VwGH vom 11.07.2012, 2009/08/0248

VwGH vom 11.07.2012, 2009/08/0248

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des J R in G, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schlögelgasse 1 (Kaiser-Josef-Platz), gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit vom , Zl. BMGFJ- 95205/0002-I/B/10/2008, betreffend Feststellung des Anspruchs auf Auszahlung einer Entschädigungsleistung gemäß § 420 Abs. 5 ASVG (mitbeteiligte Partei: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war vom bis zum Vorsitzender des Landestellenausschusses G der mitbeteiligten Unfallversicherungsanstalt (im Folgenden: AUVA). Mit vom leitenden Angestellten unterzeichnetem Schreiben der AUVA vom wurde ihm mitgeteilt, dass der Verwaltungsausschuss des Vorstandes beschlossen habe, ihm entsprechend der vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen in Form von näher bezeichneten Erlässen festgelegten Grundsätze ab eine Entschädigungsleistung zuzuerkennen. Diese betrage unter Berücksichtigung der Dauer seiner Funktionsausübung sowie der Tatsache, dass er außer seiner Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung keine weiteren Einkünfte beziehe, monatlich brutto ATS 11.626,--.

Mit Schreiben vom gab der Beschwerdeführer der AUVA bekannt, dass er ab dem eine Zusatzpension des ÖGB in der Höhe von EUR 1.205,06 beziehe. Mit vom leitenden Angestellten unterzeichnetem Schreiben vom teilte die AUVA ihm mit, dass die ihm zustehende Entschädigungsleistung ab dem EUR 861,-- betrage, dass die Zahlung aber ab September 2002 eingestellt werde, weil die Zusatzpension des Beschwerdeführers höher sei als die Entschädigungsleistung.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer bei der AUVA das "Wiederaufleben" seiner Entschädigungsleistung, weil die Zusatzpension des ÖGB ab nicht mehr ausgezahlt werde. Mit Schreiben vom erklärte er, das Abfindungsangebot des ÖGB (Einmalzahlung von EUR 112.008,96 brutto (entspricht 6,6 Jahreswerten) und Verbesserungszusage für den Fall einer - näher umschriebenen - positiven wirtschaftlichen Entwicklung des ÖGB) angenommen zu haben. Die AUVA teilte dem Beschwerdeführer schließlich mit vom leitenden Angestellten unterzeichnetem Schreiben vom mit, dass nunmehr eine verbindliche Stellungnahme des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz vorliege. Demnach sei im Fall der Abfertigung einer Zusatzpension unabhängig vom geleisteten Betrag versicherungsmathematisch zu berechnen, für welchen Zeitraum eine Abfertigungszahlung zu leisten wäre. Nach Ablauf dieses Zeitraums lebe die Funktionsentschädigung wieder auf. Es bestehe somit ein Anspruch des Beschwerdeführers auf die volle Entschädigungsleistung nach Erreichen seiner versicherungsmathematisch errechneten Lebenserwartung (das sei das Jahr 2021). Da erst ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Auszahlung der Entschädigungsleistung bestehe, werde der Beschwerdeführer ersucht, sich zum gegebenen Zeitpunkt mit der AUVA in Verbindung zu setzen.

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Feststellung, dass er bzw. seine Hinterbliebenen nach Maßgabe des Erlasses des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , Zl. 21.925/1-1b/1975, zuletzt in der Fassung vom , Zl. 21.925/10-2/92, ab inklusive März 2007 Anspruch auf Auszahlung der vollen Entschädigungsleistung durch die AUVA hätten, in eventu, dass er jedenfalls ab Anspruch auf Auszahlung der vollen Entschädigungsleistung habe. Begründend machte er im Wesentlichen geltend, dass sich die Anrechnung von Zusatzeinkünften nach § 14 des genannten Erlasses bestimme. Diese Bestimmung beruhe auf dem Zuflussprinzip. Der Beschwerdeführer habe demnach Anspruch auf die Entschädigungsleistung bereits ab März 2007, weil er ab diesem Datum keinerlei Pensionszuschuss vom ÖGB erhalten habe; seine Abfindungszahlung sei im Jänner 2007 ausbezahlt worden, für die Monate Jänner und Februar 2007 habe er noch den monatlichen Pensionszuschuss erhalten. Sei man aber der Ansicht, dass die Abfindungszahlung nicht als einmalige Einkünfte zu verstehen seien, so müsse zumindest berücksichtigt werden, dass sie für den Zeitraum von 6,6 Jahren errechnet worden sei und dass außerdem gesetzliche Abzüge berücksichtigt werden müssten. Das ergebe einen monatlichen Betrag von EUR 852,65, sodass ausgehend von der zuletzt zustehenden monatlichen Entschädigungsleistung in der Höhe von EUR 907,13 der Differenzbetrag von EUR 54,48 bereits ab März 2007 ausgezahlt werden müsse, nach Ablauf von 6,6 Jahren, sohin ab dem , aber die volle Entschädigungsleistung.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz fest, dass der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der vollen Entschädigungsleistung durch die AUVA ab März 2007 und der in eventu geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der vollen Entschädigungsleistung ab gemäß § 553 Abs. 4 und 5 iVm § 420 Abs. 5 ASVG und § 14 der vom Bundesminister für soziale Verwaltung erlassenen Grundsätze für die Gewährung von Entschädigungen an die Mitglieder von Verwaltungskörpern der Sozialversicherungsträger (Erlass des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , Zl. 21.925/1-1b/1975, in der Fassung des Erlasses des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl. 21.925/10-2/92) nicht bestünden.

Begründend führte die belangte Behörde nach der Darstellung des Sachverhalts und des Verfahrensgangs zunächst zu ihrer Zuständigkeit aus, dass die oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 450 Abs. 1 ASVG vorbehaltlich der gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit anderer Stellen und unbeschadet der Rechte Dritter bei Streit über Rechte und Pflichten der Verwaltungskörper und deren Mitglieder sowie über die Auslegung der Satzung zu entscheiden habe. In Angelegenheiten, die in den Wirkungsbereich beider Bundesminister oder ausschließlich in den Wirkungsbereich des jeweils anderen Bundesministers fielen, entscheide jener Bundesminister, der die oberste Aufsicht ausübe, im Einvernehmen mit dem anderen Bundesminister. Im Fall des vorliegenden Antrags gehe es um eine Streitigkeit über Rechte eines ehemaligen Mitglieds eines Verwaltungskörpers der AUVA, nämlich um dessen Anspruch auf eine Entschädigungsleistung gemäß § 420 Abs. 5 ASVG. Gemäß § 448 Abs. 1 ASVG obliege die Wahrnehmung der Aufsicht über die AUVA dem Bundesminister für Gesundheit (der belangten Behörde). Dieser sei daher oberste Aufsichtsbehörde im Sinn des § 450 Abs. 1 ASVG. Der andere Minister im Sinn des § 450 Abs. 1 ASVG sei nach § 448 Abs. 1 ASVG der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über den gestellten Feststellungsantrag sei daher gegeben, zumal für eine derartige Rechtssache keine andere Zuständigkeit normiert sei. Der Wirkungsbereich des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sei deshalb berührt, weil dieser gemäß § 420 Abs. 5 ASVG zur Erlassung einer Verordnung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit berufen sei. Es sei daher für die Entscheidung das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz herzustellen.

In der Sache führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Regelung der Funktionsgebühren in § 420 Abs. 5 ASVG auf eine Änderung im Rahmen der 52. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 20/1994, zurückgehe. Zuvor sei die Rechtslage dergestalt gewesen, dass den dort genannten Funktionären Entschädigungen gewährt werden konnten, wobei die Entscheidung über die Gewährung von Entschädigungen und ihr Ausmaß dem Vorstand des jeweiligen Versicherungsträgers oblegen sei. Der zuständige Bundesminister habe hiefür nach Anhörung des Hauptverbandes Grundsätze aufzustellen und für verbindlich zu erklären gehabt, wobei unter anderem einheitliche Höchstsätze für die Funktionsgebühren festzusetzen gewesen seien. Derartige Grundsätze für die Gewährung von Entschädigungen an die Mitglieder von Verwaltungskörpern der Sozialversicherungsträger (Entschädigungsgrundsätze - EG) seien mit Erlass des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , Zl. 21.925/1-1b/1975, erlassen und mehrfach abgeändert worden; die Kundmachung der am in Geltung gestandenen Fassung befinde sich in der Dokumentation des österreichischen Sozialversicherungsrechts und sei unter www.sozdok.at einsehbar. Im Zusammenhang mit der Änderung des § 420 Abs. 5 ASVG durch die 52. Novelle zum ASVG seien in § 553 Abs. 5 bis 7 ASVG Übergangsbestimmungen normiert worden. Gemäß § 553 Abs. 4 ASVG hätten die dort genannten Funktionäre - u.a. auch die Vorsitzenden der Landesstellenausschüsse -, die nach dem eine solche Funktion ausübten, weiterhin Anspruch auf Anwartschaften (Pension) nach den Bestimmungen des § 420 Abs. 5 und den darauf beruhenden Rechtsvorschriften in der am in Geltung gestandenen Fassung. Gemäß Abs. 5 leg. cit. bleibe den in Abs. 4 genannten Personen, deren Anwartschaften zum nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften erfüllt seien, der Anspruch auf Anwartschaften (Pension) nach diesen Bestimmungen gewahrt.

Auf den Beschwerdeführer sei auf Grund seiner Amtsausübung als Vorsitzender des Landesstellenausschusses Graz der AUVA vom bis zum die Übergangsbestimmung des § 553 Abs. 4 und 5 ASVG anwendbar, sodass ein allfälliger Anspruch auf Entschädigungsleistung nach den Entschädigungsgrundsätzen in der am geltenden Fassung zu beurteilen sei; diese in Erlassform normierten Entschädigungsgrundsätze seien zweifellos als die auf § 420 Abs. 5 ASVG beruhenden Rechtsvorschriften im Sinn des § 553 Abs. 4 bis 7 ASVG anzusehen. Dementsprechend habe die AUVA zu Recht durch den Beschluss des Verwaltungsausschusses des Vorstandes vom von der Ermächtigung zur Gewährung einer Entschädigungsleistung an den Antragsteller Gebrauch gemacht. Darüber hinaus seien auf diesen zuerkannten Anspruch auch die weiteren Bestimmungen der Entschädigungsgrundsätze anzuwenden.

Für die Frage der Beurteilung der Abfindung der Zusatzpension, über die nach dem vorliegenden Antrag zu entscheiden sei, sei § 14 der Entschädigungsgrundsätze rechtserheblich. Die dort verwendete Diktion sei im Wesentlichen wortgleich mit der im Ausgleichszulagenrecht verwendeten Formulierung. Es seien daher dieselben Auslegungskriterien anzuwenden, die auch bei der Ermittlung des anrechenbaren Nettoeinkommens auf die Ausgleichszulage Anwendung fänden. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Ausgleichszulagenrecht sei eine Kapitalabfindung einer laufenden Zahlung in der Weise zu berücksichtigen, dass der Kapitalbetrag auf den seiner Kapitalisierung zu Grunde gelegten Zeitraum umgelegt und für diese Zeit als fiktives monatliches Einkommen berücksichtigt werde. In Anwendung dieser Judikatur bestehe das Hauptbegehren des Beschwerdeführers auf Auszahlung der Entschädigungsleistung ab März 2007 keinesfalls zu Recht. In weiterer Folge sei die Frage zu beurteilen, in welchem Umfang die Kapitalabfindung auf den Anspruch auf Entschädigungsleistung anzurechnen sei. Die AUVA berufe sich dafür auf eine verbindliche Rechtsmeinung des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz, wonach bei einer Abfertigung einer Zusatzpension unabhängig vom geleisteten Betrag versicherungsmathematisch zu berechnen sei, für welchen Zeitraum eine Abfertigungszahlung zu leisten wäre; (erst) nach Ablauf dieses Zeitraums lebe die Entschädigung wieder auf. Diese Rechtsansicht sei damit zu begründen, dass die vorliegende Abfindung des Anspruchs auf Zusatzpension einem Vergleich über den Anspruch entspreche, mit dem auf einen Teil der Leistung freiwillig verzichtet werde, weil eine der Höhe nach niedrigere als die nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechnete Abfindungssumme als Verzicht anzusehen sei. Ein Verzicht auf die Geltendmachung zustehender Einkünfte sei aber nur dann zu berücksichtigen, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erbringung der Leistung durch den dazu Verpflichteten begründet wäre. Da die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der weiteren ungeschmälerten Pensionsleistung durch den ÖGB in Anbetracht der aus Anlass der "Abfindungsaktion" des ÖGB anhängigen Rechtsstreitigkeiten keinesfalls als erwiesen anzusehen sei, müsse der vergleichsweise Verzicht dem Beschwerdeführer angelastet werden, indem ihm für die Dauer der versicherungsmathematisch berechneten Lebenserwartung der ursprünglich bestandene Zusatzpensionsanspruch fiktiv als Einkommen angerechnet werde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 1117/09-3, ihre Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat über die auftragsgemäß ergänzte, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde (die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt) erwogen:

1. In § 420 Abs. 5 ASVG in der Fassung vor der 52. Novelle, BGBl. Nr. 20/1994, war vorgesehen, dass die Mitglieder der Verwaltungskörper ihr Amt auf Grund einer öffentlichen Verpflichtung als Ehrenamt versehen, ihnen und den aus ihrer Funktion ausgeschiedenen Obmännern, Obmann-Stellvertretern, Vorsitzenden und Vorsitzenden-Stellvertretern der Überwachungsausschüsse und Landesstellenausschüsse sowie deren Hinterbliebenen jedoch Entschädigungen gewährt werden können, wobei die Entscheidung über die Gewährung der Entschädigungen und ihr Ausmaß dem Vorstand oblag; der Bundesminister für soziale Verwaltung hatte hiefür nach Anhörung des Hauptverbandes Grundsätze aufzustellen und für verbindlich zu erklären, die u. a. das Höchstausmaß und die Voraussetzungen für die Gewährung von Entschädigungen an ausgeschiedene Funktionäre und deren Hinterbliebene zu regeln hatten, wobei vorzusehen war, dass auf die Entschädigung alle Einkünfte mit Ausnahme der Pension aus der gesetzlichen Sozialversicherung anzurechnen waren.

Solche Grundsätze wurden in Form des im Verwaltungsverfahren mehrfach erwähnten Erlasses des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , Zl. 21.925/1-1b/1975, zuletzt geändert durch den Erlass des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl. 21.925/10-2/92, unter dem Titel "Grundsätze für die Gewährung von Entschädigungen an die Mitglieder von Verwaltungskörpern der Sozialversicherungsträger (Entschädigungsgrundsätze - EG)" aufgestellt.

Im Zuge der Neuregelung der Abschnitte I - IV des achten Teiles des ASVG durch die 52. Novelle wurde § 420 Abs. 5 ASVG mit Wirksamkeit vom dahin geändert, dass seither die Tätigkeit als Mitglied eines Verwaltungskörpers zwar weiterhin auf Grund einer öffentlichen Verpflichtung ausgeübt wird, diese jedoch kein Ehrenamt mehr ist; gleichzeitig wurde klargestellt, dass durch diese Tätigkeit aber auch kein Dienstverhältnis zum Versicherungsträger begründet wird. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung haben die dort genannten Funktionsträger Anspruch auf Funktionsgebühren, wobei das Nähere der Bundesminister für Arbeit und Soziales nach Anhörung des Hauptverbandes durch Verordnung unter Bedachtnahme auf den örtlichen Wirkungsbereich, die Zahl der Versicherten des jeweiligen Versicherungsträgers und eine Mindestdauer der Funktion zu bestimmen hat. Mit der 52. Novelle zum ASVG wurde also einerseits ein Rechtsanspruch auf Funktionsgebühren eingeräumt und andererseits die bis dahin bestehende Zuständigkeit des Vorstandes zur Entscheidung über die Entschädigungen aus dem Gesetz beseitigt.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1375 BlgNR 18. GP, 31) begründen die Neufassung damit, dass die Tätigkeit des Versicherungsvertreters künftig als Ausübung einer öffentlichen Verpflichtung gelten solle. Allen Versicherungsvertretern sollten Reise- und Aufenthaltskosten nach der Reisegebührenvorschrift gebühren. Obmann, Obmann-Stellvertreter, Vorsitzende von Kontrollversammlungen und der Landesstellenausschüsse und deren Stellvertreter würden Anspruch auf Funktionsgebühren, sonstige Mitglieder der Verwaltungskörper Anspruch auf Sitzungsgelder haben. Die Höhe dieser Leistungen solle durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales bestimmt werden. Die Begrenzung des Höchstausmaßes der Funktionsgebühr bedeute eine Verringerung der damaligen Bezüge; im Übrigen seien für künftige Funktionäre keine Pensionen mehr vorgesehen.

Nach den Übergangsbestimmungen des § 553 Abs. 4 bis 7 ASVG blieb aber für die dort genannten Funktionsträger die alte Rechtslage betreffend die Entschädigung für ausgeschiedene Funktionäre anwendbar. So haben gemäß § 553 Abs. 4 ASVG Präsident und Vizepräsidenten des Hauptverbandes, Obmänner und Obmann-Stellvertreter sowie Vorsitzende und Vorsitzenden-Stellvertreter der Überwachungsausschüsse und der Landesstellenausschüsse, die nach dem weiterhin eine solche Funktion ausüben, "weiterhin Anspruch auf Anwartschaften (Pension) nach den Bestimmungen des § 420 Abs. 5 und den darauf beruhenden Rechtsvorschriften in der am in Geltung gestandenen Fassung". Gemäß § 553 Abs. 5 ASVG bleibt den in Abs. 4 genannten Personen, deren "Anwartschaften zum nach den Bestimmungen des § 420 Abs. 5 und den darauf beruhenden Rechtsvorschriften in der zu diesem Zeitpunkt in Geltung gestandenen Fassung erfüllt sind", der "Anspruch auf Anwartschaften (Pension) nach diesen Bestimmungen gewahrt". § 553 Abs. 6 ASVG trifft eine Sonderregelung für die Stellvertreter der Vorsitzenden der Landesstellenausschüsse, soweit sie nicht unter Abs. 4 oder 5 fallen. Gemäß § 553 Abs. 7 ASVG sind die "Bestimmungen des § 420 Abs. 5 in der am geltenden Fassung und die darauf beruhenden Rechtsvorschriften", soweit sie sich auf Entschädigungsleistungen an ausgeschiedene Funktionäre und deren Hinterbliebene beziehen, auf die im Abs. 4 angeführten, aber aus ihrer Funktion bis spätestens zum Ende der Amtsdauer der alten Verwaltungskörper ausgeschiedenen Personen sowie deren Hinterbliebene weiterhin anzuwenden. Diese Übergangsbestimmungen werden in den Gesetzesmaterialien nicht erläutert, offenkundig wird mit ihnen aber der Zweck verfolgt, dass Funktionsträger, die sich vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung bereits im Amt befunden haben, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen keine Verschlechterung hinsichtlich der Entschädigungen für die Zeit nach ihrem Ausscheiden treffen soll.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Rechtslage nach der 52. Novelle zum ASVG ausgesprochen, dass sich die Zuständigkeit für Streitigkeiten über Rechte der Mitglieder der Verwaltungskörper (bezogen auf den damaligen Beschwerdefall: des Hauptverbandes) und somit auch über ihr Recht auf eine Funktionsgebühr aus § 450 Abs. 1 ASVG ergebe: Nach dieser Bestimmung ist nämlich bei Streit über Rechte und Pflichten der Verwaltungskörper und deren Mitglieder die oberste Aufsichtsbehörde berufen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0033).

Diese Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde besteht aber ausdrücklich nur "vorbehaltlich der gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeit anderer Stellen". Eine solche Zuständigkeit einer anderen Stelle war vor der 52. Novelle in § 420 Abs. 5 ASVG normiert, wonach die Entscheidung über die Gewährung der Entschädigung und ihr Ausmaß dem Vorstand obliegt. Der Gesetzgeber der 52. Novelle zum ASVG ging im Zusammenhang mit der Beseitigung dieser Zuständigkeit des Vorstandes offenbar davon aus, dass die in Rede stehenden Funktionsgebühren, da es sich dabei nunmehr um einen Rechtsanspruch und nicht mehr um eine Ermessensleistung handeln sollte, vom Versicherungsträger bzw. vom Hauptverband ohne Erlassung eines Bescheides in unmittelbarer Vollziehung der vom Bundesminister zu erlassenden Verordnung flüssig zu machen und dass allfällige Streitigkeiten betreffend Grund und Höhe der Funktionsgebühr zwischen dem Organwalter und dem Hauptverband bzw. dem Versicherungsträger im Verfahren vor der Aufsichtsbehörde zu entscheiden sein würden (vgl. auch dazu das soeben zitierte hg. Erkenntnis vom ).

3. Im Beschwerdefall sind alle Verfahrensparteien davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Landesstellenausschusses der AUVA vom bis zum unter eine der Übergangsbestimmungen des § 553 Abs. 4 bis 7 ASVG fällt, wobei die belangte Behörde ausdrücklich Abs. 4 und 5 herangezogen hat. In Bezug auf § 553 Abs. 4 ASVG kann an der Richtigkeit dieser Auffassung kein Zweifel bestehen, weil der Beschwerdeführer unstrittig sowohl am als auch darüber hinaus eine der dort genannten Funktionen (Vorsitzender eines Landesstellenausschusses) ausgeübt hat.

Er hatte demnach "weiterhin Anspruch auf Anwartschaften (Pension) nach den Bestimmungen des § 420 Abs. 5 und den darauf beruhenden Rechtsvorschriften in der am in Geltung gestandenen Fassung". Nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der 52. Novelle zum ASVG mit (soweit hier maßgeblich) war aber, wie oben dargestellt, die Zuerkennung und Bemessung von Entschädigungsleistungen eine Ermessensentscheidung, für die der Vorstand (hier: des Versicherungsträgers) zuständig war. Dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Entschädigungsleistungen nach der am geltenden Rechtslage zu beurteilen ist, bedeutet somit nicht nur, dass ihm weiterhin eine Entschädigung für die Zeit nach seinem Ausscheiden (eine "Pension") gewährt werden konnte, sondern auch, dass für die Entscheidung darüber - sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach und für die erstmalige Zuerkennung ebenso wie etwa für Neubemessungen - der Vorstand der AUVA zuständig war. Die Übergangsbestimmungen des § 553 Abs. 4 bis 7 ASVG beziehen sich nämlich nicht nur auf die materielle Rechtslage, sondern auch auf die Behördenzuständigkeit. Dies ergibt sich aus dem dargestellten engen Zusammenhang der alten Zuständigkeitsregelung mit der Ausgestaltung als Ermessensentscheidung, aber auch aus § 553 Abs. 7 ASVG, hinsichtlich dessen der Verwaltungsgerichtshof bisher implizit von der Zuständigkeit des Vorstands des Versicherungsträgers ausgegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0286); es spricht nichts dafür, dass die Rechtslage nach § 553 Abs. 4 ASVG insofern eine andere wäre.

4. Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass die belangte Behörde für die Feststellung, ob und in welcher Höhe dem Beschwerdeführer eine Entschädigungsleistung nach § 420 Abs. 5 ASVG in der Fassung vor der 52. Novelle zum ASVG gebührt, zu Unrecht ihre Zuständigkeit in Anspruch genommen hat. § 420 Abs. 5 ASVG in der auf Grund der Übergangsbestimmung des § 553 Abs. 4 ASVG anwendbaren Fassung beruft nämlich den Vorstand (des Versicherungsträgers bzw. des Hauptverbandes) zur Gewährung und Festsetzung der Höhe von Entschädigungsleistungen, während der von der belangten Behörde herangezogene § 450 Abs. 1 ASVG nur eine subsidiäre Entscheidungsbefugnis der Aufsichtsbehörde vorsieht.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

5. Zu der zwischen den Parteien strittigen Rechtsfrage, welche Auswirkungen die Abfindung weiterer Pensionszuschüsse durch den ÖGB auf die Auszahlung der Entschädigung an den Beschwerdeführer nach § 420 Abs. 5 ASVG hat, wird im Übrigen auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0286, verwiesen. Demnach wäre ein Verzicht auf weitere Einkünfte (hier: den Pensionszuschuss des ÖGB) entgegen der Ansicht der belangten Behörde nur dann unbeachtlich, wenn er rechtsmissbräuchlich erfolgte, was aber im Beschwerdefall nicht zutrifft. Darauf, ob dem ÖGB die Erfüllung der Leistung unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, kommt es hingegen nicht an.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf den Ersatz der Eingabengebühr gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit der Beschwerde gemäß § 110 Abs. 1 Z 3 ASVG abzuweisen.

Wien, am