VwGH 19.06.2013, 2011/16/0235
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14/2/9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3961- W/10, betreffend Gewährung der Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug Anträge des Beschwerdeführers, eines polnischen Staatsangehörigen, ihm für seine drei in Polen wohnhaften Kinder Familienbeihilfe im Umfang einer Differenzzahlung zu gewähren, für bestimmte Monate der Jahre 2004, 2006 und 2007 ab. Für bestimmte Monate der Jahre 2006 und 2007 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers statt und sprach aus, der "angefochtene Bescheid wird abgeändert", ohne den Inhalt der Abänderung auszusprechen.
Der Beschwerdeführer sei seit in Österreich gemeldet, habe das freie Gewerbe "Verspachteln von ..…" und "Montage von mobilen Trennwänden durch Verschrauben fertig bezogener Profile oder Systemwände ..…" angemeldet und sei seit bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert gewesen. Er sei jedoch als Verspachtler (von bereits montierten Gipskartonplatten) in Österreich nichtselbständig tätig gewesen. Seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder lebten in Polen.
Mit dem EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz, BGBl. I Nr. 28/2004, habe Österreich von der in der Beitrittsakte 2003 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Zugang zum Arbeitsmarkt für die neuen EU-Bürger einzuschränken. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates gelange aufgrund des untrennbaren Zusammenhanges mit der Freizügigkeit nur dann zur Anwendung, wenn von der vertraglich eingeräumten Freizügigkeit Gebrauch gemacht werde. Der Beschwerdeführer falle mangels Freizügigkeit nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht auf Gewährung der Familienbeihilfe (Differenzzahlung) verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a und b des Familienlastenausgleichsgesetzes - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige und unter näher genannten Voraussetzungen für volljährige Kinder.
§ 3 FLAG legt besondere Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe für Personen und für Kinder fest, die nicht österreichische Staatsbürger sind.
Gemäß § 53 Abs. 1 FLAG sind Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.
Die Anwendbarkeit der mit § 53 Abs. 1 FLAG angesprochenen gemeinschaftsrechtlichen (nunmehr: unionsrechtlichen) Bestimmungen, nämlich der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABlEG Nr. L 149 vom , (in der Folge Verordnung Nr. 1408/71) verneint die belangte Behörde mit der Begründung, die primärrechtlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union erlaubten Österreich die Einschränkung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern polnischer Staatsangehörigkeit, weshalb der Beschwerdeführer nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 falle.
Damit gleicht der Beschwerdefall demjenigen, den der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom , 2011/16/0236, entschieden hat. Die von der belangten Behörde gesehene Verletzung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vermag aus den Gründen des erwähnten Erkenntnisses vom , auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 im Beschwerdefall nicht zu verhindern.
Soweit die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides hinsichtlich mancher Monate den vor ihr bekämpften Bescheid des Finanzamtes "abändert", enthält der Spruch des angefochtenen Bescheides keine Aussage, worin die Abänderung besteht.
Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2011160235.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAE-90346