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VwGH vom 30.05.1972, 2245/71

VwGH vom 30.05.1972, 2245/71

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2246/71

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Reichel, DDr. Heller und Dr. Simon als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Dr. Leitner über die Beschwerde der ML, in W, vertreten durch Dr. Eduard Vogelmayer, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat) vom , GZ. VI-2497/1/70 und GZ. VI- 2498/9/70 betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für 1969, nach durchgeführter Verhandlung, zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Eduard Vogelmayer, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzkommissär Dr. EL, zu Recht erkannt:

Spruch

Die beiden angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 4.734,20 binnen zwei Wochen bei sonstigen Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin der Liegenschaften in Wien I, P.-straße 2, und in Wien I, M.-gasse 1. Die Stadt Wien hat mit den Eigentümern dieser Häuser im Juni 1969 bzw. Juli 1969 einen "Dienstbarkeitsbestellungsvertrag" abgeschlossen, weil ein Teil der U-Bahn Trasse (U-Bahn Tunnel) unter den genannten Grundstücken geführt werden soll. Nach einem Dienstbarkeitsplan, der integrierender Bestandteil dieses Vertrages ist, wird der U-Bahn Tunnel in einer Tiefe von 21,4 m bzw. 21,5 m unter der Geländeoberfläche geführt werden. Die Hauseigentümer erhielten für die Einräumung dieser Servitut und zur Abgeltung sämtlicher mit dem U-Bahn Bau verbundener Nachteile im Streitjahr (1969) ein einmaliges Entgelt, und zwar bezüglich des Hauses Wien I, P.- Straße 2, in der Höhe von S 148.600,-- und. bezüglich des Hauses Wien I, M.-gasse 1, in der Höhe von S 100.800, --.

Das Finanzamt unterwarf die genannten Beträge der Umsatzsteuer mit einem Steuersatz von 5,5 % (dieser Punkt ist im Hinblick auf die diesbezüglich stattgebenden Berufungsentscheidungen der belangten Behörde nicht mehr Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) und bezog diese Beträge in die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung an die belangte Behörde. Sie führte darin aus, eine Nutzung des Grundstückes in der genannten Tiefenlage durch Vermietung und Verpachtung sei ausgeschlossen. Es handle sich um keinen Bestandvertrag. Der Grund der Zahlung sei vielmehr die Wertminderung der Vermögenssubstanz. Es handle sich um eine Entschädigung für "mit dem Bau der U-Bahn verbundene Nachteile", nicht aber um eine Entschädigung für den späteren Betrieb der U-Bahn und eventuell damit zusammenhängende Schadenersatztatbestände. Wirtschaftlich gesehen ähnle der Sachverhalt einem Verkauf und der endgültigen Aufgabe eines bestimmten Vermögenswertes gegen Entgelt.

Mit den nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidungen gab die belangte Behörde den Berufungen hinsichtlich der Umsatzsteuer Folge, nicht jedoch hinsichtlich des Feststellungsbescheides 1969. Die Einkunftsart aus Vermietung und Verpachtung beschränke sich, wie aus § 21 Abs. 1 Z. 3 und 4 EStG abzuleiten sei, nicht allein auf Miete und Pacht im zivilrechtlichen Sinn. Demnach könne auch die entgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zählen. Der Tiefenlage des geplanten U-Bahn-Tunnels komme dabei keine ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn man z.B. an eine Tiefgarage und die dadurch bedingten Einkünfte denke. Es sei demnach nur zu untersuchen, ob der Grund der Zahlung in einer Wertminderung der Vermögenssubstanz zu suchen sei und ob es sich demnach um eine reine Vermögensumschichtung ohne eine einkommensteuerrechtliche Auswirkung handle.

Der Dienstbarkeitsbestellungsvertrag habe unter anderem folgenden Inhalt:

"Die Miteigentümer räumen zu Gunsten der Stadt Wien nachstehende Dienstbarkeiten ein:

Die Duldung der Errichtung und des etwaigen Umbaues eines U-Bahn-Tunnels in bergmännischer Bauweise, sowie die Duldung des Bestandes und die Benützung dieses Tunnels, insbesondere für den Betrieb einer U-Bahn. Für den Fall, dass sich allenfalls die Notwendigkeit ergeben sollte, den Servitutsraum tiefer zu legen, stimmen die Vertragspartner schon jetzt einer solchen Verlegung zu. Für die Einräumung dieser Servitut und zur Abgeltung sämtlicher mit dem U-Bahnbau verbundener Nachteile, leistet die Stadt Wien ein einmaliges Entgelt von S 100.800,-- bzw. S 148.600,-

-."

Die belangte Behörde führte dazu aus, die Gemeinde Wien habe mit dem Abschluss des Dienstbarkeitsbestellungsvertrages das Recht zum Bau und Betrieb der U-Bahn erhalten. Der Bau derselben werde im "Maulwurf-Verfahren" ohne Behinderung des an der Erdoberfläche befindlichen Verkehrsablaufes durchgeführt. Die zu bohrenden U-Bahnröhren würden 21,4 m bzw. 21,5 m unter dem Gebäude geführt werden. Damit stehe fest, dass durch den Bau der U-Bahn überhaupt keine Teile des Gebäudes (weder im Erdgeschoß noch im Kellertrakt) betroffen würden. Wenn auch der unter dem Haus befindliche, auch der Beschwerdeführerin gehörige Grund und Boden durch Einräumung der Dienstbarkeit von der Gemeinde Wien dauernd genützt werden würde, so liege deswegen keine Wertminderung des Gebäudes vor. Es könne angenommen werden, dass ein Gebäude, unter dem in 21 m Tiefe ein Tunnel laufe, deswegen nicht an Wert verliere. Würde man hier eine Wertminderung behaupten, dann träfe dies auf Gebäude in allen Städten, in denen eine U-Bahn geführt wird, zu.

Aber auch die infolge der grundbücherlich einverleibten Dienstbarkeit behauptete Wertminderung sei nicht gegeben, weil mit der Einräumung der Dienstbarkeit keinerlei Baubeschränkung für Neu- , Zu- und Umbauten gegeben sei. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Beschwerdeführerin diesbezüglich die Bestimmungen des Eisenbahngesetzes zu beachten habe, weil gemäß Punkt V des Dienstbarkeitsvertrages die Stadt Wien für alle Mehrkosten hafte, die bei einem künftigen Neu-, Zu- oder Umbau erwachsen. Sie hafte auch für bauliche Schäden, die durch den Bau oder Betrieb der U-Bahn verursacht würden, und verpflichte sich zur Vornahme aller durch den U-Bahn Betrieb erforderlichen vorbeugenden konstruktiven Änderungen, die der Erhaltung des gegenwärtigen Zustandes des Gebäudes dienen. Die Stadt Wien trage alle dabei anfallenden Kosten.

Aus diesen Bestimmungen gehe klar hervor, dass die Beschwerdeführerin bei der ganzen Transaktion keine Werteinbuße erlitten habe. Aus diesem Grunde sei das gemäß Punkt IV des Dienstbarkeitsbestellungsvertrages vereinbarte einmalige Entgelt eben nur für die Einräumung der Dienstbarkeit und nicht für eine Wertminderung gezahlt worden, da dies ansonsten im Vertrag sicher einen Niederschlag gefunden hätte.

Auch für eine Wertminderung durch unzumutbaren Lärm oder durch unzumutbare Erschütterungen könne sich die Beschwerdeführerin nicht berufen, weil dazu im Punkt IV des

Dienstbarkeitsbestellungsvertrages vereinbart sei: "......'Das

Servitutsentgelt beinhaltet nicht eine Abgeltung jener wirtschaftlichen Nachteile, die allenfalls im Zusammenhang mit dem U-Bahnbetrieb unvermeidbar durch unzumutbaren Lärm oder unzumutbare Erschütterungen für den Grundeigentümer erwachsen. Die Stadt Wien wird alles nach dem derzeitigen Stand der technischen Wissenschaften Zumutbare unternehmen, um solche Belästigungen hintanzuhalten.'"

Zusammenfassend könne also gesagt werden, dass das erhaltene Entgelt keinen Ausgleich für Wertminderung darstelle und daher im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Besteuerung unterliege.

Gegen diese Bescheide wendet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin vertritt darin den Standpunkt, die Auffassung der belangten Behörde, es handle sich bei den gegenständlichen Entgelten um einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sei unrichtig, weil diese für die Minderung des Wertes der Grundstücke, also der Vermögenssubstanz, gezahlt worden seien. Dies gehe auch eindeutig daraus hervor, dass die Ermittlung der Höhe dieser Entgelte ausschließlich unter Zugrundelegung der Werte der Einheitsbewertung erfolgt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 Z. 1 EStG sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung u. a. - und nur dies kommt hier in Frage - Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, insbesondere von Grundstücken, Gebäuden und Gebäudeteilen.

Vorweg ergibt sich die Frage, ob ein für die Einräumung einer Dienstbarkeit gewährtes Entgelt zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Z. 1 EStG gehört. Wenn auch die Einräumung einer Dienstbarkeit keine Inbestandgabe im Sinne des Privatrechtes ist, so kommt sie doch wirtschaftlich einer solchen nahe. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 115/68, ausgeführt hat, ist unter Einräumung einer Dienstbarkeit nicht nur der Vorgang der Einräumung selbst, sondern auch deren Inhalt, nämlich die vertraglich eingeräumte dauernde Benützung des betreffenden Grundstücksteiles, zu verstehen. Der Begriff der Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Z. 1 EStG setzt nach steuerrechtlicher Beurteilung u.a. die entgeltliche Gewährung des Gebrauches und der Nutzung an einer unbeweglichen Sache voraus. In dem zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings auch darauf hingewiesen, dass im Fall eines Dienstbarkeitsbestellungsvertrages unter Umständen zwei Komponenten vorliegen. Einmal ein Entgelt für die Benützung der Sache, zum anderen aber auch die durch die Beeinträchtigung der Verfügungsmacht entstandene Minderung des Wertes, also der Vermögenssubstanz. Die belangte Behörde hat sich im vorliegenden Fall auf den Standpunkt gestellt, eine Wertminderung sei schlechthin ausgeschlossen, weshalb lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorlägen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Auffassung der belangten Behörde nicht zu teilen. Es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, insbesondere im Detail darzulegen, auf welche Erwägungen sich die Errechnung der gegenständlichen Beträge stützt, da erst dann beurteilt werden kann, ob in ihnen nicht auch eine Komponente für eine allfällige Wertminderung der Vermögenssubstanz enthalten ist. Dies ist nicht von vornherein abzusehen, weil der Umstand, dass unter einer Liegenschaft eine Bahntrasse geführt wird, wohl oft auch mit einer Beeinträchtigung der Verfügungsmacht über das Grundstück verbunden sein wird, dies selbst dann, wenn man, wie im vorliegenden Falle, davon ausgeht, dass der U-Bahn-Tunnel etwa 21 m unter der Erde geführt werden soll, da bei den heutigen technischen Möglichkeiten der Bau von Tiefgaragen und ähnlichen Baulichkeiten erfahrungsgemäß tief unter die Erdoberfläche reicht. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass es sich nach der mit der Beschwerde vorgelegten Vertragsurkunde (Punkt VI) um eine Überlassung bzw. Einräumung des Rechtes auf unbestimmte Zeit handelt, da es erst nach der - zur Zeit allerdings noch nicht vorhersehbaren - Auflassung des U-Bahn Betriebes seinerzeit zu einer Beendigung der Dienstbarkeit kommen wird (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, E 1114).

Die belangte Behörde ist daher mit ihrer Auffassung, ein Entgelt für Wertminderung sei im vorliegenden Falle schlechthin auszuschließen, von einer rechtlich unrichtigen Auffassung ausgegangen, was gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führen musste. Erst nach Feststellung, ob und allenfalls welche Komponente auf die Wertminderung bzw. auf die Einräumung der Benützung des Liegenschaftsteiles entfällt, wird die Besteuerung der gegenständlichen Entgelte abschließend beurteilt werden können.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzleramtes vom .

Wien, am