VwGH vom 11.05.2010, 2007/05/0259

VwGH vom 11.05.2010, 2007/05/0259

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in B, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl/See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-658/001-2006, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde B), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom zeigte die Beschwerdeführerin der Baubehörde erster Instanz die Errichtung einer Stützmauer aus Natursteinen in der Höhe von 80 cm auf dem Grundstück Nr. 13/31 an.

Die Baubehörde teilte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom mit, dass das Vorhaben nach § 14 Z. 2 der NÖ Bauordnung 1996 (BO) bewilligungspflichtig sei, und forderte sie auf, die baubehördliche Bewilligung innerhalb einer Frist von sechs Wochen zu beantragen. Da die Beschwerdeführerin den für die fehlende Bewilligung der zwischenzeitlich errichteten Stützmauer erforderlichen Antrag nicht innerhalb der bestimmten Frist einbrachte, wurde sie mit Schreiben vom neuerlich zur Antragstellung bis längstens aufgefordert. Nachdem sie dieser Aufforderung abermals nicht nachgekommen war, erteilte die Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom nach § 35 Abs. 2 Z. 3 zweiter Fall BO den Abbruchauftrag für die errichtete Stützmauer mit einer Erfüllungsfrist bis . Begründend wurde ausgeführt, dass es sich bei der Stützmauer um ein Bauwerk iSd § 4 Z. 3 BO handle, für welches eine Bewilligungspflicht nach § 14 Z. 2 leg. cit. bestehe.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom auf der Grundlage eines im Zug des Verfahrens eingeholten Gutachtens eines bautechnischen Amtssachverständigen des Gebietsbauamtes M ab. Dieser Bescheid erwuchs (unstrittig) in Rechtskraft.

In der Folge beantragte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom die nachträgliche baubehördliche Bewilligung für die Errichtung der Natursteinmauer. Im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens stellte die Baubehörde erster Instanz fest, dass dem Bauvorhaben die Verkehrsflächenwidmung des Baugrundstückes entgegenstehe; zu diesem negativen Ergebnis der Vorprüfung nahm die Beschwerdeführerin ablehnend Stellung.

Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz den Bewilligungsantrag gemäß § 20 Abs. 1 und 3 BO mit der Begründung ab, dass dem Bauvorhaben die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart entgegenstehe. Die Breite der Verkehrsfläche, welche im Flächenwidmungsplan rund 7 m betrage, werde durch die Natursteinmauer auf 3 m eingeengt, was die Benützung der Verkehrsfläche erschwere. Das Bauwerk sei für die Nutzung einer gewidmeten Verkehrsfläche nicht erforderlich.

Die dagegen gerichtete Berufung wurde vom Gemeindevorstand mit Bescheid vom gemäß § 20 Abs. 1 und 3 BO iVm § 18 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) und § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten: Die vorliegende Stützmauer solle nach den Einreichunterlagen eine Breite von 45 bis 50 cm, eine Länge von ca. 46 m und eine Höhe bis 2,20 m aufweisen und stelle zweifelsfrei eine bauliche Anlage iSd § 4 Z. 4 BO dar, deren Herstellung der Bewilligungspflicht gemäß § 14 Z. 2 BO unterliege. Dies werde von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt.

Im Rahmen der Vorprüfung sei die Baubehörde anhand der Prüfkriterien des § 20 BO zum Ergebnis gelangt, dass die Stützmauer auf einem als Verkehrsfläche gewidmeten Grundstück zu liegen komme, weshalb die Baubewilligung schon wegen des Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan zu versagen sei.

Die bereits errichtete Stützmauer könne schon im Hinblick auf ihre Dimension nicht unter die in § 18 Abs. 3 ROG angeführten Kleinbauten subsumiert werden. Dass die Stützmauer für die Nutzung als Verkehrsfläche erforderlich wäre, habe selbst die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Die Baubehörde sei auch nicht gehalten gewesen, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Verkehrsproblematik auseinander zu setzen, zumal die Bestimmung des § 55 Abs. 4 BO voraussetze, dass eine Verkehrsfläche dem Grunde nach bebaut werden könne. Angesichts der nicht gegebenen Widmungskonformität sei daher eine Auseinandersetzung mit der Frage der Verbauung der Verkehrsfläche im Hinblick auf eine Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht erforderlich gewesen.

Da dem vorliegenden Bauvorhaben die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart entgegenstehe, sei der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 20 Abs. 3 BO (ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zwingend abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach § 4 Z. 4 BO sind "bauliche Anlagen" alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind. Nach § 14 Z. 2 BO bedarf die Errichtung von baulichen Anlagen, durch welche Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56 BO) entstehen oder Rechte nach § 6 BO (Parteien, Nachbarn und Beteiligte) verletzt werden könnten, einer Baubewilligung.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 BO hat die Baubehörde bei Anträgen um Baubewilligung vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben u.a. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks entgegensteht. Wenn die Baubehörde eines der in Abs. 1 angeführten Hindernisse feststellt, hat sie nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle den Antrag abzuweisen. Gemäß § 23 Abs. 1 zweiter Satz BO darf die Behörde eine Baubewilligung nur erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 BO angeführten Bestimmungen besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0321).

Nach § 55 Abs. 4 BO darf eine Verkehrsfläche nur be- oder überbaut werden, wenn die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird.

2. Schon angesichts ihrer im angefochtenen Bescheid unstrittig festgestellten Dimensionen der Stützmauer hat die belangte Behörde das von der Beschwerdeführerin eingereichte Bauvorhaben zutreffend als bewilligungspflichtige bauliche Anlage qualifiziert (vgl. § 4 Z. 4 iVm § 14 Z. 2 BO). Diese Einstufung wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt.

Diese beruft sich indes auf § 18 ROG. Diese Bestimmung lautet (idF LGBl. 8000-21):

"§ 18

Verkehrsflächen

(1) Als Verkehrsflächen sind solche Flächen vorzusehen, die dem ruhenden und fließenden Verkehr dienen und für das derzeitige sowie künftig abschätzbare Verkehrsaufkommen erforderlich sind. Sofern die Verkehrsflächen nicht ausdrücklich als private festgelegt sind, sind sie als öffentliche anzusehen.

(2) Erforderlichenfalls können die Verkehrsflächen hinsichtlich ihrer speziellen Verwendung (Fuß-, Rad-, Reit-, Spielwege, Übungsplätze, Tankstellen, Abstellanlagen, Park-and-Ride-Anlagen, Raststätten, Einrichtungen für den Straßendienst, Bahnhöfe u.dgl.) im Flächenwidmungsplan näher bezeichnet und damit auf diesen Zweck eingeschränkt werden.

(3) Auf Verkehrsflächen dürfen Bauwerke nur dann errichtet werden, wenn diese für eine Nutzung gemäß Abs. 1 oder 2 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen auch Kleinbauten (Telefonzellen, Wartehäuschen, Verkaufskioske, Werbeanlagen u. dgl.), Bauwerke für den Betrieb und die Erhaltung infrastruktureller Einrichtungen (Trafostationen, Pumpstationen u. dgl.) sowie vorübergehend (saisonal beschränkt) Veranstaltungsbetriebsstätten (Anlagen für Theateraufführungen, Eislaufplätze u.dgl.) errichtet werden. Dabei darf die Summe allfälliger Verkaufsflächen nicht mehr als 80 m2 betragen und ist § 17 Abs. 4 sinngemäß anzuwenden."

Nach Meinung der Beschwerdeführerin korrelierten die Abs. 1 und 3 des § 18 ROG miteinander. Je geringer die Bedeutung eines Grundstückes als Verkehrsfläche in Bezug auf das derzeitige und künftig abschätzbare Verkehrsaufkommen und umso weniger das Grundstück für dieses Verkehrsaufkommen erforderlich sei, desto eher und ausgedehnter dürften - nach dem Gesetzeszweck - Baulichkeiten auf diesem Grundstück errichtet werden.

Demgegenüber setzt nach dem klaren Wortlaut des ersten Satzes in § 18 Abs. 3 ROG die Errichtung von Bauwerken auf Verkehrsflächen - abgesehen von der im zweiten Satz getroffenen Ausnahmeregelung für Telefonzellen, Wartehäuschen, Verkaufskioske, Werbeanlagen u.dgl. - aber voraus, dass diese Bauwerke für die verkehrsspezifische Nutzung der Verkehrsfläche iSd § 18 Abs. 1 oder 2 ROG erforderlich sind. Damit ist die Errichtung eines solchen Bauwerks jedenfalls nur dann zulässig, wenn es dieser Nutzung dient. Dass diese Voraussetzung im Beschwerdefall gegeben wäre, wurde von der Beschwerdeführerin weder konkret behauptet noch ist dies sonst ersichtlich.

Für die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Korrelation der Abs. 1 und 3 des § 18 ROG besteht daher keine gesetzliche Grundlage. Anders als die Beschwerde meint, war die belangte Behörde auch nicht gehalten, sich mit dem auf diese Korrelation gestützten Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend das Verkehrsaufkommen näher auseinanderzusetzen.

Angesichts der genannten Dimension der (immerhin etwa 46 m langen) Stützmauer kann entgegen der Beschwerde auch nicht gesagt werden, dass es sich dabei um eine mit einem der in § 18 Abs. 3 zweiter Satz ROG angeführten Beispiele für Kleinbauten (Telefonzellen, Wartehäuschen, Verkaufskioske, Werbeanlagen) vergleichbare Baulichkeit handelt. Somit kommt auch diese Ausnahme nicht zugunsten der Beschwerdeführerin zum Tragen, zumal der gesetzlichen Regelung für ihre gegenläufige Ansicht, die Dimension der Kleinbauten könnten auf der in Rede stehenden Verkehrsfläche (etwa im Zusammenhang mit der Benutzung bloß durch Nachbarn und dem Nichtbestehen von Wege- und Fahrrechten (Dienstbarkeiten)) größer sein als die Dimension anderer Kleinbauten auf anderen bedeutsameren Verkehrsflächen, kein Anhaltspunkt entnommen werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist für die Beschwerdeführerin auch mit ihrem Hinweis auf § 55 Abs. 4 BO nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung tut nämlich dem vorliegend nicht erfüllten Erfordernis der Widmungskonformität iSd § 20 Abs. 1 Z. 1 BO keinen Abbruch (vgl Hauer/Zaussinger , Niederösterreichisches Baurecht7, 2006, S. 603, Anm. 12).

3. Baubehörde zweiter Instanz nach § 2 Abs. 1 zweiter Fall BO und damit zuständig zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Baubehörde erster Instanz ist der Gemeindevorstand, in Städten mit eigenem Statur der Stadtsenat.

In dem in Vorstellung gezogenen Bescheid der Baubehörde zweiter Instanz heißt es in der Einleitung unmittelbar vor dem Spruch, dass über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Baubehörde erster Instanz "der Gemeindevorstand der Marktgemeinde B als Berufungsbehörde in seiner Sitzung vom wie folgt entschieden" hat. Da aus dieser Einleitung des Bescheides erkennbar ist, welche Behörde über die eingebrachte Berufung entschieden hat, und diese Behörde auf Grund des hier zur Anwendung kommenden Gesetzes (siehe § 2 Abs. 1 zweiter Fall BO) dazu auch zuständig war, ist der bekämpfte Bescheid entgegen der Beschwerde als von der zuständigen Behörde erlassen anzusehen, mag auch am Schluss dieses Bescheides in der Fertigungsklausel eine damit nicht im Einklang stehende Bezeichnung (nämlich: "Für den Gemeinderat") aufscheinen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom , Slg. Nr. 10.192/A, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0066).

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am