VwGH vom 16.10.2014, 2011/16/0232
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Thoma und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde 1. des H B und 2. der C B, beide in P, beide vertreten durch Mag. Andreas Arbesser, Rechtsanwalt in 2103 Langenzersdorf, Korneuburger Straße 3, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom , Zl. Jv 50581-33a/11, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer erhoben vor dem Landesgericht Korneuburg eine Wiederaufnahmsklage, wofür ihnen mit Zahlungsauftrag mit eine Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG in der Höhe von EUR 11.522,50 und eine Einhebungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 GEG im Betrag von EUR 8,--, zusammen EUR 11.530,50 vorgeschrieben wurden.
Mit Schreiben vom beantragten die Beschwerdeführer den Nachlass dieser Gebührenschuld. In der Begründung brachten sie im Wesentlichen vor, dass über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet und ihr Wohnhaus sowie die Landwirtschaft versteigert worden seien. Seither seien sie vermögenslos und bezögen als Altbauern eine Pension von EUR 420,-- und EUR 740,--. Sie seien daher nicht in der Lage, die vorgeschriebenen Gebühren zu zahlen. Dieser Eingabe war ein Konvolut von Urkunden angeschlossen.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde den Beschwerdeführern bekannt gegeben, dass ihr Vorbringen zu allgemein gehalten und nicht bescheinigt sei. Sie wurden eingeladen, ihr Ansuchen durch Angabe eines Stundungstermins und einer Ratenhöhe zu präzisieren, angeschlossene Fragebögen auszufüllen und als Bescheinigungsmittel u.a. einen Einkommensnachweis der Zweitbeschwerdeführerin sowie den Einheitswertbescheid einer bestimmten Liegenschaft anzuschließen.
Nach einer weiteren Urkundenvorlage durch die Beschwerdeführer gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dem Antrag auf Nachlass der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren gemäß § 9 Abs. 2 GEG nicht statt. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführer je zur Hälfte im Besitz einer Liegenschaft seien, welche einen Einheitswert von EUR 4.048,51 aufweise und "um EUR 0 verpachtet" sei. Das Vorhandensein eines die Abgabenschuld von EUR 11.530,50 beträchtlich übersteigenden Liegenschaftsvermögens stehe der Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG entgegen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0180).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete zur Vermeidung weiterer Kosten auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Gemäß § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Zwar hat ein Antragsteller nach der ständigen hg. Judikatur alle jene Umstände, auf die er sein Ansuchen stützt, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel darzulegen. Jedoch hat die Behörde über den Antrag ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten und die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen. Dabei hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides Feststellungen über den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/16/0130, mwN). Insbesondere ist es Aufgabe der Behörde, im Einzelfall bezogen auf die persönlichen Verhältnisse des Nachsichtwerbers jene Feststellungen zu treffen, die es ermöglichen, die Entscheidung zu überprüfen, dass die Voraussetzungen für den Nachlass im gegebenen Fall nicht vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0119).
Die belangte Behörde hat sich nun im Beschwerdefall über dieses Gebot hinweggesetzt, indem sie nur auf den Einheitswert der Liegenschaft Bezug nahm, ohne im Einzelnen darzulegen, ob und zu welchem Preis die Beschwerdeführer die Liegenschaft veräußern könnten, um aus dem Erlös die vorgeschriebenen Gerichtsgebühren zahlen zu können. Dem im angefochtenen Bescheid zu dieser Frage zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 98/17/0180, lag ein Vermögen der dortigen Nachlasswerberin in Form eines Sparguthabens zugrunde, dessen Einlagestand den zur Zahlung vorgeschriebenen Betrag um ein Vielfaches überstieg. Soweit in dieser Entscheidung auf ein weiteres Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (vom , Zl. 96/16/0155) verwiesen wird, ergibt sich daraus, dass die belangte Behörde auf den in einem Exekutionsverfahren ermittelten Schätzwert eines Liegenschaftsanteils des Nachlasswerbers abstellte. Dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/15/0055 wurde zwar bei der Prüfung des Nachlasses von Gerichtsgebühren gemäß § 9 Abs. 2 GEG der Einheitswert eines Einfamilienhauses, das der Beschwerdeführerin zur Hälfte gehörte, zu Grunde gelegt, doch darf nicht übersehen werden, dass dort auch ihr monatlich bezogener Unterhalt Berücksichtigung fand und der zur Zahlung vorgeschriebene Betrag nicht einmal ein Zwanzigstel des Einheitswertes des Liegenschaftswertes ausmachte, während vorliegend die zur Einbringung anstehenden Gerichtsgebühren beinahe das Dreifache des Einheitswertes der Liegenschaft betragen.
Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Ermittlung der Verwertbarkeit der Liegenschaft und des daraus erzielbaren Erlöses zu einer anderen Bewertung des Liegenschaftsvermögens der Beschwerdeführer und damit zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, haftet dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften an.
Der angefochtene Bescheid war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch maßgebenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-90333