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VwGH vom 30.09.2015, Ro 2014/06/0031

VwGH vom 30.09.2015, Ro 2014/06/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätinnen Dr. Bayjones sowie Mag.a Merl als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision der D T in G, vertreten durch Mag. Gerald Gmoser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Bernardgasse 32, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. Präs-045953/2013/0003, betreffend einen Beseitigungsauftrag (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom teilte die Revisionswerberin der Baubehörde erster Instanz gemäß § 21 Steiermärkisches Baugesetz - Stmk. BauG die Errichtung von drei Gebäuden, nämlich einer Gartenhütte mit 20 m2, einer weiteren Gartenhütte mit ebenfalls 20 m2 und eines Gerätehauses mit 40 m2 Grundfläche, an der Südwestseite des Grundstückes Nr. 9/42, KG 63118 R, mit. Die Gebäude werden in Ziegelbauweise auf einem Betonfundament errichtet und mit einem Walmdach mit einer Dachneigung von ca. 40 Grad ausgestattet. Einer ergänzenden Mitteilung vom zufolge beträgt der Abstand der Gebäude zur Grundgrenze 20 cm.

Im Rahmen einer Baukontrolle durch die Erstbehörde am wurde festgestellt, dass drei Gebäude im südwestlichen Grundstückseck der Revisionswerberin in einem Abstand von 20 cm von der Grundstücksgrenze errichtet wurden. Das Gebäude 1 habe eine Grundfläche von ca. 36 m2, daran "angebaut" sei in nördlicher Richtung das Gebäude 2 mit einer Grundfläche von ca. 15 m2, und östlich an das Gebäude 1 schließe das Gebäude 3 mit einer Fläche von ca. 18 m2 an. Das Gebäude 1 sei zum Zeitpunkt der Erhebung als Garage genutzt worden. Dem Erhebungsbericht liegen Fotos vom bei, auf denen das Bauvorhaben im Rohbau zu sehen ist; zwischen den Gebäuden ist eine Fuge von wenigen Zentimeter Breite zu sehen. Auf den ebenfalls beiliegenden Fotos vom ist das Bauvorhaben schon weitgehend fertiggestellt und zwischen den Gebäuden ist kein Abstand zu erkennen.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde der Revisionswerberin gemäß § 43 Abs. 1 Stmk. BauG 1995 aufgetragen, die auf dem Grundstück Nr. 9/42 "errichtete bauliche Anlage", nämlich das auf einem Streifenfundament in einem Abstand von ca. 0,2 m zur westlichen und südlichen Grundgrenze in Massivbauweise errichtete Gebäude - "Gerätehaus" im Ausmaß von ca. 35 m2, "Gartenhütte" im Ausmaß von ca. 15 m2 und eine weitere "Gartenhütte" im Ausmaß von ca. 18 m2 - mit durchgehendem, einheitlichem Walmdach mit Firsthöhe von ca. 5,1 m und ca. 3,5 m binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.

Die dagegen erhobene Berufung der Revisionswerberin vom wurde mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) als unbegründet abgewiesen und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend geändert, dass der Revisionswerberin als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 9/42 aufgetragen werde, den im südwestlichen Eck ihres Grundstückes errichteten, in ca. 20 cm von der westlichen und südlichen Grundgrenze entfernten, L-förmigen eingeschossigen Gebäudekomplex nach Maßgabe der einen Bescheidbestandteil bildenden Lageskizze binnen vier Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides zu beseitigen. Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - nicht von drei selbständigen Bauten auszugehen sei. Auf Grund der durchgängigen Herstellung der Fundamentplatte, der geschlossenen Fugen, der durchgängigen Dachkonstruktion sowie der inneren Verbindung aller drei Bauten sei von einem organischen Zusammenhang bzw. einer baulichen Integration aller drei "Bauteile" auszugehen, was baulich wie optisch zur Annahme eines Gesamtbauwerkes, das heißt, einer baulichen Einheit zwinge. Es handle sich demnach nicht um "selbständige" Gebäude, die lediglich aneinandergebaut worden seien (Hinweis auf mehrere hg. Erkenntnisse zur Frage der baulichen Einheit). Da der gegenständliche Bau eine Gesamtfläche von mehr als 40 m2 - nämlich ca. 78 m2 - aufweise, liege weder ein "Nebengebäude" im Sinn des § 4 Z 47 Stmk. BauG, noch eine Bewilligungsfreiheit gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 lit. g bzw. Z 3 Stmk. BauG vor. Bereits aus diesem Grund sei eine Bewilligungspflicht gemäß § 19 Z 1 Stmk. BauG gegeben. Darüber hinaus scheide eine Bewilligungsfreiheit aus, weil der Bau als Garage zweckgewidmet sei, was sich aus der baulichen Gestaltung der Toröffnung ergebe; dies sei aus zwei im Akt erliegenden Fotos erkennbar. Sofern die Revisionswerberin vorbringe, in dem Gebäude würden nicht "dauerhaft" Kraftfahrzeuge geparkt, werde dem entgegnet, dass ein zeitweises Leerstehen einer Garage nicht den Verlust ihrer Funktion als Garage bedeute. Die Anzeigepflicht gemäß § 20 Z 2 lit. b Stmk. BauG sei vorliegend daher nicht gegeben. Eine Baubewilligung oder eine Baufreistellung liege für die auftragsgegenständlichen Bauführungen nicht vor. Selbst wenn man davon ausginge, dass drei selbständige Gebäude vorlägen, die jeweils gemäß § 21 Stmk. BauG bewilligungsfrei wären, erwiesen sich diese als vorschriftswidrig, weil sie nicht den gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG festgelegten Mindestgrenzabstand von 3 m einhielten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende "Bescheidbeschwerde" (gemeint wohl: Revision gemäß § 4 Abs. 1 VwGbk-ÜG), in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Revisionswerberin vertritt weiterhin die Rechtsansicht, verfahrensgegenständlich seien drei Nebengebäude gemäß § 4 Z 47 Stmk. BauG und nicht ein einheitliches Gebäude. Jeder Baukörper sei für sich alleine in ziegelmassiver Bauweise ausgeführt worden und zwischen den Gebäuden bestünden Fugen. Es bestehe auch keine durchgängige Dachkonstruktion, sondern drei unabhängige Dachstühle. Die räumliche Trennung zwischen den einzelnen Dächern sei aus Gründen der Ableitung von Regenwasser mit einem dünnen Blech verkleidet worden. Beim Bauteil 1 handle es sich auch nicht um eine Garage im Sinne des Stmk. BauG, auch wenn sich während der Begehung ein Kraftfahrzeug für Beladungsarbeiten darin befunden habe. Im gegenständlichen Fall sei nicht ein Mindestabstand von 3 m zur Grundgrenze gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG einzuhalten, sondern es sei § 13 Abs. 10 leg. cit. anzuwenden, wonach Nebengebäude mit Zustimmung des Nachbarn unabhängig von der Bebauungsweise an der Grundgrenze zugelassen werden könnten. In der Mitteilung gemäß § 21 Stmk. BauG hätten die angrenzenden Nachbarn unterschrieben; sohin seien die Nebengebäude im Hinblick auf den Abstand zur Grundstücksgrenze konsensgemäß errichtet worden.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Revisionswerberin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

§§ 4, 13, 19, 20, 21 und 41 Steiermärkisches Baugesetz - Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995, in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 78/2012, lauten auszugsweise:

"§ 4

Begriffsbestimmungen

...

28. Garagen: Gebäude oder Teil eines Gebäudes, welches zum Einstellen von Kraftfahrzeugen bestimmt ist. Als Garagen gelten nicht Ausstellungs- und Verkaufsräume sowie Arbeitsräume zur Instandsetzung von Kraftfahrzeugen;


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29.
...
47.
Nebengebäude: eingeschoßige, ebenerdige, unbewohnbare Bauten von untergeordneter Bedeutung mit einer Geschoßhöhe bis 3,0 m, einer Firsthöhe bis 5,0 m und bis zu einer bebauten Fläche von 40 m2;
48.
...
§ 13
Abstände

(1) ...

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) ...

(10) Mit Zustimmung des Nachbarn können unabhängig von der Bebauungsweise Nebengebäude an der Grundgrenze zugelassen werden.

(11) ...

§ 19

Baubewilligungspflichtige Vorhaben Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus

den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:

Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie größere Renovierungen (§ 4 Z 34a)


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2.
...
3.
die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von Abstellflächen für Kraftfahrzeuge, Garagen und Nebenanlagen;
4.
...
§ 20
Anzeigepflichtige Vorhaben
Anzeigepflichtig sind folgende Vorhaben, soweit sich aus § 21
nichts anderes ergibt:
1.
Neu-, Zu- oder Umbauten von Kleinhäusern im Bauland, wenn die Eigentümer der an den Bauplatz angrenzenden Grundstücke sowie jene Grundeigentümer, deren Grundstücke vom Bauplatz durch ein schmales Grundstück bis zu 6 m Breite (z.B. öffentliche Verkehrsfläche, privates Wegegrundstück, Riemenparzelle u. dgl.) getrennt sind, durch Unterfertigung der Baupläne ausdrücklich ihr Einverständnis mit dem Vorhaben erklärt haben
2.
die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von
a)
...
d)
Nebengebäuden, jeweils wenn die Voraussetzungen nach Z 1 vorliegen.
3.
...
§ 21
Baubewilligungsfreie Vorhaben

(1) Zu den baubewilligungsfreien Vorhaben gehört die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von:

1. Nebengebäuden (mit Ausnahme von Garagen), landesüblichen Zäunen, Folientunnel, Hagelnetzanlagen, Flachsilos, Beregnungsanlagen u. dgl., jeweils nur im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft, sofern keine Nachbarrechte im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 1 und 2 berührt werden;

2. ...

§ 41

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

(1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn


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1.
bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
2.
anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder
3.
baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes ausgeführt werden.

(2) ...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

(4) ..."

Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um ein Nebengebäude handelt, kommt es nach ständiger hg. Rechtsprechung auf das äußere Erscheinungsbild an, das heißt, ob das Bauwerk eine entsprechende bauliche Selbständigkeit aufweist und zwischen ihm und einem anderen Gebäude kein solcher baulicher und funktioneller Zusammenhang besteht, dass beide als eine Einheit betrachtet werden müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0015, mwN).

Dazu führte die belangte Behörde aus, die drei "Bauteile" seien auf einer durchgängigen Fundamentplatte errichtet und die Fugen seien geschlossen worden; es bestehe eine durchgängige Dachkonstruktion sowie eine innere Verbindung aller drei Bauteile, weshalb von einem organischen Zusammenhang bzw. einer baulichen Integration auszugehen sei. Diese Ausführungen decken sich mit den dem Amtsbericht über die am durchgeführte Erhebung beigeschlossenen Fotos vom selben Tag. Die Revision tritt den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach die drei Bauteile über eine innere Verbindung verfügten, nicht entgegen. Auf Grund der nicht als unschlüssig zu erkennenden unbekämpft gebliebenen Feststellungen im Zusammenhang mit den vorgelegten Verwaltungsakten bestehen keine Zweifel, wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, für die drei Bauteile bestehe ein solcher funktioneller Zusammenhang, dass sie als eine Einheit betrachtet werden müssten.

Daraus ergibt sich, dass das Bauvorhaben bereits auf Grund seiner Größe (die bebaute Fläche beträgt unstrittig mehr als 40 m2) kein Nebengebäude im Sinn des § 4 Z 47 Stmk. BauG darstellt und somit gemäß § 19 Z 1 Stmk. BauG bewilligungspflichtig ist. Die Abstandsbestimmung des § 13 Abs. 10 Stmk. BauG kommt in Ermangelung eines Nebengebäudes nicht in Betracht. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Bauteil 1 um eine Garage handelt oder nicht.

Die Revision bestreitet nicht, dass für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben weder eine Baubewilligung noch eine Baufreistellung vorliegt. Vor diesem Hintergrund erging der Beseitigungsauftrag zu Recht und die Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit § 4 VwGbk-ÜG als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG wurde ungeachtet eines Antrages der Revisionswerberin von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil die Schriftsätze des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem steht auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen. Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich), unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch beim Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext: any hearing at all) erfüllt wären, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" (im Originaltext: highly technical) Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/05/1024, VwSlg 16543/A, und vom , Zl. Ra 2014/06/0024, mit weiteren Nachweisen zur jüngeren Rechtsprechung des EGMR).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am