VwGH vom 15.06.2010, 2007/05/0261
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des Dipl. Ing. W P in Wien, vertreten durch Giger, Ruggenthaler und Partner Rechtsanwalts KG in 1010 Wien, Kärntner Straße 12, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-46/05, betreffend Antrag auf Rückstellung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom als Eigentümer der Liegenschaften EZ 814 (bestehend aus dem GST-Nr 337/1 Baufl. (begrünt)) und der EZ 537 (bestehend aus den GST-Nr 345/1 Baufl. (Gebäude) und Baufl. (begrünt)), beide KG Obersievering, gemäß § 58 Abs. 2 lit. d der Bauordnung für Wien (BO) die unentgeltliche und lastenfreie Rückstellung von auf Grund des Bescheides des Magistrats der Stadt Wien vom ins öffentliche Gut abgetretenen Teilflächen der Grundstücke Nrn. 337/1 und 345/1.
Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass im Jahr 1932 den Eigentümern der genannten Grundstücke zur Verbreiterung des Ährengrubenweges (damals noch "Gasse 5" genannt) bescheidmäßig die unentgeltlich und lastenfreie Übertragung von Teilstücken dieser Grundstücke in das öffentliche Gut auferlegt worden sei. Obwohl die Verbreiterung des Ährengrubenweges Anlass für die Enteignung im Jahr 1932 gewesen und in allen seit 1932 erlassenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen vorgesehen sei, sei diese bis zum heutigen Tag nicht durchgeführt worden. Der vom Gemeinderat mit Beschluss vom beschlossene Flächenwidmungs- und Bebauungsplan betreffend das im hier relevanten Plandokument Nr. 6665 unbeschriebene maßgebliche Gebiet sehe am Ährengrubenweg auf Höhe der direkt angrenzenden GST-Nr 337/1 und 345/1 (Ährengrubenweg 22-24) eine Verbreiterung des bestehenden ca. 2,5 m breiten Fahrwegs auf eine Breite von ca. 5 m vor. Dies sei erstmals in dem mit Beschluss des Gemeinderats vom Jänner 1931 (Plandokument Nr. 117) beschlossenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vorgesehen gewesen. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen Beschluss des Gemeinderats sei den damaligen Eigentümern der Grundstücke mit Bescheid vom die unentgeltliche und lastenfreie Übertragung von Teilflächen dieser Grundstücke zur Errichtung einer Verkehrsfläche vorgeschrieben worden. Diese Übertragung sei grundbücherlich durchgeführt worden. Tatsächlich verlaufe der Ährengrubenweg seit seiner Errichtung auf Höhe der GST-Nr 337/1 und 345/1 aber nicht in der im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vorgesehenen Breite, sondern nur in einer Breite von ca. 2,5 m, dieser sei somit von PKW einspurig befahrbar. Trotz der Übertragung von Grundstückflächen in das öffentliche Gut im Jahr 1932 sei der Zaunverlauf der beiden genannten Grundstücke seit dem Jahr 1932 niemals geändert und das Grundstück von ihren wechselnden Eigentümern immer in Besitz gehalten worden. Die Teilflächen habe die Stadt Wien bis heute nicht in den physischen Besitz übernommen. Auch die zwischen 1931 und 1996 liegenden neu festgesetzten Flächenwidmungs- und Bebauungspläne hätten (wie erwähnt) den in Natura auf Höhe der GST-Nr 337/1 und 345/1 gerade einspurig befahrbaren Ährengrubenweg als in einer Breite von mindestens 5 m ausgebauten Fahrweg vorgesehen. Auch im derzeit geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vom , Plandokument 6665, sei der Ährengrubenweg nicht in seiner in Natura bestehenden Form als Gehweg bzw. endspurig befahrbare Zufahrtstraße ausgebildet, sondern als Fahrweg in der seit 1932 vorgesehnen Breite von mindestens 5 m.
Ein Sachverständiger der Magistratabteilung 64 (Rechtliche Bau-, Energie-, Eisenbahn- und Luftfahrtangelegenheiten) gab dazu folgende gutachterliche Stellungnahme ab:
"Die Grste. 345/1 (damals EZ 100) und 337/1 (damals EZ 110) wurden erstmals im Jahre 1932 als Kleingarten genehmigt. Die Anbindung an das öff. Gut sollte zufolge Beilage Nr. 16 ex 1931 über die geplante Gasse 5 (heute Ährengrubenweg) erfolgen, die mit einer Straßenbreite von 10 m festgelegt wurde. Die erforderlichen Grundabtretungen wurden entsprechend den Bestimmungen der BO zur Straßenmitte - entspricht einer Breite von 5m - unentgeltlich durchgeführt. Zum damaligen Zeitpunkt war die Gasse 5 im Kataster noch nicht erkenntlich, sondern verlief quer über die angrenzenden Liegenschaften.
Mit den folgenden Plandokumenten wurde die Straßenfluchtlinie an der Front der a.g. Liegenschaften beibehalten, jedoch an der vis-a-vis Front wie folgt verändert:
Mit PD 2454 ex 1953 wurde die Breite des Ährengrubenweges mit 5 m festgesetzt:
Die Straßenfluchtlinie an der vis-a-vis Front wurde um 5 m vorgerückt.
Mit PD 6665 wurde der Weg wieder auf 8 - 10 m verbreitert:
Die Straßenfluchtlinie an der vis-a-vis Front wurde dem bestehenden Zaun entsprechend wieder nach hinten gesetzt.
Dadurch entstand folgender Entschädigungsanspruch:
Bei der Schaffung der Kleingärten der EZ 535, Ährengrubenweg 35, musste die EZ 535 auf eine Breite von 4 m (bis
zur Straßenmitte) abtreten (Bescheid vom ... ). Ein Teil
dieser Fläche wurde aber bereits von der EZ 814 im Jahre 1932 abgetreten. Erst beim Ausbau des Ährengrubenweges könnte dieser Entschädigungsanspruch geltend gemacht werden, da sich zu entschädigende Flächen noch im phys. Besitz der EZ 814 befinden.
Auf diesen Umstand wurde im Teilungsverfahren hingewiesen.
Bei der Schaffung von Kleingärten auf Grst. 501 würde
ebenfalls ein solcher Entschädigungsanspruch entstehen.
Die Grst. 345/1 und 337/1 wurden im Jahre 1991 umparzelliert
und als Kleingärten genehmigt.
Ein Rückstellungsanspruch nach § 58 BO besteht zur Zeit
nicht: Dieser würde erst nach einer Änderung der Flächenwidmung entstehen, nämlich dann, wenn die geplante Verkehrsfläche aufgelassen bzw. so verschmälert wird, dass die Straßenfluchtlinie an der a.g. Front geändert wird."
Mit Bescheid vom wies der Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 64) den vorliegenden Antrag gemäß § 58 Abs. 2 lit. d BO ab. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung eine Änderung des Bebauungsplans - bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt also die Änderung der Auszeichnung der abgetretenen Grundstücke als Verkehrsflächen - unabdingbare Voraussetzungen für eine Rückstellung dieser Grundflächen sei; da eine solche Änderung aber nicht erfolgt sei, bestünde kein Anspruch auf Rückstellung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wurde die dagegen gerichtete Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Beschwerdeführer habe die Ausführungen des Sachverständigen der Magistratsabteilung 64 nicht bestritten, wonach die abgetretenen Grundstückteile nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument Nr. 6665 so wie im Zeitpunkt der Abtretung auf Grund der Abteilungsbewilligung von 1932 als Verkehrsfläche gewidmet seien. Deshalb liege die in § 58 Abs. 2 lit. d BO angeführte Voraussetzung der Änderung des Bebauungsplanes im Beschwerdefall nicht vor. Im Übrigen sei die belangte Behörde an den gültigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan - ungeachtet der Einwände des Beschwerdeführers, wonach dieser verfassungswidrig sei - gebunden.
Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Begründend wird in diesem Beschluss insbesondere Folgendes ausgeführt:
"Die Beschwerde bedenkt nicht ausreichend, dass gemäß dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan PD 6665 für den Bereich des Ährengrubenweges entlang der Grundstücke des Beschwerdeführers nicht wie behauptet ein mindestens 5 m breiter Fahrweg vorgesehen ist, sondern die Festlegung 'Fußweg', entsprechend dem 'Schnitt S 1 - S 2' in einer Breite von 2,5 m mit variablem Böschungsbereich links und rechts, gilt, sodass von einer zweckverfehlenden Enteignung nicht gesprochen werden kann."
Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrte der Beschwerdeführer, den angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung der BO lautet auszugsweise:
"Besondere Bestimmungen bei Änderung des Bebauungsplanes durch Verschmälerung, Verbreiterung, Auflassung oder Änderung der Verkehrsflächen
§ 58. (2) Sind anlässlich einer Abteilungsbewilligung Grundflächen zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetreten worden, treten bei Änderung des Bebauungsplanes folgende Rechtswirkungen ein:
...
d) Der Eigentümer eines Bauplatzes oder Bauloses hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anspruch auf Entschädigung für die Mehrleistung, die dadurch entstanden ist, dass das Ausmaß der zu Verkehrsflächen unentgeltlich abgetretenen Grundflächen bzw. solcher, für die eine Geldleistung gemäß § 17 Abs. 4a entrichtet wurde, nach dem zur Zeit der Abtretung in Geltung gestandenen Bebauungsplan größer war, als es sich nach dem neuen Bebauungsplan ergeben würde. Müssen für Verkehrsflächen seinerzeit unentgeltlich abgetretene Grundflächen bzw. solche, für die eine Geldleistung gemäß § 17 Abs. 4a entrichtet wurde, nach der neuen Baulinie als Baugrund einbezogen werden, sind diese Flächen im Ausmaß der seinerzeitigen Mehrleistung unentgeltlich und von oberirdischen Bauwerken geräumt zurückzustellen. Für die über dieses Ausmaß zum Bauplatz oder Baulos einzubeziehenden Grundflächen hat der Eigentümer dieses Bauplatzes bzw. Bauloses Entschädigung in der Höhe des vollen Grundwertes zu leisten. Fällt die seinerzeit gegenüber der neuen Verpflichtung zuviel abgetretene Grundfläche nicht in den Bauplatz oder in das Baulos, hat die Gemeinde an den Eigentümer des Bauplatzes oder Bauloses, von dem die Grundflächen seinerzeit unentgeltlich abgetreten worden sind, Geldentschädigung in der Höhe des vollen Grundwertes zu leisten. Diese Ansprüche stehen jedoch nur zu, wenn zur Zeit der Beschlussfassung über die Änderung des Bebauungsplanes dreißig Jahre seit der Abschreibung und Übergabe des Straßengrundes noch nicht verstrichen sind."
Zunächst ist festzuhalten, dass sich weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus dem bekämpften Bescheid im Zusammenhalt mit den vorgelegten Verwaltungsakten ein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass bezüglich der seinerzeit unentgeltlich abgetretenen Grundflächen für Verkehrsflächen im Verhältnis von dem der Abtretung zu Grunde liegenden Bebauungsplan zu dem nunmehr einschlägigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument Nr. 6665 vom eine Änderung eingetreten wäre. Damit fehlt aber im Beschwerdefall die für die Anwendbarkeit der vom Beschwerdeführer geltend gemachten lit. d im § 58 Abs. 2 BO maßgebliche Voraussetzung der Änderung des Bebauungsplanes.
Ungeachtet dessen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom - in Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Plandokument Nr. 6665 - zutreffend festgehalten, dass für den Bereich des Ährengrubenweges entlang der Grundstücke des Beschwerdeführers nicht ein mindestens 5 m breiter Fahrweg vorgesehen ist, sondern die Festlegung "Fußweg" in einer Breite von 2,5 m mit einem variablen Böschungsbereich zusätzlich links und rechts, weshalb (auch im Hinblick auf den variablen Böschungsbereich) bezüglich der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Grundabtretung nicht von einer zweckverfehlten Enteignung gesprochen werden kann; unter Bedachtnahme auf die variablen Böschungsbreiten beträgt die Wegbreite nach wie vor 8-10 m. Dem Einwand des Beschwerdeführers in der Ergänzung seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom angenommene Breite von 2,5 m mit der Festlegung "Fußweg" gelte nicht für den an die Grundstücke des Beschwerdeführers angrenzenden Bereich, ist das in Rede stehende Plandokument entgegenzuhalten. Aus diesem ergibt sich nicht, dass die vom Verfassungsgerichtshof ins Treffen geführte Schnittdarstellung S 1-S2 in der vom Beschwerdeführer monierten Weise beschränkt wäre. Die Auffassung des Beschwerdeführers, der Verfassungsgerichtshof habe die Festlegung "Fußweg" mit einer Breite von 2,5 m betreffend die Grundstücke des Beschwerdeführers unrichtig angenommen, geht damit fehl. Im Übrigen ist es unbedenklich, wenn auch ein Böschungsbereich als baulicher Teil einer Verkaufsfläche als öffentliches Gut ausgewiesen wird.
Derart erweisen sich auch die Ausführungen des Beschwerdeführers mit Blick auf Art. 5 StGG zur Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes Plandokument Nr. 6665 sowie betreffend die Unzulässigkeit der Aufrechterhaltung einer Enteignung, wenn der öffentliche Zweck vor seiner Verwirklichung wegfällt, als nicht zielführend.
Da mit der Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt wurde, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am