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VwGH vom 24.04.2017, Ro 2014/06/0083

VwGH vom 24.04.2017, Ro 2014/06/0083

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über 1. die Revision des D G in W, vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer, Dr. Karl-Heinz Plankel und Mag. Stefan Ganahl, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Am Rathauspark, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , LVwG-343- 002/R14-Ü-2014, betreffend Feststellung nach § 4 Abs. 4 Vorarlberger Straßengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Berufungskommission der Marktgemeinde Wolfurt; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), und 2. den Antrag des Revisionswerbers "gegen den Verfasser der Revisionsbeantwortung sowie den Obmann der Berufungskommission gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe zu verhängen", in eventu "ein Disziplinarverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AVG zu veranlassen",

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Marktgemeinde Wolfurt hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Der Antrag des Revisionswerbers "gegen den Verfasser der Revisionsbeantwortung sowie den Obmann der Berufungskommission gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe zu verhängen", in eventu "ein Disziplinarverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AVG zu veranlassen" wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Das im Eigentum des Revisionswerbers stehende Gst. Nr. .X1 bildet den Beginn des S-Weges, der zunächst östlich abzweigend von der Gemeindestraße H-Straße auf diesem Grundstück verläuft und sich dann Richtung Norden u.a. über das ebenso im Eigentum des Revisionswerbers stehende Gst. Nr. X2 bis zu dem im Eigentum der Marktgemeinde Wolfurt stehenden Gst. Nr. .X3 (Alter Schießstand) erstreckt.

2 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Wolfurt vom wurden gemäß § 4 Abs. 4 iVm § 30 Abs. 1 des (Vorarlberger) Gesetzes über den Bau und die Erhaltung öffentlicher Straßen sowie über die Wegefreiheit (StrG) folgende Feststellungen - soweit im vorliegenden Fall von Bedeutung - getroffen (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"1. Der sogenannte ‚S-Weg', der ausgehend von der Gemeindestraße ‚H-Straße' über GST-NR .X1, X2, X4 und X5, sowie einen schmalen Streifen des GST-NR X6, zu GST-NR .X3 (Alter Schießstand) führt, ist eine dem Gemeingebrauch gewidmete Weganlage.

2. Der Gemeingebrauch ist eingeschränkt auf die Zufahrt zum GST-NR .X3.

3. Die im Punkt 1. beschriebene Weganlage ist eine öffentliche Privatstraße im Sinne des § 30 Abs 1 StrG."

3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber die Berufung vom , der mit Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde Wolfurt vom keine Folge gegeben wurde.

4 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Revisionswerbers vom , die seit als Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) gilt, wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis vom keine Folge gegeben und der Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde Wolfurt vom mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch zu lauten habe (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Gemäß § 4 Abs. 4 und § 30 Abs 1 Straßengesetz, LGBl Nr 79/2012 idF LGBl Nr 44/2013, wird festgestellt, dass der ‚S-Weg', der ausgehend von der Gemeindestraße ‚H-Straße' über die GST-NRn .X1, X2, X4 und X7 sowie über einen schmalen Streifen des GST-NR X6 zu GST-NR .X3 (alter Schießstand), alle GB W, führt, eine dem Gemeingebrauch gewidmete Weganlage darstellt und damit eine öffentliche Privatstraße ist. Der Gemeingebrauch ist auf die Zufahrt zu GST-NR .X3, GB W, beschränkt."

5 Begründend legte das LVwG im Wesentlichen dar, es sei strittig, ob der Hauptast des S-Weges von den Eigentümern des Straßengrundes dem Gemeingebrauch gewidmet worden und dadurch eine öffentliche Privatstraße entstanden sei. Die Widmung des Grundeigentümers könne nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 StrG entweder eine ausdrückliche oder eine - in dieser Bestimmung näher umschriebene - stillschweigende Widmung sein. Eine Öffentlicherklärung durch einen konstitutiven Akt der Gemeinde sei hingegen nicht vorgesehen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2004/06/0098).

6 Wem gegenüber die ausdrückliche Erklärung durch den Grundeigentümer abgegeben werden müsse, sei dem StrG nicht zu entnehmen, ebenso wenig, ob diese Erklärung schriftlich abzugeben sei oder einen bestimmten Mindestinhalt zu enthalten habe. Das LVwG gehe aber davon aus, dass durch die Formulierung "ausdrückliche Erklärung" zum Ausdruck gebracht werde, dass in diesem Fall die Widmung zum Gemeingebrauch vom Eigentümer des Straßengrundes tatsächlich gewollt sei. Andernfalls wäre die Unterscheidung zur stillschweigenden Widmung, wonach der Gemeingebrauch durch Duldung des Grundeigentümers eintrete, sofern er das Entstehen einer öffentlichen Privatstraße nicht durch entsprechende Handlungen verhindere, nicht erforderlich gewesen.

7 Aus der Chronologie der vorliegenden Schreiben der damaligen Straßeneigentümer (zu den Adressaten der Schreiben siehe Rz 8) lasse sich nach Auffassung des LVwG durchaus der Wille zur "Öffentlicherklärung" des Sweges erkennen. Schon im Schreiben vom sei der Öffentlichkeitscharakter des Weges hervorgehoben worden, indem erklärt worden sei, der Weg werde auch als Zufahrtsweg zum Gemeindeschießstand benützt und seine Staubfreimachung diene der Reinhaltung der Ortskanalisation. Als Folge der ursprünglichen Ablehnung der Subventionierung der Staubfreimachung dieses Weges sei im Schreiben vom ausdrücklich erklärt worden, dass der erwähnte Weg - wenn auch in beschränktem Umfang - ein öffentlicher Weg sei. Im Schreiben vom sei wiederum argumentiert worden, dass der Sweg keine reine Privatstraße sei, sondern zugleich ein öffentlicher Gehweg zum Anschlussgehweg in Richtung M, und außerdem auch als Zufahrt zum gemeindeeigenen Vereinsgebäude diene. Die Benützung des S-Weges durch die Öffentlichkeit - es sei u. a. vorgebracht worden, der Weg würde durch den Rassekleintierzuchtverein wieder in vermehrtem Maß Vereins- und somit Gemeindeinteressen dienen - sei bewusst als Argument eingesetzt worden, um die Mitfinanzierung der erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen der Straße durch die Marktgemeinde Wolfurt zu erreichen.

8 Alle Schreiben seien entweder an die Straßenbehörde (Schreiben vom an den Bürgermeister), die Gemeinde Wolfurt (Schreiben vom ) oder an den Gemeindevorstand der Gemeinde Wolfurt (Schreiben vom ) gerichtet. Es handle sich somit um nach außen abgegebene Erklärungen. Um die Finanzierung durch die öffentliche Hand zu rechtfertigen, sei von den damaligen Straßeneigentümern die schon bisher durch einen unbestimmten Personenkreis erfolgte Benutzung des Sweges - als Gehweg (Richtung M) bzw. als Zufahrt zum Vereinsgebäude - wiederholt ins Treffen geführt worden. Diesen Schreiben könne nach Auffassung des LVwG der Gehalt einer Willenserklärung beigemessen werden, den Sweg als öffentliche Privatstraße zu qualifizieren. Es werde vom Revisionswerber auch nicht bestritten, dass der Weg in öffentlichem Interesse (Gastwirtschaft, Schießstand, Vereinslokal) über Jahrzehnte hinweg benützt worden sei.

9 Die als ausdrückliche Erklärung zu wertenden Schreiben seien von den damaligen Eigentümern des Straßengrundstückes, u. a. dem Vater des Revisionswerbers und Vorgänger im Grundeigentum, abgegeben worden. Der Revisionswerber sei im Hinblick auf seine Straßenteilstücke an diese Erklärung seines Rechtsvorgängers gebunden.

10 Da im konkreten Fall von einer ausdrücklichen Widmung der Straßeneigentümer zum Gemeingebrauch auszugehen sei, sei eine öffentliche Privatstraße bereits entstanden. Das Aufstellen des Fahrverbotsschildes "Privatweg - Zufahrt zu Hstraße 23 bis 27a gestattet" bzw. des Hinweisschildes "Zufahrt Hstraße 23/25/25a/25b" habe nicht dazu führen können, dass diese Eigenschaft wieder verloren gegangen sei, auch wenn diese Tafeln länger als drei Jahre vor Einleitung des Feststellungsverfahrens im Juli 2013 Bestand gehabt hätten. Vielmehr hätte es der Bewilligung der Straßenbehörde gemäß § 31 Abs. 3 StrG bedurft, um die bereits entstandene öffentliche Privatstraße wieder aufzulassen. Daraus folge, dass der einmal durch ausdrückliche Widmung der Straßeneigentümer entstandene Gemeingebrauch nicht durch die vom Revisionswerber als Hinderungshandlungen qualifizierten Maßnahmen wieder habe aufgehoben werden können.

11 Im Übrigen verkenne der Revisionswerber die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur analogen Anwendung des § 1488 ABGB. In seinem Erkenntnis vom , (richtig:) 95/05/0192, habe der Verwaltungsgerichtshof zu § 10 Abs. 1 Oberösterreichisches Landesstraßengesetz 1991 (u.a.) ausgeführt, dass auch dieses Gesetz selbst keinen Hinweis darauf gebe, in welchem Rahmen der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Setzen der Maßnahmen, die die Wegbenützung behindert hätten, und der Einleitung des Feststellungsverfahrens bestehen müsse. Zu § 40 Abs. 1 lit. b Landesstraßengesetz Salzburg 1972 führe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 98/06/0039, aus, es könne nicht angehen, dass Hinderungsmaßnahmen des Grundeigentümers nach Ablauf dieser 20-jährigen Frist jedenfalls unterbrechend wirkten, weil es nicht auf das Ergebnis eines "Wettlaufes" zwischen der einschreitenden Behörde und dem Hindernisse setzenden Grundeigentümer ankommen könne. Im Falle der Behinderung des Gemeingebrauches sei die Bestimmung des § 1488 ABGB analog heranzuziehen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 98/06/0085, u.a.). Es komme also darauf an, ob und inwieweit schon drei Jahre vor der Einleitung des Feststellungsverfahrens die Wegbenützung behindert worden sei. Rechtlich beurteilt habe der Verwaltungsgerichtshof jeweils nicht die ausdrückliche Widmung des Straßengrundes durch den Grundeigentümer zum Gemeingebrauch, sondern das Entstehen einer öffentlichen Privatstraße - unabhängig vom Willen des Grundeigentümers - durch allgemeine Nutzung während eines bestimmten Zeitraumes. Die auf § 1488 ABGB gestützte Argumentation des Revisionswerbers zur Verjährung des - hier ausdrücklich erklärten - Gemeingebrauchs gehe daher ins Leere. Ob die vom Revisionswerber ins Treffen geführten Kennzeichnungen für den Ausschluss des öffentlichen Verkehrs ausreichend gewesen seien, sei daher auch nicht weiter zu prüfen gewesen.

12 Der Revisionswerber vertrete die Auffassung, die nördlich seines Grundstücks liegenden Anwohner benützten den Weg ausschließlich auf Basis von entsprechenden Berechtigungen und es finde sich keine Feststellung, wer darüber hinaus den Weg benutzt habe, weshalb der Tatbestand des Gemeingebrauchs nicht festgestellt sei. Fest stehe, dass auf beiden Grundstücken des Revisionswerbers (Gst. Nr. .X1 und X2) Dienstbarkeiten des Geh- und Fahrrechtes zugunsten von Anrainern lasteten, die auf unterschiedliche Titel zurückgingen. Das Bestehen von Servituten schließe nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Feststellung der Öffentlichkeit nicht aus (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2010/06/0178). Dieser Rechtssatz gehe auf das Erkenntnis vom , 1605/65, zum Kärntner Straßengesetz 1955 zurück. Der Verwaltungsgerichtshof habe darin ausgeführt, dass die Feststellung der Öffentlichkeit nicht im Interesse eines bestimmten Personenkreises liege. Durch diese Feststellung werde vielmehr klargestellt, dass der Gemeingebrauch (die Benützung durch jedermann) zulässig sei. Es sei daher belanglos, ob die Servitutsberechtigten durch die Öffentlicherklärung besser gestellt würden. Allerdings - so der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis zum Landesstraßengesetz Salzburg 1972 - könne der Gemeingebrauch nicht (allein) durch bestimmte, auf besonderen Rechtstiteln des Privatrechtes oder des öffentlichen Rechtes beruhende Wegerechte begründet werden. Soweit daher Servitute für die gegenständlichen Wegparzellen durch Kaufvertrag eingeräumt worden seien, komme dem daraus erfließenden Gebrauch für die hier maßgebende Frage keine Bedeutung zu (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 98/06/0085). Im konkreten Fall sei für das im Eigentum der Marktgemeinde Wolfurt (im Folgenden: Marktgemeinde) stehende Objekt auf Gst. Nr. X3 (alter Schießstand bzw. Vereinslokal des Rassekleintierzuchtvereins) jedenfalls auf den Grundstücken des Revisionswerbers, die einen wesentlichen Teil des Sweges bildeten, keine Dienstbarkeit des Gehens oder Fahrens einverleibt. Daraus folge, dass die Zufahrt bzw. der Zugang zu diesem Grundstück aktuell nicht durch eine Servitut befriedigt werde. Dass der Sweg über Jahrzehnte in öffentlichem Interesse benützt worden sei - zunächst für eine offenbar früher bestandene Gastwirtschaft, in der Folge für den Schießstand und das Vereinslokal - führe der Revisionswerber selbst an. Das Vorliegen eines qualifizierten (dringenden) Verkehrsbedürfnisses sei dem Gesetz nicht zu entnehmen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2004/06/0098). Es sei somit davon auszugehen, dass seit je her ein Gemeingebrauch des Sweges - als Zufahrt bzw. Zugang zum Objekt auf Gst. Nr. X3 - gegeben gewesen sei.

13 Die Argumentation des Revisionswerbers, das Schreiben der Marktgemeinde an Frau G vom sei eine Vereinbarung über die prekaristische Nutzung der Liegenschaft von Frau G gewesen und hätte durch das Schreiben der Marktgemeinde vom gegenüber Frau G nicht einfach widerrufen werden können, habe im gegebenen Zusammenhang keine Relevanz. Abgesehen davon, dass die Aufklärung des Irrtums durch die Marktgemeinde mit Schreiben vom laut Aktenlage von Frau G offenbar unwidersprochen geblieben sei, würde das Bestehen eines Prekariums auf einem Teil des Sweges (Grundstück von Frau G) nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Gemeingebrauch nicht ausschließen, soweit der Sweg - darüber hinaus - durch jede Person unter den gleichen Bedingungen ohne ausdrückliche Bewilligung u. a. zum Fußgänger-, Radfahrer- oder Fahrzeugverkehr benützt worden sei, was hier der Fall sei.

14 Zu der vom Revisionswerber beeinspruchten Einschränkung des Gemeingebrauches auf die Zufahrt zu Gst. Nr. .X3 in Punkt 2. des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides, sei auszuführen, dass der Gemeingebrauch grundsätzlich gemäß § 4 Abs. 2 StrG nur durch den Straßenerhalter beschränkt werden dürfe. Im konkreten Fall sei die Beschränkung des Gemeingebrauches durch die Straßeneigentümer selbst in den Schreiben vom und vom vorgenommen worden, indem der Weg als Zufahrt zur gemeindeeigenen Bauparzelle Nr. .X3 mit gemeindeeigenem Schießstand - und später neu gegründetem Rassekleintierzuchtverein als Vereinslokal - erklärt worden sei. Die Behörde habe daher lediglich jenen Umfang des Gemeingebrauchs festgeschrieben, der durch die Straßenerhalter selbst in ihrer ausdrücklichen Erklärung festgelegt worden sei.

15 Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das LVwG damit, dass eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, was unter einer ausdrücklichen Erklärung des Eigentümers als öffentliche Privatstraße im Sinne des § 30 Abs. 1 Straßengesetz, LGB1 Nr. 79/2012, idF LGBl Nr. 44/2013, zu verstehen sei, fehle und diese Rechtsfrage nicht auf den konkreten Einzelfall beschränkt sei.

16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

17 Das LVwG legte die Akten des Verfahrens vor. Die Berufungskommission der Marktgemeinde Wolfurt erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision abzuweisen. Die Vorarlberger Landesregierung erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung.

18 Das LVwG legte weiters den Antrag des Revisionswerbers vom vor, "gegen den Verfasser der Revisionsbeantwortung sowie den Obmann der Berufungskommission gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe zu verhängen", in eventu "ein Disziplinarverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AVG zu veranlassen".

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

20 Im vorliegenden Revisionsfall ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses folgende Rechtslage von Bedeutung:

(Vorarlberger) Gesetz über den Bau und die Erhaltung öffentlicher Straßen sowie über die Wegefreiheit (StrG), LGBl. Nr. 79/2012, idF LGBl. Nr. 44/2013 (auszugsweise):

"§ 4

Gemeingebrauch

(1) Der Gemeingebrauch einer Straße ist die jeder Person unter den gleichen Bedingungen und innerhalb der durch die Art der Straße sowie durch die straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Vorschriften festgelegten Grenzen ohne ausdrückliche Bewilligung zustehende Benützung der unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen einer Straße zum Fußgänger-, Radfahrer- oder Fahrzeugverkehr sowie zum Reiten oder Viehtrieb.

...

(4) Wenn strittig ist, ob und in welchem Umfang eine Straße dem Gemeingebrauch gewidmet ist, hat hierüber die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. In diesem Verfahren haben der Eigentümer des Straßengrundes und derjenige, der die Straße bisher erhalten hat, die Rechte einer Partei. In einem solchen Verfahren ist die Gemeinde, durch deren Gebiet die Straße führt, anzuhören.

...

Öffentliche Privatstraßen

§ 30

Begriff

Alle dem Gemeingebrauch gewidmeten Straßen, die nicht Bundes- , Landes-, Gemeinde- oder Genossenschaftsstraßen sind, sind öffentliche Privatstraßen. Für diese Straßen ist es ohne Bedeutung, ob sie vom Eigentümer ausdrücklich als solche erklärt oder stillschweigend dem Gemeingebrauch gewidmet sind. Eine stillschweigende Widmung liegt vor, wenn der Eigentümer der Straße den Gemeingebrauch auf dieser Straße durch mindestens 20 Jahre geduldet hat, ohne dass er durch Absperrungen, Aufschriften oder ähnliche Vorkehrungen unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass er den Gemeingebrauch nicht oder nur vorübergehend duldet. Durch eine bloße Änderung des Verlaufes der Straße wird die Erklärung oder stillschweigende Widmung nicht ausgeschlossen.

...

§ 31

Straßenerhalter, Auflassung

(1) Straßenerhalter der öffentlichen Privatstraßen ist der Eigentümer des Straßengrundes. Dadurch werden gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen anderer zur Straßenerhaltung nicht berührt.

(2) Die Behörde hat einen Straßenerhalter auf seinen Antrag von den ihm nach diesem Gesetz obliegenden Verpflichtungen ganz oder teilweise zu entbinden, soweit ihn die Erfüllung dieser Verpflichtungen finanziell nicht zumutbar belastet oder wenn die Straße fast nur den Verkehrsbedürfnissen anderer dient.

(3) Öffentliche Privatstraßen dürfen nur mit Bewilligung der Behörde aufgelassen werden. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn durch die Auflassung der Straße bedeutende öffentliche Verkehrsinteressen nicht beeinträchtigt werden.

(4) Ist zweifelhaft, ob es sich bei einer Privatstraße um eine öffentliche Privatstraße handelt, liegen aber im Übrigen die Voraussetzungen für die Auflassung nach Abs. 3 vor, kann die Bewilligung ohne weitere Prüfung der Frage der Öffentlichkeit erteilt werden."

21 Die Revision ist aus den im angefochtenen Erkenntnis dargelegten Gründen zulässig und führt zum Erfolg:

22 Der Revisionswerber begründet seine Revision im Wesentlich damit, der Wille des Eigentümers sei nicht das charakterisierende Merkmal der Ausdrücklichkeit einer Erklärung im Gegensatz zur stillschweigenden Erklärung. Selbstverständlich setze auch jede stillschweigende Erklärung bzw. Widmung zum Gemeingebrauch einen entsprechenden Willen voraus. Während er im einen Fall ausdrücklich erklärt werde, sei er im Fall der stillschweigenden Widmung aus einem faktischen Verhalten abzuleiten.

23 Der Verwaltungsgerichtshof judiziere in ständiger Rechtsprechung, dass dann, wenn allgemeine Regelungen über die Wertung von Willenserklärungen in Verwaltungsvorschriften oder in den Verfahrensvorschriften nicht enthalten seien, zur Lösung dieser Frage die im ABGB normierten Grundsätze heranzuziehen seien (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2009/05/0231). Die Voraussetzungen für die Annahme einer konkludenten Erklärung seien im § 863 ABGB geregelt, sohin die schlüssige Erklärung eines Willens/Wollens. Eine solche liege nur dann vor, wenn eine Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte und nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sei; es dürfe kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewillen in einer bestimmten Richtung vorliege.

24 Das LVwG werte die von ihm zitierten Korrespondenzen als "ausdrückliche Erklärung". Dem sei nicht zu folgen. Einleitend führe das LVwG selbst aus, dass sich "aus der Chronologie" der Schreiben "durchaus der Wille zur Öffentlicherklärung des Sweges erkennen" lasse. Dies allein lasse sich schon mit dem Erfordernis einer ausdrücklichen Erklärung nicht in Einklang bringen. Tatsächlich sei in den gesamten Korrespondenzen weder seitens der Grundeigentümer noch seitens der Marktgemeinde auch nur ein einziges Mal vom "Gemeingebrauch" die Rede. Im Einzelnen sei zu den Korrespondenzen auszuführen:

25 Das Schreiben vom hebe laut LVwG den Öffentlichkeitscharakter des Weges hervor, zumal erklärt werde, der Weg werde auch als Zufahrtsweg zum Gemeindeschießstand benützt und seine Staubfreimachung diene der Reinhaltung der Ortskanalisation. Unerfindlich bleiben müsse dabei allerdings, wie aus dieser sprachlich leicht nachvollziehbaren einfachen Schilderung von tatsächlichen Vorgängen eine "Öffentlicherklärung" der Straße abgeleitet werden solle. Das angeführte Schreiben besage nichts zu den rechtlichen Rahmenbedingungen.

26 Gleiches gelte für das Schreiben vom . Eine ausdrückliche Widmung zum Gemeingebrauch sei hierin keineswegs enthalten. Vor allem aber werde unvollständig zitiert. Das Schreiben vom enthalte folgende einschlägige Passage: "... dass der erwähnte Weg als Zufahrt zur gemeindeeigenen Bp.X3 mit gemeindeeigenem Schießstand diene und dadurch - wenn auch in beschränktem Umfang - ein öffentlicher Weg sei".

27 Der gegenständliche Weg habe mit Bezug auf das Gst. Nr. .X3 der Benützung des Gemeindeschießstands gedient. Dieser sei allerdings längst geschlossen und die zu seinem Betrieb unabdingbar notwendigen Rechte seien seit 2009 formell aufgehoben, zumal das Überschießungsrecht seit langem nicht mehr ausgeübt worden sei. Daraus ergebe sich, dass abgestellt auf den Zeitpunkt des gegenständlichen erstinstanzlichen Feststellungsbescheides () ein - bezogen auf das Gst. Nr. .X3 - uneingeschränkter Gemeingebrauch allein schon deshalb verfehlt sei, weil die faktische Nutzung des Wegs zwecks Nutzung des Schießstands erfolgt sei und somit dieser "Gemeingebrauch" spätestens seit dem Jahr 2009 endgültig nicht mehr habe gegeben sein können. All dies gelte auch für das Schreiben vom , jedenfalls was das Fahren betreffe. Außerdem könne in den Schilderungen in jenem Schreiben keinesfalls eine ausdrückliche Erklärung im Sinne der Widmung zum Gemeingebrauch (für die Zukunft) erblickt werden.

28 Der Revisionswerber habe anlässlich seiner Stellungnahme vom dargelegt, der Nachbar G habe im Jahr 2003 aufgrund seines privaten Bauvorhabens gegenüber dem Bürgermeister der Marktgemeinde als Baubehörde den schriftlichen Nachweis erbringen müssen, dass sein Grundstück (Gst. Nr. X4) durch die Berechtigung des Gehens und Fahrens mit dem öffentlichen Wegenetz verbunden sei. Wäre der Bürgermeister der Marktgemeinde von einem Gemeingebrauch ausgegangen, hätte es dieser Bestätigung selbstredend nicht bedurft.

29 Das LVwG führe sodann mit Bezug auf diese Schreiben aus, es handle sich jeweils um "nach außen abgegebene Erklärungen" und es sei hierin die Nutzung des Wegs durch einen unbestimmten Personenkreis wiederholt ins Treffen geführt worden, weshalb diesen Schreiben der Gehalt einer Willenserklärung beigemessen werden könne, den Sweg als öffentliche Privatstraße zu qualifizieren. Allerdings lasse sich dieser Standpunkt schon sprachlich nicht rechtfertigen. Des Weiteren sei dem Begriff der Widmung immanent, dass eine entsprechende Willenserklärung sich in die Zukunft richte. Indem bestimmte Vorgänge aus der Vergangenheit im Korrespondenzwege mit völlig anderer Zielrichtung (Erlangung von Subventionen) geschildert worden seien, könne von einer ausdrücklichen Widmung einer Wegfläche zum Gemeingebrauch schon deshalb keine Rede sein.

30 Dies gelte auch in Bezug auf den erwähnten Rassekleintierzuchtverein, wobei auch hier zu ergänzen sei, dass (für die Vergangenheit) stets nur von einer Nutzung zugunsten dieses Vereins die Rede gewesen sei, keinesfalls im Sinne einer unbeschränkten öffentlichen Nutzung unter dem Titel des Gemeingebrauchs. Außerdem erscheine es denkunmöglich, eine Zufahrt zum Schießstand im Wege des Gemeingebrauchs festzustellen, wenn ein Schießstand seit Jahren gar nicht mehr existent sei.

31 Schließlich sei der Vollständigkeit halber anzufügen, dass auch von einer "stillschweigenden Widmung" (§ 30 Abs. 1 StrG) nicht gesprochen werden könne. Nach dem Maßstab des § 863 ABGB könne eine konkludente Zustimmung nur angenommen werden, wenn eine Handlung oder Unterlassung eindeutig in einer Richtung zu verstehen sei. Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen sei ein strenger Maßstab anzulegen und dürfe kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, worauf der Wille des Erklärenden gerichtet gewesen sei (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 2007/11/0110, und vom , 2002/12/0223). Abgesehen davon, dass die vorgenommene Feststellung gemäß § 4 StrG gar nicht auf einer schlüssigen Willenserklärung beruhe, zeige das gesamte Verfahren, dass von einer zweifelsfreien Willensrichtung (Widmung einer Straße zum Gemeingebrauch für die Zukunft) in keiner Weise gesprochen werden könne.

32 Um eine Willenserklärung als ausdrückliche Erklärung mit einem bestimmten Inhalt ansehen zu können, müsse auch ein Mindestgrad der Bestimmtheit vorliegen. Unbestimmte Äußerungen, wie sie Gegenstand der ins Treffen geführten Korrespondenzen gewesen seien, seien nicht geeignet, relevante Rechtswirkungen auszulösen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V 32/82).

33 Es sei klargestellt, dass die Bestimmung des § 1488 ABGB analog im gegenständlichen Zusammenhang Anwendung zu finden habe (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 2008/06/0193, sowie vom , 98/06/0039). Nach dieser Gesetzesbestimmung verjähre das Recht der Dienstbarkeit durch den Nichtgebrauch, wenn sich der verpflichtete Teil der Ausübung des Servituts wiedersetze und der Berechtigte durch drei aufeinander folgende Jahre sein Recht nicht geltend gemacht habe.

34 Es stehe unstrittig fest, dass die gegenständlichen Tafeln mehr als drei Jahre vor Einleitung des Feststellungsverfahrens aufgestellt worden seien, womit die Ausübung des Gemeingebrauchs behindert worden sei; dies führe zur analogen Anwendung des § 1488 ABGB. Selbst wenn es vormals zu einer Widmung zum Gemeingebrauch gekommen wäre (was bestritten bleibe), führten die mehr als drei Jahre unwidersprochen gebliebenen Hinderungsmaßnahmen zum Erlöschen des Gemeingebrauchs. Dabei könne es entgegen der Auffassung des LVwG auch nicht darauf ankommen, ob der Gemeingebrauch auf einer ausdrücklichen oder schlüssigen Widmung beruhe.

35 Gerade bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichts (auf ein Recht) sei besondere Vorsicht geboten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2007/11/0110). Warum im vorliegenden Fall vom Schweigen der Frau G ein Verzicht auf die Vereinbarung eines Prekariums abzuleiten wäre, sei jedoch in keiner Weise ersichtlich und auch nicht begründbar, sei doch evident, dass das Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde vom auf Drängen von G der rechtlichen Klarstellung gedient habe; ein gegenteiliger Wille sei nicht erkennbar und im Übrigen sei der vermeintliche Irrtum ausschließlich auf interne Gegebenheiten bei der Marktgemeinde zurückzuführen (Hinweis auf deren Schreiben vom ). Mangelnde Relevanz sei sohin ausschließlich dem Schreiben der Marktgemeinde vom zu attestieren.

Ergänzend ins Treffen zu führen sei, dass der Bürgermeister der Marktgemeinde im Schreiben vom explizit anführe, dass insbesondere "die Möglichkeit der Ersitzung einer Dienstbarkeit ausdrücklich ausgeschlossen" werde. Indem zuvor durch die Begründung eines Prekariums auch jeder andere Rechtstitel ausgeschlossen worden sei, habe die Behörde hinreichend klar kundgetan, dass auf dem gegenständlichen Weg weder ein Recht des Gehens und Fahrens bestehe noch begründet werde solle.

36 Dabei werde auch nicht übersehen, dass das Schreiben vom lediglich an G gerichtet sei. Der Behörde sei allerdings damals schon klar gewesen, dass entlang dem Sweg keinesfalls unterschiedliche Rechtsverhältnisse gegeben gewesen seien oder begründet werden sollten. Das Schreiben vom belege, dass seitens der betroffenen Eigentümer Interessensentität gegeben gewesen sei. Die Adressierung des Schreibens vom ausschließlich an G habe aus dem faktischen Umstand resultiert, dass sie alleine die schriftliche Bestätigung der tatsächlichen Verhältnisse begehrt habe.

37 Jedenfalls stehe der nunmehr angestrebte Gemeingebrauch wegen angeblicher ausdrücklicher Widmung der (= aller) Grundeigentümer in diametralem Widerspruch zu den damaligen Erklärungen, wonach ein Gemeingebrauch faktisch ausgeschlossen worden sei. Hätte er vormals bestanden, würde er spätestens seit dem Schreiben der Behörde vom als aufgehoben gelten. Das LVwG vermeine, es sei nicht nachvollziehbar, warum zu Gst. Nr. .X3 nicht zugefahren werden und daher der Gemeingebrauch auch nicht ausgeübt werden könne. Dabei missverstehe es offenbar die Ausführungen des Revisionswerbers. Die gesamte Fläche des Gst. Nr. .X3 werde von einem Gebäude "betätigt". Daraus folge u. a. weiters, dass das Grundstück über keinerlei Flächen verfüge, welche dazu geeignet wären, dort Fahrzeuge abzustellen. Wenngleich sich der Gemeingebrauch auf die Verkehrsfläche beziehe, erscheine es nicht argumentierbar, einen Gemeingebrauch anzunehmen, der im Sinne der getroffenen Feststellung überhaupt nicht ausgeübt werden könne, weil das betreffende Gst. Nr. .X3 gar nicht befahren werden könne. Insoweit erscheine die Feststellung des eingeschränkten Gemeingebrauchs faktisch unmöglich, sinnentleert und rechtlich geradezu absurd.

38 Insgesamt erweise sich sohin, dass die angefochtene Feststellung des (eingeschränkten) Gemeingebrauchs am "Sweg" unrechtmäßig erfolgt sei und demgemäß auch der Ausspruch, wonach es sich bei diesem Weg um eine öffentliche Privatstraße handle.

39 Nach § 4 Abs. 1 StrG ist der Gemeingebrauch einer Straße die jeder Person unter den gleichen Bedingungen und innerhalb der durch die Art der Straße sowie durch die straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Vorschriften festgelegten Grenzen ohne ausdrückliche Bewilligung zustehende Benützung der unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen einer Straße zum Fußgänger-, Radfahrer- oder Fahrzeugverkehr sowie zum Reiten oder Viehtrieb.

40 Voraussetzung für das Entstehen einer öffentlichen Privatstraße ist nach § 30 Abs. 1 StrG, dass die Straße vom Eigentümer entweder ausdrücklich als öffentliche Privatstraße erklärt (und somit ausdrücklich dem Gemeingebrauch gewidmet) oder stillschweigend dem Gemeingebrauch gewidmet ist. Eine stillschweigende Widmung dem Gemeingebrauch liegt dann vor, wenn der Eigentümer der Straße den Gemeingebrauch auf dieser Straße durch mindestens 20 Jahre geduldet hat, ohne dass er durch Absperrungen, Aufschriften oder ähnliche Vorkehrungen unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass er den Gemeingebrauch nicht oder nur vorübergehend duldet (vgl. die Regierungsvorlage, 36. Beilage im Jahre 1968 zu den Sitzungsberichten des XX. Vorarlberger Landtages zum inhaltsgleichen § 20 des (Vorarlberger) Gesetzes über den Bau und die Erhaltung öffentlicher Straßen sowie über die Wegefreiheit, LGBl. Nr. 8/1969).

41 Sowohl bei ausdrücklicher Erklärung von Straßen zu öffentlichen Privatstraßen (ausdrückliche Widmung) als auch bei stillschweigender Widmung dem Gemeingebrauch als Folge der in § 30 Abs. 1 StrG umschriebenen Duldung durch den Grundeigentümer entstehen konstitutiv öffentliche Privatstraßen, die nach § 31 Abs. 3 StrG nur mit Bewilligung der Behörde aufgelassen werden dürfen. Nach dem Konzept des Gesetzes hat die Feststellung nach § 4 Abs. 4 StrG, wenngleich verbindlich, nur deklarativen Charakter (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2004/06/0098, zur diesbezüglich gleichen Rechtslage).

42 Durch die Feststellung des Gemeingebrauches erfolgt ein Eingriff in das Eigentumsrecht, weshalb die Voraussetzungen für diese Feststellung restriktiv auszulegen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/06/0178, betreffend die Feststellung der Öffentlichkeit aufgrund stillschweigender Widmung durch langjährige Übung nach dem Kärntner Straßengesetz 1991).

43 Wenn allgemeine Regelungen über die Wertung von Willenserklärungen in Verwaltungsvorschriften oder in den Verfahrensvorschriften nicht enthalten sind, sind zur Lösung dieser Frage die im ABGB normierten Grundsätze heranzuziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/05/0231).

44 Bei der ausdrücklichen Erklärung trägt das Äußerungsmittel (Worte oder allgemein angenommene Zeichen) einen eigenen Erklärungssinn und hebt sich von den Begleitumständen deutlich ab, wohingegen sich die Bedeutung bei einer konkludenten Erklärung erst aus den konkreten Umständen des Einzelfalles ergibt. Wenn im ABGB eine "ausdrückliche Erklärung" verlangt wird (z. B. §§ 891, 901, 1170a), wird dies nur als "deutlich" oder "unzweifelhaft" interpretiert (vgl. Koziol/Bydlinski/Bollenberger, Kurzkommentar zum ABGB4, § 863 Rz 2).

45 Im Gegensatz zur Willenserklärung ist die Wissenserklärung eine bloße Nachricht über Tatsachen und ändert daher die Rechtslage nicht. Rechtsfolgen würde eine Wissenserklärung, ohne dass ein entsprechender Wille vorausgesetzt ist, nur dann nach sich ziehen, wenn das Gesetz welche anordnet. Nur unter besonderen Voraussetzungen können Wissenserklärungen wie Rechtsgeschäfte verpflichtend wirken, wie zum Beispiel bei der Anscheinsvollmacht (vgl. Koziol/Bydlinski/Bollenberger, a.a.O., § 859 Rz 10 f).

46 Eine Erklärung im Sinne des § 30 Abs. 1 StrG muss daher - um die Rechtsfolgen der Bindung nach sich zu ziehen - auch mehr sein als eine bloße Wissenserklärung. Es muss sich um eine auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtete, hinsichtlich ihres Inhaltes eindeutige, rechtsgestaltende Willenserklärung handeln (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 91/06/0024).

47 Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Ausführungen des LVwG, es sei eine ausdrückliche Erklärung des gegenständlichen Weges als öffentliche Privatstraße im Sinne des § 30 Abs. 1 StrG erfolgt, als nicht zutreffend. Aus keinem der vom LVwG angeführten Schreiben lässt sich entnehmen, dass eine ausdrückliche Erklärung der Straße als öffentliche Privatstraße im dargelegten Sinne erfolgt wäre:

48 Aus den vom LVwG angeführten Schreiben vom (der Weg werde auch als Zufahrtsweg zum Gemeindesschießstand benützt und seine Staubfreimachung diene der Reinhaltung der Ortskanalisation), vom (der Weg sei - wenn auch in beschränktem Umfang - ein öffentlicher Weg) sowie vom (der Sweg sei keine reine Privatstraße, sondern zugleich ein öffentlicher Gehweg zum Anschlussgehweg in Richtung M und diene außerdem auch als Zufahrt zum gemeindeeigenen Vereinsgebäude; der Weg würde durch den Rassekleintierzuchtverein wieder in vermehrtem Maß Vereins- und somit Gemeindeinteressen dienen) geht keineswegs eine auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtete, hinsichtlich ihres Inhaltes eindeutige, rechtsgestaltende Willenserklärung hervor, eine allenfalls vorliegende Wissenserklärung reicht im vorliegenden Fall nicht aus.

49 Abgesehen davon, dass das Landesverwaltungsgericht vom Vorliegen einer ausdrücklichen Widmungserklärung ausgegangen ist, hat es im angefochtenen Erkenntnis auch Feststellungen getroffen, aus denen auf eine stillschweigende Widmung iSd § 30 Straßengesetz geschlossen werden könnte. Aus dem Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsauffassung hinsichtlich einer ausdrücklichen Widmungserklärung nicht teilt, folgte daher noch nicht zwingend, dass das angefochtene Erkenntnis rechtswidrig ist, wenn die Begründung des Landesverwaltungsgerichts geeignet wäre, das Vorliegen einer stillschweigenden Widmung darzutun.

50 Die Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts und die Begründung des Erkenntnisses sind aber nicht ausreichend, das Vorliegen einer stillschweigenden Widmung darzutun.

51 Bei der Darstellung des Verfahrensganges im angefochtenen Erkenntnis wird unter Punkt 3. auch erwähnt, dass in den Stellungnahmen im Verfahren "diverse Dienstbarkeitsverträge und ein Urteil des Bezirksgerichts Bregenz" angeführt worden seien, und in Punkt 4. unmittelbar daran anschließend festgehalten:

"4. Dieser Sachverhalt wird auf Grund der Aktenlage als erwiesen angenommen".

52 Da die Benützung aufgrund von Dienstbarkeitsverträgen die Annahme eines Gemeingebrauchs ausschließen würde, lässt das angefochtene Erkenntnis eine abschließende Beurteilung, ob eine stillschweigende Widmung zum Gemeingebrauch auszuschließen ist, nicht zu. Insbesondere bedeutet die Feststellung, "dass die Zufahrt bzw. der Zugang zu diesem Grundstück aktuell nicht durch eine Servitut befriedigt werde" noch nicht, dass dies auch durchgehend über den 20-jährigen Mindestzeitraum so gewesen ist.

53 Die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses vermögen daher auch nicht die Annahme zu tragen, es sei vom Vorliegen einer stillschweigenden Widmung des in Rede stehenden Weges für den Gemeingebrauch auszugehen.

54 Ergänzend ist zu dem Revisionsvorbringen bezüglich eines allfälligen Wegfalls eines einmal begründeten Gemeingebrauchs im Sinne des § 30 StrG durch das Aufstellen von Tafeln "länger als 3 Jahre vor Einleitung des Feststellungsverfahrens" darauf hinzuweisen, dass durch Ausschlusshandlungen des Grundeigentümers nach Ablauf des im § 30 StrG vorgesehenen Zeitraums die Eigenschaft als öffentliche Privatstraße nicht beseitigt werden kann (vgl. § 31 Abs. 3 StrG).

55 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

56 Der vom Revisionswerber gestellte Antrag "gegen den Verfasser der Revisionsbeantwortung sowie den Obmann der Berufungskommission gemäß § 34 Abs. 3 AVG eine Ordnungsstrafe zu verhängen", in eventu "ein Disziplinarverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AVG zu veranlassen", war mangels eines dem Revisionswerber diesbezüglich zukommenden Antragsrechtes zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/20/0474).

57 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

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