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VwGH vom 28.03.2012, 2009/08/0271

VwGH vom 28.03.2012, 2009/08/0271

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des P H in G, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2009, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, nach durchgeführter mündliche Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Beschwerdevertreters Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser und der Vertreterin der belangten Behörde Mag. Heidelinde Schneider, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.489,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice G (in der Folge: AMS) gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 iVm § 38 AlVG den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 3. August bis ausgesprochen und damit begründet, dass er die Annahme der ihm zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung bei der Firma "J" verweigert habe; Nachsichtgründe würden nicht vorliegen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, dass sich diese Verweigerung auf die telefonisch am vermittelte Zuweisung zu einer Beschäftigung bei der Gemeinde beziehe, über deren Charakteristika er keinerlei Informationen erhalten habe; es sei vereinbart worden, dass er anlässlich der anstehenden Antragstellung auf Notstandshilfe am mit seiner Betreuerin Rücksprache halten solle. Mangels deren Anwesenheit habe ihm dann deren Vertretung mitgeteilt, dass es sich um eine auf drei Monate befristete Stelle handle; über "J", Art der Beschäftigung, Einstufung und Gehalt und den Beschäftiger habe sie nicht Bescheid gewusst und ihm geraten, sich selbst zu erkundigen, wozu sie ihm die Adresse der Web-Site ausgehändigt habe. Am habe er mit der Projektleiterin von "J" telefoniert, die aber ebenfalls nichts von dieser befristeten Stelle gewusst hätte. Am habe er das per E-Mail angeforderte Muster des Dienstvertrages erhalten, wobei es sich aber um ein völlig unbestimmtes Muster gehandelt habe, welches keinerlei Konkretisierung über Beginn und Dauer des Dienstverhältnisses, allfällige Einstufung in ein generelles Schema, die vorgesehene Verwendung, Gehalt und Bezeichnung des Kollektivvertrages enthalten habe. Damit hätten weder das AMS noch der überlassende Verein "J und A" als Beschäftiger den Mindestanforderungen an Information, die bei einer Zuweisung jedenfalls erfolgen müssen, genügen können.

Am habe er bei der Vizebürgermeisterin O der Gemeinde G vorgesprochen und um Bekanntgabe erforderlicher Details wie Arbeitszeiten und Tätigkeit ersucht; er habe dabei erfahren, dass es auch um Wasseruhrinstallationen, Reparaturen an Kinderspielplatzgeräten und leichte Tätigkeiten im Elektrobereich gehe. Er habe ihr gegenüber Bedenken betreffend seiner notwendigen fachlichen Qualifikation für diese Tätigkeiten geäußert. Außerdem könne er auf Grund der Betreuungspflichten für seine beiden Kinder die Stelle nicht antreten, wie er auch laut § 7 Abs. 7 AlVG nicht verpflichtet sei, sich für eine Beschäftigung, die mehr als 16 Stunden umfasse, bereit zu halten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge.

In ihrer Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges fest, dass der Beschwerdeführer vom bis Arbeitslosengeld bezogen habe, unterbrochen durch ein kurzes Dienstverhältnis vom 1. bis im IT-Bereich eines näher bezeichneten Unternehmens, welches er selbst innerhalb der Probezeit gelöst habe; seit stehe er im Notstandshilfebezug. Er habe die Handelsschule absolviert und suche laut Verfahrensunterlagen und der (beim AMS) am getroffenen "Betreuungsvereinbarung" (worin festgehalten wurde, dass Betreuungsverpflichtungen nicht vorliegen) eine Vollzeitbeschäftigung als Netzwerktechniker im Bezirk G oder in W.

Die belangte Behörde setzte fort, dass der Beschwerdeführer geschieden und für zwei (im Jahr 1999 bzw. 2001 geborene) Kinder sorge- bzw. unterhaltspflichtig sei, er besitze einen Führerschein B sowie ein eigenes Fahrzeug und wohne - trotz rechtswirksamer Scheidung im Jahr 2004 - noch im gemeinsamen Haushalt mit seiner geschiedenen Gattin und den Kindern in G, wobei die Obsorge beiden Elternteilen zukomme.

Am - nach über einem Jahr Arbeitslosigkeit - sei ihm vom AMS telefonisch eine auf drei Monate befristete Vollzeitbeschäftigung als Hilfsarbeiter für Arbeiten am Bauhof, Instandsetzungsreparaturen und Gartenarbeiten bei der Stadtgemeinde E (Anm.: welche im Bezirk G liegt) angeboten worden. Dienstgeber wäre der Verein "J und A", Projekt "J", Beschäftiger die Stadtgemeinde und Arbeitsbeginn der gewesen.

Wie aus den Verfahrensunterlagen hervorgehe, habe der Beschwerdeführer bereits im Zuge der telefonischen Zuweisung am angegeben, dass das Arbeitsangebot für ihn einen gravierenden Abstieg bedeute und seinem sozialen Umfeld nicht entspreche. Er sei daraufhin vom AMS auf seine bereits länger andauernde Arbeitslosigkeit bzw. die derzeitige Arbeitsmarktsituation und die Notwendigkeit der Suche nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht worden.

Bei seiner Vorsprache am habe er erklärt, dass die Beschäftigung für ihn nicht in Frage käme, weil sie unter seinem Niveau liege und einen großen Abstieg bedeuten würde; er rechne ab Herbst 2009 wieder mit großen Chancen auf ein Dienstverhältnis in seiner Branche. Bei Annahme einer befristeten Stelle seien ein Vertragsaustritt und die Annahme einer besseren Arbeit nicht möglich. Er sei von der Beraterin beim AMS darüber informiert worden, dass er - falls er eine "bessere" Beschäftigung finde - jederzeit aus dem Projekt "J" aussteigen könne und es sei ihm ein Bewerbungsbogen mit der Website von diesem Projekt ausgehändigt worden; er habe angegeben, sich diesbezüglich mit der Stadtgemeinde E in Verbindung zu setzen und sich bezüglich des Vertrages bei "J" zu erkundigen.

Am habe der Beschwerdeführer telefonisch dem AMS mitgeteilt, ein Vorstellungsgespräch bei der Stadtgemeinde E absolviert zu haben, jedoch hätten seine Qualifikationen nicht den Anforderungen entsprochen. Außerdem seien die Arbeitszeiten von Montag bis Donnerstag von 06:30 Uhr bis 16:00 Uhr und Freitag von 06:00 Uhr bis 11:00 Uhr, er müsse aber infolge Berufstätigkeit seiner Exgattin in der Früh die Kinder betreuen. Er sei bei diesem Gespräch über die Möglichkeit der Beantragung einer Kinderbetreuungsbeihilfe informiert worden. Die Bewerbungsunterlagen habe er nach seinen Angaben an "J" gesandt. Seine Aufnahme im Bewerberpool habe die Projektleiterin von "J" mit Mail vom bestätigt.

In der Stellungnahme vom habe die Vizebürgermeisterin O der Stadtgemeinde E dem AMS bekannt gegeben, der Beschwerdeführer habe beim Vorstellungsgespräch erklärt, dass er sich zur Arbeit mit Gartengeräten nicht in der Lage fühle und befürchte, etwas kaputt zu machen. Die kollektivvertragliche Entlohnung für Außendienstarbeiter bei der Gemeinde betrage EUR 1.365,90 zuzüglich Zulagen für den Außendienst. Bezüglich der Arbeitszeiten habe er angegeben, dass der frühe Arbeitsbeginn für ihn nicht möglich sei, da der Kinderhort in G im August geschlossen sei. O habe ihn über die Möglichkeit einer Betreuung durch eine Tagesmutter informiert und einen Arbeitsbeginn um 07:30 Uhr (mit dementsprechend reduzierter Wochenarbeitszeit) vorgeschlagen.

Es stehe - so die belangte Behörde weiter - fest, dass die angebotene Beschäftigung über "J" bei der Gemeinde E als Wiedereinstiegsmöglichkeit für langzeitarbeitslose Personen in den Arbeitsmarkt geschaffen worden sei. Die Tätigkeiten hätten im Allgemeinen Hilfstätigkeiten umfasst, die keiner besonderen Qualifikation bedürften. Im Regelfall finde das Vorstellungsgespräch in der Gemeinde statt, im Fall der Eignung des Bewerbers und vereinbarter Arbeitsaufnahme kontaktiere die Gemeinde in weiterer Folge den genannten Verein, der in Dienstgeberfunktion auftrete, wobei die Entlohnung der kollektivvertraglichen Vereinbarung des jeweiligen Beschäftigers entspreche, der Arbeitsvertrag für maximal sechs Monate geschlossen und eine Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis angestrebt werde. Weiters habe es - laut Rücksprache beim Hilfswerk M - im gegenständlichen Zeitraum in E vierzehn aktive Tagesmütter gegeben; es seien jedenfalls freie Kapazitäten vorhanden gewesen und würden "Privatvereinbarungen" mit den Erziehungsberechtigten ganz nach deren Bedürfnissen und Arbeitszeiten getroffen.

Am sei in der Niederschrift zum Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses der gesamte Sachverhalt nochmals festgehalten und vom Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift zur Kenntnis genommen worden. Ergänzend habe er angegeben, O nach der rechtlichen Situation einer Beschäftigung unqualifizierter Mitarbeiter im öffentlichen Bereich gefragt zu haben, da Installationsarbeiten, elektrische Arbeiten, Instandsetzungen und Wartungen von Kinderspielplatzgeräten zu tätigen gewesen seien; er habe mit ihr nicht über Tagesmütter gesprochen. Soweit ihm bekannt, sei eine Tagesmutterbetreuung ab 06:30 Uhr im Sommer nicht möglich. Seine Kinder würden während der Schulmonate an ein bis zwei Tagen pro Woche von einer Tagesmutter betreut; er befürchte, dass die Kosten der Kinderbetreuung trotz eventueller Förderung zu hoch seien.

Die belangte Behörde setzte fort, dass dem Beschwerdeführer auf Grund der erteilten Informationen (mündlich und schriftlich) klar gewesen sein müsse, wer insbesondere der Dienstgeber sei, welches Gehalt geboten werde und welche Anforderungen an ihn gestellt werden. Das Arbeitsverhältnis beim Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt "J" - Verein "J und A" sei vollversichert und entspreche den arbeitsrechtlichen Vorschriften sowie den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards. Der Beschwerdeführer habe laut Abfrage beim Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger während der Ausschlussfrist kein Dienstverhältnis aufgenommen und stehe seit wieder in Notstandshilfebezug.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde neben Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, dass die gegenständliche Beschäftigung beim genannten Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt jedenfalls zumutbar gemäß § 9 AlVG sei. Das Arbeitsverhältnis sei vollversichert, entspreche den arbeitsrechtlichen Vorschriften sowie den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards und erfülle die Anforderungen von Abs. 7 der genannten Bestimmung.

Werde ein Arbeitsloser als Hilfskraft vermittelt, sei zu prüfen, wie die zum Zeitpunkt der Zuweisung tatsächlich bestehenden Chancen, in seinen erlernten Beruf zurückzukehren, durch die zugewiesene Beschäftigung beeinflusst würden. Sei kein negativer Einfluss zu erwarten, der zudem eine wesentliche Erschwernis bedeuten müsse, in den ursprünglichen Beruf zurückzukehren, sei die zugewiesene Beschäftigung zumutbar. Da der Beschwerdeführer bereits seit im Leistungsbezug stehe und seine Arbeitssuche bisher zu keiner erfolgreichen Arbeitsaufnahme geführt habe, sei ihm eine zumutbare Stelle iSv § 9 leg. cit. zugewiesen worden.

Seinem Vorbringen, er sei Netzwerktechniker und die geforderten Tätigkeiten der angebotenen Beschäftigung würden nicht seiner Qualifikation entsprechen, könne daher nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer habe sämtliche der für diese Stelle erforderlichen Qualifikationen; darüber hinaus seien von der Gemeinde E als potenzieller Beschäftigerin auch keine besonderen Qualifikationen gefordert worden. Sein Einwand, die Umstände der Zuweisung seien "chaotisch" und rechtlich fragwürdig, würden ins Leere gehen, zumal ihm bereits bei der Zuweisung klar und deutlich vermittelt worden sei, dass die Vollzeitbeschäftigung als Hilfsarbeiter für die Gemeinde E über den genannten gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlasser stattfinde; er habe auch eine Tätigkeitsbeschreibung erhalten, wonach er für Arbeiten am Bauhof, Instandsetzungsreparaturen und Gartenarbeiten zuständig gewesen wäre; ein/e "chaotische/r" Vorgangsweise bzw. Zustand könne nicht festgestellt bzw. nachvollzogen werden.

Außerdem sei bereits seit seinem Gespräch mit der Leiterin des AMS am an seiner Arbeitswilligkeit zu zweifeln, da er darin angegeben habe, dass die Tätigkeit für ihn nicht in Frage käme und seinem Niveau nicht entspreche. Die im Vorstellungsgespräch geäußerte Befürchtung, etwas kaputt zu machen und sich zur Arbeit mit Gartengeräten nicht in der Lage zu fühlen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Dem Einwand von Betreuungspflichten wurde entgegengehalten, dass die Betreuung durch eine Tagesmutter gesichert gewesen wäre und er einen Antrag auf Gewährung einer Kinderbetreuungsbeihilfe hätte stellen können. Die Arbeitszeit von 16 Wochenstunden sei ein Minimalerfordernis für den Leistungsbezug im Hinblick auf die Verfügbarkeit. Da die Betreuung über das Ausmaß von 16 Wochenstunden hinaus gesichert gewesen sei, sei ihm entsprechend eine Beschäftigung mit höherem Arbeitszeitausmaß auch zumutbar. Der potentielle Dienstgeber wäre außerdem sogar zu einer anderen für ihn angenehmeren und wohl annehmbaren Arbeitszeitvereinbarung mit einem späteren Dienstbeginn bereit gewesen.

Im Weiteren sei seine Forderung nach einem Dienstvertrag verfrüht, weil er diesen bei Dienstantritt erhalten hätte und keine Verpflichtung des Dienstgebers bestehe, diesen bereits vor Beschäftigungsantritt zu erstellen; die wesentlichen Kriterien für das Zustandekommen des Dienstverhältnisses seien ihm bekannt gewesen. Zum Einwand, dass es eine Firma "J" nicht gäbe, wurde festgehalten, dass die Arbeitsaufnahme zunächst mit der Gemeinde besprochen und nach Feststehen des Dienstbeginns der genannte Verein kontaktiert werde. Im vorliegenden Fall habe der Verein am bezüglich der Tätigkeit weder eine Auskunft erteilen noch den konkreten Vertrag übermitteln können, da das Einstellungsgespräch erst (danach) am stattgefunden habe.

Abschließend kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten den Tatbestand der Nichtannahme gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 erster Fall AlVG verwirklicht habe, der den Verlust des Leistungsanspruches für sechs Wochen rechtfertige. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht iSd § 10 Abs. 3 leg. cit. (so insbesondere Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsaufnahme innerhalb der Ausschlussfrist) würden nicht vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, sowie einer zur Gegenschrift erstatteten Gegenäußerung des Beschwerdeführers erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 iVm Abs. 2 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer u.a. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und arbeitslos ist. Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (nach Abs. 3 Z. 1 dieser Bestimmung) eine Person, die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält.

Nach § 7 Abs. 7 leg. cit. gilt ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 20 Stunden als auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotene, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Voraussetzungen entsprechende Beschäftigung. Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr oder behinderte Kinder, für die nachweislich keine längere Betreuungsmöglichkeit besteht, erfüllen die Voraussetzung des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG auch dann, wenn sie sich für ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 16 Stunden bereithalten.

§§ 9 und 10 AlVG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

...

(7) Als Beschäftigung gilt, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen.

...

§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt,

...

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

...

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."

Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

2. In der Beschwerde wird im Wesentlichen moniert, die belangte Behörde habe zu Unrecht den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG als erfüllt angesehen und keine Nachsicht iSv Abs. 3 dieser Bestimmung gewährt. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass schon die Voraussetzung der Zumutbarkeit eines zugewiesenen Beschäftigungsverhältnisses im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen wäre, zumal die zur betreffenden Stelle vorliegenden Informationen für eine notwendige Zumutbarkeitsprüfung nicht ausreichend gewesen seien. Da der Beschwerdeführer wesentliche Informationen über Arbeitgeber, Gehalts- oder Arbeitszeitbedingungen nie erhalten habe, habe ein konkretes Stellenangebot nie vorgelegen. Darüber hinaus bringe der Beschwerdeführer die für das Beschäftigungsverhältnis notwendigen Qualifikationen nicht mit, weswegen er nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten dem vom Arbeitgeber bekannt gegebenen Profil nicht entspräche und nicht zuletzt daher eine Zuweisung unzulässig gewesen sei.

Wenn der Beschwerdeführer dazu in seiner Verfahrensrüge zunächst geltend macht, dass der erstinstanzliche Bescheid so mangelhaft gewesen sei, dass eine Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG geboten gewesen wäre, genügt es, darauf hinzuweisen, dass nach dieser Bestimmung die Mangelhaftigkeit des Verfahrens die Berufungsbehörde nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides berechtigt, wenn sich der Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben lässt. In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde immer in der Sache selbst zu entscheiden und die dafür notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens unter Heranziehung der Behörde erster Instanz oder selbst vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn von der Vorinstanz kein Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0460). Die Berufungsbehörde ist aber nicht zu einer Aufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG verpflichtet.

Darüber hinaus kommt der Beschwerde aber Berechtigung zu, soweit eine mangelhafte Bescheidbegründung und das Fehlen beweiswürdigender Erwägungen insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers und der Vertreterin der Gemeinde G zum Vorstellungsgespräch am gerügt werden:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 § 60 AVG E 19).

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d. h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0256, mwN).

Wenn die Behörde den Ausführungen der Partei keinen Glauben schenkt, hat sie die Gründe dieser Beweiswürdigung im Bescheid auszuführen (vgl. Walter/Thienel, aaO E 107).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer bereits in der Berufung gerügt, dass er vom AMS zur angebotenen Stelle u. a. keinerlei Information über die Art der Beschäftigung und den Gehalt erhalten habe. Die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid erschöpfen sich darin, dass (unter der Überschrift "Feststellungen") der Verfahrensgang und die jeweiligen Angaben der beteiligen Personen wiedergegeben werden sowie die (abschließende) Feststellung getroffen wird, dass der Beschwerdeführer "daher auf Grund der erteilten Informationen (mündlich und schriftlich) klar sein musste, … welches Gehalt geboten wird und welche Anforderungen an ihn gestellt werden". Ferner fehlen Feststellungen zum Verhalten des Beschwerdeführers beim Vorstellungsgespräch bei der Stadtgemeinde (wozu divergierende Angaben des Beschwerdeführers und der Vizebürgermeisterin vorliegen) wie auch zur Frage, ob die Zumutbarkeit der gegenständlichen Beschäftigung im Hinblick auf die geltend gemachten Sorgepflichten dabei behandelt wurde. Die belangte Behörde hat sich aber weder mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ihm der Gehalt unbekannt geblieben und eine allfällige Betreuung seiner Kinder durch Tagesmütter nicht besprochen worden sei, auseinandergesetzt noch in nachvollziehbarer Weise dargelegt, auf Grund welcher Beweisergebnisse sie zu den dazu getroffenen Feststellungen gelangt ist (so hat im Übrigen auch die Vertreterin der Gemeinde G in der Stellungnahme nicht explizit angegeben, dass sie dem Beschwerdeführer beim Gespräch am den Gehaltsbetrag genannt bzw. ihm erklärt hätte, dass für die Tätigkeit die kollektivvertragliche Entlohnung für Außendienstarbeiter der Gemeinde vorgesehen sei). Die Begründung des angefochtenen Bescheides genügt daher nicht den oben dargelegten Anforderungen an eine schlüssige Beweiswürdigung und an ausreichenden Tatsachenfeststellungen, um abschließend beurteilen zu können, ob der Beschwerdeführer durch sein (ablehnendes) Verhalten den Tatbestand der Weigerung der Annahme oder der Vereitelung des Zustandekommens einer ihm zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung iSv § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG erfüllt hat.

3. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, Ansprüche nach dem AlVG seien "civil rights" iSd Artikels 6 Abs. 1 EMRK. Das AlVG sehe zur Entscheidung über Ansprüche wie dem hier zu beurteilenden aber die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden und ein Verfahren nach dem AVG vor. Dies verletze das Grundrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK auf eine Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches auf Gesetz beruhendes Gericht. Er sei in seinen von Art. 6 Abs. 1 EMRK genannten Rechten auf Anhörung in einer öffentlichen Verhandlung und auf öffentliche Urteilsverkündung verletzt.

Hinsichtlich dieses Vorbringens kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des Erkenntnisses vom , Zl. 2003/08/0106, verwiesen werden.

Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 15850/2000 regt der Beschwerdeführer weiters ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich § 10 Abs. 1 AlVG an, da der in dieser Norm geregelte Anspruchsverlust von mindestens sechs Wochen Strafcharakter habe und daher im Sinne des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichthofs verfassungswidrig sei. Dazu genügt es gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2007/08/0187, zu verweisen.

4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-90392