VwGH vom 01.08.2017, Ro 2014/06/0048
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der Dr. M S in W, vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 11, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , RoBau- 8-1/890/1-2013, betreffend einen Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist (als Rechtsnachfolgerin des Dr. F) grundbücherliche Eigentümerin des als "Freiland" ausgewiesenen Gst. Nr. X, KG U, im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde.
2 Der zwischen Dr. F und S abgeschlossene Kaufvertrag vom über dieses Grundstück wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom mit der Wirkung "ex tunc" für unwirksam erklärt.
3 Gegenstand des vorliegenden Abbruchauftrages ist ein auf diesem Grundstück im Jahre 1998 von S errichtetes Wochenendhaus.
4 Die dem S mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom unter Beifügung einer auflösenden Bedingung erteilte Baubewilligung für die Errichtung eines Wochenendhauses ist aufgrund des Eintritts der Bedingung (Nichtvorlage der im Baubewilligungsbescheid geforderten Vereinbarung über die einwandfreie rechtliche Sicherstellung der Wasserversorgung vor Baubeginn) erloschen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , 2000/06/0200, betreffend eine Beschwerde des S im Verfahren wegen Untersagung der Fortführung von Bauarbeiten; auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen).
5 Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde S als Bauherrn gemäß § 33 Abs. 3 iVm § 28 Abs. 1 TBO 1998 die Beseitigung des Bauvorhabens auf dem Gst. Nr. X, KG U, aufgetragen. Die gegen den die Berufung des S abweisenden Bescheid des Gemeindevorstands der mitbeteiligten Gemeinde vom von S eingebrachte Vorstellung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen diesen Vorstellungsbescheid eingebrachte Beschwerde des S mit dem hg. Erkenntnis vom , 2001/06/0099 als unbegründet ab.
6 Auf Grund der Uneinbringlichkeit der dem S vorgeschriebenen voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme infolge des über sein Vermögen eröffneten Konkursverfahrens wurde in weiterer Folge mit Verfahrensanordnung der Bezirkshauptmannschaft L (BH) vom Dr. F als Liegenschaftseigentümer die Ersatzvornahme des gegen S ergangenen Abbruchbescheides angedroht.
7 Mit weiterem Bescheid der BH vom wurde Dr. F zur Vorauszahlung der Kosten der angedrohten Ersatzvornahme verpflichtet. Die dagegen erhobene Berufung des Dr. F wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhob Dr. F Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit dem Erkenntnis vom , 2006/06/0287, den dort angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufhob. Zur Begründung wurde ausgeführt, da der Bauauftrag (vom , siehe Rz 5) Dr. F gegenüber nicht ergangen und ihm gegenüber auch nicht kraft dinglicher Wirkung auf Grund einer Rechtsnachfolge wirksam geworden sei, sei kein gegenüber Dr. F wirksamer Titelbescheid vorgelegen, weshalb der Kostenvorauszahlungsauftrag gegen Dr. F zu Unrecht ergangen sei.
8 Infolge dieses aufhebenden Erkenntnisses wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom der Bescheid der BH vom ersatzlos behoben.
9 Mit Bescheid vom trug die Bürgermeisterin der mitbeteiligten Gemeinde Dr. F gemäß § 39 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) die Beseitigung des Gebäudes auf dem Gst. Nr. X, KG U, auf. Zur Begründung wurde (zusammengefasst) ausgeführt, es stehe fest, dass S nicht Eigentümer des Wochenendhauses auf dem genannten Grundstück sei. Der ursprünglich erstellte Titelbescheid sei daher zu Unrecht an S ergangen. Nach den durchgeführten Erhebungen stehe fest, dass das auf dem Grundstück stehende Gebäude jenes sei, für das keine Baubewilligung vorliege und welches im Wesentlichen mit dem ursprünglich genehmigten Bestand übereinstimme. Im Flächenwidmungsplan sei das Grundstück als Freiland gemäß § 41 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 (TROG 2011) ausgewiesen. Es stehe fest, dass das gegenständliche Gebäude nach dieser Bestimmung nicht im Freiland errichtet werden dürfe. Da der Erteilung einer Bewilligung offenkundig ein Abweisungsgrund nach § 27 Abs. 3 TBO 2011 entgegenstünde, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
10 Dr. F erhob dagegen Berufung, die mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom (Beschlussfassung am ) als unbegründet abgewiesen wurde. Adressat dieses Bescheides war die Revisionswerberin als Rechtsnachfolgerin des Dr. F und nunmehrige Liegenschaftseigentümerin (Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes L vom und Grundbuchsbeschluss des Bezirksgerichtes L vom ).
11 Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die dagegen erhobene Vorstellung der Revisionswerberin als unbegründet ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Abbruchauftrag habe sich zu Recht (gemeint: zunächst an Dr. F und in weiterer Folge) an die Revisionswerberin gerichtet. Dass S nicht Eigentümer des Gebäudes sei, ergebe sich zweifelsfrei aus den Akten. Im Übrigen gehe die dingliche Wirkung von Bescheiden gemäß § 55 TBO 2011 auf den Rechtsnachfolger im Grundeigentum oder Baurecht über. (Es folgen Ausführungen zu § 39 TBO 2011.)
12 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 54/2014-8, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.
13 In ihrer ergänzten Beschwerde beantragte die Revisionswerberin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
14 Das in das Verfahren anstelle der Tiroler Landesregierung eingetretene Landesverwaltungsgericht Tirol legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Revision.
15 Die mitbeteiligte Gemeinde beteiligte sich nicht am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 Da die Abtretung der gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erst mit Beschluss dieses Gerichtshofes vom , B 54/2014-8, erfolgte, handelt es sich nicht um eine Beschwerde, bei deren Behandlung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGbk-ÜG), die Bestimmungen des B-VG und des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden hat.
18 Auf eine vom Verfassungsgerichtshof nach dem gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Bescheidbeschwerde ist § 4 VwGbk-ÜG sinngemäß anzuwenden (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ro 2014/10/0076, mwN). Die abgetretene Beschwerde gilt daher als Revision, für die die Regelungen des Abs. 5 dieser Bestimmung maßgebend sind. Richtet sie sich - wie vorliegend - gegen den Bescheid einer Behörde, die keine unabhängige Verwaltungsbehörde oder eine Behörde gemäß Art. 20 Abs. 2 Z 2 oder 3 B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung war, ist nach dieser Bestimmung die Zulässigkeit der Revision nicht anhand der Kriterien des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu prüfen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt.
19 Im vorliegenden Revisionsfall ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde folgende Rechtslage von Bedeutung:
Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) LGBl. Nr. 57/2011 in der Fassung LGBl. Nr. 96/2012 (auszugsweise):
"§ 39
Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes
(1) Wurde eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige errichtet, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen. ...
(2) ...
(3) ...
(4) Wurde eine bauliche Anlage ohne die nach früheren baurechtlichen Vorschriften erforderliche Baubewilligung oder Bauanzeige errichtet oder geändert und ist deren Errichtung oder Änderung auch nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig oder zumindest anzeigepflichtig, so hat die Behörde nach den Abs. 1, 2 und 3 vorzugehen.
(5) Ist anlässlich der Erteilung des Auftrages nach Abs. 1 offenkundig, dass der nachträglichen Erteilung der Baubewilligung für ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ein Abweisungsgrund nach § 27 Abs. 3 bzw. der Ausführung eines anzeigepflichtigen Bauvorhabens ein dieser Bestimmung entsprechender Untersagungsgrund entgegenstehen würde, so hat die Behörde dies, sofern die Baubewilligung nicht bereits versagt bzw. die Ausführung des Bauvorhabens nicht bereits untersagt wurde, in einem mit der Erteilung des Auftrages festzustellen. Eine solche Feststellung ist einer Versagung der Baubewilligung bzw. der Untersagung der Ausführung des Bauvorhabens gleichzuhalten.
(6) ...
(7) Die Behörde hat dem Eigentümer der baulichen Anlage die zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erforderlichen Maßnahmen aufzutragen, wenn
a) ein Bauvorhaben nach § 21 Abs. 3 dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan, Bebauungsregeln nach § 55 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011, örtlichen Bauvorschriften, einer Bausperrenverordnung nach § 72 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 oder dem § 13 Abs. 4 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 widerspricht oder
b) ...
Ist die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes auf andere Weise rechtlich oder technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung und erforderlichenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufzutragen.
§ 55
Dingliche Wirkung von Bescheiden
Rechte und Pflichten, die sich aus Bescheiden nach diesem Gesetz mit Ausnahme von Strafbescheiden ergeben, haften auf dem Grundstück und gehen auf den Rechtsnachfolger im Grundeigentum oder Baurecht über."
20 Die Revisionswerberin bringt vor, die belangte Behörde übersehe bei ihren Ausführungen im Zusammenhang mit § 55 TBO 2011, dass die Revisionswerberin keine Rechtsnachfolgerin des Adressaten des Abbruchbescheides S sei. Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes sei ununterbrochen Dr. F gewesen bzw. sei es nunmehr die Revisionswerberin. Es sei daher denkunmöglich, dass Dr. F jemals Rechtsnachfolger des S gewesen sei, weil S niemals (weder bücherlicher noch außerbücherlicher) Eigentümer der Liegenschaft gewesen sei. S sei sohin auch keineswegs Rechtsvorgänger der Revisionswerberin gewesen. Sei die Revisionswerberin aber nicht als Rechtsnachfolgerin des S als Adressat des seinerzeitigen Abbruchbescheides zu betrachten, entfalte der gegenüber S erlassene Abbruchbescheid gegenüber der Revisionswerberin auch keine dingliche Wirkung.
21 Der von der Revisionswerberin geflissentlich übergangene erstinstanzliche Beseitigungsauftrag vom ist nicht an S, sondern an Dr. F. als Eigentümer des gegenständlichen Grundstückes ergangen. Die Revisionswerberin wurde demgemäß nicht als Rechtsnachfolgerin des S, sondern als Rechtsnachfolgerin des Dr. F. im Eigentum am verfahrensgegenständlichen Grundstück angesehen.
22 Da die dingliche Wirkung von Bescheiden gemäß § 55 TBO 2011 (unter anderem) gegenüber Rechtsnachfolgern im Grundeigentum eintritt und die Revisionswerberin unbestritten insoweit Rechtsnachfolgerin des Dr. F. ist, entfaltete der Beseitigungsauftrag vom ihr gegenüber dingliche Wirkung. Der Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom ist daher zu Recht an sie ergangen.
23 Im Übrigen tritt die Revisionswerberin in ihrer Revision der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellung, dass S nicht Eigentümer des auf dem gegenständlichen Grundstück errichteten Gebäudes ist, nicht entgegen.
24 Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
25 Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt geklärt ist und in der Revision keine Rechts- oder Tatfragen aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, konnte die Entscheidung ungeachtet des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/05/0091, mwN).
26 Eine Kostenentscheidung entfällt, weil Kostenersatz nicht beantragt wurde.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-90269