VwGH vom 09.11.2011, 2011/16/0198
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der M in G, vertreten durch Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ. 1 Jv 1997/11z-33-2, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr in Ablichtung vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin brachte am beim Bezirksgericht Graz-Ost einen Antrag auf Erlassung von einstweiligen Verfügungen gemäß § 382b EO und § 382e EO gegen ihren Ehegatten ein. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a und c ZPO. Dieses Verfahren wurde beim Bezirksgericht Graz-Ost unter dem Aktenzeichen X geführt.
Mit Beschluss vom wurde der Beschwerdeführerin für das genannte Verfahren die Verfahrenshilfe bewilligt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-Ost vom selben Tag wurde dem Antrag auf Erlassung einstweiliger Verfügungen in der Form stattgegeben, dass dem Ehegatten der Beschwerdeführerin bis zur Einleitung eines Scheidungsverfahrens die Rückkehr in die Wohnung untersagt wurde.
Am brachte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für diese beim Bezirksgericht Graz-Ost die Klage auf Ehescheidung ein. Die Klage enthält auf der ersten Seite den Vermerk "Verfahrenshilfe bewilligt" und "GZ X". Das Ehescheidungsverfahren wird beim Bezirksgericht Graz-Ost unter dem Aktenzeichen Y geführt.
Am beantragte die Beschwerdeführerin die Bewilligung der Verfahrenshilfe auch für das Ehescheidungsverfahren, welche ihr mit Beschluss vom im Umfang des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a und c ZPO bewilligt wurde.
Nach Erlassung einer Zahlungsaufforderung schrieb die Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Graz-Ost der Beschwerdeführerin mit Zahlungsauftrag vom , Zl. Y-VNR 1, Pauschalgebühr nach Anmerkung 9 zu TP 1 GGG von EUR 269,-- sowie die Einhebungsgebühr nach § 6 Abs. 1 GEG von EUR 8,-- zur Zahlung vor.
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin erhob dagegen Einwendungen, welche von der belangten Behörde als Berichtigungsantrag gewertet wurden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag der Beschwerdeführerin nicht statt und führte begründend aus, im Beschwerdefall sei der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr mit der Einbringung der Klage am entstanden. Die mit Beschluss vom , Y-6, bewilligte Verfahrenshilfe sei erst mit Antragstellung, also mit , wirksam geworden und umfasse daher nicht die Pauschalgebühr für die Klage.
Was den Einwand der Beschwerdeführerin betreffe, das Gericht habe von sich aus für die Klage den Akt Y eröffnet, sei sie darauf hinzuweisen, dass die Eintragung unter einem eigenen Aktenzeichen entsprechend den Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm, des Gerichtsorganisationsgesetzes und der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz vorgenommen worden sei, weil dem Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung einerseits und der Ehescheidungsklage andererseits gesonderte Schriftsätze zu Grunde gelegen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich - immerhin erkennbar - in ihrem Recht verletzt, hinsichtlich ihrer Scheidungsklage nicht mit Gerichtsgebühren belastet zu werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf Grund des § 2 Z 1 lit. a GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz u.a. mit der Überreichung der Klage begründet.
Nach § 2 Z 1 lit. d GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr für das Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen außerhalb eines Zivilprozesses mit der Überreichung des Antrages, bei Protokollaranträgen mit dem Beginn der Niederschrift begründet.
Gem. § 8 GGG sind die Bestimmungen über die Verfahrenshilfe im Zivilprozess (§§ 63 bis 73 ZPO) hinsichtlich der Gebührenfreiheit auch außerhalb des Zivilprozesses in allen anderen Verfahrensarten einschließlich im Strafverfahren auf Grund von Privatanklagen sinngemäß anzuwenden.
Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, so tritt nach § 9 Abs. 1 GGG die Gebührenfreiheit mit dem Tag ein, an dem sie beantragt worden ist; sie erstreckt sich nur auf Schriften und Amtshandlungen, deren Gebührenpflicht zu diesem Zeitpunkt oder erst später entsteht (§ 2). Wird einer Partei die Verfahrenshilfe auf Grund eines Antrages bewilligt, den sie anlässlich ihrer ersten Verfahrenshandlung gestellt hat, so erstreckt sich die Gebührenfreiheit auch auf das vorangegangene Verfahren.
Die Gebührenfreiheit auf Grund der Verfahrenshilfe gilt nach § 9 Abs. 2 GGG nur für das Verfahren, für das sie bewilligt wurde, einschließlich des Rechtsmittelverfahrens und des Exekutionsverfahrens, solange keine Änderung an der Gewährung der Verfahrenshilfe eintritt.
Nach § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO kann die Verfahrenshilfe für einen bestimmten Rechtsstreit und ein spätestens innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Rechtsstreites eingeleitetes Vollstreckungsverfahren die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren umfassen.
Der Pauschalgebühr nach TP 1 des GGG unterliegen nach deren Anmerkung 1 u.a. alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen. Die Pauschalgebühr ist ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob das Verfahren bis zum Ende durchgeführt wird.
Neben der Pauschalgebühr sind nach Anm. 4 zu TP 1 in Verfahren erster Instanz keine weiteren Gerichtsgebühren zu entrichten; dies gilt auch für Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen, die in einem zivilgerichtlichen Verfahren gestellt werden.
Nach § 378 Abs. 1 EO kann das Gericht sowohl vor Einleitung eines Rechtsstreites als während desselben und während des Exekutionsverfahrens zur Sicherung des Rechtes einer Partei auf Antrag einstweilige Verfügungen treffen.
Das Gericht hat nach § 382b Abs. 1 EO einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf deren Antrag das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen (Z 1) und die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten (Z 2), wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient.
Bei einstweiligen Verfügungen nach Abs. 1 ist nach Abs. 2 leg. cit. keine Frist zur Einbringung der Klage (§ 391 Abs. 2) zu bestimmen, wenn die einstweilige Verfügung für längstens sechs Monate getroffen wird.
Wenn eine einstweilige Verfügung vor Eintritt der Fälligkeit des von der antragstellenden Partei behaupteten Rechtes oder sonst vor Einleitung des Prozesses oder der Exekution bewilligt wird, ist nach § 391 Abs. 2 EO im Beschlusse eine angemessene Frist für die Einbringung der Klage oder für den Antrag auf Bewilligung der Exekution zu bestimmen. Nach vergeblichem Ablaufe der Frist ist die getroffene Verfügung auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben.
Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin am den Antrag auf einstweilige Verfügungen gem. § 382b EO und gem. § 382e EO eingebracht. Diesen Antrag hat die Beschwerdeführerin vor Einleitung eines Rechtsstreits gestellt, brachte sie doch die Ehescheidungsklage rund vier Monate nach dem Antrag auf einstweilige Verfügungen ein. Damit hat sie aber zwei getrennte gebührenrechtlich relevante Sachverhalte verwirklicht. Sie hat zunächst den Tatbestand der Anm. 4 zu TP 1 und in der Folge jenen nach Anm. 1 zu TP 1 GGG erfüllt. Dass das Gericht den Antrag und die Klage unter verschiedenen Aktenzahlen protokollierte, ist als Folge der Vorgehensweise der Beschwerdeführerin zu betrachten, ist aber - anders als die Beschwerde offensichtlich vermeint - für die gebührenrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend.
Der Beschwerdeführerin wurde Verfahrenshilfe zunächst ausschließlich hinsichtlich des Verfahrens betreffend die einstweiligen Verfügungen gewährt. Die Beschwerdeführerin konnte schon deswegen nicht davon ausgehen, dass das Ehescheidungsverfahren von der Gewährung der Verfahrenshilfe betreffend das Verfahren auf Erlassung der einstweiligen Verfügungen umfasst gewesen ist. Die Gewährung der Verfahrenshilfe auch für die Gerichtsgebühr betreffend das Ehescheidungsverfahren hätte zur Voraussetzung gehabt, dass sie den diesbezüglichen Antrag spätestens gemeinsam mit der Klage einbringt. Dies hat die - rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführerin unstrittig nicht getan. Die Antragstellung erst am erweist sich somit hinsichtlich der Gerichtsgebühren als verspätet.
Die Beschwerdeführerin verweist nun darauf, sie habe auf der Scheidungsklage die Aktenzahl des Verfahrens auf Erlassung der einstweiligen Verfügung angebracht. Das Bezirksgericht wäre gem. § 59 Geo verpflichtet gewesen, die Scheidungsklage unter Hinweis auf die Rechtsansicht, dass "für die Scheidungsklage ein neuer Akt zu eröffnen sei, zur Verbesserung zurückzustellen", sodass sie rechtzeitig mit der neuerlichen Einreichung der Scheidungsklage einen Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe hätte stellen können.
Auch dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zu einem Erfolg zu verhelfen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auf der Ehescheidungsklage angebrachten Vermerke ("GZ X" und "Verfahrenshilfe bewilligt") überhaupt als ein Formgebrechen iSd der Bestimmung des § 59 Geo angesehen werden können. Der Gebührenanspruch war im Beschwerdefall nämlich gem. § 2 Abs. 1 lit. a GGG jedenfalls bereits unabhängig von einem allfälligen Verbesserungsauftrag mit der Überreichung der Klage entstanden (vgl. dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 2006/16/0040). Dass der am eingebrachte Schriftsatz nicht sämtliche Merkmale einer Klage aufgewiesen hätte oder vom Gericht nicht als solche behandelt worden wäre, behauptet die Beschwerdeführerin im Übrigen nicht.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Durch die Entscheidung in der Sache erübrigt sich eine Entscheidung der Berichterin, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am