VwGH vom 23.04.2014, Ro 2014/07/0015
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der Zusammenlegungsgemeinschaft H in K, vertreten durch Mag. Bernhard Kispert, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 20/2, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. LF1-LAS-154/010-2013, betreffend Nichtigerklärung des Plans der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen im Zusammenlegungsverfahren Hohenwarth (mitbeteiligte Parteien: 1. CM und 2. EM, beide in K, beide vertreten durch Mag. Margit Metz, Rechtsanwältin in 3843 Dobersberg, Schellings 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die im Bescheid der Niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde (ABB) vom (2. Teilplan des Plans der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen) enthaltene Bestimmung, alle Grundeigentümer würden einer für Zwecke des Wegebaus von ihren Grundstücken vorgenommenen Schotterentnahme ohne Abgeltung zustimmen, hinsichtlich der mitbeteiligten Parteien für nichtig erklärt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die ABB habe im Zusammenlegungsverfahren H. im 2. Teilplan des Plans der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen im Erläuterungsbericht, der einen Bestandteil dieses Bescheides bilde, den Passus aufgenommen, dass alle betroffenen Grundeigentümer auf eine Entschädigung für den von ihren Grundstücken zu entnehmenden und für den Wegebau zu verwendenden Schotter verzichten würden.
Vorangegangen sei die Aufnahme einer Niederschrift durch die ABB, in der bis auf die mitbeteiligten Parteien alle anderen Grundeigentümer einer kostenlosen Entnahme schriftlich zugestimmt hätten.
Nunmehr sei ein Verfahren zur Entschädigung des von Grundstücken der mitbeteiligten Parteien bis zur Anordnung der vorläufigen Übernahme der Grundabfindungen entnommenen Schotters anhängig. Mit einer kostenlosen Abtretung - wie von der ABB unterstellt - seien die mitbeteiligten Parteien nach wie vor nicht einverstanden.
Nach Zitierung des § 14 Abs. 4 des Niederösterreichischen Flurverfassungslandesgesetzes 1975, LGBl. 6650-6 (FLG), führte die belangte Behörde begründend weiter aus, dass es sich beim gegenständlichen Verfahrensschritt um einen amtswegigen handle. Da der Zusammenlegungsplan derzeit im Rahmen einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft würde, sei auch die materielle Rechtskraft noch nicht eingetreten und somit die Anwendung der betreffenden gesetzlichen Bestimmung möglich.
Wie aus obiger Sachverhaltsdarstellung ersichtlich sei, hätten sich alle Grundeigentümer bis auf die mitbeteiligten Parteien mit einer kostenlosen Schotterentnahme von ihren Grundstücken für Zwecke des Wegebaus niederschriftlich einverstanden erklärt. Letztere hätten bis heute keine Zustimmung erteilt; vielmehr begehrten sie eine Entschädigung für die entnommene Schottermenge. Über diesen Antrag sei ein Verfahren bei der ABB anhängig.
Die im Spruch aufscheinende Formulierung würde de facto einer Enteignung der mitbeteiligten Parteien gleichkommen, erklärten sich diese doch bis heute unmissverständlich mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden. Die Unterstellung einer zuvor gegebenen Zustimmung und deren Aufnahme in den Erläuterungsbericht des Bescheides, welcher erfahrungsgemäß von den Parteien nicht (immer) gelesen würde und folglich von den mitbeteiligten Parteien auch nicht mit einer Berufung bekämpft worden sei, dürfe sich nicht zum Nachteil dieser Parteien auswirken.
Um eine gesetzeskonforme Abwicklung des Verfahrens zu gewährleisten, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
Dieser lehnte mit Beschluss vom , Zl. B 1054/2013-6, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Bereits in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof führte die beschwerdeführende Partei die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aus und machte im Falle der Abtretung nach Art. 144 Abs. 3 B-VG Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Auch die mitbeteiligten Parteien begehrten, die Beschwerde als kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden Beschwerdefall hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung und des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
Gemäß § 14 Abs. 2 FLG ist über die Ergebnisse der Planung ein Bescheid (Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen) zu erlassen; über einzelne Teilergebnisse der Planung können erforderlichenfalls abgesonderte Bescheide erlassen werden.
§ 14 Abs. 3 und 4 FLG, LGBl. Nr. 6650-6, lauten wie folgt:
"(3) Falls zur Ausführung des Planes der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen Bewilligungen von solchen Behörden erforderlich sind, die für Angelegenheiten gemäß § 97 Abs. 3 lit. c und d zuständig sind, dann muß die Behörde diese Bewilligungen von Amts wegen einholen. Bezieht sich der Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen auch auf bewilligungspflichtige Angelegenheiten außer jenen des § 97 Abs. 3 lit. c und d, dann ersetzt er auch diese Bewilligungen. Die Behörde hat aber dabei die dafür geltenden materiellen Verwaltungsvorschriften anzuwenden.
(4) Bescheide gemäß Abs. 2 leiden bis zur Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler (§ 68 Abs. 4 Z. 4 AVG), soweit
o deren Ausführung für die Erreichung des Verfahrenszieles nicht mehr erforderlich ist oder dieses beeinträchtigt oder
o die gemäß Abs. 3 erforderlichen Bewilligungen versagt oder unter solchen Vorschreibungen erteilt werden, die mit den Bescheiden gemäß Abs. 2 unvereinbar sind."
Der Zusammenlegungsplan wurde auf Grund einer Beschwerde der mitbeteiligten Parteien mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2013/07/0014, aufgehoben.
Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG trat durch diese Aufhebung die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des im Verfahren zu Zl. 2013/07/0014 angefochtenen Bescheides - des Zusammenlegungsplanes - befunden hat. Auf Grund der "ex-tunc-Wirkung" dieses aufhebenden Erkenntnisses ist die Rechtslage zwischen Erlassung dieses Bescheides und seiner Aufhebung daher so zu betrachten, als sei dieser Bescheid nie erlassen worden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/07/0169, und vom , Zl. 2011/07/0148).
Auf Grund dieser im Beschwerdefall vorliegenden Verfahrenskonstellation ist der belangten Behörde im Ergebnis zuzustimmen, dass die Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes im Sinne des § 14 Abs. 4 FLG noch nicht eingetreten ist. Unter diesem Aspekt erwiese sich die Nichtigerklärung des Bescheides der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen nach § 14 Abs. 4 FLG als zulässig.
Der angefochtene Bescheid ist aber aus folgenden Überlegungen als nicht in Übereinstimmung mit der Rechtslage anzusehen:
Die belangte Behörde führt aus, dass die im 2. Teilplan des Plans der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen enthaltene Bestimmung, alle Grundeigentümer würden einer zum Zwecke des Wegebaus von ihren Grundstücken vorgenommenen Schotterentnahme ohne Abgeltung zustimmen, "de facto einer Enteignung" der mitbeteiligten Parteien gleichkommen würde. Diese hätten einer solchen Vorgangsweise nie zugestimmt. Die Unterstellung einer zuvor gegebenen Zustimmung und deren Aufnahme in den Erläuterungsbericht dieses Bescheides, welcher von den mitbeteiligten Parteien nicht (immer) gelesen und folglich auch nicht mit einer Berufung bekämpft worden sei, dürfe sich nicht zum Nachteil dieser Parteien auswirken. Deshalb sei der
2. Teilplan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen hinsichtlich der mitbeteiligten Parteien für nichtig zu erklären gewesen, um "eine gesetzeskonforme Abwicklung des Verfahrens zu gewährleisten".
Zu den beiden Punkten in § 14 Abs. 4 FLG, die eine Nichtigerklärung des Planes der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen ermöglichen, führen die Materialien wie folgt aus (Motivenbericht vom , Zl. LF1-LEG-5/005-2004):
"Da die Planung der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen stets der Neueinteilung vorangeht, können sich anlässlich dieser Neueinteilung oder im Berufungsverfahren Sachzwänge ergeben, die eine beschränkte Neuplanung nach sich ziehen. Dem stünde die Rechtskraft der Bescheide entgegen.
Bisher mussten die erforderlichen Bewilligungen anderer Behörden noch vor der Erlassung des Plans der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen eingeholt werden. Das hat wegen der Dauer der Verfahren vor diesen Behörden zu sehr erheblichen Verzögerungen des Agrarverfahrens geführt. Erfahrungsgemäß wurden die Bewilligungen aber immer erteilt. Aus Gründen der Ökonomie des Agrarverfahrens erscheint es deshalb zweckmäßig, für den - seltenen - Fall der Versagung oder nicht antragsgemäßen Bewilligung ein Instrument für die Anpassung des Planes der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen an die erteilte Bewilligung vorzusehen."
Die eine Voraussetzung des § 14 Abs. 4 FLG zur Nichtigerklärung eines rechtskräftigen Planes der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen ist, dass dessen Ausführung die Erreichung des Verfahrensziels durch eine Beschränkung der Planungsmöglichkeiten in der Phase der Neueinteilung beeinträchtigt oder sich dessen Ausführung zur Erreichung des Verfahrensziels in der Gestaltungsphase der Neueinteilung nicht mehr als erforderlich erweist.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall jedenfalls nicht vor, da es sich im vorliegenden Fall nicht um Gestaltungsfragen der zu schaffenden Abfindungen handelt, sondern um die Frage der Entschädigung für eine Schotterentnahme.
§ 97 Abs. 3 lit. c und d sowie Abs. 4 FLG lauten wie folgt:
"(3) Von der Zuständigkeit der Agrarbehörden sind jedoch ausgeschlossen:
...
c. Angelegenheiten der Eisenbahnen, der Landesverteidigung, der öffentlichen Straßen und öffentlichen Wege, der Schifffahrt, der Luftfahrt und des Bergbaues;
d. Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, soweit nicht durch eine Verordnung gemäß § 32 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000 bzw. § 14 Abs. 4 des NÖ Stadtrechtsorganisationsgesetzes, LGBl. 1026, die Zuständigkeit der Agrarbehörde begründet wird.
(4) Ist für die Durchführung eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regelungsverfahrens die Entscheidung in einer der im Abs. 3 lit. c und d erwähnten Angelegenheiten erforderlich, so hat die Agrarbehörde hierüber das Einschreiten der zuständigen Behörden zu veranlassen. Deren Entscheidung ist dem weiteren Verfahren der Agrarbehörde zugrunde zu legen."
Der vorliegende Beschwerdefall weist auch keine Bezüge zu einer nach § 97 Abs. 3 lit. c und d FLG erforderlichen Bewilligung auf, sodass auch diese andere Voraussetzung für eine Nichtigerklärung des Plans der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen im Beschwerdefall keine Anwendung findet.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 8 VwGbk-ÜG und § 3 der VwGH-AufwErsV, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-90396