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VwGH vom 16.11.2011, 2009/08/0258

VwGH vom 16.11.2011, 2009/08/0258

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des WS in B, vertreten durch Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom , Zl. LGSTi/V/0566/2188 -705/2009, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1962 geborene Beschwerdeführer steht seit Mai 2002 mit Unterbrechungen durch kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse im Bezug von Notstandshilfe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 iVm § 38 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 18. Mai bis verloren hat. Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG wurde nicht gewährt.

In ihrer Bescheidbegründung gab die belangte Behörde im Zuge der Darlegung des Verfahrensganges die Angaben von S wieder, wonach dieser als selbstständig erwerbstätiger Konsulent und Wirtschaftsberater mit der B-GmbH mit Sitz in Deutschland einen Werkvertrag geschlossen habe, aufgrund dessen er sich der genannten Firma gegenüber verpflichtet habe, in W eine Zweigniederlassung für Österreich einzurichten. Die B-GmbH in Deutschland sei ein Finanzdienstleistungsunternehmen, das sich direkt an den Endverbraucher wende und Steuersparmodelle anbiete, die gemäß den deutschen Steuergesetzen konzipiert wären und den Kunden die Möglichkeit eröffnen sollen, steuersparende Produkte zu erwerben. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die B-GmbH habe er auch die Verpflichtung übernommen, Personal für die Gesellschaft in Österreich zu finden und in ihrem Namen als deren Bevollmächtigter mit diesen Personen Arbeitsverträge zu schließen. Der diesbezügliche Arbeitsort wäre in W (in Österreich), wo derzeit ein Callcenter errichtet werde, und die betreffenden Arbeitsverträge würden alle ausschließlich österreichischem Recht unterliegen. Die Arbeitnehmer würden daher auch ein "dreizehntes und vierzehntes Monatsgehalt" erhalten und es werde auch die Sozialversicherungspflicht in Österreich erfüllt. Es sei auch die Errichtung einer eigenen Geschäftsniederlassung in Form einer GmbH in Österreich geplant. Diesbezüglich sei der Gesellschaftsvertrag bereits errichtet und sämtliche Unterlagen beim Firmenbuchgericht eingereicht worden, die GmbH sei jedoch noch nicht in das Firmenbuch eingetragen worden. S sei derzeit bemüht, für das Callcenter, für welches bereits an einer näher bezeichneten Adresse in W Räume angemietet worden seien, geeignete Arbeitskräfte auf dem österreichischen Arbeitsmarkt ausfindig zu machen.

Bezüglich des konkreten (dem Beschwerdeführer zugewiesenen) Stellenangebotes habe S angegeben, dass es bei der Tätigkeit als Telefonist darum gehe, mit dem betreffenden Kunden, dessen Kontaktdaten von einem Großrechner in Frankfurt an den PC des Telefonisten gesendet werden würden, fernmündlich Kontakt aufzunehmen und diesen für einen Beratungstermin mit einem Berater der B-GmbH zu gewinnen. Für die Tätigkeit seien keine beruflichen Kenntnisse notwendig, die von der Firma angebotenen zwei bis drei Einschulungstage würden ausreichen. Dem Beschwerdeführer sei eine Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 30 Wochenstunden bei einer monatlichen Bruttoentlohnung von EUR 876,-- angeboten worden. Anlässlich des Vorstellungsgesprächs am habe der Beschwerdeführer erklärt, dass "das aktive Telefonieren nicht sein Ding sei, er könne es ja mal versuchen, glaube aber nicht so recht daran, dass dies funktioniere". Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers habe S den Eindruck gewonnen, dieser wolle eine Beschäftigung als Telefonist im Callcenter gar nicht ausüben und habe keine Motivation hierzu, was auch der Grund dafür gewesen sei, keinen Arbeitsvertrag mit ihm zu schließen, obwohl dringend Arbeitskräfte gesucht worden seien.

Beweiswürdigend legte die belangte Behörde dar, dass der Sachverhaltsdarstellung des S zu folgen sei, der glaubwürdig angegeben habe, dass er einen dringenden Arbeitskräftebedarf für den Aufbau des Callcenters in W gehabt habe und immer noch habe. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werde ein Arbeitgeber, der dringend Arbeitskräfte benötigt, geeignete Personen auch einstellen, um seinen Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß abwickeln zu können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer gegenüber seit dem Jahr 2004 von der zuständigen regionalen Geschäftsstelle bereits in sieben Fällen Sanktionen gemäß § 10 AlVG verhängt werden hätten müssen.

Zur Annahme einer Vereitelung iSd § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle des AMS eine Beschäftigung als Telefonist (Terminbearbeiter) im Callcenter der B-GmbH in W (mit Arbeitsbeginn am ) zugewiesen worden sei. Diese Tätigkeit hätte keine Vorkenntnisse erfordert und vom Beschwerdeführer nach einer kurzen, etwa zwei bis drei Tage dauernden Einführung ausgeübt werden können. Die zugewiesene Beschäftigung sei zuweisungstauglich und auch zumutbar gewesen. Die vom Beschwerdeführer schon anlässlich des Vorstellungsgespräches S gegenüber getätigte (oben angeführte) Äußerung sei ursächlich dafür gewesen, dass das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses letztendlich gescheitert sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden:

Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0017).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0237, mwN).

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellungen zu seinen Äußerungen beim Vorstellungsgespräch am wendet und damit erkennbar die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nachvollziehbar dargelegt, warum sie den Angaben des potentiellen Arbeitgebers zum Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber denjenigen des Beschwerdeführers den Vorzug gegeben hat; ihrer schlüssigen Argumentation vermag der Beschwerdeführer nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Auch der dazu gerügte Umstand, dass die belangte Behörde sich mit telefonischen Ermittlungen begnügt und eine Einvernahme des Beschwerdeführers und von S unterlassen hat, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal es der Beschwerdeführer verabsäumt, die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang bzw. die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen aufzuzeigen. Damit war die Vereitelungshandlung unabhängig davon vollendet, ob man dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er auf Grund des Vorstellungsgespräches vormerkt worden sei, folgen wollte: Denn selbst wenn diese Behauptung zuträfe, war das Risiko, dass die Anstellung des Beschwerdeführers allein wegen der festgestellten Äußerung abgelehnt wird, in seiner Risikosphäre gelegen.

Ebenso geht der Einwand des Beschwerdeführers, dass ein Arbeitgeber weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht bestanden habe, ins Leere: Der Beschwerdeführer ist den Feststellungen der belangten Behörde, wonach (zusammengefasst) S als selbständiger Konsulent für die in Deutschland ansässige B-GmbH in Österreich in W eine Zweigniederlassung errichten und im Namen der B-GmbH als deren Bevollmächtigter, mit geeigneten Personen Arbeitsverträge schließen sollte, wobei die betreffenden Arbeitsverträge ausschließlich österreichischem Recht unterliegen würden, auch die Sozialversicherungspflicht in Österreich erfüllt würde und am (künftigen) Arbeitsort der Arbeitnehmer in W bereits Räume für das Callcenter angemietet worden seien, nicht entgegengetreten. Damit ist die belangte Behörde erkennbar nicht von der Vermittlung einer Beschäftigung betreffend eine in Österreich ansässige Firma ausgegangen. Dem gerügten Umstand, dass die Gründung dieser Zweigniederlassung in Österreich firmenbuchrechtlich noch nicht umgesetzt war, kommt somit keine Bedeutung zu. Allein der Umstand, dass der Dienstgeber seinen Sitz in Deutschland hat, während die Beschäftigung im Inland ausgeübt wird und aus diesem Grund auch österreichisches Recht Anwendung findet (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a der hier noch anzuwendenden Verordnung (EWG) 1408/71), kann - ohne dass sonstige, die Zumutbarkeit ausschließende Gründe eingewendet werden - dem Vorliegen einer zuweisungstauglichen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Dass die belangte Behörde zusätzlich zu ihren Erhebungen bei einer näher bezeichneten Steuerberatungskanzlei zum Stadium der Firmengründung wie auch zum Vorliegen von gewerberechtlichen Berechtigungen keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und dem Beschwerdeführer dazu kein Parteiengehör gewährt hat, vermag daher - entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen - keinen zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel darzustellen.

Das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen einer unterkollektivvertraglichen Entlohnung ist der Sache nach eine unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Insgesamt begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde auf Grundlage der für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichenden Feststellungen und ihrer einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof standhaltenden Begründung zum Ergebnis kommt, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht erfüllt hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-90329