VwGH vom 12.09.2012, 2009/08/0274
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Y D in I, vertreten durch Mag. Christoph Arnold und Mag. Fiona Kathrin Arnold, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Stafflerstraße 2/EG, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom , Zl. LGSTi/V/0553/3287 -702/2009, betreffend Einstellung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers mangels Arbeitsfähigkeit ab eingestellt.
Der Beschwerdeführer habe mit Geltendmachung zum bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice I einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt. Laut elektronischem Leistungsakt sei er ab diesem Datum in Bezug von Notstandshilfe gestanden.
Laut Aktenvermerk vom habe der Beschwerdeführer (beim Arbeitsmarktservice) "mit roten Augen" vorgesprochen und habe "für einen Satz zehn Minuten" gebraucht. Eine Substitution sei vom Beschwerdeführer verneint worden. Er habe angegeben, erst um 5:00 Uhr ins Bett gekommen zu sein. Der Kontrollmeldetermin sei mit dem Beschwerdeführer um 8:00 Uhr vereinbart gewesen, er sei aber erst um 11:30 Uhr vorstellig geworden. Für die Beraterin habe sich die Frage einer ärztlichen Untersuchung gestellt.
Laut Betreuungsplan vom sei mit dem Beschwerdeführer die Abklärung der Arbeitsfähigkeit mit anschließender Berufsdiagnose vereinbart worden. Der Termin habe am um 10:00 Uhr stattgefunden. Der Beschwerdeführer sei aufgeklärt worden, sämtliche Befunde betreffend eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorzulegen. Ferner sei er über die Einstellung des Leistungsbezugs gemäß § 8 Abs. 2 AlVG belehrt worden, sofern er ohne triftigen Grund nicht erscheine.
Laut Aktenvermerk vom sei dem Beschwerdeführer das Einladungsschreiben für die amtsärztliche Untersuchung persönlich übergeben und dieser über die Rechtsfolgen gemäß § 8 AlVG belehrt worden.
Die erstinstanzliche Behörde habe bei Dr. S. für den um 10:00 Uhr einen "schriftlichen Antrag auf ärztliche Untersuchung zur Abklärung der Arbeitsfähigkeit" gestellt. Begründend sei auf die schriftliche Stellungnahme der erstinstanzlichen Behörde zum "Antrag" verwiesen worden. Dieser Anlage sei zu entnehmen:
"(Beschwerdeführer)
Geringe Schulbildung, seit 92 in AUT (14.LJ), am polytechn. LG als Gastschüler teilgenommen, Deutsch nicht perfekt; keine Berufsausbildung;
Seit März 2000 immer wieder (Abbruch meist wg Krankenstand und Unterbrechungen wg AS) als Gerüstbauhelfer beschäftigt, zuletzt - ;
Hat dann von - als Pkw-Lenker im Zustelldienst gearbeitet (10 Monate); Letztes DV von - als Fahrer ((I.) Kleintransporte) ( 3 Monate);
Hr D hat also seit Jänner 2005 insgesamt nur 13 Monate gearbeitet;
Er habe seit 96 nach einer Knieverletzung (Freizeitunfall) mehrere Knie-OP gehabt (Kreuzband, Meniskus, neuerlich Knorpelentfernung….); (Amtsärztliche U Dr. (K.) ).
sonst werden keine gesundheitlichen Einschränkungen angegeben;
Drogenproblematik ist 2006 im AMS manifest (siehe Beilagen);
Hr D erklärt, er habe keinen stationären Entzug gemacht, habe selber reduziert und sei seit 2007 nicht mehr in Substitution, sei nicht abhängig, nehme keine Medikamente (bzw Benzodiazepine);
Hr D wirkt im Gespräch immer extrem verlangsamt, hat Probleme die AMS-Termine einzuhalten bzw kommt meist gegen Mittag. Zuletzt war mit Hrn D am um 08 Uhr ein Termin vereinbart, er kommt um 11:30 Uhr, hat rote Augen, braucht für einen Satz 10 Minuten und erklärt, er sei erst um 05 Uhr ins Bett gekommen.
Fragen: Ist Arbeitsfähigkeit vorhanden?
Stehen Drogen bzw die Abhängigkeitserkrankung doch noch im Vordergrund bzw ist eine langsame Reaktion auf seine Sozialisation und die mangelnden Deutschkenntnisse oder eine langsame Auffassungsgabe zurückzuführen?
Welche beruflichen Tätigkeiten können zugemutet werden bzw welche Qualifikationsmaßnahmen könnten mit Erfolg abgeschlossen werden?"
In der Anlage zum "Antrag" finde sich ferner in Kopie eine "Substitutionsverschreibung", ausgestellt von der Universitätsklinik für Psychiatrie am . Dieser sei zu entnehmen, dass zum Zwecke der Substitution "Subutex 8 mg, OP I a 28 Stück" zur täglichen Einnahme verschrieben worden sei. Dem Schreiben der TILAK, Psychiatrisches Krankenhaus H, vom zufolge sei der Beschwerdeführer an der Fachstation für Drogenentzugstherapie seit für einen stationären Entzug angemeldet worden. Die Wartezeit dauere ca. 12 bis 16 Wochen.
Dem Gutachten von Dr. S. , medizinische Abteilung des BBRZ Österreich, vom betreffend die Prüfung der Arbeitsfähigkeit laut § 8 Abs. 2 AlVG mit Untersuchung am sei Folgendes zu entnehmen:
" Anamnese : Die Deutschkenntnisse des Klienten reichen aus, um eine suffiziente Anamnese zu erheben.
Der Klient erscheint im Anamnesegespräch zwar zeitlich und örtlich orientiert, es zeigen sich jedoch Hinweise, dass der Klient persönlich nicht orientiert ist. Es zeigt sich auch, dass der Klient am Gespräch verlangsamt ist und einige Zeit braucht, um auch einfache Fragen suffizient zu beantworten. Vor allem auf die Frage, welche Medikamente er nehme, gibt er vorerst nur an 'ein Magenmedikament' dessen Namen er nicht kenne. Erst im weiteren Verlauf des Gesprächs fällt ihm dann ein, dass er doch 1 bis 2 Praxiten täglich nehme und dass er die antidepressive Medikation, die er erhalten hätte, selbständig abgesetzt hätte.
Der Klient gibt an Vor-OP's eine Meniscus- und Kreuzband-OP links 1986 an. Manchmal gibt er diesbezüglich an, noch Schmerzen bei bestimmten Bewegungen oder bei maximalen Belastungen zu haben. In der klinischen Untersuchung zeigt sich kein Hinweis für eine Pathologie im linken Kniegelenk. An Vorerkrankungen gibt der Klient an, dass er im rechten Sprunggelenk einen Bänderriss erlitten hätte, diesbezüglich sei er jedoch beschwerdefrei.
Das Hauptproblem des Klienten liegt im Drogenkonsum. Der Klient gibt an, dass er seit dem 20. Lebensjahr zunehmenden Drogenkontakt hätte und laut eigenen Angaben hätte er 'alles' genommen. Er möchte jedoch nicht genau sagen welche Substanzen er konsumiert hätte, da er sich dafür jetzt schäme.
Es zeigt sich im gesamten Gesprächsverlauf, dass der Klient unkonzentriert ist, eine verwaschene Sprache hat und verlangsamt ist. Zur jetzigen Drogensituation gibt der Klient an, dass er nur die Praxiden nehme und sonst keinen Beikonsum betreibe.
Allergie: Keine
Nikotin: 30 pro Tag.
Alkohol: Keiner.
Drogen: Siehe oben.
Prämedikation: 'Magenmedikament', 2 x 1 Praxiden.
Status präsens:
Reduzierter Allgemeinzustand; Blutdruck 130/92, Puls 71/min.,
178 cm, 86 kg.
Linkes Knie:
Blande Narbe nach Kreuzband-OP. Im Lachmann deutlicher und fester Anschlag, minimale vordere Schublade, im Sinne einer geringen Elongation des Transplantates. Meniscuszeichen negativ, retropatellär kein Krepitieren tastbar. In Summe bis auf eine geringe Elongation des vorderen Kreuzbandes unauffällige Verhältnisse.
Diagnosen:
1. Zustand nach Polytoxikomanie, mit Verdacht auf drogeninduzierte Enzephalopathie.
2. Derzeit Benzodiazepinabusus.
Zusammenfassung:
Bei der heutigen Untersuchung zeigt sich ein Klient, der laut § 8, Absatz 2 ALVG arbeits un fähig ist.
Dies wird wie folgt begründet:
Aufgrund des jahrelangen Drogenmissbrauchs des Klienten hat sich schon eine drogeninduzierte Enzephalopathie entwickelt. Dies äußert sich dadurch, dass der Klient stark verlangsamt ist, eine verwaschene Sprache hat und äußerst unkonzentriert während des gesamten Gesprächs wirkt. Er ist auch teilweise persönlich nicht orientiert, kann seine Medikamente auch vorerst nicht nennen, hat keine Ahnung was er einnimmt, erst im Laufe des Gesprächs fallen ihm immer wieder Substanzen ein, die er dann jedoch widerruft. In Summe zeigt sich deutlich, dass der Klient schon starke kognitive Einschränkungen aufweist. Von körperlicher Seite besteht beim Klienten ein Zustand nach Kreuzband-OP links, diese OP ist gut verlaufen, es zeigt sich außer einer geringen Elongation des Transplantates keine Auffälligkeit. Im gesamten Anamnesegesprächs lässt sich nicht genau eruieren, ob der Klient einen Beikonsum betreibt, jedoch die schon eingetretenen Langzeitfolgen, der langjährigen Polytoxikomanie, bedingen eine klare Arbeitsunfähigkeit.
Sollte sich diesbezüglich noch Fragen ergeben, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
……."
Laut Aktenvermerk der erstinstanzlichen Behörde vom sei dem Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung bekannt gegeben und eine Kopie des Gutachtens ausgehändigt worden. Dem "Antragsformular" zur ärztlichen Untersuchung sei im Punkt "Schlussfolgerungen des Arbeitsmarktservice" zu entnehmen, dass Arbeitsfähigkeit nach dem AlVG nicht vorliege. Das Gutachten sei dem Beschwerdeführer am zur Kenntnis gebracht worden. Dies sei vom Beschwerdeführer, der Dolmetscherin und der Beraterin unterzeichnet worden.
Mit erstinstanzlichem Bescheid vom habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice I die Notstandshilfe mangels Arbeitsfähigkeit ab eingestellt, da der Beschwerdeführer laut amtsärztlichem Gutachten nicht arbeitsfähig sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung habe der (vertretene) Beschwerdeführer vorgebracht, dass aus den der Berufung beiliegenden ärztlichen Bestätigungen und dem Leistungsakt ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer seit 2001 im Substitutionsprogramm stehe und keinerlei Drogen mehr konsumiere. Aus diesen Gründen sei Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers gegeben. Als Beweismittel werde auf den Leistungsakt, die vorgelegten ärztlichen Bestätigungen vom sowie auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten aus dem Ärztefach, insbesondere aus dem Fachgebiet der Psychiatrie, sowie das Parteienvorbringen verwiesen.
Als Anlagen zur Berufung seien eine "klinische Bestätigung" der Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie und Sozialpsychiatrie vom sowie eine "ärztliche Bestätigung", ausgestellt von Dr. U, Arzt für Allgemeinmedizin, vom vorgelegt worden.
Der klinischen Bestätigung zufolge sei der Beschwerdeführer seit 2001 in der Ambulanz bekannt und befände sich dort im Substitutionsprogramm. Der Beschwerdeführer nehme die regelmäßigen Kontrolltermine wahr und unterziehe sich auch den damit verbundenen Harnkontrollen. Anhand der Harnkontrollen könne gesagt werden, dass der Beschwerdeführer keinen Beikonsum von illegalen Drogen bzw. nicht verordneten Substanzen aufweise. Seitdem der Beschwerdeführer bekannt sei, zeige er immer eine verlangsamte Sprechweise, die jedoch nicht auf den Konsum von Drogen zurückzuführen sei, sondern vielmehr eine Eigenart des Patienten darstelle.
Der ärztlichen Bestätigung zufolge bestehe nach Kenntnis des Arztes eine Substitutionstherapie mit Subutex. Bei vorbestehendem hohen Praxiten-Konsum sei der Beschwerdeführer von Dr. U auf Praxiten 15 mg 1 ½ Tabletten täglich reduziert worden. Der Beschwerdeführer habe diese Verordnung nach Kenntnis des Arztes auch eingehalten. Ab habe eine Reduktion auf eine Tablette a 15 mg täglich stattgefunden. Weiters nehme der Beschwerdeführer Lansobene wegen Magenschmerzen. Langsame Sprechweise und etwas verwaschene Artikulation seien nicht unbedingt Ausdruck einer akuten Drogeneinwirkung, sondern bestünden, seitdem der Arzt den Beschwerdeführer kenne.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der §§ 7, 8, 33 und 38 AlVG aus, im gegenständlichen Fall sei strittig, ob der Beschwerdeführer arbeitsfähig im Sinne des § 8 AlVG sei.
Dem ärztlichen Gutachten von Dr. S. am sei abschließend zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer arbeitsunfähig im Sinne des § 8 AlVG sei. In der Berufung sei die Arbeitsunfähigkeit bestritten und die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Ärztefach, insbesondere aus dem Fachgebiet der Psychiatrie, beantragt worden.
Dieser Antrag werde von der belangten Behörde abgewiesen, insbesondere da das entscheidungsrelevante Gutachten von Dr. S. vom schlüssig das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit dargelegt habe. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden seien nicht geeignet gewesen, die Schlüssigkeit des Gutachtens von Dr. S. in Zweifel zu ziehen. Auch das Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer seit 2001 im Substitutionsprogramm stehe und keinerlei Drogen mehr konsumiere, lasse nicht zwingend auf Arbeitsfähigkeit schließen.
Dem Gutachten sei insbesondere zu entnehmen, dass sich im gesamten Gesprächsverlauf als erwiesen gezeigt habe, dass der Beschwerdeführer unkonzentriert und verlangsamt sei und eine verwaschene Sprache habe. Es sei die Diagnose gestellt worden, dass ein "Zustand nach Polytoxikomanie mit Verdacht auf drogeninduzierte Enzephalopathie" und ein "derzeitiger Benzodiazepinabusus" vorliege. Aufgrund des jahrelangen Drogenmissbrauchs des Beschwerdeführers habe sich eine drogeninduzierte Enzephalopathie entwickelt. Dies äußere sich dadurch, dass der Beschwerdeführer stark verlangsamt sei, eine verwaschene Sprache habe und während des gesamten Gesprächs äußerst unkonzentriert gewirkt habe. Er sei ferner teilweise persönlich nicht orientiert. Er habe seine Medikamente vorerst nicht benennen können und habe keine Ahnung gehabt, was er einnehme. Erst im Laufe des Gesprächs seien ihm immer wieder Substanzen eingefallen, die er sodann widerrufen habe. In Summe zeige sich deutlich, dass der Beschwerdeführer schon starke kognitive Einschränkungen aufweise. Auch wenn sich im Anamnesegespräch nicht genau eruieren lasse, ob der Beschwerdeführer einen Beikonsum betreibe, bedingten die aufgrund der langjährigen Polytoxikomanie eingetretenen Langzeitfolgen eine "klare Arbeitsunfähigkeit".
Seitens des Beschwerdeführers seien keine Beweise vorgelegt worden, welche die Schlüssigkeit des gegenständlichen Gutachtens in Zweifel zu ziehen geeignet gewesen wären. Dass der Beschwerdeführer laut klinischer und ärztlicher Bestätigung schon immer eine verlangsamte Sprechweise gehabt habe, sei nicht geeignet, die Schlüssigkeit des Gutachtens von Dr. S. in Zweifel zu ziehen. Dies insbesondere deshalb, da sich die Schlussfolgerungen von Dr. S. nicht ausschließlich auf die verlangsamte Sprechweise des Beschwerdeführers stützen würden. Vielmehr sei festgestellt worden, dass sich der Beschwerdeführer im Zuge des gesamten Gesprächsverlaufs unkonzentriert und persönlich nicht orientiert gezeigt habe. Abschließend habe Dr. S. festgestellt, dass sich in Summe deutlich zeige, dass der Beschwerdeführer schon starke kognitive Einschränkungen und Langzeitfolgen aufgrund der langjährigen Polytoxikomanie aufweise.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer nicht erschöpft hat. Gemäß Abs. 2 steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.
Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid beziehungsweise nicht berufsunfähig im Sinne der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 255, 273 beziehungsweise 280 ASVG ist.
Gemäß § 8 Abs. 2 AlVG ist der Arbeitslose, wenn sich Zweifel über die Arbeitsfähigkeit ergeben, verpflichtet, sich auf Anordnung der regionalen Geschäftsstelle untersuchen zu lassen. Weigert, er sich, dieser Anordnung Folge zu leisten, so erhält der für die Dauer der Weigerung kein Arbeitslosengeld.
Die genannten Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
2. Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, dass die belangte Behörde seinen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens "aus dem Ärztefach, insbesondere aus dem Fachgebiet der Psychiatrie", abgewiesen habe. Dadurch sei er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen der Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie und Sozialpsychiatrie der Medizinischen Universität I und des Dr. U., jeweils vom , würden darlegen, dass der Beschwerdeführer keinen Beikonsum von illegalen Drogen bzw. nicht verordneten Substanzen aufweise bzw. seine verwaschene Artikulation keineswegs "unbedingt" Ausdruck einer akuten Drogeneinwirkung sei. Daher sei die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach an der Schlüssigkeit des Gutachtens von Dr. S. vom kein Zweifel zu ziehen und deshalb der Antrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie abzuweisen sei, unrichtig. Denn Dr. S. führe die verwaschene Sprache des Beschwerdeführers auf eine drogeninduzierte Enzephalopathie zurück, wogegen Dr. U. und auch die Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie und Sozialpsychiatrie dem Beschwerdeführer bestätigen würden, schon immer eine verlangsamte Sprechweise zu zeigen, die jedoch nicht auf den Konsum von Drogen zurückzuführen sei, sondern vielmehr eine Eigenart des Patienten darstelle.
3. Nach dem Befund des von der belangten Behörde herangezogenen Gutachtens des Dr. S. vom weist der Beschwerdeführer aufgrund seines langjährigen Drogenmissbrauchs starke kognitive Einschränkungen auf: Der Beschwerdeführer wirke im Gespräch stark verlangsamt, habe eine verwaschene Sprache und sei äußerst unkonzentriert. Zwar lasse sich nicht eruieren, ob der Klient einen "Beikonsum" betreibe, die schon eingetretenen Langzeitfolgen der langjährigen Polytoxikomanie würden jedoch eine klare Arbeitsunfähigkeit bedingen.
Diesem Gutachten ist der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren durch die Vorlage einer - jeweils einen Absatz umfassenden - "klinischen Bestätigung" und einer "ärztlichen Bestätigung" entgegengetreten. Der klinischen Bestätigung der Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie und Sozialpsychiatrie zufolge weise der Beschwerdeführer keinen "Beikonsum von illegalen Drogen bzw. nicht verordneten Substanzen" auf. Eine verlangsamte Sprechweise sei nicht auf den Konsum von Drogen zurückzuführen, sondern stelle vielmehr eine Eigenart des Patienten dar.
In der ärztlichen Bestätigung des Dr. U. vom gibt dieser die aktuelle Medikamentendosis des Beschwerdeführers an und verweist weiters darauf, dass die "verwaschene Artikulation" des Beschwerdeführers nicht "unbedingt Ausdruck einer akuten Droge(n)wirkung" sei.
Mit diesen - nicht den Anforderungen eines Gutachtens im Sinne des AVG entsprechenden - "Bestätigungen" ist der Beschwerdeführer dem Gutachten des Dr. S. nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0113).
Die Bestätigungen stehen zudem nicht in Widerspruch zum Gutachten des Dr. S. Jenes Gutachten geht nämlich weder von einem akuten Drogenkonsum des Beschwerdeführers aus, noch sieht es einen "Beikonsum" als erwiesen an, sondern attestiert dem Beschwerdeführer - die Arbeitsunfähigkeit zur Folge habende - kognitive Einschränkungen. Zu diesem Thema tragen aber die vorgelegten Bestätigungen überhaupt nichts bei. Ob es sich bei der verlangsamten Sprechweise des Beschwerdeführers um eine direkte Folge des langjährigen Drogenkonsums oder eine "Eigenart" des Beschwerdeführers handelt, ist damit für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit unerheblich.
Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen können daher die Ergebnisse der Begutachtung durch Dr. S nicht erschüttern, weshalb die Einholung eines weiteren (fachärztlichen) Gutachtens - wie vom Beschwerdeführer beantragt - entbehrlich war, weil der Beschwerdeführer dem Gutachten des Dr. S nicht hinreichend entgegengetreten ist (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/07/0005). Es wäre dem Beschwerdeführer im Übrigen freigestanden, im Rahmen des ihm gewährten Parteiengehörs ein fachärztliches Gutachten aus dem Bereich der Psychiatrie vorzulegen und dieses dem Gutachten des Dr. S. entgegenzustellen oder substantiiert Unschlüssigkeiten des von der Behörde eingeholten Gutachtens aufzuzeigen.
Die Behauptung des Beschwerdeführers, Dr. S. begebe sich mit den "Ausführungen betreffend der drogeninduzierten Enzephalopathie des Beschwerdeführers auf fremdes Terrain", lässt noch nicht den Schluss zu, dass den Ausführungen des Dr. S. zu den kognitiven Fähigkeiten des Beschwerdeführers kein ausreichender Beweiswert zukäme. Der Beschwerdeführer legt nämlich nicht dar, inwiefern das Gutachten des Dr. S. den Denkgesetzen oder der allgemeinen Lebenserfahrung widerspräche und damit unschlüssig wäre (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998),
E 238 ff zu § 52 AVG angeführte Judikatur). Von der fehlenden Fachkunde des Dr. S. zur Erstattung eines als Beweismittel verwertbaren Gutachtens ist mangels diesbezüglicher Anhaltspunkte daher nicht auszugehen.
4. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde hätte zumindest Dr. S. mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen des Dr. U und der Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie und Sozialpsychiatrie konfrontieren und zu einer Stellungnahme auffordern müssen, weil die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gerade im Hinblick auf den Grund für die verwaschene Artikulation des Beschwerdeführers nicht eindeutig gewesen sein.
5. Auch dieses Vorbringen kann die Beschwerde nicht zum Erfolg führen. Da die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestätigungen mit dem Gutachten des Dr. S. - wie bereits dargelegt - nicht in Widerspruch standen und bei der belangten Behörde keine Zweifel an der Aussagekraft des Gutachtens wecken mussten, bestand auch keine Notwendigkeit, diese Bestätigungen dem Dr. S. zu einer etwaigen Ergänzung seines Gutachtens vorzulegen.
6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
NAAAE-90408