VwGH vom 13.05.1981, 2535/80

VwGH vom 13.05.1981, 2535/80

Beachte

Besprechung in:

FJ 1994/9, S 197-208;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Dr. H M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6-2700/75, betreffend die Einkommensteuer 1974, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,--binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972. In der Einkommensteuererklärung für 1974 machte er als Betriebsausgabe ein "dubioses Darlehen" mit S 105.000,-- geltend. Der Bevollmächtigte eines Baumeisters, beide seien langjährige Klienten gewesen, die bedeutende Geschäftsfälle vermittelt hätten, habe am um ein kurzfristiges und zinsenloses Darlehen von S 150.000,-- zur Auszahlung der Bauarbeiter gebeten. Da der Beschwerdeführer "einerseits auf Grund der vorerwähnten Umstände nur schwer ablehnen konnte und andererseits wegen beträchtlicher Kostenforderungen auch bestrebt sein mußte, zu vermeiden, daß der Baumeister durch Nichtauszahlung der Löhne seine Bauarbeiter verliert und dadurch die Gefahr eines Insolvenzverfahrens heraufbeschworen wird", habe der Beschwerdeführer dieses aus rein betrieblichen Gründen veranlaßte Darlehen am gewährt. Als Rückzahlung habe er am lediglich S 45.000,-- erhalten. Über das Vermögen des Baumeisters sei am das Ausgleichsverfahren und am der Anschlußkonkurs eröffnet worden.

Das Finanzamt versagte bei der Erlassung des Einkommensteuerbescheides dem Verlust des "dubiosen Darlehens" die Anerkennung als Betriebsausgabe. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1972 zähle der Verlust eines Darlehens nicht zu den Betriebsausgaben.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung. Es gebe keinen Grund, den Überschußrechner hinsichtlich des Verlustes eines Darlehens, der im gleichen Wirtschaftsjahr eintrete wie die Zuzählung, anders behandeln als den Bilanzierer. Die Darlehensgewährung sei erfolgt, weil der Beschwerdeführer wegen der Vermittlung von bedeutenden Geschäftsfällen dazu praktisch verpflichtet gewesen sei und er überdies zur Hintanhaltung der Gefährdung seiner beträchtlichen Honorarforderungen ein Insolvenzverfahren verhindern habe wollen. Die daraus resultierenden Kosten" hätten "unter den geschilderten Umständen einerseits praktisch den Charakter einer Provision erhalten, andererseits stellten sie Aufwendungen dar, die zur Einbringlichmachung von Kostenforderungen", wenn auch erfolglos, getätigt worden seien. Diese "Kosten bzw. Aufwendungen" seien "daher eindeutig betrieblich veranlaßt".

Die Finanzlandesdirektion wies mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung diese Berufung ab. Bei einem Überschußrechner hätten Forderungen außer Betracht zu bleiben und es seien Forderungsverluste erfolgsmäßig nicht zu berücksichtigen. "Andererseits" sei das Darlehen nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit gewährt worden. Ein Rechtsanwalt befasse sich mit der rechtlichen Beratung und der Vertretung seiner Klienten. Eine Verpflichtung, den in eine Notsituation gelangenden Auftraggebern ein Darlehen zu gewähren, bestehe nicht; nach der Verkehrsauffassung sei die Darlehensgewährung an einen Klienten weder geeignet, der rechtsanwaltlichen Tätigkeit zu dienen, noch diese zu fördern. Unrichtig sei es, den Verlust der Darlehensforderung als Provision für die Vermittlung von Geschäftsaufträgen zu betrachten. Nach dem Grundsatz, daß "Angehörige freier Berufe ihren Auftraggebern üblicherweise weder Darlehen geben noch für diese Bürgschaften übernehmen, wodurch allfällige Verluste außerhalb der betrieblichen Sphäre liegen, und somit steuerlich nicht geltend gemacht werden können", sei auch "im vorliegenden Fall kein betrieblich bedingter Vorgang erfolgt".

Der Beschwerdeführer, dessen Beschwerde gegen diese Berufungsentscheidung mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 510/77, abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten wurde, ob er durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt ist, behauptet, es sei rechtswidrig, das "dubiose Darlehen" nicht als Betriebsausgabe anzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. kann, wenn das Betriebsvermögen am Schluß des einzelnen Wirtschaftsjahres vom Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres in der Regel nicht wesentlich abweicht, als Gewinn der Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben angesetzt werden. Gemäß § 4 Abs. 4 leg. cit. sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind.

Die belangte Behörde, die in ihrer Gegenschrift zur Beschwerde nicht mehr bestreitet, daß der Verlust eines betriebsbedingt gewährten Darlehens auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1972 in jenem Zeitpunkt, in dem der Verlust feststeht, eine Betriebsausgabe ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1145/78), verneint zutreffend die betriebliche Bedingtheit der Darlehenshingabe.

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, daß der Rechtsanwalt in die Lage kommt, seinen Klienten Geldbeträge vorzustrecken. Es ist aber zu unterscheiden, ob dieses Vorstrecken eines Geldbetrages in Ausübung des Berufes als Rechtsanwalt geschieht, wie z.B. das Vorstrecken von Gerichts-, Zeugen- und Sachverständigengebühren, oder ob die Berufsausübung nur die Gelegenheit schafft und damit die Aufwendungen auch nach der Verkehrsauffassung nicht durch den Betrieb veranlaßt sind.

Zu der letzterwähnten Kategorie gehört die hier in Rede stehende Darlehensgewährung. Die vom Beschwerdeführer dafür angegebenen Motive, sich für vermittelte Geschäftsfälle erkenntlich zu zeigen und Honorarforderungen zu erhalten, sind unbeachtlich. Die Hingabe des Geldes erfolgte mit der Abrede, es wieder zurückzubekommen, und nicht in der Absicht, eine Verbindlichkeit aus Geschäftsvermittlungen zu begleichen oder es als Kosten für die Abwehr drohender Forderungsverluste zu verausgaben.

Die Beschwerde ist deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221, insbesondere deren Art. III, Abs. 2.

Wien, am