VwGH vom 22.04.2015, 2011/16/0234
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde der WH GmbH in W, vertreten durch die Cura Treuhand- und Revisionsgesellschaft mbH, Wirtschaftsprüfer in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 26, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2050-W/06 ua., betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde gegenüber der beschwerdeführenden GmbH (Beschwerdeführerin) im Instanzenzug Gesellschaftsteuer fest und ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin sei Alleineigentümerin der WS Gesellschaft mbH (im Folgenden: W GmbH). Von 1974 bis 1989 sei die Stadt W wirtschaftliche und zivilrechtliche Alleingesellschafterin der Beschwerdeführerin gewesen sei. 1989 habe die Stadt W einen Anteil ihrer Geschäftsanteile abgetreten; nunmehr halte sie 99,99441 % der Anteile an der Beschwerdeführerin unmittelbar und 0,00559 % mittelbar über einen Treuhänder.
Der Gemeinderat der Stadt W habe am folgenden auszugsweise wiedergegebenen Beschluss gefasst:
"1. Der Magistrat wird ermächtigt, der (Beschwerdeführerin) jährlich einen Betrag von S 35 Mio. (inkl. der anfallenden Kapitalverkehrssteuern) erstmals für das Geschäftsjahr 1978 für Zwecke bei der (W GmbH) zur Verfügung zu stellen.
2. Die (Beschwerdeführerin) wird angewiesen, diesen Betrag ausschließlich für die effektiven Erfordernisse bei der (W GmbH) zu verwenden. Die für diesen Zweck nicht verbrauchten Mittel sind einer eigens zu bildenden Sonderrücklage in der Bilanz der (Beschwerdeführerin) zuzuweisen, deren Auflösung nur für Verlustabdeckungszuschüsse und für allfällige außerordentliche Mittelzuführungen (z.B. zur Vornahme von Investitionen) bei der (W GmbH) zulässig ist.
3. Der zuzuweisende Betrag ist wertgesichert und ändert sich jeweils um jenen Prozentsatz, um welchen sich der Durchschnittsbezug eines Dienstnehmers der (Beschwerdeführerin) (unter Außerachtlassung der saisonal stark schwankenden Teilzeitbeschäftigten) im Dezember des jeweils der Zuführung des Betrages vorangegangenen Kalenderjahres gegenüber dem Jahr 1977 geändert hat.
4. Für die Kapitalzuführungen an die (Beschwerdeführerin) in den Folgejahren ist in den jeweiligen Jahresvorschlägen Vorsorge zu treffen."
Mit Schreiben vom habe die Stadt W der Beschwerdeführerin den Inhalt des Gemeinderatsbeschlusses mitgeteilt und weiter ausgeführt:
"Hinsichtlich der für 1978 genehmigten Kapitalzuführung von 35 Mio. S ersuchen wir Sie, uns zur gegebenen Zeit Ihre entsprechenden Dispositionen zukommen zu lassen.
Weiters ersuchen wir Sie, uns im Einvernehmen mit der (Beschwerdeführerin) möglichst frühzeitig zu Beginn des Jahres 1979 die Indikatoren für die Berechnung des wertgesicherten Kapitalzuführungsbetrages 1979 bekanntzugeben."
Seit 1978 würden auf Basis des zitierten Gemeinderatsbeschlusses Zuschüsse von der Stadt W an die Beschwerdeführerin und Zuschüsse von der Beschwerdeführerin an die W GmbH geleistet werden. Zwischen den Leistungen der Stadt W an die Beschwerdeführerin und den Leistungen der Beschwerdeführerin an die W GmbH bestünde größtenteils keine Kongruenz (weder in zeitlicher Hinsicht noch der Höhe nach). Die Leistungen der Beschwerdeführerin an die W GmbH würden in der Regel zeitversetzt bei Vorliegen eines entsprechenden Bedarfs erfolgen.
Die Stadt W habe auch in den Jahren, in denen sie nicht Alleingesellschafterin der Beschwerdeführerin gewesen sei, Zuschüsse auf Basis des zitierten Gemeinderatsbeschlusses an die Beschwerdeführerin für Zwecke der W GmbH geleistet. Anlässlich der Übertragung der Geschäftsanteile an Banken und Versicherungen sei im April 1989 ein Syndikatsvertrag abgeschlossen worden, in welchem festgehalten worden sei, dass die Finanzierungszusage der Stadt W keine Änderung erfahren würde. Mit dem Ausscheiden der Gesellschafter im Jahr 2001 sei der Syndikatsvertrag wegen der - wirtschaftlichen - Alleingesellschafterstellung der Stadt W erloschen.
Neben den tatsächlichen Zahlungen von der Stadt W an die Beschwerdeführerin sowie von der Beschwerdeführerin an die W GmbH hätten vor allem im Verhältnis Beschwerdeführerin und W GmbH auch diverse "nicht zahlungswirksame" Vorgänge stattgefunden. In den Jahresabschlüssen der Beschwerdeführerin würden seit dem Jahr 1978 die von der Stadt W empfangenen Mittel, die noch nicht an die W GmbH weitergereicht worden wären, unter einer eigenen Position der Passiva mit der Bezeichnung "Sonderrücklage" ausgewiesen und der jeweilige Stand zu Lasten der Beschwerdeführerin verzinst werden. Die Verzinsung erfolge auf Eigeninitiative der Beschwerdeführerin. Die Beträge aus der "Aufzinsung" würden von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit den von der Stadt W empfangenen Geldmitteln bei Vorliegen eines entsprechenden Bedarfs der W GmbH als Zuschuss zugeführt werden. Dabei entscheide die Beschwerdeführerin, wann ein entsprechender Bedarf gegeben sei und in welcher Höhe eine konkrete Leistung an die W GmbH durch Fassung entsprechender Gesellschafterbeschlüsse erfolge.
Es stehe zweifelsfrei fest, dass die Stadt W im Jahr 1978 bei Fassung des Gemeinderatsbeschlusses Alleingesellschafterin der Beschwerdeführerin gewesen sei. Als solche sei die Stadt W - so die rechtliche Folgerung der belangten Behörde - berechtigt gewesen, der Beschwerdeführerin Weisungen zu erteilen.
In ihrer rechtlichen Würdigung führt die belangte Behörde aus, dass Leistungen, die zwar nicht vom Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft geleistet werden, sondern beispielsweise von dessen Muttergesellschaft, eine "Leistung eines Gesellschafters" darstellen würden, wenn die Leistung dem Gesellschafter zuzurechnen sei. Wenn eine Leistung erfolge, um den Wert der Gesellschaftsanteile des Leistungsempfängers zu erhöhen und diese Erhöhung vor allem im Interesse des Gesellschafters liege, sei die Leistung dem Gesellschafter zuzurechnen, selbst wenn die Leistungen ohne Einbindung des unmittelbaren Gesellschafters in den Geschehensablauf erfolge. Ein Größenschluss führe nach Ansicht der belangten Behörde dazu, dass unter aktiver Einbeziehung des unmittelbaren Gesellschafters geleistete Zuschüsse auch dann der Gesellschaftsteuer zu unterziehen seien, wenn die Leistung über Weisung und mit Mitteln der "Großmutter" erfolge und die Zuschussgewährung sowohl im Interesse des unmittelbaren Gesellschafters als auch im Interesse eines Dritten erfolge.
Anders als im Fall eines sog. "klassischen Großmutterzuschusses", seien im Beschwerdefall Geldflüsse von der "Großmutter", der Stadt W, an die "Zwischengesellschaft", die Beschwerdeführerin, und von der "Zwischengesellschaft" an die "Enkelgesellschaft", die W GmbH, erfolgt, die sich meist sowohl hinsichtlich der Höhe der Zahlung als auch hinsichtlich des Zeitpunktes der Leistung unterschieden. Außerdem würden die Geldmittel für die Leistungen der Beschwerdeführerin an die W GmbH nicht zur Gänze aus Zuschüssen der Stadt W stammen, weil darin die Beträge aus den sogenannten "Aufzinsungen" enthalten seien und die empfangenen Mittel nicht in allen Jahren ausgereicht hätten, um die Zuschüsse an die W GmbH abzudecken. Die Beschwerdeführerin habe stets die entsprechenden Gesellschafterbeschlüsse gefasst, womit erst die Höhe und der Zeitpunkt der einzelnen konkreten Leistung festgelegt worden seien. Die Beschwerdeführerin sei daher als "eigentliche Empfängerin" der gegenständlichen Zuschüsse anzusehen.
Dass die Zuschüsse an die W GmbH aus Mitteln stammen würden, die der Beschwerdeführerin von der Stadt W für diesen Zweck zur Verfügung gestellt worden wären, vermöge keine Änderung der Zurechnung zu rechtfertigen.
Auch wenn der Inhalt des Gemeinderatsbeschlusses der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden sei, habe die Beschwerdeführerin dadurch keinen Rechtsanspruch auf Erhalt von Geldmitteln in bestimmter Höhe erhalten. Durch die Mitteilung vom seien der Beschwerdeführerin von Seiten der Stadt W zwar jährliche Leistungen im Gesamtbetrag von 35 Mio S inklusive Wertsicherung in Aussicht gestellt und der künftige Verwendungszweck festgelegt worden. Die Stadt W sei dabei jedoch keine vertragliche Verpflichtung (weder gegenüber der Beschwerdeführerin noch gegenüber der W GmbH) eingegangen.
Hinsichtlich des Punktes 2. des Gemeinderatsbeschlusses sei der Beschwerdeführerin als Adressat durch die Bekanntgabe des Inhaltes mit Schreiben vom wirksam eine Weisung von ihrer Gesellschafterin erteilt worden. Die Beschwerdeführerin sei damit nicht befugt, die erhaltenen Geldmittel nach ihrem Belieben zu verwenden, sondern sie sei insofern gebunden, als sie die Zuschüsse zu einem speziellen Zweck zu verwenden habe.
Da der Begriff der "Freiwilligkeit" aus dem Gegensatz der Bestimmungen abzuleiten sei und im Beschwerdefall Leistungen an die Beschwerdeführerin zu beurteilen seien, komme es für die "Freiwilligkeit" der Leistungen darauf an, ob die Beschwerdeführerin als empfangende Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf diese Leistung habe. Die Hingabe der Geldmittel von der Stadt W an die Beschwerdeführerin für einen bestimmten Verwendungszweck vermittle der W GmbH noch keinen unmittelbaren Leistungsanspruch. Die vorgelegten Unterlagen böten keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Vertrag zu Gunsten Dritter (zu Gunsten der W GmbH) abgeschlossen worden wäre oder sonst ein Rechtsgrund vorgelegen wäre, der für die W GmbH den Erhalt bestimmter Geldmittel sichergestellt hätte.
Anders als bei einem Ergebnisabführungsvertrag habe die W GmbH keinen Anspruch auf Abdeckung sämtlicher Verluste durch ihre Gesellschafterin erworben.
Es lägen daher keine Vorgänge zwischen der Stadt W und der W GmbH vor, sondern die einseitigen Kapitalzuführungen von der Stadt W an die Beschwerdeführerin als auch jene von der Beschwerdeführerin an die W GmbH seien beim jeweiligen Leistungsempfänger der Gesellschaftsteuer zu unterziehen.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf "Nichtvorschreibung von Gesellschaftsteuer" verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Darauf hat die Beschwerdeführerin repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Der Beschwerdefall gleicht hinsichtlich des rechtserheblichen Sachverhaltes und der zu beantwortenden Rechtsfrage jenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, 2011/16/0233, entschieden hat. Jener Beschwerdefall betrifft eine gegenüber der W GmbH festgesetzte Gesellschaftsteuer für die ihr von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Beschwerdefall geleisteten Zuschüsse und die Frage, ob es sich dabei um freiwillige Zuschüsse der Beschwerdeführerin im vorliegenden Beschwerdefall gehandelt habe.
Auch im vorliegenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde den bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Standpunkt der Beschwerdeführerin nicht entkräftet, dass die Mitteilung des Inhaltes des Gemeinderatsbeschlusses vom durch das erwähnte Schreiben an die Beschwerdeführerin vom eine Weisung darstelle, welche die Freiwilligkeit der Beschwerdeführerin ausschließe, weshalb die Leistung der Stadt W an die Beschwerdeführerin der W GmbH als Empfängerin der Leistung zuzurechnen sei.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der im Beschwerdefall noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am