VwGH vom 14.04.2016, Ro 2014/06/0047

VwGH vom 14.04.2016, Ro 2014/06/0047

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Höfrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, in der Rechtssache des bzw. der 1. J J, 2. E E, 3. F E, 4. J F, 5. O F, 6. G K, 7. J K, 8. E S 9. K S 10. R M, 11. E W, 12. A P, 13. P T 14. P Th, 15. D Z 16. R W, 17. J Z, alle in S 18. W L in D, 19. D P in H, 20. R W in S 21. B J in O, 22. A T in S und 23. Verlassenschaft nach S H, alle vertreten durch die Stix Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Kärntner Straße 10/5, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 5-V-A8771/54-2011, betreffend Enteignung nach dem Burgenländischen Straßengesetz 2005 (mitbeteiligte Partei: Land Burgenland Landesstraßenverwaltung in Eisenstadt, vertreten durch die Haslinger/Nagele Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom wurde gemäß § 3 Abs. 7 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) festgestellt, dass die vom Land Burgenland, Landesstraßenverwaltung, geplante Errichtung der "Umfahrung S" im Zuge der B xx B Straße von km 38,996 bis km 44,133 nicht dem UVP-G 2000 und nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer UVP unterliegt.

Mit Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom , LGBl. Nr. 25/2011, wurde der Straßenverlauf der B xx B Straße (Umfahrung S), der Änderung des Straßenverlaufes der L xxx O Straße und der Verlängerung der L zzz O Straße, bestimmt (Trassenverordnung).

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 5-V-A8771/54-2011, wurden auf Antrag der Mitbeteiligten näher genannte Grundstücke der revisionswerbenden Parteien für den Neubau der B xx B Straße, Abschnitt "Umfahrung S", enteignet (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurden Entschädigungssummen festgesetzt. Spruchpunkt III. regelte, dass der Vollzug des Enteignungsbescheides nicht gehindert werden kann, sobald der Entschädigungsbetrag geleistet oder gerichtlich hinterlegt worden ist. In Spruchpunkt IV. wurde die Entscheidung über den Ersatz der Verfahrenskosten einem gesonderten Bescheid vorbehalten. Als Rechtsgrundlagen wurden in Spruchpunkt V. die §§ 27 bis 30 des Burgenländischen Straßengesetzes 2005 sowie die §§ 17 und 44 des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes 1954 genannt.

Auch im gegenständlichen Verfahren stützte die belangte Behörde ihre Entscheidung im Wesentlichen auf die Rechtsansicht, dass die Trassenverordnung ebenso bindend sei wie der Feststellungsbescheid der Burgenländischen Landesregierung vom . Im Zuge des Ermittlungsverfahrens seien von der UVP-Behörde Sachverständige aus den Bereichen Verkehrstechnik, Luftreinhaltung und Umweltmedizin um gutachterliche Klärung ersucht worden, ob im Fall der Errichtung der gegenständlichen Straße mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Umweltauswirkungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Lage im schutzwürdigen Gebiet der Kategorie D, zu rechnen sei. Die UVP-Behörde sei zum Ergebnis gekommen, dass der Schutzzweck des schutzwürdigen Gebietes durch das gegenständliche Vorhaben nicht wesentlich beeinträchtigt werde. Die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-RL) sehe nicht vor, die Öffentlichkeit schon im Feststellungsverfahren bzw. in der Einzelfallprüfung einzubinden. Auch habe der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , B 254/11, festgestellt, dass die Annahme eines Vorrangs des Art. 10a UVP-Richtlinie gegenüber innerstaatlichem Recht in Übereinstimmung mit dem , Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, schon allein deshalb nicht in Betracht komme, weil diese Bestimmung nicht inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sei, um im Sinne der Rechtsprechung des EuGH die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendbarkeit zu erfüllen. Abgesehen von der Bindungswirkung sei die Planung einer niveaugleichen Kreuzung mit "Weg 4" nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt, nur um die gemäß Anhang 1 Z 9 lit. a UVP-G 2000 erforderliche UVP für Schnellstraßen zu umgehen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom , B 1503/2011-19, ablehnte und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In seinem Beschluss führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, die in der Beschwerde behaupteten Verstöße gegen das Burgenländische Straßengesetz 2005 seien nicht zu erkennen. Ein Straßenbaubewilligungsverfahren sei verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Allfällige Genehmigungspflichten für die Errichtung der Landstraße nach anderen Bundes- oder Landesgesetzen (insbesondere nach dem UVP-G 2000) seien für die Gesetzmäßigkeit der Verordnung, die nur den Straßenverlauf festlege, ohne Bedeutung. Somit erscheine die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm so wenig wahrscheinlich, dass die Beschwerde keine ausreichende Aussicht auf Erfolg habe.

In der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Revision beantragten die revisionswerbenden Parteien die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Mit Beschluss vom , Zl. Ro 2014/06/0047-11, setzte der Verwaltungsgerichtshof das gegenständliche Verfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in jener Rechtssache, in der er mit hg. Beschluss vom , Zl. 2012/04/0040, angerufen worden war, aus.

Mit Urteil vom , Rechtssache C-570/13 (Fall Gruber) führte der EuGH zu dem Vorabentscheidungsersuchen vom , Zl. 2012/04/0040, im Wesentlichen aus, dass eine Verwaltungsentscheidung, mit der festgestellt werde, dass für ein Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei, keine Bindungswirkung gegenüber Nachbarn habe, die zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337/EWG (UVP-RL) gehörten, die Kriterien des nationalen Rechts in Bezug auf das "ausreichende Interesse" oder die "Rechtsverletzung" erfüllten und vom Recht auf Erhebung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung ausgeschlossen seien.

Mit Schriftsatz vom teilte der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Parteien mit, dass R W als Rechtsnachfolger (Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes E vom ) seiner verstorbenen Mutter, K W, in deren Rechtsposition eintrete. Das Verlassenschaftsverfahren nach S H sei noch anhängig, das Vollmachtsverhältnis sei diesbezüglich aufrecht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf eine vom Verfassungsgerichtshof nach dem gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Bescheidbeschwerde ist § 4 VwGbk-ÜG sinngemäß anzuwenden (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ro 2014/06/0055, mwN).

In der Revision wird mit jeweils umfassender Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Enteignung sei nicht notwendig, die Entscheidung leide unter einem Begründungsmangel, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Antragsbindung im Enteignungsverfahren vor, die Wirtschaftlichkeit des Straßenvorhabens fehle, die Enteignung sei ungeeignet zur Erfüllung des Enteignungszweckes, das Vorhaben sei UVP-pflichtig, gegen den UVP-Feststellungsbescheid habe mangels Parteistellung von den revisionswerbenden Parteien nicht vorgegangen werden können, der UVP-Feststellungsbescheid betreffe außerdem einen anderen Verfahrensgegenstand als das vorliegende Enteignungsverfahren, es fehlten weitere materienrechtliche Bewilligungen (nach dem Wasserrechtsgesetz, dem Burgenländischen Naturschutzgesetz, dem Denkmalschutzgesetz), die Vorgaben des Immissionsschutzgesetzes-Luft würden nicht eingehalten, es lägen Verletzungen von Verfahrensvorschriften betreffend zu kurze Fristsetzung für fachliche Gegenstellungnahmen und die Unbefangenheit eines Sachverständigen vor.

Der vorliegende Fall gleicht sowohl hinsichtlich des relevanten Sachverhaltes als auch der Begründung zu den entscheidungswesentlichen Rechtsfragen jenem, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2015/06/0001, zugrunde lag, sodass gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen wird.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am