VwGH vom 21.03.2012, 2011/16/0261
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der B in M, Deutschland, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/2747- W/11, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Abgabenexekutionsordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 57,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Mai 1998 pfändete das Finanzamt Baden auf Grund eines Rückstandsausweises hinsichtlich von Abgaben des ehemaligen Ehemannes der Beschwerdeführerin u.a. ein in dessen Besitz befindliches Sparbuch.
Mit Schriftsatz vom machte die Beschwerdeführerin beim Finanzamt ihr Eigentum u.a. an diesem Sparbuch, ihre Rechte an der Forderung gegen die Bank, geltend und erhob Widerspruch gegen die Vollstreckung.
Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt der Beschwerdeführerin mit, die Pfandgegenstände würden verwertet werden, wenn die Beschwerdeführerin nicht binnen sechs Wochen eine Exszindierungsklage einbringe.
Mit Schriftsatz vom brachte die Beschwerdeführerin beim Bezirksgericht Baden eine Exszindierungsklage in Bezug auf das in Rede stehende Sparbuch ein.
Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin beim Finanzamt Baden Mödling einen Antrag gemäß § 16 Abs. 1 Z 5 AbgEO und begehrte, das Abgabenexekutionsverfahren in Ansehung des genannten Sparbuches einzustellen und das Sparbuchrealisat samt mittlerweile abgereiften Zinsen zu überweisen.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Z 5 AbgEO lägen nicht vor. Weder habe das Finanzamt auf den Vollzug der bewilligten Exekution verzichtet noch sei es von der Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens abgestanden. Das Verfahren über die eingebrachte Exszindierungsklage sei noch anhängig. Eine Einstellung der Exekution könne nur nach entsprechendem rechtskräftigen Urteil in diesem Verfahren erfolgen. Im Übrigen sei das Sparbuchrealisat dem Abgabenkonto des ehemaligen Ehemannes der Beschwerdeführerin gutgeschrieben worden. Sollte es der Beschwerdeführerin gelingen, ihr nach wie vor bestrittenes Eigentum an dem Sparbuch zu beweisen und in dem anhängigen Gerichtsverfahren rechtskräftig durchzusetzen, müsste sie sich dennoch an den aus dem Verwertungserlös dieses Sparbuches Bereicherten, an ihren ehemaligen Ehemann, halten.
Mit Schriftsatz vom berief die Beschwerdeführerin dagegen u.a. mit der Begründung, das Finanzamt müsse zugeben, dass die Beschwerdeführerin von einem zu ihren Gunsten ausfallenden Urteil im Exszindierungsrechtsstreit nichts hätte, weil sie sich dennoch an den aus dem Verwertungserlös dieses Sparbuches Bereicherten halten müsse. Damit bringe das Finanzamt zum Ausdruck, dass das anhängige Exszindierungsverfahren nicht mehr von Belang sei, weil es einer Urteilsfassung bereits zu Ungunsten der Beschwerdeführerin zuvor gekommen sei. Diese Vereitelungshandlung müsse als Abstehen von der Exekution bezeichnet werden, weil die Behörde einen Akt gesetzt habe, welcher das Exekutionsverfahren - aus ihrer Sicht - erledigt habe.
Mit Bescheid vom hob die belangte Behörde den Bescheid des Finanzamtes vom (ersatzlos) auf. Nach Wiedergabe des § 14 AbgEO führte die belangte Behörde aus, ein Widerspruch nach § 14 Abs. 2 AbgEO sei ausschließlich mit Klage bei Gericht geltend zu machen, wenn ihm nicht von der Abgabenbehörde dadurch Rechnung getragen werde, dass sie die Vollstreckung auf den vom Widerspruch betroffenen Gegenstand einstelle. Die Beschwerdeführerin habe bereits mit Schriftsatz vom vorgebracht, dass sie Eigentümerin insbesondere des bereits genannten Sparbuches wäre. Dem habe das Finanzamt nicht durch Einstellung der Vollstreckung Rechnung getragen, sondern der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom mitgeteilt, dass die Verwertung der Pfandgegenstände erfolgen werde, sollte nicht binnen sechs Wochen eine Exszindierungsklage eingebracht werden. Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom auch die Exszindierungsklage eingebracht. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sei kein Verzicht des Finanzamtes auf Fortsetzung der Vollstreckung erfolgt. Auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin vom auf Einstellung des Abgabenexekutionsverfahrens habe das Finanzamt am den bekämpften Abweisungsbescheid erlassen. Dieser Bescheid hätte nach Ansicht der belangten Behörde allerdings nicht ergehen dürfen, denn die Ablehnung eines Exszindierungsanspruches durch das Finanzamt erfolge nicht mit Bescheid, sondern lediglich mit Parteierklärung, weil diesfalls die ordentlichen Gerichte im Prozessweg zur Entscheidung zuständig seien. Diese Parteierklärung des Finanzamtes sei im Übrigen bereits mit Schreiben vom der Beschwerdeführerin zugestellt worden. Der Abweisungsbescheid vom sei daher ersatzlos aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin brachte beim Finanzamt Baden Mödling sodann einen Schriftsatz vom ein, welchen sie mit "dringender Antrag" überschrieb. Sie verwies auf den Bescheid der belangten Behörde vom und brachte vor, nunmehr liege die Entscheidung des Gerichtes im Exszindierungsrechtsstreit vor. Damit sei genau jene Forderung erfüllt, die das angerufene Finanzamt für die Berechtigung des Antrages der Beschwerdeführerin gefordert habe. Aus der Begründung des beigelegten Urteils des Bezirksgerichtes Baden vom gehe eindeutig hervor, dass die Klägerin Eigentümerin des gepfändeten und sichergestellten Sparbuches gewesen sei. Es werde daher "der Antrag vom wiederholt". Damit ist offensichtlich der Antrag vom gemeint.
Das Finanzamt Baden Mödling richtete darauf ein Schreiben vom an die Beschwerdeführerin, welches folgenden Wortlaut aufweist:
"Sehr geehrte Frau (Beschwerdeführerin)!
In Beantwortung ihres dringenden Antrags vom ,
eingegangen am wird folgendes mitgeteilt:
Wie zutreffend schon in dem vom UFS aufgehobenen do. Bescheid vom festgehalten, wäre dem Antrag nur Folge zu geben, wenn die Antragstellerin als Klägerin im Verfahren über die eingebrachte Exszindierungsklage, 6 C 3/99z des BG Baden obsiegt.
Insoferne ist auch die Berufungsentscheidung des eindeutig, dass die Vollstreckung einzustellen und das Realisat herauszugeben wäre, wenn der Klage rechtskräftig stattgegeben wird.
Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Vielmehr wurde das Klagebegehren - zwar noch nicht rechtskräftig - aber in erster Instanz abgewiesen.
Aus der - nicht der Rechtskraft fähigen Begründung, in der das Erstgericht das Eigentum der Klägerin festgestellt hat, was im Berufungsverfahren noch zu bemängeln sein wird - können jedenfalls keinerlei Ansprüche abgeleitet werden.
Weiters werden Sie ersucht innerhalb eines Monats bekanntzugeben, wo sich die gepfändeten Gegenstände laut Pfändungsprotokoll vom ..., an denen Sie zunächst ebenfalls Eigentumsrechte behauptet hatten, befinden.
Auflistung liegt bei.
Für den Vorstand"
Mit Schriftsatz vom erhob die Beschwerdeführerin Berufung gegen "den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom ". Sie begehrte, der Berufung Folge zu geben und auszusprechen, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin vom stattzugeben sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unzulässig zurück. Das Finanzamt habe der Beschwerdeführerin mit formlosem Schreiben mitgeteilt, dass dem Antrag nur dann Folge zu geben wäre, wenn die Beschwerdeführerin als Klägerin im Verfahren über die eingebrachte Exszindierungsklage des BG Baden obsiege. Dass in Beantwortung des Anbringens der Beschwerdeführerin vom kein Bescheid zu ergehen hätte, ergebe sich bereits aus der Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom , weil die Ablehnung eines Exszindierungsanspruches durch das Finanzamt nicht mit Bescheid, sondern lediglich mit Parteienerklärung erfolge. Mit Berufung anfechtbar seien aber nur Bescheide, keine formlosen Schriftstücke wie im Beschwerdefall. Daher seien Berufungen gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im Recht "auf Sachentscheidung über ihre Berufung" verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden in erster Instanz erlassen, Berufungen zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig ist.
Im Berufungsverfahren haben die Abgabenbehörden zweiter Instanz gemäß § 279 Abs. 1 BAO die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind.
§§ 14 und 16 der Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) samt
Überschriften lauten:
"Widerspruch Dritter
§ 14. (1) Gegen die Vollstreckung kann auch von einer dritten Person Widerspruch erhoben werden, wenn dieselbe an einem durch die Vollstreckung betroffenen Gegenstande oder an einem Teile eines solchen ein Recht behauptet, welches die Vornahme der Vollstreckung unzulässig machen würde.
(2) Wird einem solchen Widerspruch nicht vom Finanzamt dadurch Rechnung getragen, dass es die Vollstreckung auf den vom Widerspruch betroffenen Gegenstand einstellt, so ist der Widerspruch bei Gericht mittels Klage geltend zu machen; ...
(3) .....
(4) Wenn der Klage rechtskräftig stattgegeben wird, ist die Vollstreckung einzustellen.
(5) Die Bewilligung der Aufschiebung obliegt diesfalls dem Gericht (§ 44 EO).
...
Einstellung, Einschränkung und Aufschiebung der Vollstreckung
§ 16. (1) Außer in den in den §§ 12 bis 14 angeführten Fällen ist die Vollstreckung unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogenen Vollstreckungsakte auf Antrag oder von Amts wegen einzustellen,
1. ...
...
5. wenn das Finanzamt auf den Vollzug der bewilligten Vollstreckung überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat oder wenn es von der Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens abgestanden ist;
...
(2) ..."
§ 14 AbgEO räumt einem Dritten das Widerspruchsrecht gegen die Vollstreckung ein und verwendet dabei den Begriff des (eine Entscheidungspflicht auslösenden) Antrags nicht.
Die belangte Behörde hat zutreffend ausgeführt, dass das Finanzamt aufgrund eines Widerspruches Dritter nach § 14 AbgEO keinen Bescheid zu erlassen hat (vgl. auch Liebeg, Abgabenexekutionsordnung, Rz 12 zu § 14 und die dort zitierte Rsp).
Kommt die Abgabenbehörde erster Instanz aber einem auf § 16 AbgEO gestützten Antrag auf Einstellung der Vollstreckung nicht nach, so hat sie darüber mit Bescheid abzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0105, mwN).
Die belangte Behörde hat im Bescheid vom offensichtlich verkannt, dass der Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom keinen Widerspruch iSd § 14 AbgEO (ein solcher wurde im Jahr 1999 eingebracht), sondern einen Antrag nach § 16 leg.cit. enthielt. Deshalb hat sie den Bescheid des Finanzamtes (vom ) mit der Begründung (ersatzlos) aufgehoben, dass kein Bescheid zu ergehen habe, wenn die Abgabenbehörde einem Widerspruch Dritter nicht Folge geben möchte.
Der Bescheid der belangten Behörde vom ist der Aktenlage zufolge unbekämpft geblieben. Einer neuerlichen Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin vom stünde somit das Hindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen.
Mit Schriftsatz vom wiederholt die Beschwerdeführerin ihren Antrag "vom " (gemeint offensichtlich vom ).
Vor diesem Hintergrund ist die Gestaltung des Schreibens des Finanzamtes vom nicht geeignet, diesem Schreiben Bescheidcharakter zu verleihen. Mit dieser nicht als Bescheid bezeichneten Erledigung wird ausdrücklich "in Beantwortung" des "Antrages vom folgendes mitgeteilt". Dann enthält die Erledigung die Aussage, in welchem Fall dem Antrag Folge zu geben wäre und weshalb ein solcher Fall nicht vorliege. Darin ist unter Berücksichtigung der ausdrücklichen Verwendung des Begriffs "mitgeteilt" keine Abweisung des Antrages und damit kein Bescheidspruch zu erblicken, sondern die Bekanntgabe der Rechtsansicht des Finanzamtes, welche auch im Falle eines Bescheides lediglich dessen Begründung darstellen könnte. Dass die Erledigung mit "Für den Vorstand" und nicht mit einer Grußformel endet, verleiht der Erledigung noch keinen Bescheidcharakter (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2010/13/0132).
Somit hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Erledigung des Finanzamtes vom rechtens zurückgewiesen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am