VwGH 27.07.2016, Ro 2014/06/0081
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | RPG Vlbg 1973 §14 Abs6; RPG Vlbg 1973 §14 Abs7; RPGNov Vlbg 1993 ArtII Abs2; VwRallg; |
RS 1 | Mit der Vlbg RPGNov LGBl. Nr. 27/1993 wollte der Vorarlberger Landesgesetzgeber die Nutzung bestehender Wohnungen als Ferienwohnungen außerhalb von Ferienwohngebieten verhindern. Mit der Übergangsbestimmung (Art II Abs. 2) dieser Novelle wiederum sollte aber verhindert werden, dass bisher zulässige Nutzungen von Wohnungen und Wohnräumen als Ferienwohnung außerhalb von Ferienwohngebieten künftig verboten wären (siehe dazu XXV. LT: RV 17/1993). Diese Übergangsbestimmung ist daher dahin zu verstehen, dass die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vlbg RPGNov LGB1. Nr. 27/1993 rechtmäßig bestandenen Freizeitwohnsitze - bei Zutreffen der weiteren Voraussetzung der rechtzeitigen Anzeige - zulässigerweise weiterhin als Freizeitwohnsitze verwendet werden können. Eine solche rechtmäßige Verwendung, also eine entweder ausdrücklich zulässige oder zumindest nicht unzulässige, kann sich nun entweder aus raumordnungsrechtlichen Vorschriften oder aber aus der Baubewilligung ergeben, so etwa, wenn eine raumordnungsrechtlich unzulässige Verwendung als Freizeitwohnsitz auf Grund der Baubewilligung dennoch zulässig war. Eine Baubewilligung, die zur Freizeitwohnsitznutzung nichts Explizites enthält, muss im Sinne der raumordnungsrechtlichen Vorschriften ausgelegt werden (vgl. dazu das zum Tir ROG 1997 ergangene hg. E vom , 2005/06/0262). |
Normen | BauRallg; RPG Vlbg 1996 §58 Abs1 idF 2008/035; RPGNov Vlbg 1993 ArtII Abs2; |
RS 2 | Ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vlbg RPGNov LGBl. Nr. 27/1993 rechtmäßig bestandene Freizeitwohnsitz sollte bei Zutreffen der weiteren Voraussetzung der rechtzeitigen Anzeige im Sinne der Übergangsbestimmung des Art II Abs. 2 zulässigerweise weiterhin als Freizeitwohnsitz verwendet werden können. Wurde diese Anzeige nicht erstattet, scheidet eine rechtmäßige Verwendung des Wohnhauses als Freizeitwohnsitz nach Ablauf der in dieser Bestimmung genannten Frist aus. Soweit die Revisionswerber eine rechtmäßige Benützung des Wohnhauses zu Ferienwohnzwecken aus § 58 Abs. 1 Vlbg RPG 1996 ableiten, ist festzuhalten, dass eine derartige wesentliche Änderung in der Verwendung des gegenständlichen Wohnhauses gerade nicht vorliegt, weshalb diese Bestimmung schon deshalb nicht zur Anwendung gelangt; im Übrigen ist den Revisionswerbern zu entgegnen, dass mit dieser Bestandsregelung eine Ferienwohnungsnutzung, die auf Grund des Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetznovelle LGBl. Nr. 27/1993 mangels schriftlicher Anzeige ab unzulässig wurde, mit Inkrafttreten der Bestandsregelung nicht wieder zulässig werden sollte. Es trifft also nicht zu, dass dem Art. II Abs. 2 der RPGNov LGBl. Nr. 27/1993 durch § 58 Vlbg 1996 RPG derogiert wurde. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ro 2014/06/0082
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Lehner, über die Revisionen 1. des Dr. H S, 2. der H S, beide in D, beide vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 22, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom ,
Zl. LVwG-1-913/E7-2013 (zu hg. Zl. Ro 2014/06/0081),
Zlen. LVwG-1-914/E4-2013, LVwG-1-915/E4-2013 (zu hg. Zl. Ro 2014/06/0082), jeweils betreffend eine Bestrafung nach dem Vorarlberger Raumplanungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft B), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revisionen werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit im Wesentlichen gleichlautenden Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft B (BH) vom wurde über die Revisionswerber eine Geldstrafe von jeweils EUR 1.000,-- und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 13 Stunden festgesetzt. Die Revisionswerber hätten eine näher bezeichnete Wohnung in S zumindest in der Zeit vom bis jedenfalls am als Ferienwohnung genutzt; sie hätten die Wohnung nicht zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes, sondern während des Urlaubes und zu Erholungszwecken nur zeitweilig benützt. Das Objekt befinde sich nach dem Flächenwidmungsplan in einem Wohngebiet, in dem die Nutzung von Wohnungen oder Wohnräumen als Ferienwohnung nicht zulässig sei. Es liege auch keine Bewilligung der Gemeinde zur Nutzung dieser Wohnung als Ferienwohnung vor. Daher werde gemäß § 57 Abs. 1 lit. e iVm § 16 Raumplanungsgesetz 1996 - RPG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (13 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Mit im Wesentlichen gleichlautenden Schriftsätzen vom brachten die Revisionswerber dagegen eine Berufung ein, die ab als Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) zu werten ist.
2 Mit den angefochtenen Erkenntnissen vom gab das LVwG den Beschwerden insoweit Folge, als die verhängte Geldstrafe jeweils auf EUR 800,-- (jeweils acht Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde den Beschwerden keine Folge gegeben und die angefochtenen Straferkenntnisse mit der Maßgabe bestätigt, dass in der Tatumschreibung die Wortfolge "zumindest in der Zeit vom bis jedenfalls am " durch die Wortfolge "vom bis " unter Entfall der Angabe "Tatzeit " zu ersetzen ist. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt.
3 Begründend führte das LVwG aus, die Revisionswerber hätten mit dem an den Bürgermeister der Marktgemeinde S (im Folgenden: Gemeinde) gerichteten Bauansuchen vom um Baugenehmigung für die "Erbauung eines Wohnhauses" auf einem näher bezeichneten Grundstück angesucht. Gleichzeitig mit dem Bauansuchen seien dem Bürgermeister Baupläne und die Baubeschreibung für den "Wohnhaus-Neubau" vorgelegt worden. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom sei die beantragte baupolizeiliche Genehmigung für die "Errichtung eines Wohnhauses" erteilt worden. Der Benützungsbewilligungsbescheid für das "Wohnhaus" sei am ergangen. Das Baugrundstück sei nach dem rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Baufläche - Wohngebiet ("BW") ohne Zusatzwidmung für Ferienwohnungen gewidmet. Diese Widmung bestehe unverändert seit der Erlassung des Flächenwidmungsplanes. Es liege auch keine Bewilligung der Gemeindevertretung für die Errichtung von Ferienwohnungen an diesem Standort vor. Es sei auch nicht die Nutzung des Wohnhauses auf dem Baugrundstück als Ferienwohnung von der Gemeinde bewilligt worden.
Das Wohnhaus sei von den Revisionswerbern, deren zwei Töchtern sowie den Schwiegereltern erstmals zu Weihnachten 1973 genutzt worden. Die Nutzung sei von Anfang an bis zum heutigen Tag ausschließlich zu Urlaubs- und Ferienzwecken, und zwar in der Regel zu Weihnachten und Ostern sowie im Sommer, erfolgt. Dies, obwohl die Revisionswerber und ihre Familie in der Gemeinde seit den Hauptwohnsitz angemeldet hätten.
Eine schriftliche Anzeige der Ferienwohnungsnutzung an die Gemeinde gemäß der Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 sei nicht erstattet worden.
Dieser Sachverhalt sei unbestritten.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das LVwG nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen aus, die Revisionswerber hätten sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass das Wohnhaus ursprünglich für sämtliche Wohnzwecke (somit auch für Ferienwohnzwecke) bewilligt worden sei.
Dazu sei festzuhalten, dass erstmals in dem am in Kraft getretenen Raumplanungsgesetz - RPG, LGBl. Nr. 15/1973, Bestimmungen über Wohnhäuser enthalten gewesen seien; damals sei im § 14 Abs. 6 RPG festgelegt worden, dass die Errichtung (Hervorhebung im Original)) von Ferienwohnhäusern nur dann zulässig sei, wenn hiefür eine spezielle Widmung oder Bewilligung der Gemeindevertretung vorliege. Zwar sei diese Bestimmung erst nach Erteilung der gegenständlichen Baubewilligung in Kraft getreten. Dennoch könne im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, die Errichtung des gegenständlichen Wohnhauses sei (auch) für Ferienwohnzwecke genehmigt worden. Dies deshalb, weil sich hiefür aus dem gesamten Bauakt, insbesondere auch aus dem Bauansuchen samt Baubeschreibung und Bauplänen, keine Anhaltspunkte ergäben. Vielmehr sei in allen Dokumenten des Bauaktes ausdrücklich nur von der Errichtung eines "Wohnhauses" die Rede. Auch aus der Größe (129 m2 Wohnnutzfläche) und der in der Baubeschreibung und den Bauplänen dargelegten Ausführung des Wohnhauses könne nicht darauf geschlossen werden, dass es sich bei dem Objekt um ein Ferienwohnhaus handle. Dies gelte auch in Bezug auf die Ausführung der Heizung (örtliche Kachelofenfeuerung kombiniert mit elektrischen Konvektoren).
Im Jahre 1993 sei sodann erstmals durch die Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 auch die Nutzung (Hervorhebung im Original) von Wohnungen oder Wohnräumen als Ferienwohnung einer Regelung unterzogen worden. Nach Art. II Abs. 2 lit. a dieser am in Kraft getretenen Novelle hätten vor dem baubehördlich bewilligte Wohnungen, die vor dem nachweislich regelmäßig als Ferienwohnung benutzt worden seien, als Ferienwohnung benutzt werden dürfen, wenn eine schriftliche Anzeige erstattet worden sei. Nach dieser Bestimmung hätte die Zweitrevisionswerberin als Eigentümerin des Wohnhauses die Möglichkeit gehabt, durch eine Anzeige das von ihr und ihrer Familie entgegen der erteilten Baubewilligung als Ferienwohnhaus genutzte Wohnhaus weiterhin als Ferienwohnhaus zu nutzen. Von dieser Möglichkeit habe sie keinen Gebrauch gemacht. Die Revisionswerber seien daher nach Ablauf der ungenützt verstrichenen Anzeigefrist entgegen ihrer Auffassung zu einer Nutzung des Wohnhauses als Ferienwohnhaus nicht mehr berechtigt. Im Übrigen habe die Gemeinde - nach den Angaben ihres Vertreters in der mündlichen Verhandlung - damals in einer Hauswurfsendung darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit einer diesbezüglichen Anzeige bestehe; weiters habe es in diversen Tageszeitungen diesbezügliche Mitteilungen gegeben. Die Revisionswerber hätten nicht vorgebracht, von einer solchen Anzeigemöglichkeit keine Kenntnis gehabt zu haben; sie stellten sich vielmehr auf den Standpunkt, dass sie von Anfang an bis zum heutigen Tag berechtigt gewesen seien, das gegenständliche Wohnhaus als Ferienwohnhaus zu nutzen; dies auch ohne Anzeige nach der Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993.
Selbst wenn man die Auffassung vertreten sollte, dass Ferienwohnungen, die als solche baubehördlich bewilligt worden seien, keiner Anzeige nach der Übergangsbestimmung bedurft hätten, wäre für die Revisionswerber nichts gewonnen, weil sich aus dem gesamten Bauakt keine Anhaltspunkte dafür ergäben, dass es sich um ein Ferienwohnhaus handle.
5 Soweit sich die Revisionswerber auf § 58 RPG stützten, sei ihnen entgegenzuhalten, dass diese durch die Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 34/1996 geschaffene Bestimmung ("Bestandsregelung") als Ersatz für die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen "verbalen Bestimmungen" des Raumplanungsgesetzes geschaffen worden sei. Dies ergebe sich aus dem Motivenbericht zu dieser Bestimmung (Hinweis auf Blg. 8/1996, XXVI. LT). Aus dem Motivenbericht sei aber nicht ableitbar, dass mit der Bestandsregelung eine Ferienwohnungsnutzung, die auf Grund des Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 mangels schriftlicher Anzeige ab dem unzulässig geworden sei, mit Inkrafttreten der Bestandsregelung wieder zulässig hätte werden sollen. Es sei dem Gesetzgeber nicht zuzusinnen, dass er mit der Bestandsregelung die Ferienwohnungsnutzungen abgeändert habe regeln wollen, obwohl er bereits mit der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 die Ferienwohnungsnutzung einer umfassenden Regelung unterzogen habe. Von der behaupteten Derogation des Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 sei nicht auszugehen.
6 Zum Vorbringen, die Bestimmungen des § 16 RPG stellten Einschränkungen der Europäischen Grundfreiheiten dar, weil Ermessensentscheidungen oder ermessensähnliche Entscheidungen bei Beschränkungen der Grundfreiheiten unzulässig seien, sei auszuführen, dass sich dieses Vorbringen nur auf die Bewilligungstatbestände des § 16 Abs. 1 zweiter Satz ff und Abs. 4 RPG beziehen könne, weil nur im Rahmen dieser Bewilligungsverfahren der Behörde vom Gesetzgeber Ermessen eingeräumt werde. Folge einer allfälligen Unionsrechtswidrigkeit dieser Bewilligungsbestimmungen wäre, dass diese unangewendet zu bleiben hätten (Hinweis auf Zl. 2012/03/0102, mwN). Dadurch wäre aber für die Revisionswerber nichts gewonnen. Wenn die genannten Bestimmungen unangewendet blieben, sei eine rechtmäßige Nutzung des Wohnhauses als Ferienwohnung nur möglich, wenn eine entsprechende Widmung nach § 16 Abs. 1 erster Satz RPG vorliege. Eine solche Widmung sei im Tatzeitraum aber unstrittig nicht vorgelegen. Weiters sei zum Tatzeitpunkt auch keine rechtskräftige Versagung hinsichtlich des Antrages der Revisionswerber gemäß § 16 Abs. 1 und 4 RPG vom vorgelegen.
7 Dem Einwand, das vorgeworfene Verwaltungsstrafdelikt sei verjährt, sei zu entgegnen, dass nach § 57 Abs. 4 RPG und der Vorgängerbestimmung des § 50 Abs. 4 RPG, LGBl. Nr. 15/1973 idF LGBl. Nr. 34/1996, die Strafbarkeit im Falle der Nutzung von Wohnungen und Wohnräumen als Ferienwohnung (Abs. 1 lit. e) andauere, solange die Nutzung als Ferienwohnung fortdauere. Damit werde klargestellt, dass es sich um ein Dauerdelikt handle, das solange anhalte, als der dadurch geschaffene rechtswidrige Zustand bestehe, was sich insbesondere auf die Verjährung auswirke.
8 Der Tatzeitraum sei einzuschränken gewesen, weil erst nach Ablauf der Frist für eine Anzeige nach Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 die (weitere) Nutzung als Ferienwohnung unzulässig geworden sei.
9 Abschließend begründete das LVwG die Strafbemessung gemäß § 19 Verwaltungsstrafgesetz (VStG).
10 Die Revision sei zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im konkreten Fall fehle. Dies betreffe insbesondere die Fragen, ob im gegenständlichen Fall eine Anzeigepflicht nach Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 bestanden habe und ob sich die Revisionswerber auf die Bestandsregelung des § 58 RPG stützen könnten.
11 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden ordentlichen Revisionen mit der Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zu näher genannten Fragen einzuleiten, und dem Begehren, die Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig zu erklären; in Stattgebung der Revisionen die angefochtenen Erkenntnisse wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und "Begründungsverpflichtungen" dahingehend abzuändern, dass die verhängten Geldstrafen samt Kostenersatz aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren gegen die Revisionswerber eingestellt werden; in eventu die verhängten Geldstrafen samt Ersatzverpflichtung für die Verfahrenskosten aufzuheben und die Sache an die untergeordneten Instanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen; dem Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der gesetzmäßigen Aufwendungen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufzuerlegen.
12 Das LVwG legte die Verfahrensakten vor.
Die BH und die Vorarlberger Landesregierung beantragten in
ihren Gegenschriften die Abweisung der Revisionen.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges die Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.
17 Im vorliegenden Fall hat das LVwG die Revision mit der Begründung zugelassen, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dazu fehle, ob im gegenständlichen Fall eine Anzeigepflicht nach Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 bestanden habe und ob sich die Revisionswerber auf die Bestandsregelung des § 58 RPG stützen könnten.
18 Es trifft zu, dass zur Frage, wie rechtmäßige Baubewilligungen, die ergangen sind, bevor Einschränkungen für Ferienwohnungen gegolten haben, bezüglich der Berechtigung zur Ferienwohnungsnutzung insbesondere im Zusammenhang mit Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 und § 58 RPG zu behandeln sind, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht besteht.
Die Revisionen, die diese Frage relevieren, erweisen sich daher als zulässig. Sie sind aber nicht begründet.
19 Weder die im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung für das verfahrensgegenständliche Wohnhaus der Revisionswerber in Geltung stehende Landesbauordnung - LBO, LGBl. Nr. 49/1962, noch das im Zeitpunkt der Erteilung der Benützungsbewilligung in Geltung stehende Baugesetz - BauG, LGBl. Nr. 39/1972, enthielten Bestimmungen über Ferienwohnhäuser.
20 Gemäß § 14 Abs. 6 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes - RPG, LGBl. Nr. 15/1973, konnten in Kern-, Wohn- und Mischgebieten besondere Flächen festgelegt werden, auf denen bei Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes (§ 26) auch oder nur Ferienwohnhäuser errichtet werden durften. Auf anderen als solchen (besonders gewidmeten) Flächen konnte die Errichtung von Ferienwohnhäusern durch die Gemeindevertretung mit Genehmigung der Landesregierung bewilligt werden, wenn dadurch die Erreichung der (Raumordnungs-)Ziele des § 2 nicht gefährdet wurde.
Gemäß § 14 Abs. 7 leg. cit. war ein Ferienwohnhaus ein Gebäude, das auf Grund seiner Lage, Ausgestaltung und Einrichtung eine Wohnung oder mehrere Wohnungen enthält, die nicht ständig der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs dienen, insbesondere Wohnungen, die nur während des Wochenendes, des Urlaubes, der Ferien oder sonst nur zeitweilig benützt werden und nicht unmittelbar zu einem Gastgewerbebetrieb gehören.
21 Durch Art. I Z 1 und 3 des Gesetzes über eine Änderung des Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 27/1993, wurde § 14 Abs. 6 (nunmehr: 12) und 7 (nunmehr: 13) geändert und die Absätze 14 bis 16 angefügt. Die Worte Ferienwohnhäuser in § 14 Abs. 12 wurden durch "Ferienwohnungen" ersetzt und dieser Begriff (anstelle jenes des Ferienwohnhauses) in § 14 Abs. 13 definiert.
Gemäß § 14 Abs. 14 leg. cit. ist die Nutzung von Wohnungen oder Wohnräumen als Ferienwohnung - abgesehen von der Ausnahme des Abs. 15 - nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Abs. 12 erfüllt sind (d.h. eine entsprechende Sonderwidmung oder Ausnahmebewilligung vorliegt).
Gemäß § 14 Abs. 15 leg. cit. kann die Gemeinde auf Grund besonders berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag die Nutzung von Wohnungen und Wohnräumen als Ferienwohnung bewilligen, wenn dadurch die Erreichung der im § 2 genannten Ziele nicht gefährdet wird.
22 Art. II Abs. 2 leg. cit. enthält die Übergangsbestimmung, dass vor dem baubehördlich bewilligte Wohnungen und Wohnräume, die vor dem nachweislich regelmäßig als Ferienwohnung benutzt wurden (lit. a) oder im Zusammenhang mit Gastgewerbebetrieben (ergänze: stehen), in denen nachweislich vor dem über den üblichen gastgewerblichen Beherbergungsvertrag hinausgehende Verfügungsrechte eingeräumt wurden (lit. b), als Ferienwohnung im Sinne des § 14 Abs. 15 RPG benutzt werden dürfen, wenn der Eigentümer innerhalb eines halben Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes eine schriftliche Anzeige gemäß Abs. 3 an die Gemeinde erstattet und die Gemeinde die Nutzung als Ferienwohnung nicht gemäß Abs. 4 untersagt und - bei noch nicht errichteten Wohnungen und Wohnräumen - gemäß Abs. 5 festgestellt wird, dass die Verwendung entsprechend dem gemäß lit. b eingeräumten Verfügungsrecht zulässig gewesen wäre. Gemäß Art. II Abs. 4 leg. cit. hat die Gemeinde unter anderem die Nutzung als Ferienwohnung zu untersagen, wenn die in Abs. 2 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
23 Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass das mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom bewilligte Wohnhaus der Revisionswerber ab Erteilung der Benützungsbewilligung mit Bescheid vom ausschließlich zu Urlaubs- und Ferienzwecken genützt und eine schriftliche Anzeige der Ferienwohnungsnutzung im Sinne des Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 nicht erstattet wurde.
24 Mit der vorgenannten Raumplanungsgesetz-Novelle LGB1. Nr. 27/1993 wollte der Vorarlberger Landesgesetzgeber die Nutzung bestehender Wohnungen als Ferienwohnungen außerhalb von Ferienwohngebieten verhindern. Mit der erwähnten Übergangsbestimmung dieser Novelle wiederum sollte aber verhindert werden, dass bisher zulässige Nutzungen von Wohnungen und Wohnräumen als Ferienwohnung außerhalb von Ferienwohngebieten künftig verboten wären (siehe dazu XXV. LT: RV 17/1993). Diese Übergangsbestimmung ist daher dahin zu verstehen, dass die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Raumplanungsgesetz-Novelle LGB1. Nr. 27/1993 rechtmäßig bestandenen Freizeitwohnsitze - bei Zutreffen der weiteren Voraussetzung der rechtzeitigen Anzeige - zulässigerweise weiterhin als Freizeitwohnsitze verwendet werden können.
Eine solche rechtmäßige Verwendung, also eine entweder ausdrücklich zulässige oder zumindest nicht unzulässige, kann sich nun entweder aus raumordnungsrechtlichen Vorschriften oder aber aus der Baubewilligung ergeben, so etwa, wenn eine raumordnungsrechtlich unzulässige Verwendung als Freizeitwohnsitz auf Grund der Baubewilligung dennoch zulässig war. Eine Baubewilligung, die zur Freizeitwohnsitznutzung nichts Explizites enthält, muss im Sinne der raumordnungsrechtlichen Vorschriften ausgelegt werden (vgl. dazu das zum Tiroler Raumordnungsgesetz 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0262).
25 Die verfahrensgegenständliche Baubewilligung vom ist, was die Art der bewilligten Wohnnutzung betrifft, in Verbindung mit den in diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen auszulegen. Da sich daraus keine Einschränkungen für die Wohnnutzung ergaben (siehe Rz 19), war die umfassende Wohnnutzung (somit auch als Freizeitwohnsitz) zulässig.
26 Dieser im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Raumplanungsgesetznovelle LGBl. Nr. 27/1993 rechtmäßig bestandene Freizeitwohnsitz sollte bei Zutreffen der weiteren Voraussetzung der rechtzeitigen Anzeige im Sinne der genannten Übergangsbestimmung zulässigerweise weiterhin als Freizeitwohnsitz verwendet werden können.
Da diese Anzeige unstrittig nicht erstattet wurde, scheidet eine rechtmäßige Verwendung des Wohnhauses der Revisionswerber als Freizeitwohnsitz nach Ablauf der in dieser Bestimmung genannten Frist aus.
27 Gemäß § 58 Abs. 1 RPG, LGBl. Nr. 39/1996 idF LGBl. Nr. 35/2008, sind, soweit der Abs. 2 nichts anderes bestimmt (u.a.) wesentliche Änderungen in der Verwendung von Gebäuden oder Gebäudeteilen ungeachtet einer widersprechenden Widmung zulässig, wenn sie der Weiterführung der zur Zeit der Erlassung des Flächenwidmungsplanes rechtmäßig ausgeübten Nutzung dienen und dadurch keine wesentlichen zusätzlichen Gefahren oder Belästigungen für die Einwohner entstehen und der Gebietscharakter nicht gestört wird.
28 Soweit die Revisionswerber eine rechtmäßige Benützung des Wohnhauses zu Ferienwohnzwecken aus dieser Bestimmung ableiten, ist festzuhalten, dass eine derartige wesentliche Änderung in der Verwendung des gegenständlichen Wohnhauses gerade nicht vorliegt, weshalb diese Bestimmung schon deshalb nicht zur Anwendung gelangt; im Übrigen ist den Revisionswerbern mit dem LVwG (siehe Rz 5) zu entgegnen, dass mit dieser Bestandsregelung eine Ferienwohnungsnutzung, die auf Grund des Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetznovelle LGBl. Nr. 27/1993 mangels schriftlicher Anzeige ab unzulässig wurde, mit Inkrafttreten der Bestandsregelung nicht wieder zulässig werden sollte. Es trifft also nicht zu, dass dem Art. II Abs. 2 der Raumplanungsgesetznovelle LGBl. Nr. 27/1993 durch § 58 RPG derogiert wurde.
29 Was das weitere Vorbringen der Revisionswerber im Rahmen der Zulässigkeit der Revision betrifft (unrichtige Anwendung des hg. Erkenntnisses vom , 2009/06/0020; Europarechtswidrigkeit dieser Entscheidung; Verweigerung eines Vorabentscheidungsverfahrens; falsche Anwendung der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Vorliegens eines Dauerdeliktes), wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/06/0026, verwiesen.
30 Die sich als unbegründet erweisenden Revisionen waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat abzuweisen.
31 Ein Ausspruch über den Aufwandersatz entfällt, weil die vor dem LVwG belangte Behörde keinen Aufwandersatz geltend gemacht hat.
Wien, am
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Normen | BauRallg; RPG Vlbg 1973 §14 Abs6; RPG Vlbg 1973 §14 Abs7; RPG Vlbg 1996 §58 Abs1 idF 2008/035; RPGNov Vlbg 1993 ArtII Abs2; VwRallg; |
Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RO2014060081.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAE-90361