VwGH vom 29.09.2011, 2011/16/0197

VwGH vom 29.09.2011, 2011/16/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des L in R, vertreten durch Gerhard Friedl, Steuerberater in 4707 Schlüßlberg, Marktplatz 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. FSRV/0108-L/10, miterledigt FSRV/0109- L/10, betreffend Aufschub des Strafvollzuges und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Antrages auf Aufschub des Strafvollzuges, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde, dem dieser in Ablichtung angeschlossenen Bescheid und dem denselben Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/16/0144, ist Folgendes zu entnehmen:

Der Beschwerdeführer war in dem gegen ihn durchgeführten Finanzstrafverfahren durch seinen Steuerberater als Verteidiger vertreten.

Mit Beschluss des Landesgerichtes R vom , x, wurde über das Vermögen des Beschwerdeführers das Konkursverfahren eröffnet.

Am wurde im erwähnten Finanzstrafverfahren nach in Anwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführter mündlicher Verhandlung vor dem Spruchsenat das Erkenntnis verkündet, womit der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hinsichtlich näher genannter Zeiträume schuldig erkannt wurde. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses wurde dem Beschwerdeführer am an dessen Wohnanschrift zugestellt. Eine Berufung dagegen erhob der Beschwerdeführer nicht.

Die Aufhebung des Konkurses erfolgte mit Gerichtsbeschluss vom .

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt einen Antrag des Beschwerdeführers auf Aufschub des Strafvollzuges des noch offenen Teiles der über ihn verhängten Ersatzfreiheitsstrafe und einen Antrag, dem Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ab. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom (Administrativ )Beschwerde, worin er u.a. vorbrachte, das dem Finanzstrafverfahren zugrunde liegende Straferkenntnis sei "dem falschen Adressaten" zugestellt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer sei im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren durch einen Verteidiger vertreten gewesen, dessen Vollmacht infolge des am eröffneten Konkurses über das Vermögen des Beschwerdeführers (Vollmachtgebers) erloschen gewesen sei. Daher sei das Erkenntnis des Spruchsenates vom zu Recht dem Beschwerdeführer an dessen Wohnanschrift zugestellt worden.

In weiterer Folge begründete die belangte Behörde warum ihrer Ansicht nach der Antrag auf Aufschub des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe abzuweisen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer in seinem Recht "auf Zurückweisung eines Antrages auf Strafaufschub mangels Existenz eines in Rechtskraft erwachsenen Straferkenntnisses" verletzt erachtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 134 FinStrG hat im Verfahren vor dem Spruchsenat der Vorsitzende nach Schluss der mündlichen Verhandlung auf Grund der Ergebnisse der Beratung und Abstimmung das Erkenntnis öffentlich zu verkünden und hiebei die wesentlichen Entscheidungsgründe bekanntzugeben.

Nach § 141 Abs. 1 leg. cit. ist das Erkenntnis schriftlich auszufertigen und sind Ausfertigungen des Erkenntnisses u.a. dem Beschuldigten zuzustellen.

Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat gemäß § 9 Abs. 3 des Zustellgesetzes (ZustG) in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr 10/2004 die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Ein diese Anordnung mißachtender Zustellmangel war bis zur Änderung des § 9 Abs. 3 ZustG durch das Verwaltungs- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 5/2008, nicht heilbar (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/16/0032, VwSlg 8.373/F).

Geldstrafen werden nach § 171 Abs. 1 FinStrG mit Ablauf eines Monats nach Rechtskraft der Entscheidung fällig.

Auf Antrag des Bestraften kann die Finanzstrafbehörde erster Instanz nach § 177 Abs. 1 FinStrG bei Vorliegen triftiger Gründe den Strafvollzug von Freiheitsstrafen aufschieben. Nach § 177 Abs. 2 leg. cit. kommt Anträgen auf Aufschub des Vollzuges eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Die Finanzstrafbehörde hat jedoch auf Antrag des Bestraften die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn durch den sofortigen Vollzug ein nicht wiedergutzumachender Schaden eintreten würde und nicht öffentliche Rücksichten einen Vollzug gebieten.

Die Bestimmungen für den Vollzug von Freiheitsstrafen gelten nach § 179 Abs. 1 FinStrG auch für den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen.

Der Beschwerdeführer führt ins Treffen, die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Spruchsenatserkenntnisses (§ 141 Abs. 1 FinStrG) sei nicht wirksam zugestellt worden, weil sie entgegen der Anordnung des § 9 Abs. 3 ZustG in der zitierten Fassung nicht dem zustellungsbevollmächtigten Verteidiger, sondern ihm selbst zugestellt worden sei.

Träfe diese Annahme des Beschwerdeführers zu, dann wäre die Rechtskraft des Erkenntnisses und davon abhängig die Fälligkeit der verhängten Geldstrafe (§ 171 Abs. 1 FinStrG) nicht eingetreten. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe wäre dann unzulässig, weshalb auch ein Antrag auf Aufschub der Ersatzfreiheitsstrafe als unzulässig zurückzuweisen wäre.

Die belangte Behörde geht demgegenüber davon aus, dass die unstrittige Zustellbevollmächtigung des Verteidigers des Beschwerdeführers durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beschwerdeführers am erloschen war und bei Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses des Spruchsenates somit keine aufrechte Zustellbevollmächtigung mehr bestanden habe.

§ 77 Abs. 1 und 2 FinStrG in der im Beschwerdefall noch maßgebenden Stammfassung lautet:

"(1) Soweit nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, können sich Beschuldigte durch Verteidiger, Nebenbeteiligte durch eigenberechtigte Personen (Bevollmächtigte) vertreten lassen. Als Verteidiger sind die gemäß § 39 StPO in die Verteidigerliste eingetragenen Personen sowie die Wirtschaftstreuhändler zugelassen.

(2) Die Vorschriften der Bundesabgabenordnung über die Bevollmächtigung gelten mit Ausnahme von § 83 Abs. 4 sinngemäß."

Nach § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen.

§ 1024 ABGB in der im Beschwerdefall noch maßgebenden Stammfassung lautete:

"§ 1024. Verfällt der Machtgeber in Concurs; so sind alle Handlungen, die der Gewalthaber nach Kundmachung des Concurses im Namen des Concurs-Schuldners unternommen hat, ohne Rechtskraft. Ebenso erklärt die Verhängung des Concurses über das Vermögen des Machthabers schon an und für sich die erteilte Vollmacht für aufgehoben."

Konsequent dazu regelt § 26 KO (nunmehr IO) das Erlöschen des Auftragsverhältnisses.

Der Beschwerdeführer trägt vor, er habe seinen Steuerberater am zur Vertretung in allen abgabenrechtlichen Angelegenheiten beauftragt. Gleichzeitig sei dieser Wirtschaftstreuhänder auch zur Verteidigung in allfälligen Finanzstrafverfahren bevollmächtigt worden. Zur Verteidigung im konkreten vorliegenden Finanzstrafverfahren sei der Steuerberater speziell bevollmächtigt worden. Sein Mandat habe er mit einer auftragsgemäß erstatteten Selbstanzeige am eröffnet. Am sei über das Vermögen des Beschwerdeführers ein Konkursverfahren eingeleitet worden. Der Masseverwalter habe sich mit dem Mandat des Steuerberaters weder im Abgabenbemessungsverfahren noch im behördlichen Finanzstrafverfahren befasst. Unbestreitbar sei, dass ein zwischen dem Steuerberater und seinem Klienten abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag (laufende Betreuung und Beratung in Steuerangelegenheiten) mit Eröffnung des Konkurses erlösche. Dies begründe, dass ab Konkurseröffnung durch die gesetzlich angeordnete Postsperre beim Konkursanten alle Poststücke dem Masseverwalter zuzustellen seien. Die belangte Behörde stelle auch nicht in Abrede, dass trotz Postsperre Zustellungen im Finanzstrafverfahren nicht beim Masseverwalter erfolgen müssten, sondern beim Beschuldigten oder dessen Verteidiger. Eine tatsächliche Prozesserklärung der Verteidigung hinsichtlich einer Beendigung des Vollmachts- und Auftragsverhältnisses sei im gegenständlichen Finanzstrafverfahren (mit der Rechtsfolge, dass die Zustellung des Erkenntnisses im Jahr 2006 an den Beschuldigten selbst hätte erfolgen müssen) der Aktenlage nicht zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, weshalb durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen die seinem Steuerberater auch im konkreten Finanzstrafverfahren erteilte Vollmacht nicht erloschen wäre. § 1024 ABGB ist zufolge der Bestimmungen des § 77 Abs. 2 FinStrG und des § 83 Abs. 2 BAO anzuwenden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/15/0002). Eine die Norm des § 1024 ABGB verdrängende Bestimmung (wie etwa § 35 Abs. 1 ZPO für die Prozessvollmacht; vgl. etwa das ) besteht für das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren nicht. Es bedurfte daher keiner Prozesserklärung des Beschwerdeführers oder des Masseverwalters.

Durfte die belangte Behörde somit vom Erlöschen der Vollmacht, einschließlich der Zustellvollmacht und deshalb von der wirksamen Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses des Spruchsenates an den Beschwerdeführer selbst und davon abgeleitet von der Fälligkeit der über ihn verhängten Geldstrafe ausgehen, so hatte das Finanzamt über den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufschub der Ersatzfreiheitsstrafe meritorisch abzusprechen.

Im geltend gemachten Recht auf Zurückweisung des Antrages auf Strafaufschub wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid demnach nicht verletzt.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters (§ 14 VwGG) über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung (§ 30 Abs. 2 VwGG) zuzuerkennen.

Wien, am