VwGH vom 27.09.2012, 2011/16/0240

VwGH vom 27.09.2012, 2011/16/0240

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/1150L/10, betreffend Gesellschaftsteuer (mitbeteiligte Partei: v GmbH in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Laut Punkt V. des Protokolls der ordentlichen Generalversammlung der Mitbeteiligten vom wurde dort folgendes beschlossen:

"V. 'Kapitalberichtigung'

1. Es wird beschlossen, das Stammkapital der Gesellschaft, von EUR 35.000 …, welches zur Gänze bar einbezahlt ist, unter Heranziehung von Gesellschaftsmitteln um EUR 965.000 … auf EUR 1.000.000 … gemäß den Bestimmungen des Kapitalberichtigungsgesetzes zu erhöhen.

2. Hierzu wird festgehalten, dass der Jahresabschluss der Gesellschaft zum … mit heutigem Datum gemäß Punkt 1. festgestellt worden ist. Die Bilanz zum … ist als Teil der Anlage ./2 … beigelegt.

3. Die Erhöhung erfolgt rückwirkend zum Bilanzstichtag durch Umwandlung eines Teiles der im festgestellten Jahresabschluss zum … ausgewiesenen offenen Rücklagen, sodass die gesamte Kapitalerhöhung von EUR 965.000 … aufgebracht ist. Für die Umwandlung sind ausschließlich jene offenen Rücklagen zu verwenden, die im Rahmen der am … eingetragenen Verschmelzung der v P GmbH (FN …) mit der Gesellschaft von dieser auf die Gesellschaft übergegangen und zudem bereits der Besteuerung nach dem KVG unterlegen sind. Für die Umwandlung herangezogen werden demnach EUR 677.789,73 … aus der freien Rücklage, welche zur Gänze aus der nicht gebundenen Kapitalrücklage der verschmolzenen Gesellschaft stammt und auf die Einbringung des Teilbetriebes 'P K' zum … unter Anwendung des StruktVG zurückgeht, sowie EUR 287.210,27 75 … aus der gebundenen Rücklage, die im Rahmen der Verschmelzung auf Grund des Verschmelzungsvertrages aus dem Stammkapital der verschmolzenen Gesellschaft gebildet worden ist. Mit Eintragung dieses Generalversammlungsbeschlusses im Firmenbuch ist das Stammkapital mit Rückwirkung erhöht und diese Kapitalerhöhung durchgeführt.

4. Die Kapitalerhöhung von EUR 965.000 … wächst dem Alleingesellschafter im Verhältnis seiner Stammeinlage zu, sodass dieser nach Durchführung über eine Stammeinlage von EUR 1.000.000 … verfügt.

5. Weiters wird hiermit ausdrücklich auf den Bericht der Geschäftsführung (Vorstand) gemäß § 2 Abs. 5 KapBG sowie auf den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers verzichtet. Vorsorglich wird ebenfalls erklärt, dass es keine Gegenvorschläge zur Vornahme der Kapitalerhöhung gibt."

In Folge dessen wurde in dieser Generalversammlung der Gesellschafsvertrag der Mitbeteiligten dahingehend geändert, dass das Stammkapital der Gesellschaft EUR 1.000.000,-- betrage und zur Gänze aufgebracht sei.

Mit Gesellschaftsteuerbescheid vom setzte das Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr gegenüber der Mitbeteiligten für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vom Gesellschaftsteuer mit dem Betrag von EUR 9.650,-- fest. Begründend führte die Abgabenbehörde erster Instanz aus, die Rücklagen, die für die Kapitalerhöhung verwendet worden seien, stammten von der verschmolzenen v P GmbH und seien anlässlich der Verschmelzung gebildet worden. Die Upstream-Verschmelzung sei nicht gesellschaftsteuerbar. Die Anwendung der Befreiung des § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG setze aber voraus, dass die Rücklage aus Mitteln gebildet worden sei, die der Gesellschaft aus der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgängen zugeführt worden seien.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat die Mitbeteiligte zusammengefasst den Standpunkt, sie habe als übernehmende Gesellschaft mit der Verschmelzung im Wege der zivilrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge sämtliche Aktiva und Passiva übernommen und somit auch jene Mittel, die in Form des Stammkapitals als auch des Gesellschafterzuschusses bereits einmal der Gesellschaftsteuer bzw. einem steuerbaren Vorgang unterlegen seien. Aufgrund der abgabenrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge sei es unerheblich, ob die Gesellschaftsteuerpflicht der für die Kapitalerhöhung verwendeten Mittel der übertragenden oder der übernehmenden Gesellschaft bereits einmal bestanden hätte. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG trete die Befreiung ein, wenn die Kapitalerhöhung auf Rücklagen beruhe, die aus Mitteln, die der Gesellschaftsteuer unterlegen seien, gebildet worden seien. Weiters stehe die Steuerbefreiung systemkonform auch mit dem in Art. 12 der "Kapitalansammlungsrichtlinie" 2008/7/EG verankerten Grundsatz der Einmalbesteuerung im Einklang. Demgemäß umfasse bei einer Erhöhung des Kapitals die Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer nicht den Betrag der für die Erhöhung des Kapitals herangezogenen Eigenmittel der Kapitalgesellschaft, die bereits der Gesellschaftsteuer unterlegen hätten. Zunächst müsse die Kapitalerhöhung somit aus Eigenmitteln der Kapitalgesellschaft durchgeführt werden. Dies sei der Fall, weil im Zuge der Upstream-Verschmelzung das Nennkapital sowie die Kapitalrücklage der übertragenden Gesellschaft zu einer Kapitalrücklage bei der übernehmenden Gesellschaft geworden sei. In weiterer Folge müssten die Eigenmittel bereits einmal der Gesellschaftsteuer unterlegen sein. Auch das sei bei der gegenständlichen Fallkonstellation erfüllt. Es komme nach dem Wortlaut eindeutig nicht darauf an, dass die Gesellschaftsteuer unter der Steuernummer der übernehmenden Kapitalgesellschaft vorgeschrieben worden sei.

Mit Erledigung vom ersuchte die belangte Behörde die Mitbeteiligte um Vorlage der Einbringungsbilanz der v P GmbH in die v GmbH, der entsprechenden Gesellschaftsteuererklärung und des -bescheides sowie der Einbringungsbilanz des Teilbetriebs P K in die v GmbH samt entsprechender Abgabenerklärung und diesbezüglich ergangenem Bescheid.

Mit Eingabe vom legte die Mitbeteiligte folgende, als Anlagen bezeichnete Unterlagen vor:

" Anlage 1: Die Verschmelzungsbilanz1 zum der v P GmbH mit der v GmbH als übernehmende Gesellschaft. Aufgrund der upstream-Verschmelzung wurde keine Gesellschaftsteuererklärung eingereicht sondern lediglich gemäß § 43 UmgrStG die erforderlichen Anmeldungen der Verschmelzung bei den jeweils zuständigen Betriebsfinanzämtern Linz sowie Bruck-Leoben-Mürzzuschlag vorgenommen.

Anlage 2: Die Schlussbilanz der v P GmbH aus der das Stammkapital iHv EUR 4.700.000,00 sowie die nicht gebundene Kapitalrücklage iHv EUR 677.789,73 ersichtlich sind.

Anlage 3: Auszug aus dem WP-Bericht2 zum der v P GmbH mit den besonderen Hinweisen auf:

a) Seite 3f - rechtliche Entstehung mit dem Hinweis der Einbringung des Teilbetriebes 'P K' unter Anwendung der Bestimmungen des StruktVG. Eine Anmeldung betreffend Gesellschaftsteuer konnten wir nicht mehr ausfindig machen, wobei jedoch davon auszugehen ist, dass eine solche unterblieben ist, weil auf die Teilbetriebseinbringung das StruktVG angewendet wurde und demnach gesellschaftsteuerfrei war.

b) Seite 7 - Hinweis auf einen Gesellschafterzuschuss iHv 10,5 Mio ATS (umgerechnet EUR 763.064,76 ) durch den Gesellschafter V S L GmbH (nunmehr v S GmbH) und Einstellung des Zuschusses in die freie Kapitalrücklage. Auch für diesen Einlagevorgang war eine Anmeldung zur Gesellschaftsteuer bzw eines Gesellschaftsteuerbescheides aufgrund des 22 Jahre zurückliegenden Vorganges leider nicht mehr eruierbar.

c) Passiva zum - Ausweis des Zuschusses über 10,5 Mio ATS als nicht gebundene Kapitalrücklage.

d) Erläuterungen zu den einzelnen Bilanzpositionen - Hinweis auf den Gesellschafterzuschuss der V S L GmbH iHv 10,5 Mio ATS.

Anlage 4: Auszug aus dem WP-Bericht der v P GmbH in welchem die teilweise Verwendung der nicht gebundenen Kapitalrücklage beschrieben wird (Veränderung von EUR 763.064,76 auf den Stand von EUR 677.789,73, welcher bis zum Verschmelzungsstichtag unverändert geblieben ist).

Anlage 5: Auszug aus dem WP-Bericht der v P GmbH in welchem die nicht gebundene Kapitalrücklage beschrieben wird.

…"

Ohne hiezu der Abgabenbehörde erster Instanz Gehör einzuräumen, gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung der Mitbeteiligten Folge und hob den Erstbescheid vom auf.

Begründend führte sie zunächst aus:

"Die (mitbeteiligte Partei) hat in der ordentlichen Generalversammlung vom die Erhöhung des Stammkapitals um 965.000,00 EUR beschlossen.

Die Erhöhung erfolgte (vgl. Punkt V. 3.) rückwirkend zum Bilanzstichtag durch Umwandlung eines Teiles der im festgestellten Jahresabschluss zum ausgewiesenen offenen Rücklagen, sodass die gesamte Kapitalerhöhung von 965.000,00 EUR aufgebracht ist. Für die Umwandlung sind ausschließlich jene offenen Rücklagen zu verwenden, die im Rahmen der am eingetragenen Verschmelzung der V P GmbH mit der Gesellschaft von dieser auf die Gesellschaft übergegangen und zudem bereits der Besteuerung nach dem KVG unterlegen sind. Für die Umwandlung herangezogen werden demnach 677.789,73 EUR aus der freien Rücklage, welche zur Gänze aus der nicht gebundenen Kapitalrücklage der verschmolzenen Gesellschaft stammt und auf die Einbringung des Teilbetriebes 'P K' zum unter Anwendung des StruktVG zurückgeht, sowie 287.210,27 EUR aus der gebundenen Rücklage, die im Rahmen der Verschmelzung auf Grund des Verschmelzungsvertrages aus dem Stammkapital der verschmolzenen Gesellschaft gebildet worden ist.

Das Finanzamt setzte mit dem angefochtenen Bescheid die Gesellschaftsteuer fest, wobei als Bemessungsgrundlage die gesamte Kapitalerhöhung herangezogen wurde.

Dagegen wird in der Berufung im Wesentlichen auf den eingangs zitierten Punkt des Generalversammlungsbeschlusses hingewiesen sowie auf Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2008/7/EG, wonach eine mehr als einmalige Besteuerung mit Gesellschaftsteuer bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bei derselben Steuerschuldnerin nicht erfolgen dürfe."

In rechtlicher Hinsicht erwog die belangte Behörde, zu den gemeinschaftsrechtlichen Einwänden der Berufung sei zu bemerken, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2003/16/0470, mit der Auslegung des Art. 4 Abs. 2 lit. a der "Kapitalansammlungsrichtlinie" im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln beschäftigt habe. Darin habe er vor Allem auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom in der Rechtssache 36/86 - Dansk Sparinvest verwiesen. Der Gedanke der Einmalbesteuerung werde aber - so die weitere Begründung nach Zitierung aus dem genannten Urteil - noch weitergeführt: Übertrage eine Kapitalgesellschaft ihr gesamtes Vermögen, einem Betrieb oder Teilbetrieb auf eine andere Kapitalgesellschaft und erhalte dafür Gesellschaftsrechte oder würden dadurch bestehende Gesellschaftsrechte (im Wert) "erhöht", sei dieser Vorgang - im Unterschied zur bisherigen Rechtslage nach dem Kapitalverkehrsteuergesetz (bis 1994) - von der Gesellschaftsteuer ausgenommen. Diese Steuerbefreiung solle ebenfalls dem Umstand Rechnung tragen, dass das Vermögen der übertragenden Kapitalgesellschaft in gewissem Umfang bereits einmal der Gesellschaftsteuer unterlegen sei. Diese Argumentation gehe freilich ins Leere, soweit das übertragene Vermögen auf (noch nicht der Gesellschaftsteuer unterlegene) Gewinne, stille Reserven oder einen originären Firmenwert entfalle.

Ausgangspunkt für die beantragte Befreiung von der Gesellschaftsteuer sei die Einbringung der v P und des Teilbetriebes P K in die Mitbeteiligte. Diesbezüglich habe diese über Anfrage bekanntgegeben:

"Die Verschmelzungsbilanz zum der v P GmbH als übernehmende Gesellschaft wird vorgelegt. Aufgrund der upstream-Verschmelzung wurde keine Gesellschaftsteuererklärung eingereicht sondern lediglich gemäß § 43 UmgrStG die erforderlichen Anmeldungen bei den zuständigen Finanzämtern vorgenommen.

Aus der Schlussbilanz der v P GmbH zum ist die nicht gebundene Kapitalrücklage in Höhe von 677.789,73 EUR ersichtlich.

Aus dem WP-Bericht zum geht die rechtliche Entstehung der v P GmbH hervor und zwar mit dem Hinweis auf die Einbringung des Teilbetriebes P K unter Anwendung der Bestimmungen des StruktVG. Eine Anmeldung betreffend Gesellschaftsteuer konnte nicht mehr ausfindig gemacht werden, doch ist davon auszugehen, dass die Gesellschaftsteuerfreiheit nach dem StruktVG anzuwenden war.

Dazu kommt noch Folgendes: Im bereits zitierten WP-Bericht zum ist auf einen Gesellschafterzuschuss in Höhe von 10,5 Mio S durch den Gesellschafter V S L GmbH und Einstellung des Zuschusses in die freie Kapitalrücklage hingewiesen. Diese nicht gebundene Kapitalrücklage hat sich bis zum auf 677.789,73 EUR verändert; in einer Anmerkung in der Bilanz zum heißt es dazu: Die nicht gebundenen Kapitalrücklagen resultieren aus einem früher gewährten Gesellschafterzuschuss.

Aus diesem Grund ist die Annahme einer Versteuerung nach dem KVG gerechtfertigt.

Zur P K: Die Gesellschaft entstand durch Bargründung. Auf Grund eines Beschlusses der außerordentlichen Generalversammlung wurde der bis dahin zur VA gehörende Teilbetrieb P K. in die Gesellschaft eingebracht. Der Hinweis auf einen Gesellschafterzuschuss in Höhe von 10,5 Mio S zur Abdeckung weitergehender Verluste durch den Gesellschafter V S L GmbH und die Einstellung dieses Zuschusses in die freie Kapitalrücklage deutet - selbst nach 22 Jahren - auf die Besteuerung dieses Vorganges nach dem KVG hin.

Der diesbezügliche Gesellschaftsteuerbescheid kann naturgemäß nicht mehr vorgelegt werden, jedoch ist von einer Versteuerung des Gesellschafterzuschusses auszugehen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Amtsbeschwerde des - gemäß §§ 19 und 30 Abs. 4 AVOG 2010 zuständigen - Finanzamts für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid zusammengefasst davon aus, dass es sich bei jenen Mitteln, aus denen die offene Rücklage gebildet wurde, aus der die verfahrensgegenständliche Erhöhung des Nennkapitals der Mitbeteiligten um EUR 965.000,-- aufgebracht wurde, um einen Gesellschafterzuschuss der (damaligen) V S L Gesellschaft m.b.H. als Gesellschafterin der (damaligen) V P Gesellschaft m.b.H. K gehandelt habe. Die Einstellung dieses Zuschusses in die freie Kapitalrücklage deute - selbst nach 22 Jahren - auf die Besteuerung dieses Vorganges nach dem Kapitalverkehrsteuergesetz hin. Der diesbezügliche Gesellschaftsteuerbescheid könne naturgemäß nicht mehr vorgelegt werden, jedoch sei von einer Versteuerung des Gesellschafterzuschusses auszugehen.

Die belangte Behörde sieht hiedurch den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG erfüllt.

Nach § 2 Z. 2 KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (Beispiele: weitere Einzahlungen, Nachschüsse). Der Leistung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt.

§ 6 KVG bestimmt Ausnahmen von der Besteuerung. Nach § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG sind von der Besteuerung Rechtsvorgänge ausgenommen, wenn und soweit der Erwerb von Gesellschaftsrechten oder deren Erhöhung auf einer Erhöhung des Nennkapitals durch Umwandlung von Rücklagen, die aus Mitteln, die der Gesellschaftsteuer unterlegen haben, gebildet wurden.

§ 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG idF der Novelle BGBl. Nr. 629/1994 diente der Umsetzung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom , 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in innerstaatliches Recht (vgl. die ErläutRV zur genannten Novelle, 1713BlgNR XVIII GP 12), der durch die Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital derogiert wurde.

Nach dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom setzt die Konzeption eines Binnenmarktes voraus, dass die Steuer auf die Ansammlung von Kapital innerhalb des Binnenmarkts auf Kapital, das im Rahmen einer Gesellschaft angesammelt worden ist, nicht mehr als einmal erhoben werden kann. Deshalb darf, wenn der Mitgliedstaat, der über die Besteuerungsrechte verfügt, auf bestimmte oder alle unter diese Richtlinie fallenden Vorgänge keine Gesellschaftsteuer erhebt, auch kein anderer Mitgliedstaat ein Besteuerungsrecht auf diese Vorgänge ausüben.

Nach Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie darf unbeschadet von Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a ein Mitgliedstaat, der am eine Steuer auf Kapitalzuführungen für Kapitalgesellschaften, nachstehend "Gesellschaftssteuer" genannt, erhoben hat, dies fortsetzen, sofern sie den Art. 8 bis 14 entspricht.

Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a dieser Richtlinie umfasst die Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer bei Erhöhung des Kapitals nicht den Betrag, der für die Erhöhung des Kapitals herangezogenen Eigenmittel der Kapitalgesellschaft, die bereits der Gesellschaftsteuer unterlegen haben.

Nach Art. 16 wurde die Richtlinie 69/355/EWG ab aufgehoben. Diese hatte in ihrem Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a bestimmt, dass die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Umwandlung von Gewinnen, Rücklagen oder Rückstellungen, soweit sie am der Steuer vom Satz von 1 v.H. unterlagen, auch weiterhin der Gesellschaftsteuer unterworfen werden können.

Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c dieser Richtlinie wird die Steuer bei Erhöhung des Kapitals durch Umwandlung von Gewinnen, Rücklagen oder Rückstellungen gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a auf den Nennbetrag dieser Erhöhung erhoben. Nach Abs. 3 erster Anstrich umfasst der Betrag, auf den die Steuer bei Erhöhung des Kapitals erhoben wird, nicht den Betrag der für die Erhöhung des Kapitals herangezogenen Eigenmittel der Kapitalgesellschaft, die bereits der Gesellschaftsteuer unterlegen haben.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil vom in der Rechtsache 36/86 - Dansk Sparinvest unter Rz 13 zur Richtlinie 69/355/EWG ausgeführt:

"Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz a betrifft die Vorgänge, durch die eine Erhöhung des Gesellschaftskapitals aus Eigenmitteln der Gesellschaft vorgenommen wird. Ein Vorgang im Sinne dieser Vorschrift ist die Umwandlung von Gewinnen, Rücklagen oder Rückstellungen in Gesellschaftskapital. Eine solche Übertragung setzt voraus, dass zwei Vermögensmassen vorhanden sind, nämlich das Gesellschaftskapital als getrennte und eigenständige Vermögensmasse, die eine Sicherheit für die Geschäftspartner der Gesellschaft darstellt und Zeugnis für ihre Wirtschaftskraft ablegt, einerseits, und die Gewinne, Rücklagen oder Rückstellungen andererseits, bei denen es sich um Mittel handelt, über die die Anteilseigner verfügen können, die aber nicht mehr unter ihrer Kontrolle stehen, wenn sie dem Gesellschaftsvermögen zugeführt worden sind. Dies ist ein Vorgang, der, wie es im Urteil des Gerichtshofes vom in der Rechtssache 270/81 (Felicitas Rickmers-Linie KG Co./Finanzamt für Verkehrsteuern, Slg. 1982, 2771) heißt, der rechtliche Ausdruck einer Ansammlung von Kapital ist, der zur Verstärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft beiträgt."

Das beschwerdeführende Finanzamt sieht die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zunächst darin, es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die Gesellschafterleistungen, die zur Bildung der umzuwandelnden Rücklage geführt hätten, bei der Abgabenpflichtigen selbst, die die Steuerbefreiung für einen Rechtsvorgang in Anspruch nehme, bereits einmal der Besteuerung unterlegen sein müssten. Sowohl nach der Richtlinie 2008/7/EG als auch nach dem Kapitalverkehrsteuergesetz sei die Steuerpflicht auf die einzelne Kapitalgesellschaft als Abgabepflichtige bezogen. Deshalb sei auch bei gesellschaftsrechtlich verbundenen Kapitalgesellschaften die Steuerpflicht immer im Hinblick auf die konkrete Abgabepflichtige zu beurteilen. Dem Kapitalverkehrsteuergesetz sei daher so wie der Richtlinie 2008/7/EG eine strikt gesellschaftsbezogene Betrachtung immanent. Eine Auslegung, wonach es für die Anwendung der Gesellschaftsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG auch ausreichend wäre, dass bei einer anderen Gesellschaft Mittel einmal der Steuer unterlegen hätten, widerspreche dem sich aus der EU-Richtlinie und dem KVG ergebenden Grundsatz der gesellschaftsbezogenen Betrachtung.

Nach dem Gesagten diente die Neufassung des § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG durch die Novelle BGBl. Nr. 629/1994 der Umsetzung der damals in Geltung stehenden Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom und nunmehr jener der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom (vgl. Thunshirn/Himmelsberger/Hohenecker , Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz, RZ 555 zu § 6 KVG). Nach der siebten Erwägung zur Richtlinie 2008/7/EG setzt die Konzeption eines Binnenmarkts voraus, dass die Steuer auf die Ansammlung von Kapital innerhalb des Binnenmarkts auf Kapital, das im Rahmen einer Gesellschaft angesammelt worden ist, nicht mehr als einmal erhoben werden kann. Die Richtlinie zielt sohin darauf ab, dass die Gesellschaftsteuer auf Kapital, das in einer Gesellschaft angesammelt wird, innerhalb des Binnenmarkts und nicht etwa nur innerhalb einer Gesellschaft nicht mehr als einmal erhoben werden darf. Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund vermag daher der Verwaltungsgerichtshof die vom beschwerdeführenden Finanzamt ins Treffen geführte gesellschaftsbezogene Auslegung des in Rede stehende Befreiungstatbestandes nicht zu teilen, sondern legt dem Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG die Bedeutung bei, dass die Mittel, aus denen die Rücklagen gebildet wurden, die schließlich in Nennkapital umgewandelt wurden, (innerhalb des Binnenmarkts) einmal, sei es in der die Erhöhung des Nennkapitals durchführenden Gesellschaft, sei es in einer anderen Gesellschaft, der Gesellschaftsteuer unterlegen haben.

Eine solche Beurteilung setzt allerdings Feststellungen voraus, an Hand derer nachvollzogen werden kann, dass jene Mittel, die einmal der Gesellschaftsteuer unterlegen haben, genau jene Rücklagen bildeten, die schließlich in Nennkapital umgewandelt wurden.

Wie bereits eingangs hervorgehoben, sieht die belangte Behörde den Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG durch die Annahme erfüllt, ein Gesellschafterzuschuss der v S GmbH an die V P GmbH K in der Höhe von ATS 10,5 Millionen im Jahr 1988 habe der Gesellschaftsteuer unterlegen. Die belangte Behörde gründet diese Annahme offenbar auf der Eingabe der Mitbeteiligten vom angeschlossene, dort näher erläuterte Urkunden.

Dieser Annahme hält das beschwerdeführende Finanzamt die Verletzung des Parteiengehörs entgegen, weil die belangte Behörde aus von der Mitbeteiligten vorgelegte Unterlagen abgeleitet habe, die der Abgabenbehörde erster Instanz zur Stellungnahme hätten vorgehalten werden müssen. Betreffend die Frage, ob die zur Erhöhung des Nennkapitals herangezogene Rücklage aus Mitteln, die der Gesellschaftsteuer unterlegen hätten, gebildet worden seien, moniert die Amtsbeschwerde, dass dies aus den von der Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der Verschmelzungsbilanz per , nicht ersichtlich sei. Berücksichtige man den Umstand, dass einerseits jährlich Gewinnrücklagen neu bemessen, Rücklagen aufgelöst und neue Rücklagen gebildet würden, Gewinne vorgetragen und Gewinnausschüttungen durchgeführt würden, könnte es durchaus auch der Fall sein, dass selbst die bei der Verschmelzung übernommenen oder gebildeten Rücklagen - sollten solche übernommen oder gebildet worden sein - bereits wieder in Form von Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter geflossen sein. Es könnte demnach die Kapitalerhöhung auch ausschließlich aus Gewinnen der Mitbeteiligten oder aus anderen bei ihr vorliegenden Rücklagen, die nicht gesellschaftsteuerbar gewesen sein, finanziert worden sein. In diesem Fall lägen aber die Anwendungsvoraussetzungen klar nicht vor. Auch moniert das beschwerdeführende Finanzamt, es sei ihm nicht nachvollziehbar, ob es sich bei der angesprochenen V P Gesellschaft m.b.H. K, die nach den Angaben der vorgelegten Bilanz unter dem Firmennamen P Gesellschaft m.b.H. L und der damaligen Nummer des Handelsregisters des Landesgerichtes Linz gegründet worden sei, überhaupt um dieselbe Gesellschaft handle, die zuletzt vor der Verschmelzung unter v P GmbH firmiert habe und auf ein anderes, das Handelsregister führendes Landesgericht verwiesen worden sei.

Die belangte Behörde tritt dem Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs in ihrer Gegenschrift damit entgegen, eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führe nur dann zur Aufhebung, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, was das beschwerdeführende Finanzamt durch konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen habe.

Die belangte Behörde gründete ihre tragende Annahme auf von der Mitbeteiligten im Zuge des Berufungsverfahrens vorgelegte Unterlagen, zu der sie der Abgabenbehörde erster Instanz kein Gehör einräumte. In Anbetracht der in der Beschwerde gegen die von der Mitbeteiligten vorgelegten Beweismittel und die daraus von der belangten Behörde gezogenen Schlussfolgerungen erhobenen Einwände kann nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens der Verletzung des Parteiengehörs eine Relevanz nicht abgesprochen werden, womit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastete, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Für das fortzusetzende Verfahren sei auf die dargelegte Auslegung des im Beschwerdefall in Rede stehende Befreiungstatbestandes § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b sublit. bb KVG verwiesen. Die belangte Behörde wird daher im weiteren Verfahren unter Einbeziehung der Abgabenbehörde erster Instanz zu erörtern haben, ob die in höheres Nennkapital umgewandelte Rücklage aus Mitteln gebildet wurde, die bereits einmal der Gesellschaftsteuer unterlegen haben, und ihre diesbezüglichen Annahmen im Rahmen einer nachvollziehbar begründeten Beweiswürdigung darzulegen haben, in der auch auf Einwände der Parteien gegen den Beweiswert und die Aussagekraft von Beweismitteln einzugehen ist.

Wien, am