VwGH vom 19.10.2011, 2009/08/0213

VwGH vom 19.10.2011, 2009/08/0213

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des HK in G, vertreten durch Brandstetter, Pritz Partner Rechtsanwälte KG in 1010 Wien, Herrengasse 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2009, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog (nach Beendigung eines näher bezeichneten Dienstverhältnisses) auf Grund seines Antrags vom bis (mit einer Unterbrechung wegen Krankengeld) Arbeitslosengeld. Bei der Antragstellung gab er bekannt, selbständig erwerbstätig zu sein und ein Einkommen von ca. EUR 300,-- monatlich aus dieser Tätigkeit zu erzielen. Der Beschwerdeführer gab monatlich Erklärungen über sein Bruttoeinkommen und den Umsatz ab.

Ab besuchte der Beschwerdeführer im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme einen Kurs, der bis zum dauern sollte. Am meldete er sich krank, weswegen der Leistungsbezug ab diesem Tag eingestellt wurde. Der Beschwerdeführer hat ab wieder am Kurs teilgenommen (und im Zeitraum zwischen 24. April und Krankengeld bezogen). Mit dem AMS war - den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zufolge - vereinbart worden, dass eine persönliche Wiedermeldung erst nach Kursende erforderlich sein sollte.

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer seit wegen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG in der Pensionsversicherung pflichtversichert ist.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der erstinstanzliche Bescheid, womit dem Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld ab eingestellt worden war, bestätigt.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Zuerkennung des Leistungsbezuges bis zum den damals - im Zeitpunkt der Antragstellung - anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen entsprochen habe. Auf Grund der anschließenden Unterbrechung dieses Bezuges bis - und somit von weniger als 62 Tagen - habe für die Geltendmachung gemäß § 46 Abs. 5 AlVG die persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle genügt. Für nach dem Ablauf des geltend gemachte Ansprüche sei laut § 79 Abs. 94 AlVG aber § 12 Abs. 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 104/2007 anzuwenden, wonach für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit sowohl die Beendigung der unselbständigen als auch der selbständigen Beschäftigung wie auch der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung erforderlich sei. Das aufrechte Bestehen der Pflichtversicherung nach dem GSVG in der Pensionsversicherung stehe somit der Annahme von Arbeitslosigkeit entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung der Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Verfügung, wer unter anderem arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

§ 12 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 hat (auszugweise) folgenden Wortlaut:

"(1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:


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a)
wer in einem Dienstverhältnis steht;
b)
wer selbständig erwerbstätig ist;
h)
wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, daß zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von zumindest einem Monat gelegen ist;

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt;

…"

§ 79 Abs. 94 AlVG lautet wie folgt:

"§ 3, § 4, § 11, § 12 Abs. 1, § 14 Abs. 4 lit. a, § 15 Abs. 1, 2, 5 und 8 und § 21 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2007 sowie § 19 Abs. 1 und § 37 in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. I Nr. 104/2007 und BGBl. I Nr. 82/2008 treten mit in Kraft und gelten für nach dem Ablauf des geltend gemachte Ansprüche. Auf vor dem geltend gemachte Ansprüche sind diese Bestimmungen in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiter anzuwenden."

Davor hatte § 12 Abs. 1 AlVG folgenden Wortlaut:

"Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat."

Nach § 16 Abs. 1 lit. a leg. cit. ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Bezuges von Kranken- oder Wochengeld sowie bei Nichtgewährung von Krankengeld gemäß § 142 Abs. 1 ASVG.

§ 46 Abs. 5 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet wie folgt:

"Wird der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen oder ruht der Anspruch (§ 16), wobei der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein nicht bekannt ist, so ist der Anspruch auf das Arbeitslosengeld oder auf den Fortbezug neuerlich persönlich geltend zu machen. Wenn der Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum 62 Tage nicht übersteigt, so genügt für die Geltendmachung die persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Die regionale Geschäftsstelle kann die arbeitslose Person vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache entbinden, wenn kein Zweifel an der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung besteht und keine persönliche Abklärung zur Wahrung oder Verbesserung der Vermittlungschancen erforderlich ist. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung."

In der Beschwerde wird zusammengefasst eingewendet, dass es sich im vorliegenden Fall um keine neue Antragstellung, sondern lediglich um eine Wiedermeldung handle, welche einen Fortbezug aus dem (während des Bezuges von Krankengeld) ruhenden Anspruch auf Arbeitslosengeld bewirke. Es widerspreche dem Sinn und dem Zweck des § 46 Abs. 5 AlVG, eine solche Wiedermeldung als neuerliche Geltendmachung iSv § 79 Abs. 94 leg. cit. zu qualifizieren.

Dazu ist festzuhalten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0116, zu der mit der Novelle BGBl. Nr. 412/1990 erfolgten Einfügung des § 46 Abs. 5 AlVG - dessen erster und zweiter Satz sind in der hier anzuwendenden Fassung im Wesentlichen gleichlautend geblieben - Folgendes ausgeführt:

"Zur Rechtslage vor der mit der Novelle BGBl. Nr. 412/1990 erfolgten Einfügung des § 46 Abs. 5 AlVG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0209, unter Bezug auf das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2763/A, und das Schrifttum ausgesprochen, daß die Gewährung des Arbeitslosengeldes nach Wegfall eines Ruhenstatbestandes nicht neuerlich die Geltendmachung des Anspruches nach § 46 AlVG voraussetzt und daher die Leistung auch bei späterer Meldung schon ab dem Wegfall des Ruhenstatbestandes gebührt. Begründet wurde dies damit, daß ein ruhender Anspruch (also ein Anspruch, dessen Ruhen ex lege eingetreten ist) bereits einmal gemäß § 46 AlVG geltend gemacht worden sein muß, ein solcher Anspruch aber - wenn das Gesetz nichts anderes vorsieht - nach dem Ex-lege-Wegfall des Ruhenstatbestandes keiner neuerlichen Geltendmachung bedarf. Die in einem solchen Fall an die Behörde erstattete Meldung hat nicht etwa den Zweck, die Entstehung des Anspruches herbeizuführen, sondern soll lediglich die Behörde vom Wegfall des Ruhenstatbestandes unterrichten (so im Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2763/A).

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur AlVG-Novelle BGBl. Nr. 412/1990 (1302 Blg. NR XVII. GP, 6) heißt es:

'Durch den neuen § 46 Abs. 5 soll im Interesse des Arbeitslosen klargestellt werden, daß im Falle von Unterbrechungen oder Ruhen des Leistungsbezuges eine weitere formelle Geltendmachung nur zu erfolgen hat, wenn das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes nicht bekannt ist und der Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum zwei Monate übersteigt. In übrigen Fällen genügt die Wiedermeldung beim Arbeitsamt … .'

Entgegen diesen Bemerkungen erfolgte mit der Einfügung des § 46 Abs. 5 AlVG durch die genannte Novelle gegenüber der wiedergegebenen Rechtslage vor ihr nicht nur eine 'Klarstellung'. Nunmehr ist nämlich auch für die Fälle, in denen 'der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen oder das Ruhen des Anspruches (§ 16) ausgesprochen' wird, unter der weiteren Voraussetzung, daß 'dem Arbeitsamt das Ende des Unterbrechungs- bzw. Ruhenszeitraumes nicht bekannt ist', die grundsätzliche Verpflichtung des Arbeitslosen zur neuerlichen Geltendmachung seines Anspruches (im Sinne des § 46 Abs. 1 AlVG, das heißt mit den darin vorgesehenen Erfordernissen und Rechtswirkungen) statuiert. Von diesem Grundsatz sieht der zweite Satz für die Fälle, in denen 'in der Folge der Unterbrechungs- bzw. Ruhenszeitraum 62 Tage nicht übersteigt', eine Ausnahme dergestalt vor, daß 'für die Geltendmachung die persönliche Wiedermeldung beim Arbeitsamt' genügt. …"

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Unterbrechungsbzw. Ruhenszeitraum weniger als 62 Tage betragen hat. Damit lag im Sinn der obigen Ausführungen der im zweiten Satz der Bestimmung statuierte "Ausnahmefall" vor, in welchem nicht neuerlich der Anspruch geltend zu machen ist, sondern die persönliche Wiedermeldung (nunmehr: bei der regionalen Geschäftsstelle des AMS) genügt.

Diese "Wiedermeldung" stellt aber weder eine "Geltendmachung des Anspruches" iSd § 79 Abs. 94 AlVG dar, noch einen Antrag auf Fortbezug iSd § 19 AlVG, weil dies ein vorheriges Erlöschen des Bezugsanspruches (und nicht bloß dessen vorübergehendes Ruhen) erfordern würde. Es liegt daher hier keine "Geltendmachung" vor, zumal diese Bestimmung nicht auf die Geltendmachung im Sinne der Inanspruchnahme eines bereits gebührenden Anspruches, sondern eben auf den Rechtsakt abstellt, welcher die Entstehung des Anspruches herbeiführt.

Da die belangte Behörde dies verkannte und zu Unrecht § 12 Abs. 1 idF BGBl. I Nr. 104/2007 Anwendung finden ließ, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am