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VwGH vom 11.04.1978, 2705/77

VwGH vom 11.04.1978, 2705/77

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

2752/77

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Schimetschk und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger, über die Beschwerde des ML in K, vertreten durch Dr. Günther Forenbacher, Rechtsanwalt in Graz, Schmiedgasse 31/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 339-2/1976, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein im Handelsregister nicht eingetragener Reifenhändler, der seinen Gewinn nach der Vorschrift des § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelt, setzte in seinem seiner Einkommen- und Gewerbesteuererklärung für 1973 bei- und zugrundgelegten Jahresabschluss 1973 unter den Posten der passiven Rechnungsabgrenzung eine als "Abzinsung Forderungen" bezeichnete Passivpost von S 130.849,-- ein. Im Bericht über eine die Jahre 1971 bis 1973 umfassende Betriebsprüfung vom wurde die Auffassung vertreten, eine Abzinsung von Forderungen aus Warenlieferungen könne neben der bereits vom Unternehmen durchgeführten Abschreibung der dubiosen Forderungen, der Wertberichtigung von Forderungen und der pauschalen 5%igen Delcredere-Rückstellung nicht vorgenommen werden. Das Finanzamt schloss sich in seinen nach Wiederaufnahme der Verfahren erlassenen Einkommensteuer-, Gewerbesteuermess- und Zerlegungsbescheiden 1973 dieser Auffassung an.

In seiner Berufung dagegen brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, es sei nicht ausgeschlossen, dass Forderungen, soweit deren Laufzeit im Durchschnitt über zwei Monate betrage, abgezinst werden könnten. Im gegebenen Fall betrage die durchschnittliche Laufzeit der Forderungen 3,7 Monate, sodass jedenfalls eine Abzinsung möglich gewesen sei und deshalb von den einbringlichen Forderungen per in Höhe von S 3,536.465,-- unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Zinsfußes von 12 % p.a. eine Abzinsung für rund 3,7 Monate im Ausmaß von S 130.849,-- vorgenommen worden sei. Da diese Abzinsung durchaus neben einer pauschalen Wertberichtigung für voraussichtlich uneinbringliche Forderungen in Anspruch genommen werden könne, beantrage der Beschwerdeführer die Anerkennung der im Jahresabschluss 1973 vorgenommenen Abzinsung.

Im Zuge des Verfahrens über diese Berufung gab der Beschwerdeführer über Aufforderung bekannt, unter Berücksichtigung der jährlich steigenden Umsätze hätten sich für die Außenstände als durchschnittliche Laufzeit per 2,06 Monate (bei Forderungen von S 1,186.927,--), per 2,21 Monate (bei Forderungen von S 1,919.800,--), per 2,45 Monate (bei Forderungen von S 3,232.936,--) und per 3,45 Monate (bei Forderungen von S 4,065.363,--) ergeben. Da das Unternehmen 1973 erstmals eine Umsatzgrenze erreicht habe, die etwa auch dem Umfang in der Zukunft entsprechen werde und ebenso erstmalig die durchschnittliche Debitorenlaufzeit drei Monate überschritten habe, sei zum auch erstmals eine Abzinsung der Kundenforderungen vorzunehmen gewesen.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung ab und begründete dies im wesentlichen damit, da der Beschwerdeführer seinen Gewinn nicht nach § 5 EStG 1972 ermittle, sei er nicht verpflichtet, beim Umlaufvermögen den niedrigeren Teilwert anzusetzen, mithin auch nicht verpflichtet, Kundenforderungen abzuzinsen. Da der Beschwerdeführer bisher seine Kundenforderungen nicht abgezinst habe, sei er im Hinblick auf den Grundsatz der Stetigkeit des Bilanzvorganges auch nicht berechtigt, seine Bilanzierungsmethode willkürlich zu ändern. Der Einwand des Beschwerdeführers, per hätten sich unter den mit S 3,232.936,-- aushaftenden Kundenforderungen keine nicht viel mehr als zwei Monate aushaftenden Forderungen befunden, treffe nicht zu, weil der Beschwerdeführer selbst im Berufungsverfahren für diese Forderungen die bereits durchschnittliche Laufzeit mit 2,45 Monaten angegeben habe.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Auch Steuerpflichtige, die - wie der Beschwerdeführer nicht nach § 5 EStG 1972 zur Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei Ermittlung ihres Gewinnes verpflichtet sind, haben das Recht, bei dem ihnen obliegenden Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 leg. cit. unter Beachtung der in der zuletzt genannten Gesetzesstelle (insbesondere ihres letzten Satzes) festgelegten Ausnahmen nach diesen Grundsätzen vorzugehen. Dieses Recht des Beschwerdeführers ist an sich auch zwischen den Parteien dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht strittig, deren Auffassungen nur insoweit auseinander gehen, als sich der Beschwerdeführer unter Berufung auf dieses Recht zu einer Reduktion der ihm gegenüber seinen Kunden zustehenden offenen Forderungen um einen der Höhe nach gleichfalls nicht strittigen Abzinsungsfaktor befugt glaubt, während die belangte Behörde diese Abzinsung bei der gegebenen Sachlage einerseits an sich, insbesondere aber deshalb für unzulässig hält, weil sie darin gegenüber dem Jahr 1972 einen willkürlichen Wechsel in der Bilanzierungsmethode erblickt.

In dem von beiden Streitparteien zitierten Erkenntnis vom , Zl. 1975/62, Slg. Nr. 3080/F, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, es sei allgemeine kaufmännische Übung, Forderungen aus Warenlieferungen "mit einem Zahlungsziel von nicht mehr als zwei Monaten" nicht abzuzinsen, sondern mit dem vollen Nennwert einzusetzen, wobei der von der damaligen Beschwerdeführerin vertretenen Meinung, im Fall einer Betriebsveräußerung sei seitens des Erwerbers eine die Abzinsung für solche Forderungen begehrende Einrede zu erwarten, entgegnet wurde, diese Einrede erscheine wegen der Geringfügigkeit des dort in Anspruch genommenen Abzinsungsbetrages (S 15.820,--) bei einem Forderungsstand von S 975.276,-- und einer Bilanzsumme von S 2,834.000,-- "als durchaus unwahrscheinlich".

Es kann unter Beachtung der in dem eben zitierten Erkenntnis entwickelten Grundsätze, an denen der Verwaltungsgerichtshof festhält, dem Beschwerdeführer nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte eine Abzinsung der Kundenforderungen schon per vornehmen müssen, wenn die durchschnittliche Laufzeit dieser Forderungen - eine Tatsache, von deren Richtigkeit auch die belangte Behörde ausgeht - 2,45 Monate, also noch nicht sehr viel mehr als zwei Monate, betragen hatte. Anderseits geht der auch einen Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelt, verpflichtende Grundsatz der Bewertungsgleichmäßigkeit nicht so weit, dass nicht eine an sich sukzessive sich ergebende, aber letzten Endes für die vorzunehmende Bewertung von Wirtschaftsgütern gewichtige Veränderung nicht zu irgendeinem Zeitpunkt bei der Bewertung erstmals und neu berücksichtigt werden dürfte, ohne dass darin ein Verstoß gegen die "Stetigkeit des Bilanzierungsvorganges" (vgl. das oben angeführte Erkenntnis) gelegen wäre. Gerade wirtschaftliche Entwicklungen, die sich, wie Gesamthöhe und durchschnittliche Laufzeit aushaftender Forderungen gegenüber Kunden, von Jahr zu Jahr nur allmählich, aber mit einer gewissen Kontinuität vollziehen, stellen letzten Endes eine geänderte Situation her, der nur mit einem geänderten Vorgang in der Bewertung entsprochen werden kann. Es liegt in der Natur der Sache, dass die dem sich nur allmählich ändernden wirtschaftlichen Bild adäquate Änderung im Bewertungsvorgang nicht auch allmählich, sondern nur von einem bestimmten Zeitpunkt an vorgenommen werden kann. Unzulässig ist in einem solchen Fall die Vornahme der Änderung in der Methode der Bewertung einer bestimmten Gruppe von Wirtschaftsgütern nur in einem Zeitpunkt, der als ein vom Steuerpflichtigen willkürlich, d.h. ohne jede sachliche Berechtigung gewählter anzusehen wäre.

Das kann nach dem von der belangten Behörde ermittelten Sachverhalt im Falle des Beschwerdeführers für den von diesem erstmals für eine Abzinsung von Kundenforderungen gewählten Stichtag, dem , nicht gesagt werden. Während die durchschnittliche Laufzeit der Forderungen in früheren Jahren eher langsam (von 2,06 auf 2,21 und von da auf 2,45 Monate) zugenommen hatte, war für das maßgebende Wirtschaftsjahr 1973 erstmals ein sprunghafter Anstieg von 2,45 auf 3,45 Monate zu verzeichnen, der mit einem andauernden und kontinuierlichen Anwachsen der Gesamtsumme der Außenstände auf erstmals über S 4,000.000,-- Hand in Hand ging. Wenn dazu die mit einer Notwendigkeit höherer Zinsenzahlungen verbundene Verschärfung der Lage am Kreditmarkt (insbesondere auch gegenüber dem Zustand zur Zeit des zitierten Vorerkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom ) mit in Betracht gezogen wird, konnte nicht gesagt werden, es hätte kein wirtschaftlich gerechtfertigter Anlass bestanden, die offenen Forderungen des Beschwerdeführers gegenüber seinen Kunden zum erstmals unter Berücksichtigung eines Abzinsungsfaktors zu bewerten und dem Betriebsvermögensvergleich in dieser Höhe zu Grunde zu legen. Die "allgemeine kaufmännische Übung", wie sie in dem zitierten Vorerkenntnis und bei Hofstätter-Reichel, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1972, Tz. 8 zu § 6 Z. 2, angeführt wird, stand diesem Vorgang nicht entgegen.

Daraus ergibt sich, dass die Nichtanerkennung eben dieses Vorganges eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründet, die zu dessen Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 führen musste. Wenn die belangte Behörde in ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift darauf hinweist, für Forderungen gelte gemäß § 6 EStG 1972 der Grundsatz der Einzelbewertung, so muss dieser Einwand im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde selbst Ermittlungen über die konkrete Laufzeit konkreter Forderungen nicht durchgeführt und Feststellungen darüber in ihrem Bescheid nicht getroffen, sondern von einer nach dem oben Gesagten verfehlten Rechtsansicht ausgehend die Zulässigkeit einer Abzinsung von Forderungen welcher Art immer im gegebenen Fall verneint hat, in diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf sich beruhen.

Wien, am