VwGH vom 22.05.1953, 3026/52
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Koprivnikar als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hückel als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. HE in B gegen den Bescheid der Berufungskommission für Niederösterreich vom , Sen. VIII, Zl. VI - 2107/1952, betreffend Gewerbesteuer 1950 zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist praktischer Arzt in der Ortschaft B, Bezirk Gmünd Niederösterreich, und hält auch eine ärztliche Hausapotheke. Nach seiner Umsatzsteuererklärung für 1950 hatte er aus der ärztlichen Praxis einen Umsatz von 60.056 S, aus der Apotheke einen solchen von 24.830 S erzielt. Das Finanzamt stellte seine Einkünfte aus der ärztlichen Praxis mit 25.415 S und seinen Gewinn aus dem Betrieb der Hausapotheke mit 3.415 S fest, und veranlagte den Beschwerdeführer von der Summe dieser Einkünfte abzüglich von Beträgen für Sonderausgaben und aussergewöhnliche Belastung zur Einkommensteuer. Daneben unterzog es den Ertrag der Hausapotheke auch der Gewerbesteuer. Der Beschwerdeführer hat diese Ziffern und die entfallende Umsatz- und Einkommensteuer nicht bestritten, hat jedoch gegen die Unterstellung des Gewinnes aus der Hausapotheke unter die Gewerbesteuerpflicht mit der Begründung berufen, daß der Betrieb der Hausapotheke nicht als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anzusehen sei. Die Berufungskommission hat die Berufung mit der Begründung abgewiesen, dass alle Merkmale eines selbständigen Gewerbebetriebes, insbesondere auch das der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr bei dem Betrieb der Hausapotheke zuträfen.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Die Beschwerde macht geltend, dass beim Betrieb einer Hausapotheke die wesentlichen, für die Annahme der Gewerbesteuerpflicht erforderlichen Merkmale fehlen. Die Einkünfte aus dem Apothekenbetriebe machten vorliegend nur 1/8 derjenigen aus der sonstigen ärztlichen Tätigkeit aus. Erwäge man dazu, welche Arbeit mit dem Hausapothekenbetriebe verbunden sei, so könne man wohl nur von einer ganz geringen Entlohnung, keinesfalls aber von einer Bereicherungsabsicht des Beschwerdeführers sprechen. Auch die Selbständigkeit mangle, denn eine Hausapotheke könne niemals selbständig, sondern nur von einem praktischen Arzt betrieben werden, sie sei nur ein Annex der ärztlichen Praxis. Das Merkmal der Nachhaltigkeit der Tätigkeit fehle deswegen, weil die Hausapothekenbefugnis jederzeit zurückgenommen werden könne, wenn eine öffentliche Apotheke in dem gleichen Ort oder in der Umgebung bewilligt würde. Die Befugnis erlösche mit dem Ausscheiden des Arztes aus der Praxis, es gebe keinen Witwenbetrieb. Der Bestand der Hausapotheke sei also niemals gesichert. Auch eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liege nicht vor, weil der Arzt die Medikamente nur an die in seiner eigenen Behandlung stehenden Kranken und nur im Notfalle an die Patienten eines anderen Arztes verabreichen dürfe und weil der Inhaber einer Hausapotheke mit keiner öffentlichen Apotheke in Wettbewerb trete. Die Haltung einer Hausapotheke dürfe nämlich nur dann bewilligt werden, wenn sie keine öffentliche Apotheke in ihrem Bestand bedrohe. § 9 des Ärztegesetzes, BGBl. Nr. 92/1949, verbiete dem Arzt jegliche Art Werbung und Anpreisung. Die Haltung einer Hausapotheke sei nur eine Ergänzung der technischen Ausstattung eines Arztes, wie etwa die Anschaffung von elektro-medizinischen oder sonstigen ärztlichen Geräten. Im übrigen ergebe sich aus dem Kommentar Blümich zur Einkommensteuer, Anmerkung 7 b zu § 15, dass die Unterhaltung einer Hausapotheke den Charakter einer gewerblichen Tätigkeit dann verliere, wenn die Tätigkeit ein notwendiges Hilfsmittel für die freiberufliche Tätigkeit sei und nicht als besondere Gewinnquelle gehandhabt werde. Auch das Verfahren vor den Finanzbehörden sei mangelhaft geblieben, da nicht erhoben worden sei, inwieferne der Betrieb der Hausapotheke zur Ergänzung der ärztlichen Praxis des Beschwerdeführers notwendig sei, den Umfang eines Notapparates übersteige, zur Deckung des öffentlichen Bedürfnisses nötig sei und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstelle.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Nach § 2 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inlande betrieben wird. § 7 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes setzt den Begriff des Gewerbebetriebes dem einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung gleich, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn sie weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes oder als andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes anzusehen ist.
Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass die Haupttätigkeit des Beschwerdeführers, seine ärztliche Praxis, die Ausübung eines freien Berufes im Sinne des § 18 EStG darstellt. Ebenso unbestritten ist, dass ein Apothekenbetrieb an sich als gewerblicher Betrieb gelten muss. Zu untersuchen ist jedoch, ob auch der nach den §§ 28 ff des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, vorgesehene Betrieb einer "Hausapotheke" durch einen praktischen Arzt als gewerblicher Apothekenbetrieb anzusehen ist. Dass es sich beim Betrieb einer Hausapotheke um eine nachhaltige Betätigung handelt, kann nicht ernstlich in Abrede gestellt werden, da er eine wiederholte Tätigkeit des Arztes erfordert. Es besteht im Sinne des Steuerrechts aber auch Gewinnerzielungsabsicht, d.i. die Absicht, höhere als die zur Deckung der Selbstkosten nötigen Einnahmen zu erzielen. Auch Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist gegeben, denn die Tätigkeit erstreckt sich auf einen unbestimmten Personenkreis, nämlich auf jeden Kranken, der sich in die Behandlung des betreffenden Arztes begibt, oder die Verordnung eines anderen Arztes vorweist, wann das Medikament im letztgenannten Falle aus einer öffentlichen Apotheke nicht mehr rechtzeitig beschafft werden kann. Schließlich stellt die Führung einer Hausapotheke auch eine persönlich selbständige Tätigkeit dar, weil sie vom betreffenden Arzt auf eigene Rechnung und Verantwortung geführt wird. Allein der Begriff des Gewerbebetriebes setzt auch das Merkmal der sachlichen Selbständigkeit voraus. Sachliche Selbständigkeit aber bedeutet die Ausgestaltung eines Betriebes zu einer in sich abgeschlossenen, für sich bestehenden Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr; sachlich selbständig ist ein Gewerbebetrieb nur, wenn er für sich allein eine wirtschaftliche Einheit bildet (siehe Blümich-Boyens "Gewerbesteuergesetz", 2. Auflage, S. 44). Eine solche sachliche Selbständigkeit aber muß dem Betriebe einer Hausapotheke im allgemeinen abgesprochen werden, da es sich dabei in aller Regel um eine bloße unselbständige Hilfstätigkeit handelt, die mit der Ausübung des freien ärztlichen Berufes unter Umständen zwangsläufig verbunden ist und bei der das Streben nach Gewinnerzielung gegenüber den Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege in den Hintergrund tritt.
Das ergibt sich schon aus der gesetzlichen Regelung des Gegenstandes. So knüpft § 29 des Apothekengesetzes die Bewilligung zur Errichtung einer Hausapotheke eines Arztes an die Bedingung, dass sich in der betreffenden Ortschaft keine öffentliche Apotheke befindet und mit Rücksicht auf die Entfernung der nächsten derartigen Apotheke ein Bedürfnis nach einer Verabreichungsstelle von Heilmitteln besteht. Die Bewilligung ist zurückzunehmen, wenn die Hausapotheke infolge der Errichtung einer öffentlichen Apotheke in der Umgebung entbehrlich geworden ist. § 30 des nämlichen Gesetzes berechtigt und verpflichtet den Arzt, ein Heilmittel aus seiner Hausapotheke zu verabfolgen, wenn ein solches von einem anderen Arzt verordnet wird und aus einer öffentlichen Apotheke nicht mehr rechtzeitig beschafft werden könnte. Aus all diesen Vorschriften ist zu ersehen, dass die Einrichtung der ärztlichen Hausapotheken vom Gesetz als bloßes Hilfsmittel gedacht ist, das die Ausübung des ärztlichen Berufes auch in Orten ermöglichen soll, in denen keine öffentliche Apotheke zur Verfügung steht, dass die betreffenden Vorschriften also, ähnlich wie die Bestimmungen des § 33 des Apothekengesetzes über den pharmazeutischen Notapparat oder die an ihre Stelle getretenen Bestimmungen des § 13 des Ärztegesetzes, nichts anderes bezwecken, als die gesundheitliche Betreuung der Bevölkerung im Bedarfsfalle dadurch sicherzustellen, dass es die Ärzte zu einer Tätigkeit heranzieht, die zu ihrer wesentlichen Berufsausübung als bloße Hilfstätigkeit hinzuzutreten hat.
Hält man sich schließlich im gegebenen Fall vor Augen, dass die Einkünfte des Beschwerdeführers aus dem Betriebe der Hausapotheke nach den Feststellungen der Finanzbehörde bloß ungefähr ein Achtel seiner sonstigen Einkünfte aus der öffentlichen Praxis ausmachen, so besteht kein Grund, anzunehmen, dass die Heilmittelabgabe durch den Beschwerdeführer über den Rahmen des zur Ermöglichung seiner ärztlichen Tätigkeit Notwendigen und damit über den Rahmen einer unselbstständigen Hilfstätigkeit hinausgeht und dass damit ein besonderer Gewinn erstrebt werden sollte, und so kann die Führung der Hausapotheke durch den Beschwerdeführer nicht als sachlich selbständige gewerbliche Tätigkeit gewertet werden.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, musste ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Damit erübrigt es sich, auf die Beschwerdeeinwendungen gegen das Verfahren einzugehen.
Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte nach § 47 VwGG keine Folge gegeben werden, weil dem Beschwerdeführer im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ein Anspruch auf Ersatz entsprechender Kosten auch im Falle des Obsiegens gemäß § 61 AbgRG (BGBl. Nr. 60/1949) nicht zugestanden wäre.
Wien, am