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VwGH vom 13.02.2020, Fe 2019/01/0001

VwGH vom 13.02.2020, Fe 2019/01/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über den auf § 11 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes gestützten Antrag des Landesgerichtes St. Pölten vom , 4 Cg 98/19s-11, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung vom , IVW2-PS- 7394/001-2016 (weitere Parteien: Niederösterreichische Landesregierung, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in 3109 St. Pölten, Domgasse 2, sowie 1. A I,

2. A I, 3. A I und 4. M I, alle in O, alle vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Feststellungsantrag wird abgewiesen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung (im Folgenden: Behörde) vom wurde der Antrag des M I, eines Staatsangehörigen der Republik Kosovo (im Folgenden: Erstkläger), auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf seine minderjährigen Kinder A I, A I und A I (im Folgenden: weitere Kläger) gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.

2 Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, der Erstkläger sei am wegen des Vergehens des Fälschens einer besonders geschützten Urkunde (§§ 223 Abs. 2, 224 StGB) und am wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall StGB) und wegen des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) zu näher bezeichneten Freiheitsstrafen rechtskräftig verurteilt worden. Am sei dem Erstkläger deshalb von der Behörde die Möglichkeit eingeräumt worden, einer Unterbrechung des Einbürgerungsverfahrens bis zur Tilgung seiner gerichtlichen Vorstrafen zuzustimmen.

3 Im Zuge der Fortführung des Verleihungsverfahrens im Herbst 2016 sei nach einer routinemäßigen Anfrage an die Landespolizeidirektion Niederösterreich festgestellt worden, dass gegen den Erstkläger Ermittlungen wegen des Verdachts der Schlepperei geführt worden seien. Aus den maßgeblichen Aktenunterlagen der Staatsanwaltschaft Wien sei zu entnehmen, dass der Erstkläger im Dezember 2013 telefonischen Kontakt zu einem ungarischen Schlepper gehabt habe. Mit der Tatsache konfrontiert, dass sein Telefon über gerichtliche Anordnung in einem näher bezeichneten Zeitraum überwacht worden sei und die Staatsanwaltschaft daher Kenntnis über ein Telefonat habe, im Zuge dessen der Erstkläger mit einem Mann über eine Schleppung nach Österreich gesprochen habe, habe der Erstkläger behauptet, dass es sich dabei um seinen Bruder gehandelt habe. Sein Bruder sei von dem Anrufer nach Wien geschleppt worden. Um seine Familienehre zu retten, hätte der Erstkläger den Schlepper bei der Ankunft seines Bruders im Prater getroffen und ihm den geforderten Geldbetrag von EUR 1.800,-- gegeben. Danach habe der Erstkläger mit dem Schlepper niemals mehr Kontakt gehabt. Konfrontiert mit der Tatsache, dass der Erstkläger von dem mutmaßlichen Schlepper zwei Tage nach der Ankunft seines Bruders in Wien eine näher bezeichnete SMS erhalten habe, habe der Erstkläger erklärt, dass das nicht stimmen könne. Im April 2014 sei das Strafverfahren gegen den Erstkläger aus Beweisgründen eingestellt worden, weil der Vorwurf der Beteiligung an Schlepperhandlungen nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit erweislich gewesen sei.

4 Im Zuge des Verleihungsverfahrens habe der Erstkläger, nunmehr rechtsanwaltlich vertreten, seine Beweggründe ausgeführt, warum er den Schleppern für die Durchführung der Schleppung seines Bruders nach Österreich den Betrag von EUR 1.800,-- ausgehändigt habe. Der Erstkläger habe dies mit der Verpflichtung begründet, der Ehre der Familie zu entsprechen. Obwohl er - seinen Aussagen zur Folge - grundsätzlich gegen Schlepperei und konkret aus familiären Gründen gegen die Schleppung seines Bruders gewesen sei, habe der Erstkläger der Familienehre entsprechend gehandelt. 5 In rechtlicher Hinsicht führte die Behörde nach Hinweis auf § 10 Abs. 1 Z 6 StbG im Wesentlichen aus, selbst wenn der Erstkläger die Schleppung seines Bruders aus familiären Gründen, nämlich auf Grund der Tatsache, dass er seine Mutter allein im Kosovo zurückgelassen habe, nicht gutheißen würde, habe er sich verpflichtet gefühlt, entsprechend der Familienehre zu handeln und den Schleppern seines Bruders für die Durchführung der Schleppung einen Betrag von EUR 1.800,-- ausgehändigt, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass Schlepperei in Österreich ein strafbares Verhalten darstelle. Durch dieses Verhalten habe der Erstkläger die Regeln der Familienehre über die österreichische Rechtsordnung gestellt und somit ein Verhalten gesetzt, das von einem rechtstreuen Bürger nicht gesetzt worden wäre. Die Tatsache, dass der Erstkläger während seines Aufenthalts in Österreich immer wiederkehrend strafbare Handlungen, darunter auch das Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung, begangen habe und daraus resultierend bereits zweimal rechtskräftig gerichtlich verurteilt und ein weiteres Strafverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt worden sei, sei von ihm nicht bestritten worden. Zusammenfassend könne auf Grund der kriminellen Vergangenheit des Erstklägers und seiner Einstellung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung nicht ausgeschlossen werden, dass er erneut strafbare Handlungen begehen werde und somit eine Gefahr für das Leben, die Sicherheit und öffentliche Ruhe und Ordnung darstelle. Somit sei die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht gegeben. 6 Da der Erstkläger als Antragsteller die Verleihungsvoraussetzungen nicht erfülle, seien jene für die Erstreckung der Verleihung auf die weiteren Kläger nicht weiter zu prüfen.

7 Mit Erkenntnis vom wurde der Beschwerde der Kläger gegen den Bescheid vom durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG) Folge gegeben und der Bescheid aufgehoben. 8 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Schluss der Behörde, der Erstkläger habe die Familienehre über die österreichische Rechtsordnung gestellt, sei nicht zulässig, da die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren mangels Beweisen eingestellt habe, ohne dass es zu einer Anklageerhebung gekommen sei. Das Verhalten des Erstklägers, den Schleppern Geld für seinen Bruder zu geben, möge zwar moralisch vorwerfbar sein, der Erstkläger habe dazu jedoch in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht glaubhaft seine Motive dargelegt. Da diese Handlung im Jahr 2014 nicht zu einer Anklageerhebung, geschweige denn zu einer Verurteilung geführt habe, könne aus dem Verhalten des Erstklägers nicht der Schluss gezogen werden, dass er gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährde. Insgesamt indiziere das langjährige Wohlverhalten nach Begehung der strafbaren Handlungen, die zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Erstklägers im Jahr 2004 geführt hätten, dass eine positive Persönlichkeitsentwicklung eingesetzt habe, die ein zukünftiges Wohlverhalten erwarten lasse. Da nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes somit die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG sowie auch der übrigen Ziffern des Abs. 1 und des Abs. 2 gegeben seien, habe die Behörde in weiterer Folge einen entsprechenden Zusicherungsbescheid gemäß § 20 StbG zu erlassen. 9 In der Folge beantragten die Kläger beim antragstellenden Gericht im Amtshaftungsverfahren zur Zl. 4 Cg 98/19s den Ersatz der Kosten der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich samt Anhang sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei Land Niederösterreich "für sämtliche, insbesondere erst in Zukunft entstehende Folgen aus der verspäteten Verleihung der Staatsbürgerschaft".

10 In diesem Verfahren stellte das antragstellende Gericht an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG iVm § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz (AHG) den vorliegenden Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom .

11 Diesen Antrag begründete das Gericht im Wesentlichen mit der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK. Der Bescheid sei insbesondere dahingehend begründet worden, dass der Erstkläger im Jahr 2014 dem Schlepper seines Bruders EUR 1.800,-- ausgehändigt habe, obwohl ihm durchaus bewusst gewesen sei, dass Schlepperei in Österreich ein strafbares Verhalten darstelle. Das Ermittlungsverfahren zu diesem Vorwurf sei, wie der Behörde bekannt gewesen sei, von der Staatsanwaltschaft gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestanden habe. Ohne Vorhalt dieses Vorwurfes wäre die Prüfung des Gesamtverhaltens des Verleihungswerbers, insbesondere die Abwägung zwischen den bereits getilgten Straftaten einerseits und dem langen Zeitraum des Wohlverhaltens andererseits, zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

Zulässigkeit

12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Antrag des Zivilgerichtes gemäß § 11 AHG als Beschwerde im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG aufzufassen. Im Falle der Stattgebung des Antrages hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit des Bescheides festzustellen, andernfalls ist der Antrag abzuweisen. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides hat der Verwaltungsgerichtshof die Sachlage und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu Grunde zu legen. Dies gilt auch nach der seit Inkrafttreten (am ) der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 geltenden Rechtslage. Insbesondere ist der Umstand, dass ein Bescheid nunmehr infolge Aufhebung bzw. Abänderung durch ein Verwaltungsgericht nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, kein Hindernis für die Antragstellung durch ein ordentliches Gericht (vgl. zu allem mit ausführlicher Darstellung der Rechtslage , mwN; vgl. zur Unzulässigkeit eines Feststellungsantrages von Einzelpersonen ).

13 Der vorliegende Antrag des Landesgerichts St. Pölten

erweist sich daher als zulässig.

Begründetheit

14 Er erweist sich aber aus folgenden Erwägungen als nicht

begründet:

Keine Unschuldsvermutung

15 Soweit sich das antragstellende Gericht auf die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der (mit dem vorliegenden Bescheid erfolgten) Abweisung eines Antrages auf Verleihung bzw. Erstreckung der österreichischen Staatsbürgerschaft um keine Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme bezogen auf den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG handelt. Derartige Verfahren unterliegen demnach nicht der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK (vgl. insoweit zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach AsylG 2005 , mwN unter anderem auf Rechtsprechung des EGMR; vgl. zur Sperrwirkung einer Einstellung eines gerichtlichen Strafverfahrens für ein Verwaltungsstrafverfahren etwa oder , jeweils mwN). Keine Bindung, sondern eigenständige Beurteilung 16 Im Hinblick auf derartige administrativrechtliche Maßnahmen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass die Bindungswirkung verurteilender strafgerichtlicher Entscheidungen im Fall einer freisprechenden Entscheidung nicht zum Tragen kommt. Diesfalls hat die zuständige Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) eine eigenständige Beurteilung vorzunehmen, was ein mängelfreies Ermittlungsverfahren und eine vollständige Beweiserhebung voraussetzt (vgl. insoweit zum Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), und , jeweils mwN; vgl. in diesem Sinn etwa zum Waffenverbot nach Waffengesetz (WaffG) und , jeweils mwN, oder zur Entziehung einer Lenkberechtigung und Lenkverbot nach dem Führerscheingesetz (FSG) ).

17 Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Staatsbürgerschaftsrecht: So hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die Einstellung eines Strafverfahrens im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren Bindungswirkung nicht entfaltet und es der belangten Behörde demnach nicht verwehrt ist, über den der zurückgelegten Anzeige zugrundeliegenden Sachverhalt ein selbständiges Ermittlungsverfahren zu führen und eigene Beweiswürdigungserwägunge n vorzunehmen (vgl. insoweit zu § 11 StbG , mwN).

18 Dies gilt auch für das - hier maßgebliche - Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG: Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes knüpft § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht an eine gerichtliche Verurteilung, sondern an das Verhalten des Einbürgerungswerbers an (vgl. etwa , , und , jeweils mwN). Daher dürfen zur Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Einbürgerungswerbers grundsätzlich auch getilgte Vorstrafen berücksichtigt werden (vgl. , mwN). Die Gefährlichkeit eines Verleihungswerbers im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann sich daher auch aus besonderen Umständen in seiner Person ergeben, die bislang noch zu keinem Konflikt mit dem Strafgesetz geführt haben (vgl. , mwN). Auch Taten, hinsichtlich derer es zur Verfahrenseinstellung (z.B. nach einer Diversion) kommt, gehören zum Gesamtverhalten, von dem die belangte Behörde bei ihrer Prüfung auszugehen hat (vgl. , mwN). Es ist unerheblich, ob das Verhalten von ordentlichen Gerichten oder Verwaltungsbehörden geahndet wurde bzw. werden konnte (vgl. insoweit zu einer im Ausland eingegangenen mehrfachen Ehe - Bigamie - , Rn. 46). Fallbezogene Beurteilung des Bescheides

19 Nach dieser Rechtsprechung durfte die Behörde - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des antragstellenden Gerichts - das von ihr festgestellte Verhalten des Erstklägers, selbst wenn das Strafverfahren gegen ihn durch die Staatsanwaltschaft (nach § 190 Z 2 StPO) eingestellt wurde, zur Prüfung des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG heranziehen.

20 Insoweit hat die Behörde im vorliegenden Fall - auf Grund der beigeschafften Akten der Staatsanwaltschaft und der Befragung des Erstklägers im Verleihungsverfahren - festgestellt, dass der Bruder des Erstklägers von einem Schlepper nach Wien geschleppt worden sei. Nach telefonischem Kontakt zu diesem Schlepper habe der Erstkläger diesen bei der Ankunft seines Bruders an einem näher bezeichneten Ort in Wien getroffen, seinen Bruder abgeholt und dem Schlepper den (für die Schleppung) geforderten Geldbetrag von EUR 1.800,-- gegeben. Obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass Schlepperei in Österreich ein strafbares Verhalten darstelle, habe der Erstkläger dies getan, um die Familienehre zu retten. Rechtlich war die Behörde der Auffassung, dass der Erstkläger durch dieses Verhalten die Regeln der Familienehre über die österreichische Rechtsordnung gestellt und somit ein Verhalten gesetzt habe, dass von einem rechtstreuen Bürger nicht gesetzt worden wäre. Auf Grund der kriminellen Vergangenheit des Erstklägers und seiner Einstellung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung sei die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht gegeben.

21 Diese Auffassung ist fallbezogen nicht als rechtswidrig zu erkennen:

22 Bei Prüfung des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ist eine Prognose über das zukünftige Wohlverhalten des Verleihungswerbers zu treffen (vgl. , mwN).

23 Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zum zweiten Fall des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG) auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch auf von ihm begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen zum Ausdruck. § 10 Abs. 1 Z 6 StbG knüpft nicht an eine gerichtliche Verurteilung, sondern an das Verhalten des Einbürgerungswerbers an (vgl. , mwN).

24 Es ist auch zu beachten, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen soll (vgl. , mwN).

25 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass der Bekämpfung der Schlepperei hinsichtlich des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - auch aus unionsrechtlicher Sicht - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. , mwN).

26 Ebenso besteht an der Verhinderung der Schlepperei ohne Bereicherungsabsicht ein großes öffentliches Interesse (vgl. , mwN und Verweis auf den Verwaltungsstraftatbestand des § 120 Abs. 3 Z 1 FPG). 27 Gemäß § 120 Abs. 3 Z 1 FPG (auch in der zum Zeitpunkt des vom Erstkläger gesetzten Verhaltens maßgeblichen Fassung) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer wissentlich die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs fördert.

28 Vor diesem Hintergrund durfte die Behörde ausgehend vom festgestellten Verhalten des Erstklägers nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG eine negative Prognose über das zukünftige Wohlverhalten des Verleihungswerbers treffen (vgl. zur Notwendigkeit eines längeren Wohlverhaltens des Fremden seit einem nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG relevanten Fehlverhalten etwa , mwN).

Ergebnis

29 Somit erweist sich der vorliegende Antrag des Landesgerichtes St. Pölten auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides der Staatsbürgerschaftsbehörde vom als unbegründet und war gemäß § 67 VwGG abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:FE2019010001.H00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Verhältnis Gericht - Verwaltungsbehörde

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