstleister ausdrücklich zuließen. Es sei dem österreichischen Rechtsschutzsystem fremd, dass wegen einzelner behördlicher Fehler ein rechtliches Feststellungsinteresse bestünde, über diese möglichen Fehler vorweg mittels Bescheid abzusprechen. Es könnte zwar durchaus als Problem angesehen werden, dass Leistungsberechtigte bei einer Sperre einer Leistung erst im nachhinein Klarheit über die Rechtskonformität einer bestimmten Handlung erlangten. Dieses mögliche Problem sei aber durch das gesetzlich vorgesehene Ermittlungsverfahren und die nachfolgende Kontrolle der Berufungsbehörde gelöst. In aussichtsreich erscheinenden Fällen bestehe auch die Möglichkeit, einer Berufung aufschiebende Wirkung zu verleihen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde und inhaltlicher Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 49 AlVG (in der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 142/2000) lautet:

"(1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft die Landesgeschäftsstelle. Die Landesgeschäftsstelle kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.

(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um die Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist überdies dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/12/0209).

3. Ein öffentliches Interesse - wie auch in der Beschwerde geltend gemacht - berechtigt lediglich die Behörden, von Amts wegen einen Feststellungsbescheid zu erlassen; ein Antrag einer Partei kann hingegen nur auf ein rechtliches Interesse dieser Partei an einer solchen Feststellung gegründet werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 56 Rz 74 f; vgl. auch Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 § 56 AVG E 211). Ein allfälliges öffentliches Interesse an einer Feststellung begründet also weder ein Antragsrecht einer Partei noch - im gegebenen Zusammenhang - ein subjektives Recht iSd § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG der beschwerdeführenden Partei.

4. Ein rechtliches Interesse muss im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (noch) bestehen. Eine an ein - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - abgeschlossenes Geschehen anknüpfende Feststellung über ein Recht oder Rechtsverhältnis muss der Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung des Antragstellers dienen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 88/12/0103, vom , Zl. 2008/08/0189, und vom , Zl. 94/01/0797).

5. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides waren die Termine, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer die Feststellungsanträge gestellt hatte (10. Juli bzw. ), längst verstrichen. Der Feststellungsantrag konnte sich daher nur (mehr) auf eine Rechtsgefährdung des Beschwerdeführers stützen, die daraus resultiert, dass er diese beiden Termine nicht wahrgenommen hatte.

Eine derartige Rechtsgefährdung würde nur bei einer Sanktionierung dieses bereits geschehenen Verhaltens des Beschwerdeführers eintreten. Eine derartige Sanktionierung sieht das Gesetz auch vor (vgl. §§ 10 und 49 Abs. 2 AlVG), es besteht insoweit aber Rechtsschutz in einem anderen, gesetzlich vorgezeichneten, dem Beschwerdeführer auch zumutbaren Verwaltungsverfahren, sodass ein Feststellungsantrag (als lediglich subsidiärer Rechtsbehelf) nicht zulässig war.

Die Feststellungsanträge waren schon deshalb kein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

6. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, über Ansprüche nach dem AlVG als "civil rights" sei nach Art. 6 Abs. 1 EMRK öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen auf Gesetz beruhenden Gericht zu entscheiden.

Hinsichtlich dieses Vorbringens kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des Erkenntnisses vom , Zl. 2003/08/0106, verwiesen werden.

7. Die Beschwerde war daher gemäß § 41 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet in §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/07/0083, und vom , Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Wien, am