VwGH vom 18.11.2009, 2009/08/0222
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des MB in B, vertreten durch Dr. Alexander Knotek, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Pergerstraße 12, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2009, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom bis zum gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. § 38 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe und Nachsichtsgründe gemäß § 10 Abs. 3 i.V.m. § 38 AlVG nicht vorlägen.
Der Beschwerdeführer stehe seit im Leistungsbezug, unterbrochen durch einen Krankengeldbezug, eine Ausschlussfrist gemäß § 10 i.V.m. § 38 AlVG und ein kurzes vollversichertes Dienstverhältnis vom bis zum als Helfer bei einem Elektroinstallationsunternehmen. Er habe eine abgeschlossene Ausbildung als Fernseh- und Radiomechaniker mit Lehrabschlussprüfung und suche eine Vollzeitbeschäftigung als Elektroarbeiter in den Bezirken Baden, Mödling, Wiener Neustadt oder in Wien. Während des Leistungsbezuges sei der Beschwerdeführer von den MitarbeiterInnen des Arbeitsmarktservice wiederholt über einzuhaltende Meldeverpflichtungen belehrt worden und sei auch über die Vorgangsweise hinsichtlich der Zusendung passender Vermittlungsvorschläge mit nachfolgender Ergebnismeldung binnen sieben Tagen informiert gewesen. Im Laufe des Jahres 2008 seien dem Beschwerdeführer bis zum Beginn der Ausschlussfrist am insgesamt 25 Vermittlungsvorschläge "zugewiesen" worden. Keine der angebotenen Beschäftigungen habe zu einer Arbeitsaufnahme geführt.
Am sei der Beschwerdeführer nachweislich von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B zur Jobbörse am für die Vollzeitbeschäftigung als Hilfsarbeiter bei einem näher bezeichneten sozialökonomischen Betrieb mit einer Entlohnung im Rahmen des anzuwendenden Kollektivvertrages und möglichem Arbeitsantritt am eingeladen worden.
Der Beschwerdeführer habe am an der "Jobbörse" für den sozialökonomischen Betrieb teilgenommen. Eine Rückmeldung des zuständigen Mitarbeiters der regionalen Geschäftsstelle B habe ergeben, dass der Beschwerdeführer bei der Jobbörse absolut unwillig sowie ungehalten reagiert und erklärt habe, dass das Dienstverhältnis beim sozialökonomischen Betrieb keine Beschäftigung sei und er dort nicht arbeiten wolle. Als er die Entlohnung erfahren habe, habe er diese nur belächelt und angegeben, dass es eine Frechheit sei, dass er als Techniker zu einer nicht akzeptablen Arbeit gezwungen werde.
Der Beschwerdeführer wäre beim sozialökonomischen Betrieb als Hilfskraft im Gartenbereich eingesetzt worden und die Entlohnung hätte laut Kollektivvertrag EUR 1.139,70 betragen.
Der Beschwerdeführer sei am niederschriftlich zu den Gründen des Nichtzustandekommens des Beschäftigungsverhältnisses befragt worden; er habe unter Anderem als Grund hiefür die Entlohnung von EUR 943,-- netto angegeben. Weiters habe er angegeben, dass er nicht als "allgemeiner Hilfsarbeiter" arbeiten wolle, da sein beruflicher Werdegang nicht annähernd der gebotenen Stelle entspreche und er keinerlei Zukunftsperspektiven während und auch nach diesem Beschäftigungsverhältnis sehe. Die Angaben des potenziellen Dienstgebers, wonach er die angebotene Stelle als Gartenarbeiter nicht angenommen habe, habe der Beschwerdeführer bestätigt.
Die belangte Behörde führte weiters aus, dass die Beschäftigung im Rahmen des sozialökonomischen Betriebs ein vollversichertes und den arbeitsrechtlichen Vorschriften entsprechendes Beschäftigungsverhältnis sei und jedenfalls den Zumutbarkeitskriterien des § 9 AlVG entspreche. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten den Tatbestand der Nichtannahme einer Beschäftigung gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verwirklicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die §§ 9 und 10 AlVG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lauten (auszugsweise) wie folgt:
"Arbeitswilligkeit
§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.
...
(7) Als Beschäftigung gilt, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen.
...
§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, ...
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
...
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."
Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
2. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe am an der "Jobbörse" im sozialökonomischen Betrieb teilgenommen und eine "Beschäftigungsmöglichkeit" erörtert. Im Zuge des Bewerbungsgespräches habe er jedoch keine Einsicht in den zu Grunde liegenden Arbeitsvertrag nehmen können, sondern es sei ihm lediglich das voraussichtliche Tätigkeitsfeld sowie die zu erwartende Entlohnung mitgeteilt worden. Mangels Kenntnis der wesentlichen Vertragsbestimmungen, insbesondere der Dienstnehmerrechte und -pflichten, habe der Beschwerdeführer kein Beschäftigungsverhältnis eingehen können und wollen. Es liege damit keine den "Tatbestand der Nichtannahme gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG begründende Weigerung" vor, da die Einsichtnahme in den zu Grunde liegenden Arbeitsvertrag erst die Voraussetzung dafür sei, dass eine zumutbare Beschäftigung angenommen werden könne. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses sei daher nicht vom Beschwerdeführer, sondern vom sozialökonomischen Betrieb zu vertreten.
Die vom Beschwerdeführer in der Niederschrift vom dargelegten Gründe seien demnach bloß sekundärer Natur, wenngleich auch ihnen Berechtigung zukomme. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2002/08/0262, macht der Beschwerdeführer geltend, dass bloß die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ermächtigt sei, Arbeitsgelegenheiten mit der Sanktionsmöglichkeit des § 10 AlVG zu vermitteln, nicht aber auch außerhalb der regionalen Geschäftsstelle stehende Dritte wie im Beschwerdefall "der zuständige Mitarbeiter der Jobbörse". Das Gesetz ermächtige das Arbeitsmarktservice nicht, seine besonderen hoheitlichen Befugnisse an Private zu delegieren. Die angebotene Beschäftigung sei eindeutig weder als Dienstverhältnis noch als Beschäftigungsmaßnahme klassifizierbar, zumal dem Beschwerdeführer kein Arbeitsvertrag vorgelegt worden sei.
3. Zu diesem Vorbringen ist vorweg festzuhalten, dass nach dem angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer ein vollversichertes Dienstverhältnis zu einer näher genannten kollektivvertraglichen Entlohnung angeboten wurde, der Beschwerdeführer jedoch erklärt hat, dass es sich bei diesem Dienstverhältnis um keine Beschäftigung handle und er dort nicht arbeiten wolle.
Gemäß § 41 Abs. 1 VWGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen.
Der Beschwerdeführer hat eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften weder ausdrücklich geltend gemacht noch sonst in der Beschwerdebegründung einen Verfahrensmangel aufgezeigt. Damit kann der belangten Behörde jedoch nicht entgegengetreten werden, wenn sie den von ihr festgestellten Sachverhalt im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG als Weigerung des Beschwerdeführers, die angebotene Beschäftigung anzunehmen, beurteilt hat.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es vor diesem Hintergrund auch nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer keine "Einsicht in den zu Grunde liegenden Arbeitsvertrag" erhalten hat, zumal er die Tätigkeit bei dem sozialökonomischen Betrieb - in Kenntnis der wesentlichen Umstände des Beschäftigungsverhältnisses (Tätigkeit als Hilfskraft im Gartenbereich, konkrete Entlohnung laut Kollektivvertrag und Beschäftigungsbeginn) - rundweg abgelehnt hat.
4. Schließlich vermag auch der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0262, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Nach dem jenem Erkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhalt war die Zuweisung zu einer Wiedereingliederungs- bzw. Schulungsmaßnahme zu beurteilen, die in das rechtliche Kleid eines Arbeitsverhältnisses zu jener Einrichtung gekleidet war, welche die Schulung durchzuführen hatte und der sodann - nach erfolgreicher Durchführung der Maßnahme - die erforderliche weitere Arbeitsvermittlung überlassen worden war. Abgesehen davon, dass durch die seither erfolgte Novellierung des AlVG durch BGBl. I Nr. 104/2007 in § 9 Abs. 7 AlVG ausdrücklich auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines sozialökonomischen Betriebes als Beschäftigung gilt, lässt der im angefochtenen Bescheid festgestellte Sachverhalt auch nicht erkennen, dass eine Vermittlung der Beschäftigung durch Private erfolgt wäre, wurde der Beschwerdeführer doch von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu der möglichen Beschäftigung beim sozialökonomischen Betrieb zugewiesen.
5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-90221