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VwGH 10.06.2014, Ro 2014/06/0047

VwGH 10.06.2014, Ro 2014/06/0047

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
LStG Bgld 2005;
VwGG §30 Abs2;
RS 1
Nichtstattgebung - Enteignung nach dem Burgenländischen Landesstraßengesetz 2005 - Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu überprüfen. Es ist vielmehr, wenn das in der Beschwerde selbst erstattete Vorbringen der antragstellenden Partei nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist, zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2013/04/0022). Da es im Provisorialverfahren somit nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides geht, sondern einzig um die Auswirkung eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Bescheides, ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde im Verfahren die Voraussetzungen für die Erteilung des gegenständlichen Auftrages ausreichend geprüft hat. Die Frage, ob öffentliche Rücksichten dem Aufschiebungsantrag entgegenstehen, kann daher, auch mangels widerstreitender Anhaltspunkte und substantiiert begründeter Darlegungen im Aufschiebungsantrag, ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde geprüft werden, ohne dass damit die endgültige Entscheidung vorweg genommen wird (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom , Zl. AW 2006/05/0041, mwN, und vom , Zl. AW 2013/06/0050).
Normen
LStG Bgld 2005;
VwGG §30 Abs2;
RS 2
Nichtstattgebung - Enteignung nach dem Burgenländischen Straßengesetz 2005 - Durch die gegenständliche Enteignung sollen Gefahrenstellen für Verkehrsteilnehmer ausgeschaltet werden. Das damit gegebene öffentliche Interesse an der Hintanhaltung einer konkreten Gefahr für Leib und Leben von Verkehrsteilnehmern muss als zwingend im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG angesehen werden (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2007/05/0085 bis 0088, mwN; weiters z.B. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2007/06/0050, und den Beschluss vom , Zl. AW 2007/05/0100).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie AW 2011/06/0077 B RS 3
Normen
12010E267 AEUV Art267;
32011L0092 UVP-RL Art11;
AVG §38;
UVPG 2000 §3 Abs7;
VwGG §62 Abs1;
RS 1
Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in jener Rechtssache, in der er mit hg. Beschluss vom , Zl. 2012/04/0040, angerufen wurde, ausgesetzt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des J und von 22 weiteren Antragstellern, alle vertreten durch die Stix Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Kärntner Straße 10/5, der gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 5-V-A8771/54-2011, betreffend Enteigung nach dem Burgenländischen Landesstraßengesetz 2005 (mitbeteiligte Partei: Land Burgenland, Landesstraßenverwaltung, in Eisenstadt, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), erhobenen und zur hg. Zl. 2014/06/0047 protokollierten Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Im vorliegenden Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird im Wesentlichen dargelegt, zwingende öffentliche Interessen stünden der Gewährung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen. Die Pläne der Errichtung einer Umfahrung reichten bereits mehr als ein Jahrzehnt zurück; ein dringendes verkehrstechnisches Bedürfnis an der Realisierung des Projektes sei nicht erkennbar. Die antragstellenden Parteien erlitten durchaus erhebliche Nachteile, die nicht rückgängig zu machen und daher unverhältnismäßig seien. Auf Grund der eingeholten Sachverständigengutachten sei mit massiven Verschlechterungen des Grundwassers sowie anderer Gewässer zu rechnen, womit in weiterer Folge auch die Gefahr entsprechender, massiver gesundheitlicher Schäden bei den antragstellenden Parteien verbunden sei. Auf Grund der Verschmutzung des Trinkwassers eingetretene Gesundheitsschäden seien nicht mehr rückgängig zu machen. Darüber hinaus müssten die von der Enteignung nicht betroffenen Liegenschaften der antragstellenden Parteien aus wirtschaftlicher Notwendigkeit weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. Die Feldfrüchte seien einer entsprechenden Schadstoffbelastung ausgesetzt, was ihre Qualität mindere und zu Schäden bei den Konsumenten sowie den antragstellenden Parteien führen könne. Die Verschlechterung der Wasserqualität verstoße gegen das Verschlechterungsverbot nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie.

Die belangte Behörde führte in einer Stellungnahme vom aus, es bestünden zwingende öffentliche Interessen an einer ehestmöglichen Realisierung des Straßenbauvorhabens. Hingewiesen werde auf die Entschärfung der bestehenden Unfallhäufigkeitsstellen in der Ortsdurchfahrt von Schützen und damit die Erhöhung der Verkehrssicherheit sowie die verkehrliche Entlastung des Ortszentrums und des Siedlungskerns durch die Umfahrungsstraße und die damit einhergehende Immissionsreduktion für die Wohnbevölkerung. Dies sei durch Gutachten im Verfahren nachgewiesen worden. Die genannten Interessen seien jedenfalls auch bei einer Interessenabwägung als höherrangig anzusehen. Außerdem gebe es eminente volkswirtschaftliche Interessen, zum einen drohten im Fall einer Verzögerung erhebliche Kostensteigerungen durch das Bauvorhaben, zum anderen würden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die positiven regionalwirtschaftlichen Impulse, die mit der Infrastrukturinvestition von EUR 20 Mio. verbunden wären, besonders dringend benötigt. Diese Interessen überwögen deutlich die gegenläufigen der antragstellenden Parteien. Diese hätten ihre behaupteten unwiederbringlichen Nachteile nicht konkretisiert, geschweige denn bescheinigt. Das Vorbringen könne das eindeutige Ermittlungsergebnis - dem sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegenträten - nicht erschüttern. Die behauptete Verschlechterung der Wasserqualität stehe sowohl im Widerspruch zum Ergebnis des wasserrechtlichen Verfahrens als auch zu dem im Enteignungsverfahren eingeholten wasserrechtlichen Gutachten.

Die mitbeteiligte Partei sprach sich in einer Stellungnahme vom ebenfalls gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und legte im Wesentlichen dar, das Vorbringen der antragstellenden Parteien hinsichtlich der behaupteten Gesundheitsbelastung und der mangelnden Nutzbarkeit der Feldfrüchte sei nicht ausreichend konkretisiert. Die zwingenden öffentlichen Interessen der Verkehrssicherheit sowie der Sanierung lärm- und luftbelasteter Gebiete stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen. Darüber hinaus würde ein Baustopp der mitbeteiligten Partei gravierende wirtschaftliche Schäden zufügen, während die von den antragstellenden Parteien vorgebrachten Einwände hinsichtlich der behaupteten Belastungen der Gewässer durch das vom wasserwirtschaftlichen Amtssachverständigen erstattete Gutachten klar widerlegt worden seien. Eine Verschlechterung der Wasserqualität stelle auch kein subjektives Recht der antragstellenden Parteien dar.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührter Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu überprüfen. Es ist vielmehr, wenn das in der Beschwerde selbst erstattete Vorbringen der antragstellenden Partei nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist, zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2013/04/0022). Da es im Provisorialverfahren somit nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides geht, sondern einzig um die Auswirkung eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Bescheides, ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde im Verfahren die Voraussetzungen für die Erteilung des gegenständlichen Auftrages ausreichend geprüft hat. Die Frage, ob öffentliche Rücksichten dem Aufschiebungsantrag entgegenstehen, kann daher, auch mangels widerstreitender Anhaltspunkte und substantiiert begründeter Darlegungen im Aufschiebungsantrag, ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde geprüft werden, ohne dass damit die endgültige Entscheidung vorweg genommen wird (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom , Zl. AW 2006/05/0041, mwN, und vom , Zl. AW 2013/06/0015).

Der bloße Verlust des Eigentumsrechtes vermag einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG nicht zu indizieren. Die Entziehung der Nutzung der enteigneten Grundstücksteile während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens allein kann einen unverhältnismäßigen Nachteil schon deswegen nicht begründen, weil im Falle des Erfolges der Revision alle Ansprüche auf Geldersatz offenstehen, die die Rechtsordnung dafür einräumt (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2011/06/0077, mwN).

Typischerweise stellt die Vorbeugung einer konkreten Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG dar (vgl. nochmals den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2011/06/0077, mwN).

Durch die gegenständliche Enteignung sollen Gefahrenstellen für Verkehrsteilnehmer ausgeschaltet werden. Das damit gegebene öffentliche Interesse an der Hintanhaltung einer konkreten Gefahr für Leib und Leben von Verkehrsteilnehmern muss als zwingend im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG angesehen werden (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2007/05/0085 bis 0088, mwN; weiters z.B. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2007/06/0050, und den Beschluss vom , Zl. AW 2007/05/0100).

Soweit die antragstellenden Parteien massive Verschlechterungen des Grundwassers sowie anderer Gewässer und damit verbunden eine Gesundheitsgefährdung vorbringen, ist ihnen zu entgegnen, dass derartige Gefährdungen u.a. im Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom , Zl. 5-W-A3432/24-2012 (wasserrechtliche Bewilligung), ausgeschlossen wurden. Das diesbezügliche Vorbringen vermag dem Antrag daher nicht zum Erfolg zu verhelfen. Ein allfälliger Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie stellt -

abgesehen davon, dass dies in der oben erwähnten wasserrechtlichen Bewilligung verneint wurde - kein Nachbarrecht gemäß § 21 Bgld. BauG dar.

Dem Antrag musste daher der Erfolg versagt bleiben. Wien,am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* EU-Register: EU 2013/0006

Vorabentscheidungsverfahren:

* Vorabentscheidungsantrag

des VwGH oder eines anderen Tribunals:

C-570/13

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Höfrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, in der Rechtssache des bzw. der 1. A, 2. B, 3. C,

4.

D, 5. E, 6. F, 7. G, 8. H, 9. I, alle in J, 10. K in J, 11. L,

12.

M, 13. N, 14. O, 15. P, 16. Q, 17. R, alle in J, 18. S in T,

19.

U in V, 20. W in J, 21. X in Y, 22. Z in J, 23. A1 in B1, alle vertreten durch die Stix Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Kärntner Straße 10/5, gegen den Bescheid der Burgenländische Landesregierung vom , Zl. 5-V-A8771/54-2011, betreffend Enteignung nach dem Burgenländischen Straßengesetz 2005 (mitbeteiligte Partei: Land Burgenland Landesstraßenverwaltung in Eisenstadt, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in jener Rechtssache, in der er mit hg. Beschluss vom , Zl. 2012/04/0040, angerufen wurde, ausgesetzt.

Begründung

Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom wurde gemäß § 3 Abs. 7 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) festgestellt, dass die vom Land Burgenland, Landesstraßenverwaltung, geplante Errichtung der "Umfahrung Schützen am Gebirge" im Zuge der B 50 Burgenland Straße von km 38,996 bis km 44,133 nicht dem UVP-G 2000 und nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer UVP unterliegt.

Mit Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom , LGBl. Nr. 25/2011, wurde der Straßenverlauf der B 50 Burgenland Straße (Umfahrung Schützen am Gebirge), der Änderung des Straßenverlaufes der L 209 Oggauer Straße und der Verlängerung der L 313 Osliper Straße, bestimmt (Trassenverordnung).

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 5-V-A8771/54-2011, wurden näher genannte Grundstücke der beschwerdeführenden Parteien für den Neubau der B 50 Burgenland Straße, Abschnitt "Umfahrung Schützen am Gebirge", enteignet. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Trassenverordnung sei ebenso bindend wie der Feststellungsbescheid der Burgenländischen Landesregierung vom . Abgesehen von der Bindungswirkung sei die Planung einer niveaugleichen Kreuzung mit "Weg 4" nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt, nur um die für Schnellstraßen erforderliche UVP zu umgehen.

Von den beschwerdeführenden Parteien wurde gegen diesen Bescheid unter anderem vorgebracht, für die geplante Errichtung der B 50 Burgenland Straße (Umfahrung Schützen am Gebirge), der Änderung des Straßenverlaufes der L 209 Oggauer Straße und der Verlängerung der L 313 Osliper Straße sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen. Die Behörde könne sich auch nicht auf den Feststellungsbescheid der Burgenländischen Landesregierung vom berufen. Dieser Bescheid sei jedenfalls unionsrechtswidrig, weil die beschwerdeführenden Parteien als "betroffene Öffentlichkeit" in dieses Feststellungsverfahren nicht eingebunden gewesen seien. Eine Enteignung zur Durchführung eines Straßenprojektes, das auf einem unionsrechtswidrigen Feststellungsbescheid nach dem UVP-G 2000 beruhe, sei in rechtlicher Hinsicht unzulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof legte im Beschwerdeverfahren zur Zl. 2012/04/0040 mit Beschluss vom dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

"1. Steht das Unionsrecht, insbesondere die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom , S. 1-12 (Richtlinie 2011/92), insbesondere deren Art. 11 einer nationalen Rechtslage entgegen, nach der ein Bescheid, mit dem festgestellt wird, dass bei einem bestimmten Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, Bindungswirkung auch für Nachbarn, denen im vorangegangenen Feststellungsverfahren keine Parteistellung zukam, entfaltet, und diesen in nachfolgenden Genehmigungsverfahren entgegengehalten werden kann, auch wenn diese die Möglichkeit haben ihre Einwendungen gegen das Vorhaben in diesen Genehmigungsverfahren zu erheben (das heißt im Ausgangsverfahren dahingehend, dass durch die Auswirkungen des Vorhabens ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihr Eigentum gefährdet werden oder sie durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise unzumutbar belästigt werden)?

Bei Bejahung der Frage 1:

2. Verlangt es das Unionsrecht, insbesondere die Richtlinie 2011/92 im Wege ihrer unmittelbaren Anwendung, die in der Frage 1 dargestellte Bindungswirkung zu verneinen?"

Im Hinblick auf die hier relevante Rechtsfrage der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides nach dem UVP-G 2000 gleicht die gegenständliche Rechtssache jener, die dem hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2011/06/0214, zugrunde liegt. Insoweit wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz i.V.m. Abs. 9 VwGG auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen. Aus den in diesem Beschluss genannten Gründen war auch die hier anhängige Rechtssache gemäß § 38 zweiter Satz AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG auszusetzen.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Ausgesetztes Verfahren:

2012/04/0040 B

* EuGH-Entscheidung:

EuGH 62013CJ0570 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Höfrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, in der Rechtssache des bzw. der 1. J J, 2. E E, 3. F E, 4. J F, 5. O F, 6. G K, 7. J K, 8. E S, 9. K S, 10. R M, 11. E W, 12. A P, 13. P T, 14. P Th, 15. D Z, 16. R W, 17. J Z, alle in S, 18. W L in D, 19. D P in H, 20. R W in S, 21. B J in O, 22. A T in S und 23. Verlassenschaft nach S H, alle vertreten durch die Stix Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Kärntner Straße 10/5, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 5-V-A8771/54-2011, betreffend Enteignung nach dem Burgenländischen Straßengesetz 2005 (mitbeteiligte Partei: Land Burgenland Landesstraßenverwaltung in Eisenstadt, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom wurde gemäß § 3 Abs. 7 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) festgestellt, dass die vom Land Burgenland, Landesstraßenverwaltung, geplante Errichtung der "Umfahrung S" im Zuge der B xx B Straße von km 38,996 bis km 44,133 nicht dem UVP-G 2000 und nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer UVP unterliegt.

Mit Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom , LGBl. Nr. 25/2011, wurde der Straßenverlauf der B xx B Straße (Umfahrung S), der Änderung des Straßenverlaufes der L xxx O Straße und der Verlängerung der L zzz O Straße, bestimmt (Trassenverordnung).

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 5-V-A8771/54-2011, wurden auf Antrag der Mitbeteiligten näher genannte Grundstücke der revisionswerbenden Parteien für den Neubau der B xx B Straße, Abschnitt "Umfahrung S", enteignet (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurden Entschädigungssummen festgesetzt. Spruchpunkt III. regelte, dass der Vollzug des Enteignungsbescheides nicht gehindert werden kann, sobald der Entschädigungsbetrag geleistet oder gerichtlich hinterlegt worden ist. In Spruchpunkt IV. wurde die Entscheidung über den Ersatz der Verfahrenskosten einem gesonderten Bescheid vorbehalten. Als Rechtsgrundlagen wurden in Spruchpunkt V. die §§ 27 bis 30 des Burgenländischen Straßengesetzes 2005 sowie die §§ 17 und 44 des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes 1954 genannt.

Auch im gegenständlichen Verfahren stützte die belangte Behörde ihre Entscheidung im Wesentlichen auf die Rechtsansicht, dass die Trassenverordnung ebenso bindend sei wie der Feststellungsbescheid der Burgenländischen Landesregierung vom . Im Zuge des Ermittlungsverfahrens seien von der UVP-Behörde Sachverständige aus den Bereichen Verkehrstechnik, Luftreinhaltung und Umweltmedizin um gutachterliche Klärung ersucht worden, ob im Fall der Errichtung der gegenständlichen Straße mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Umweltauswirkungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Lage im schutzwürdigen Gebiet der Kategorie D, zu rechnen sei. Die UVP-Behörde sei zum Ergebnis gekommen, dass der Schutzzweck des schutzwürdigen Gebietes durch das gegenständliche Vorhaben nicht wesentlich beeinträchtigt werde. Die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-RL) sehe nicht vor, die Öffentlichkeit schon im Feststellungsverfahren bzw. in der Einzelfallprüfung einzubinden. Auch habe der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , B 254/11, festgestellt, dass die Annahme eines Vorrangs des Art. 10a UVP-Richtlinie gegenüber innerstaatlichem Recht in Übereinstimmung mit dem , Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, schon allein deshalb nicht in Betracht komme, weil diese Bestimmung nicht inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sei, um im Sinne der Rechtsprechung des EuGH die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendbarkeit zu erfüllen. Abgesehen von der Bindungswirkung sei die Planung einer niveaugleichen Kreuzung mit "Weg 4" nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt, nur um die gemäß Anhang 1 Z 9 lit. a UVP-G 2000 erforderliche UVP für Schnellstraßen zu umgehen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom , B 1503/2011-19, ablehnte und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In seinem Beschluss führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, die in der Beschwerde behaupteten Verstöße gegen das Burgenländische Straßengesetz 2005 seien nicht zu erkennen. Ein Straßenbaubewilligungsverfahren sei verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Allfällige Genehmigungspflichten für die Errichtung der Landstraße nach anderen Bundes- oder Landesgesetzen (insbesondere nach dem UVP-G 2000) seien für die Gesetzmäßigkeit der Verordnung, die nur den Straßenverlauf festlege, ohne Bedeutung. Somit erscheine die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm so wenig wahrscheinlich, dass die Beschwerde keine ausreichende Aussicht auf Erfolg habe.

In der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Revision beantragten die revisionswerbenden Parteien die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Mit Beschluss vom , Zl. Ro 2014/06/0047-11, setzte der Verwaltungsgerichtshof das gegenständliche Verfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in jener Rechtssache, in der er mit hg. Beschluss vom , Zl. 2012/04/0040, angerufen worden war, aus.

Mit Urteil vom , Rechtssache C-570/13 (Fall Gruber) führte der EuGH zu dem Vorabentscheidungsersuchen vom , Zl. 2012/04/0040, im Wesentlichen aus, dass eine Verwaltungsentscheidung, mit der festgestellt werde, dass für ein Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei, keine Bindungswirkung gegenüber Nachbarn habe, die zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337/EWG (UVP-RL) gehörten, die Kriterien des nationalen Rechts in Bezug auf das "ausreichende Interesse" oder die "Rechtsverletzung" erfüllten und vom Recht auf Erhebung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung ausgeschlossen seien.

Mit Schriftsatz vom teilte der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Parteien mit, dass R W als Rechtsnachfolger (Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes E vom ) seiner verstorbenen Mutter, K W, in deren Rechtsposition eintrete. Das Verlassenschaftsverfahren nach S H sei noch anhängig, das Vollmachtsverhältnis sei diesbezüglich aufrecht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf eine vom Verfassungsgerichtshof nach dem gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Bescheidbeschwerde ist § 4 VwGbk-ÜG sinngemäß anzuwenden (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ro 2014/06/0055, mwN).

In der Revision wird mit jeweils umfassender Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Enteignung sei nicht notwendig, die Entscheidung leide unter einem Begründungsmangel, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Antragsbindung im Enteignungsverfahren vor, die Wirtschaftlichkeit des Straßenvorhabens fehle, die Enteignung sei ungeeignet zur Erfüllung des Enteignungszweckes, das Vorhaben sei UVP-pflichtig, gegen den UVP-Feststellungsbescheid habe mangels Parteistellung von den revisionswerbenden Parteien nicht vorgegangen werden können, der UVP-Feststellungsbescheid betreffe außerdem einen anderen Verfahrensgegenstand als das vorliegende Enteignungsverfahren, es fehlten weitere materienrechtliche Bewilligungen (nach dem Wasserrechtsgesetz, dem Burgenländischen Naturschutzgesetz, dem Denkmalschutzgesetz), die Vorgaben des Immissionsschutzgesetzes-Luft würden nicht eingehalten, es lägen Verletzungen von Verfahrensvorschriften betreffend zu kurze Fristsetzung für fachliche Gegenstellungnahmen und die Unbefangenheit eines Sachverständigen vor.

Der vorliegende Fall gleicht sowohl hinsichtlich des relevanten Sachverhaltes als auch der Begründung zu den entscheidungswesentlichen Rechtsfragen jenem, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2015/06/0001, zugrunde lag, sodass gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen wird.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
LStG Bgld 2005;
VwGG §30 Abs2;
Schlagworte
Interessenabwägung
Entscheidung über den Anspruch
Zwingende öffentliche Interessen
Verschiedene Rechtsgebiete Wegerecht und Straßenrecht
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014060047.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAE-90265