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VwGH vom 28.03.2012, 2009/08/0208

VwGH vom 28.03.2012, 2009/08/0208

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der SR in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Dellhorn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gölsdorfgasse 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2009-0566-9-000318, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Zuerkennung der Notstandshilfe für den Zeitraum ab gemäß § 33 AlVG mangels Notlage abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag angegeben, sie sei ledig, alleinstehend und ohne Sorgepflichten. Durch eine anonyme Anzeige sei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (AMS) zur Kenntnis gelangt, dass die Beschwerdeführerin seit Jahren in einer Lebensgemeinschaft lebe. Sie sei seit an der Adresse M. (einer Kleingartensiedlung) gemeldet. Ebenfalls dort wohnhaft sei der - seit dort gemeldete - KR.

Bis zum sei die Beschwerdeführerin an der Adresse T. gemeldet gewesen. Die dort lebende Zeugin ED. habe am angegeben, ihr zwischenzeitig verstorbener Gatte sei seit April 2003 Hauptmieter dieser Wohnung gewesen und sie lebe seither dort. KR. sei der Vormieter gewesen. Die Beschwerdeführerin und KR. seien damals an die Adresse M. gezogen. Allfällige Postsendungen habe sie der Beschwerdeführerin nach M. gebracht. Frau D. habe die Beschwerdeführerin mehrmals ersucht, sich von der Adresse T. abzumelden. Sie habe weder der Beschwerdeführerin noch KR. Miete bezahlt.

Am habe an der Adresse M. eine amtliche Erhebung stattgefunden, anlässlich der KR. als Zeuge vernommen ausgesagt habe, er sei Pächter des Kleingartenhauses und von 1986 bis 2001 an der Adresse T. wohnhaft gewesen. Die Beschwerdeführerin habe seit September 1987 bei ihm an der Adresse T. gewohnt. Er sei Hauptmieter gewesen. Er würde mit der Beschwerdeführerin seit über 20 Jahren im gemeinsamen Haushalt leben. Die finanziellen Mittel für den Hausbau in der Kleingartensiedlung seien von KR. gekommen, ebenso sei die Einrichtung zur Gänze sein Eigentum. Die Pachtkosten und Gebühren zahle er allein. Die Beschwerdeführerin kaufe die Lebensmittel ein, koche, führe den Haushalt und kümmere sich wegen seiner Krankheit um ihn. Nach Meinung des KR. führe er mit der Beschwerdeführerin keine Lebensgemeinschaft. Sie verbrächten die Freizeit zusammen, würden gemeinsam Rad fahren und würden auch die Urlaube gemeinsam verbringen.

Eine Augenscheinnahme der Wohnsituation habe KR. - so die belangte Behörde weiter - nicht gestattet. Er sei herzkrank und erhalte ab November 2008 eine monatliche Pension von EUR 2.523,41 netto. Er habe keine unterhaltsberechtigten Kinder. Der Notstandshilfeanspruch der Beschwerdeführerin ohne Anrechnung würde EUR 24,71 täglich betragen.

Die Beschwerdeführerin habe sowohl an der Adresse T. als auch in der Kleingartensiedlung M. gemeinsam mit KR. gelebt. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin ihre Lebensgemeinschaft mit KR. bereits 2001 beendet haben soll, wenn sie weiter gemeinsam mit KR. gewohnt habe. Ebenso unwahrscheinlich sei es, dass die Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Ehepaar D. weiter unter Adresse T. gelebt habe und nur KR. in die Kleingartensiedlung M. gezogen sein soll, wie dies aus den Meldeauskünften hervorgehe. Richtig sei vielmehr, dass die Beschwerdeführerin die erforderliche amtliche Abmeldung an der Adresse T. nicht veranlasst habe. Die Beschwerdeführerin leiste ihren Beitrag in Form der Haushaltsführung und Pflegeleistung. Die Aufwendung ihrer (bescheidenen) Geldmittel für den Lebensmitteleinkauf sei ein Beitrag zum gemeinsamen Wirtschaften. Sie lebe seit mittlerweile Jahrzehnten bei KR. und verbringe mit ihm den Urlaub und die Freizeit gemeinsam, wenn auch vielleicht die geschlechtliche Beziehung nicht mehr bestehen möge. Der finanzielle Beitrag des KR. zur Wirtschaftsgemeinschaft sei infolge der Höhe seiner Pension naturgemäß höher, was nichts am Bestehen der Wirtschaftsgemeinschaft ändere.

Die Beschwerdeführerin führe mit KR. seit Ende 1987 eine Lebensgemeinschaft. Da das anrechenbare Einkommen des Partners der Beschwerdeführerin selbst bei maximal möglicher 50 %iger Freigrenzenerhöhung die der Beschwerdeführerin an sich gebührende Notstandshilfe übersteige, stehe Notstandshilfe nicht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber - wie auch bei einer Ehe - das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 96/08/0312, mwN, und vom , Zl. 2002/08/0038, uva).

Unter dem Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft ist zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen, etwa auch die Freizeit weitgehend gemeinsam verbringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0081).

Der Berücksichtigung des Einkommens des Lebensgefährten bei Beurteilung der Notlage liegt offenkundig die Annahme zu Grunde, dass dieser wegen der Lebens- (Wohn )Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil (etwa durch Mitfinanzierung der Miete oder der Ernährung) beiträgt. Gemeinsames Wohnen allein begründet noch keine Lebensgemeinschaft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0213).

2. Soweit die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde hätte sich nicht auf die Angaben des KR. anlässlich seiner Vernehmung am durch ein Organ der regionalen Geschäftsstelle des AMS stützen dürfen, ist ihr zu entgegnen, dass eine unter Einhaltung des § 14 AVG aufgenommene Niederschrift gemäß § 15 AVG - soweit nicht Einwendungen erhoben werden - über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorgangs ist zulässig.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerde jedoch keine Unrichtigkeit der Niederschrift behauptet, sondern lediglich vorgebracht, dass deren Zustandekommen "fragwürdig" bzw. für den herzkranken KR. "gesundheitsgefährdend" gewesen wäre. Damit wird nicht bestritten, dass die Angaben des Zeugen KR. mit der darüber erstellten Dokumentation in der genannten Niederschrift übereinstimmen. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung - die die Beschwerde im Übrigen nicht bekämpft - auch auf diese Niederschrift gestützt hat. Im Übrigen dürfte auch ein Beweismittel, welches durch eine Rechtsverletzung zustande gekommen ist, gemäß § 46 AVG zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes herangezogen werden (vgl. die bei Walter/Thienel I2 E. 102ff zu § 46 AVG angeführte Judikatur).

3. Die Beschwerdeführerin wendet sich auch gegen die Annahme der belangten Behörde über das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft. Zu Recht hat aber die belangte Behörde die Annahme einer für die Lebensgemeinschaft charakteristischen Wirtschaftsgemeinschaft darauf gestützt, dass die Finanzierung der Kosten der gemeinsamen Wohnung allein durch den nicht die Notstandshilfe beanspruchenden Partner erfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0263). Der angefochtene Bescheid enthält darüber hinaus Feststellungen dahin, dass die Beschwerdeführerin mit KR. seit 1987 im gemeinsamen Haushalt wohnte, im Rahmen des gemeinsamen Wirtschaftens Lebensmittel einkaufte, sich um ihn wegen seiner Krankheit kümmerte, mit ihm die Freizeit und den Urlaub verbrachte und gelegentlich für beide kochte. Das Gesamtbild dieser Umstände des Zusammenlebens der Beschwerdeführerin mit KR. ergibt das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft iS der oben dargestellten Rechtsprechung. Die der Höhe nach nicht bestrittene Anrechnung des Einkommens des KR. auf den Notstandshilfeanspruch schließt das Vorliegen einer Notlage der Beschwerdeführerin aus.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am