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VwGH vom 28.02.2018, Ro 2014/06/0014

VwGH vom 28.02.2018, Ro 2014/06/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision

1. des H P in S 2. des C P in S, beide vertreten durch Dr. Philipp Götzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , 20704-07/642/11-2013, betreffend eine Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerber haben dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerber beantragten mit Eingabe vom die baupolizeiliche Bewilligung für Umbaumaßnahmen und die Änderung der Art des Verwendungszweckes einzelner Räume in einem näher bezeichneten Objekt auf den Grundstücken Nr. X und Y, je KG S, im Gemeindegebiet der Stadtgemeinde S. Konkret sollen die bisher als Videothek bzw. als Räume zur Fotoausarbeitung genutzten Räume im Erdgeschoß des Objektes zu den ebenfalls erdgeschossig gelegenen gastgewerblich genutzten Räumlichkeiten hinzugenommen werden. Dazu sind diverse Umbaumaßnahmen erforderlich.

2 Die Bezirkshauptmannschaft S (BH) erteilte mit Bescheid vom den Revisionswerbern nach einer Projektänderung sowie Vorlage ergänzender Projektunterlagen und Durchführung einer mündlichen Verhandlung die beantragte baupolizeiliche Bewilligung.

3 In ihrer Berufung machten die Anrainer W M und M M geltend, die Verwendungszweckänderung sei auf Grund einer erheblichen Lärm- und Verkehrsmehrbelastung unzumutbar. Ein Security (Auflage 12 des erstinstanzlichen Bescheides) erscheine nicht geeignet und es erscheine lebensfremd, dadurch den beim Verlassen des Lokals auftretenden hohen Lärmpegel zu reduzieren und eine Lärmbelästigung durch die Lokalbesucher beim Verlassen/Betreten des Lokals zu verhindern, zumal der Betrieb zeige, dass die Schleusentüren ständig geöffnet blieben. Auch sei der Lärm der Warteschlange der baulichen Anlage zuzurechnen, weil sich dies im engen örtlichen Bereich der Betriebsanlage abspiele.

4 In Stattgebung dieser Berufung behob die belangte Behörde mit Bescheid vom den Bescheid der BH "ersatzlos" und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die BH zurück. In ihrer Begründung führte sie aus, die BH habe sich mit der Widmungskonformität der verfahrensgegenständlichen Änderungen des Betriebes weder nachvollziehbar rechtlich auseinandergesetzt noch ausreichende Ermittlungen in diese Richtung angestellt. Die Interpretation der Einwendungen der Anrainer bloß als solche gemäß § 39 Abs. 2 Bautechnikgesetz greife zu kurz und belaste den Bescheid der BH mit Rechtswidrigkeit. Im fortgesetzten Verfahren werde darauf zu achten sein, dass nach § 30 Abs. 9 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 - ROG 2009 bei der Beurteilung der Widmungskonformität des Vorhabens auf den konkreten Betrieb (nicht auf den Betriebstypus) abzustellen sei. Das bedeute, dass in einer prognostischen Betrachtung alle Immissionen durch den konkreten Betrieb, nicht nur jene vom Bauplatz, in die Beurteilung mit einzubeziehen seien.

Weiters führte die belangte Behörde aus, die BH habe ihr Ermittlungsverfahren zu Recht auf Lärmquellen von und auf dem Bauplatz beschränkt, soweit sie einen dem Verwendungszweck der baulichen Anlage entsprechenden Teil der Nutzung darstellten. Soweit das Verhalten von Personen im öffentlichen Raum Thema des Vorbringens der Anrainer sei, sei dies zu Recht abzuweisen gewesen. Hinsichtlich der Lärmsituation im Eingangsbereich sei allerdings nicht von einem gesicherten Ermittlungsergebnis auszugehen, weil die medizinische Amtssachverständige in ihrem Gutachten bezweifle, ob die von ihr vorgeschlagene Maßnahme tauglich sei, den angestrebten Zweck zu erreichen.

5 Im daraufhin von der Erstbehörde durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahren wurde der lärmtechnische Amtssachverständige DI S mit Schreiben vom beauftragt, "ein Gutachten dazu abzugeben, ob die Betriebsanlage in ihrem vollen Ausmaß (nicht nur die nun beantragte Erweiterung) eine erhebliche Lärmbelästigung oder Erschütterung (Bass) für die Nachbarschaft verursacht. Abzustellen ist dabei auf den konkreten Betrieb sowie auf die abstrakten Verhältnisse in der Widmungskategorie ‚Bauland Kerngebiet'. Als Beurteilungs(maß)stab werden dabei wohl die Richtlinie ‚Immissionsschutz in der Raumordnung' bzw. die darin zitierten Normen und Richtlinien heranzuziehen sein. Es wird ersucht, bei dieser Beurteilung auch die im Rahmen des Gewerbeverfahrens gemessenen/festgestellten Lärmwerte miteinzubeziehen".

6 In seinem Gutachten vom führte DI S aus, aus lärmtechnischer Sicht könne festgestellt werden, dass auf Grund der ermittelten Beurteilungspegel (46 dB) und Spitzenpegel (55 dB) durch Musik und Unterhaltung aus dem Inneren der Betriebsanlage im Bereich der nächstgelegenen Nachbarschaft (IP 1 und IP 3) die Orientierungswerte der Richtlinie "Immissionsschutz in der Raumordnung" des Landes Salzburg für den Regelfall eingehalten werden könnten. "Nach Auskunft und Vorgabe der Behörde" seien im Bauverfahren auch die durch den konkreten Betrieb verursachten Vorgänge im Nahbereich der Betriebsanlage lärmtechnisch zu berücksichtigen. Hiebei handle es sich im Wesentlichen um die schalltechnischen Emissionen von Personen, die sich im Vorbereich des Einganges aufhielten und auf Einlass in das Lokal warteten, und die dadurch verursachten Immissionen. In dem (im Gewerbeverfahren eingeholten) schalltechnischen Gutachten (vom ) seien die von den Personen im Eingangsbereich des Lokals verursachten Spitzenpegel im Bereich der nächstgelegenen Nachbarschaft ermittelt worden. Hiebei sei unter Annahme von "Rufen normal" diesen Ereignissen ein Schallleistungspegel von 86 dB zugeordnet und daraus Immissionspegel im Bereich der östlich gelegenen Nachbarschaft von 58 dB berechnet worden. Bei dieser Berechnung sei offensichtlich davon ausgegangen worden, dass sich hinter der rufenden Person keine reflektierende Fläche befinde (z.B. offene Eingangstüre zum Windfang). Sei diese Türe jedoch geschlossen oder befinde sich die rufende Person neben dem Eingang, so erfolge eine Reflexion über die geschlossene Zugangstüre bzw. über die östliche Außenseite der Betriebsanlage. Hiedurch würde sich bei einer Totalreflexion der Emissionspegel um 3 dB auf 61 dB erhöhen. Die südlich gelegenen Nachbarn befänden sich bereits in einer größeren Entfernung und sei dadurch in diesen Bereich mit geringeren Immissionspegeln zu rechnen.

7 Bei den (gemeint: nunmehr) durchgeführten Schallpegelmessungen im Bereich der nächstgelegenen Nachbarschaft hätten jedoch, bedingt durch das Verhalten der Personen im Zugangsbereich der Betriebsanlage, Spitzenpegel bis zu 85 dB festgestellt werden können. Der Unterschied gegenüber den ermittelten Werten aus dem vorgelegten schalltechnischen Gutachten liege im Wesentlichen darin, dass im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren von einem sogenannten "normalen Gästeverhalten" ausgegangen werde. Dieses umfasse jedoch kein lautes Schreien oder ähnliche lärmintensive Ereignisse. Die für die Einreichung durchgeführte Lärmmessung hätte ohne Betrieb des Lokals mittlere Spitzenpegel bis zu 77 dB, die im Wesentlichen durch den Autoverkehr verursacht worden seien, ergeben.

8 Im Bereich des messtechnisch ermittelten energieäquivalenten Dauerschallpegels hätten gegenüber der für das Einreichprojekt durchgeführten Lärmmessung keine wesentlichen Änderungen festgestellt werden können. Dieser läge weiterhin im Bereich zwischen 60 und ca. 65 dB.

9 Hinsichtlich der konkreten Situation könne daher festgestellt werden, dass die durch das Gästeverhalten im Vorbereich der Betriebsanlage verursachten Immissionen (Spitzenpegel) im Bereich der nächstgelegenen Nachbarschaft die Orientierungswerte der Handlungsstufe 2 der Richtlinie "Immissionsschutz in der Raumordnung" der Kategorie 4 überschreiten würden. Anzufügen sei noch, dass, wie mit der Lärmmessung (im schalltechnischen Gutachten) festgestellt, der energieäquivalente Dauerschallpegel der Umgebungslärmsituation in diesem Bereich auch ohne Betrieb des Lokals bereits in den Nachtstunden höhere Werte als 60 dB aufweise, und daher die Orientierungswerte der Handlungsstufe 2 für die Widmungskategorie "Bauland-Kerngebiet" bereits zum Zeitpunkt der Messung (1./) überschritten worden seien.

10 Den Revisionswerbern wurde dazu Parteiengehör eingeräumt. Sie erstatteten eine Stellungnahme.

11 Mit Bescheid vom versagte die BH den Revisionswerbern die baupolizeiliche Bewilligung für die beantragten Umbaumaßnahmen und die Änderung der Art des Verwendungszweckes einzelner Räume für das in Rede stehende Objekt auf den näher bezeichneten Grundstücken der KG S.

12 Begründend führte die BH nach Wiedergabe insbesondere des - als nachvollziehbar und schlüssig gewerteten - Gutachtens des lärmtechnischen Amtssachverständigen DI S vom aus, bei der Beurteilung der Widmungskonformität des Vorhabens sei auch zu prüfen, ob der konkrete Betrieb übermäßigen Straßenverkehr verursache. Unter Straßenverkehr werde neben dem Verkehr mit Kraftfahrzeugen auch der Fahrrad- und Fußgängerverkehr zu verstehen sein. Auch hier sei wieder auf den konkreten Betrieb abzustellen. Da im gegenständlichen Fall laut Projekt die erforderlichen Kraftfahrzeug-Abstellplätze nicht am Bauplatz bzw. in unmittelbarer Nähe zum Betrieb hergestellt werden sollen, vielmehr die Entrichtung einer Ausgleichsabgabe beantragt werden solle, sei jedenfalls mit erhöhtem Fußgängerverkehr zu rechnen, weil sich die Besucher der Diskothek zu Fuß von umliegenden Parkplätzen zu dem verfahrensgegenständlichen Objekt begeben würden. Dies habe sich in der Praxis bereits gezeigt. Entsprechend den Beschreibungen in den Nachbareinwendungen sowie in den Befunden des lärmtechnischen Amtssachverständigen DI S und der Amtsärztin sei der durch die gegenständliche Betriebsanlage verursachte Fußgängerverkehr auch für die Widmungskategorie Kerngebiet als übermäßig zu beurteilen.

13 Auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens sei festzustellen, dass die für das verfahrensgegenständliche Objekt beantragten baulichen Maßnahmen wegen erheblicher Lärmbelästigungen für die Nachbarschaft und Verursachen von übermäßigem Fußgängerverkehr der durch den Flächenwidmungsplan gegebenen Widmung "Bauland-Kerngebiet" widersprächen. Die Erteilung der baupolizeilichen Bewilligung scheine vom Standpunkt des öffentlichen Interesses nicht zulässig.

14 Die Revisionswerber erhoben Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

15 Begründend führte die belangte Behörde zum Vorbringen der Revisionswerber betreffend Immissionen aus, dass gemäß der für das Areal bestehenden Widmung "Bauland-Kerngebiet" nach § 30 Abs. 1 Z 3 ROG 2009 bauliche Anlagen zulässig seien, die im "erweiterten Wohngebiet" zulässig seien, unter besonderer Verdichtung. Zur Kategorie "erweitertes Wohngebiet" sei in § 30 Abs. 1 Z 2 lit. b ROG 2009 angeführt, dass bauliche Anlagen für Betriebe zulässig seien, die keine erhebliche Geruchs- oder Lärmbelästigung, sonstige Luftverunreinigung oder Erschütterung für die Nachbarschaft sowie keinen übermäßigen Straßenverkehr verursachten. Somit enthalte diese Regelung einen entsprechenden Immissionsschutz, die den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht zu vermitteln vermöge.

16 Die BH habe bei der Prüfung der Widmungskonformität des Vorhabens im fortgesetzten Verfahren zusätzliche Ermittlungen getätigt und sich damit rechtlich vertieft auseinandergesetzt. Wenn die Revisionswerber nun vorbrächten, Immissionen im öffentlichen Raum seien bei der verfahrensgegenständlichen Beurteilung nicht miteinzubeziehen, widerspreche dem § 30 Abs. 9 ROG 2009, wonach bei der Beurteilung der Widmungskonformität des Vorhabens auf den konkreten Betrieb (nicht auf den Betriebstypus) abzustellen sei. Das bedeute, dass in einer prognostischen Betrachtung alle Immissionen durch den konkreten Betrieb, nicht nur jene vom Bauplatz, in die Beurteilung miteinzubeziehen seien. Der Amtssachverständige DI S habe dabei den kausalen Rahmen für die Reichweite der einzubeziehenden Lärmquellen um die Betriebsstätte, insbesondere im Wartebereich im öffentlichen Raum, plausibel und nachvollziehbar abgesteckt.

17 Die prognostische Betrachtung aller Immissionen durch den konkreten Betrieb beinhalte auch den konkreten Standort samt Vorbelastungen, weshalb die Einbeziehung der Umgebungslärmsituation notwendig sei. Zu Recht habe DI S daher auch die entsprechenden Erschwernisse in der Umgebung des Betriebsstandortes, wie etwa Reflexionsereignisse, miteinbezogen.

18 Aber selbst wenn man den energieäquivalenten Dauerschallpegel der Umgebungslärmsituation in diesem Bereich auch ohne Betrieb des Lokals in die rechtliche Beurteilung miteinbeziehe, sei für die Revisionswerber nichts gewonnen. Wie im vollständigen und schlüssigen Gutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen DI S richtig angeführt werde, sei in der Betrachtungsweise neben der Durchschnittsbetrachtung der Lärmereignisse auch der Maximalpegel von Relevanz. Die für die Beurteilung durch den Amtssachverständigen DI S als Basis herangezogene Richtlinie für den Immissionsschutz in der Raumordnung basiere zur Gänze auf der ÖNORM S 5021, die aus dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes neben dem energieäquivalenten Dauerschallpegel auch den Maximalpegel für die lärmtechnische Beurteilung anführe. Beim konkreten Vorhaben ergebe diese prognostische Betrachtung des Verhaltens eines durchschnittlichen Besuchers und damit die Abstraktion der konkreten Situation auf das prognostische Maß, dass die Gäste in den Nachtstunden im Vorbereich des Lokals Spitzenpegel bis zu 85 dB erzeugten. Möge auch die Betrachtung des Durchschnittspegels zu einer geringeren prognostischen Belastung der Umgebung durch die zusätzlichen Lärmimmissionen führen, führe "kumulativ" die Prognose der maximalen kurzzeitigen Lärmereignisse letztlich zu einer Situation, die im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 2 lit. b iVm § 30 Abs. 9 ROG 2009 eine erhebliche Lärmbelästigung für die Nachbarschaft darstelle. Die BH habe daher aus diesem Grund zu Recht die Widmungswidrigkeit des geplanten Vorhabens festgestellt.

19 Im Übrigen seien die Revisionswerber mit ihren Einlassungen aus lärmtechnischer Sicht dem vollständigen und schlüssigen Gutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen DI S nicht auf gleicher sachverständiger Ebene entgegen getreten.

20 Dass ein gewerbetechnisches Gutachten unter Umständen auch im Bauverfahren verwendet werden könne, treffe nur dann zu, wenn die baurechtliche Fragestellung durch die gewerbetechnische Begutachtung abgedeckt sei. Da die Frage der Prüfung der raumordnungsrechtlichen Widmungskonformität unter Einbeziehung von Immissionen von außerhalb der Betriebsstätte im Gewerbeverfahren keine Rolle spiele, sei dies im konkreten Verfahren nicht der Fall. Es sei daher zu Recht ein weiteres Gutachten eines lärmtechnischen Amtssachverständigen einzuholen gewesen.

21 Zum Vorbringen, der neue Verwendungszweck des Baues entspreche der vorliegenden Flächenwidmung, sei zu erwidern, dass die verfahrensgegenständliche Prüfung gemäß § 30 Abs. 9 ROG 2009 für den konkreten Betrieb am konkreten Standort durchzuführen und dabei die BH zu Recht zu einem anderen Ergebnis gelangt sei.

22 Da bereits aus diesen Gründen das Bewilligungsansuchen der Revisionswerber vom abzuweisen gewesen sei, sei auf ihr übriges Vorbringen nicht weiter einzugehen.

23 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

24 Das Landesverwaltungsgericht Salzburg legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Revision als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

25 Gegenständlich liegt ein Übergangsfall im Sinne des § 4 Abs. 1 VwGbk-ÜG vor. Die Revisionswerber konnten daher bis zum Ablauf des in sinngemäßer Anwendung des Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben. Für die Behandlung der vorliegenden Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.

26 Im Revisionsfall ist folgende Rechtslage von Bedeutung:

§ 9 Salzburger Baupolizeigesetz 1997 - BauPolG, LGBl. Nr. 40/1997 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 31/2009, lautet (auszugsweise):

"(1) Die Bewilligung ist zu versagen, wenn die bauliche

Maßnahme vom Standpunkt des öffentlichen Interesses unzulässig

erscheint. Dies ist der Fall, wenn

1. die bauliche Maßnahme der durch den Flächenwidmungsplan

gegebenen Widmung ... widerspricht, ...;"

§ 59 Bautechnikgesetz - BauTG, LGBl. Nr. 75/1976, lautet:

"Die Änderung der Art des Verwendungszweckes eines Baues oder von Teilen von solchen ist soweit zulässig, als der Bau oder dessen Teile auch den für die neue Verwendung maßgeblichen raumordnungs- und baurechtlichen Vorschriften entsprechen und sonstige öffentliche Interessen nicht entgegenstehen."

§ 30 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 - ROG 2009, LGBl. Nr. 30/2009, lautet:

"(1) Die Nutzungsart Bauland gliedert sich in folgende Kategorien:

1. Reines Wohngebiet (RW): in einem solchen sind zulässig:

a) Wohnbauten und dazu gehörige Nebenanlagen;

b) bauliche Anlagen für Betriebe, die keine Geruchs- oder

Lärmbelästigung, sonstige Luftverunreinigung oder Erschütterung

für die Nachbarschaft und keinen erheblichen Straßenverkehr zu

verursachen geeignet sind und die sich der Eigenart des

Wohngebiets entsprechend in die Umgebung einordnen lassen;

c) bauliche Anlagen für dem Bedarf der Bewohner dienende

Einrichtungen wie Kindergärten, Volksschulen, solche Handels- und

Dienstleistungsbetriebe;

2. Erweitertes Wohngebiet (EW): in einem solchen sind

zulässig:

a) Wohnbauten und dazu gehörige Nebenanlagen;

b) bauliche Anlagen für Betriebe, die keine erhebliche

Geruchs- oder Lärmbelästigung, sonstige Luftverunreinigung oder

Erschütterung für die Nachbarschaft und keinen übermäßigen

Straßenverkehr verursachen;

c) bauliche Anlagen für Erziehungs-, Bildungs- und sonstige

kulturelle und soziale Aufgaben sowie der öffentlichen Verwaltung;

3. Kerngebiet (KG): in einem solchen sind zulässig:

bauliche Anlagen, die im Erweiterten Wohngebiet zulässig sind, unter besonderer Verdichtung;

...

(9) Bei der Beurteilung der Widmungskonformität eines Bauvorhabens ist auf den konkreten Betrieb und nicht auf den Betriebstypus abzustellen. Dies gilt nicht hinsichtlich der Kategorien Reines Wohngebiet und Zweitwohnungsgebiet und für die Beurteilung nach Abs 8."

27 In der Revision wird zunächst moniert, den Revisionswerbern sei der im angefochtenen Bescheid erwähnte Aktenvermerk vom nicht zur Kenntnis gelangt und wäre dieser im Hinblick auf die Fragestellung an den Sachverständigen, die wesentlich das Ermittlungsergebnis determiniere und damit Befund und Gutachten eingrenze, wichtig gewesen, weil die Revisionswerber bei Kenntnis hievon auf diese wichtige Befundung und den Umfang des Gutachtens hätten Einfluss nehmen können. Die Revision legt die diesbezügliche Relevanz allerdings nicht dar, weil aus dem Gutachten eindeutig hervorgeht, welche Lärmereignisse vom Sachverständigen in seine Begutachtung einbezogen wurden. Diese Begutachtungsergebnisse waren dem Parteiengehör unterzogen worden. Dem Gutachten sind die Revisionswerber unstrittig nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

28 In der Sache selbst machen die Revisionswerber als Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend, bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei ausschließlich von Durchschnittswerten und von typischen Spitzen des konkreten Betriebes auszugehen, nicht von einzelnen herausgenommenen tatsächlichen Lärmereignissen, die gegebenenfalls einzeln als ungebührliche Lärmbelästigung nach den einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen (oder zivilrechtlichen) Bestimmungen anzusehen, aber nicht mit dem normtypischen Besucherverhalten des konkreten Projektes in Verbindung zu bringen seien. Tatsächlich werde im angefochtenen Bescheid die abstrakte und die konkrete Beurteilung zwar differenziert, es seien aber unrichtigerweise die tatsächlichen Lärmereignisse als einzeln herausgenommene Lärmereignisse herangezogen worden, die von dem derzeit bewilligten und nicht von dem erst zu bewilligenden konkreten Betrieb ausgingen. Da der Betrieb konkret aber noch nicht umgesetzt sei, hätte im Gutachten abstrakt überlegt werden müssen, "was für den konkreten Betrieb typischerweise für Lärmimmissionen im Spitzenbereich und Dauerschallpegel zu erwarten sein würden." Diese Überlegungen fehlten jedoch im Gutachten.

29 Auch verkenne die belangte Behörde, dass das gewerberechtliche Verfahren umfangreich alle Nachbarschaftseinwendungen und auch lärmtechnischen Einwendungen berücksichtigt habe und die baurechtlichen Bestimmungen unter Rückgriff auf die Widmungskategorie begriffslogisch nicht strenger gehandhabt werden dürften. Das Gutachten vom sei daher gar nicht notwendig gewesen und sei auch nicht relevant.

30 Die Auffassung der belangten Behörde zur Frage, welche Immissionen des konkreten Betriebs in einer prognostischen Sichtweise relevant sein sollten, sei zu weitgehend und zu eng zugleich. Das Baurecht sei nicht berufen, strengeren nachbarschaftsrechtlichen Schutz als das gewerbliche Betriebsanlagenrecht vorzusehen. Soweit nun in diesem Sinn im Ergebnis auf außergewöhnliche und nicht zum normalen Betrieb der Diskothek gehörende Lärmereignisse (lautes Schreien) im Nahebereich der Nachbarschaft eingegangen werde, sei dies im Rahmen der Beurteilung der Widmungsgemäßheit ohne Relevanz. Maßgeblich sei, dass von der Betriebsanlage oder ihren baulichen Anlagen selbst keine erheblichen Lärmimmissionen ausgingen und (Prognose) in Hinkunft ausgehen würden und damit (Prognose) die Nachbarn mit solchen Immissionen üblicherweise nicht zu rechnen hätten.

31 Auch der neue Verwendungszweck des Baues (Ausbau zur Diskothek) entspreche der gegebenen Flächenwidmung. Der konkrete Betrieb erzeuge, wie dem Gutachten vom zu entnehmen sei, durch Spitzenpegel auf Grund von Musik und Unterhaltung aus dem Inneren der Betriebsanlage im Bereich der nächstgelegenen Nachbarschaft nur solche Immissionen, die der Richtlinie Immissionsschutz der Raumordnung des Landes Salzburg entsprächen. Darüber hinausgehende, außerhalb des Betriebs entstehende außergewöhnliche Ereignisse (lautes Schreien) im öffentlichen Raum seien aber, auch in einer prognostischen Sicht, dem konkreten Betrieb nicht zuzurechnen. Aussagen zur Luftverunreinigung, zu Erschütterungen für die Nachbarschaft oder übermäßigem Straßenverkehr treffe der Sachverständige nicht. Gerade diese Umstände wären aber für die prognostische Entscheidung der Widmungsgemäßheit von Relevanz.

32 Soweit die belangte Behörde eine Widmungswidrigkeit der geplanten Umbaumaßnahme auch daraus ableite, dass im vorliegenden Fall die Richtlinie "Immissionsschutz in der Raumordnung" basierend auf der ÖNORM S 5021 heranzuziehen sei und sich aus dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes neben dem energieäquivalenten Dauerschallpegel auch der Maximalpegel für die lärmtechnische Beurteilung ableiten lasse, sei einmal mehr nicht verständlich, weshalb bezogen auf die Widmungsmäßigheit unter Heranziehung gerade dieser bereits im Gewerbeverfahren relevierten ÖNORM S 5021 es im Bauverfahren zu einem anderen Ergebnis kommen solle als im Gewerbeverfahren (wird näher ausgeführt).

33 Die eingetretene Rechtskraft des Zurückverweisungsbescheides vom hat zur Folge, dass im weiteren Verfahren sowohl die Administrativbehörden als auch - im Rahmen der ihm obliegenden nachprüfenden Rechtmäßigkeitskontrolle - der Verwaltungsgerichtshof bei unveränderter Sach- und Rechtslage an die von der belangten Behörde geäußerte, für die Behebung maßgebende Rechtsansicht gebunden sind (vgl. , mwN).

34 Aus dem (in seiner Begründung nicht ganz eindeutigen) Zurückverweisungsbescheid vom ergibt sich, dass bei der Beurteilung der Widmungskonformität des Vorhabens im Hinblick auf § 30 Abs. 9 ROG 2009 die konkret durch den Betrieb verursachten Immissionen zu beurteilen seien und hiebei auch die Lärmimmissionen, die von den Besuchern im Eingangsbereich hervorgerufen würden, zu berücksichtigen seien. Auch die belangte Behörde war nach dem Vorgesagten im weiteren Verfahren bei der Entscheidung über die Berufung an diese Auffassung gebunden.

35 Die Revisionswerber erblicken in § 30 Abs. 9 ROG 2009 einen gleichheitswidrigen Inhalt, weil bei Beurteilung der Widmungskonformität eines Bauvorhabens auf einen konkreten Betrieb und nicht auf den Betriebstypus abzustellen ist, und regen diesbezüglich ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof an.

36 Die diesbezüglichen Bedenken werden vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, weil gerade umgekehrt bei generalisierender Betrachtung, die nur auf den Betriebstypus abstellt, auf Grund der Vielzahl der in der Praxis denkbaren Fallkonstellationen ein gleichheitswidriges Ergebnis eher eintreten kann als bei einem Abstellen jeweils auf den konkreten Betrieb. Anträge, die aufgrund unterschiedlicher Ausgestaltung im Detail zu gravierend unterschiedlichen Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes führen, müssten gleich behandelt werden, soweit es sich nur um denselben Betriebstypus handelte. Vorschriften wie § 30 Abs. 9 ROG 2009 dienen dazu, bei der Beurteilung der Widmungskonformität von Vorhaben nicht schematisch bestimmte Anlagentypen zu prüfen, sondern die konkrete Ausgestaltung (etwa zur Verhinderung von Emissionen) bei der Prüfung miteinzubeziehen. Aufgrund der sich daraus ergebenden sachlichen Differenzierung zwischen hinsichtlich ihrer Emissionen unterschiedlich zu beurteilenden Anlagen bestehen gerade unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes grundsätzlich keine Bedenken gegen eine solche Regelung.

Abgesehen davon, dass die Revisionswerber die Entscheidung vom unbekämpft gelassen haben und damit im vorliegenden Verfahren jedenfalls von der Maßgeblichkeit der Lärmimmissionen, die von den Besuchern im Eingangsbereich herrühren, auszugehen ist (etwaige verfassungsrechtliche Bedenken wären in diesem Rechtsgang aufzugreifen gewesen), stützt sich die diesbezügliche Begründung im Bescheid vom auch nicht allein auf den Umstand, dass der Gesetzgeber die Berücksichtigung der Auswirkungen des konkreten Betriebs vorschreibt. Die belangte Behörde ist in diesem Bescheid vielmehr im Hinblick auf das im ROG 2009 verankerte Tatbestandselement der Vermeidung der Verursachung eines übermäßigen Straßenverkehrs davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung der Emissionen nicht nur die von der Anlage selbst, sondern auch die von den Besuchern (auf der öffentlichen Verkehrsfläche) verursachten Emissionen ins Kalkül zu ziehen seien. Diese Auffassung leitete die belangte Behörde aus § 30 Abs. 1 Z 2 lit. b ROG 2009 ab. Eine Verbindung der Tatbestandselemente des § 30 Abs. 1 Z 2 lit. b ROG 2009 mit der Anordnung des § 30 Abs. 9 ROG 2009, den konkreten Betrieb zu beurteilen, hat die belangte Behörde aber insofern hergestellt, als sie davon ausgegangen ist, dass auch bei der Beurteilung der erwähnten Lärmimmissionen keine abstrakte Prüfung vorzunehmen sei, sondern auf die konkrete Ausgestaltung (hier insbesondere: des in Rede stehenden Eingangsbereiches, der von Einfluss auf die Auswirkungen sein kann) abzustellen sei. Abgesehen davon, dass im Hinblick auf die dargestellte Bindungswirkung im Revisionsfall jedenfalls von dieser Auffassung auszugehen war, teilt der Verwaltungsgerichtshof diese Überlegungen im Ergebnis, da auch insoweit § 30 Abs. 9 ROG 2009 zum Tragen kommen muss.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, der Anregung auf einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof bezüglich § 30 Abs. 9 ROG 2009 zu folgen.

37 Nach der Rechtsprechung (vgl. , mwN) sind Richtlinien (wie im damaligen Beschwerdefall das Baumerkblatt betreffend Immissionsschutz in der Tierhaltung) grundsätzlich keine Regelungen mit normativer Wirkung. Auch den ÖAL-Richtlinien kommt allgemein keine verbindliche Wirkung zu, es kann aber keine Unschlüssigkeit des Gutachtens oder Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin erkannt werden, dass der Sachverständige die den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Grenzwerte der ÖAL-Richtlinie herangezogen hat (vgl. ). ÖNORMEN haben den Charakter eines objektivierten, generellen Gutachtens, das gegebenenfalls durch ein fachliches Gegengutachten widerlegt werden könnte. Diese einschlägigen Regelwerke können von den Sachverständigen als Grundlage ihrer Gutachten herangezogen werden (vgl. ).

38 Das von der Baubehörde einzuholende Sachverständigengutachten zu den einzelnen relevanten Immissionen und Emissionen konnte daher auf die vom Referat örtliche Raumplanung und dem Referat Umweltschutz herausgegebene Richtlinie "Immissionsschutz in der Raumordnung", deren für die gutachterlichen Schlussfolgerungen maßgebliche Orientierungswerte wiederum sich (u.a.) aus der ÖNORM S 5021 sowie den ÖAL-Richtlinien Nr. 3, Blatt 1, sowie Nr. 6/18 zusammensetzen, zurückgreifen.

39 Es begegnet somit grundsätzlich keinen Bedenken, dass das Gutachten des Amtssachverständigen DI S von der belangten Behörde sowie von der Baubehörde ihren Erwägungen zu Grunde gelegt wurde. DI S berücksichtigte bei seiner Beurteilung auch das im gewerberechtlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten (zur Zulässigkeit einer solchen Berücksichtigung von in anderen Verfahren eingeholten Gutachten vgl. ).

40 Nach den Ausführungen des Sachverständigen können aus lärmtechnischer Sicht aufgrund der ermittelten Beurteilungs- und Spitzenpegel durch Musik und Unterhaltung aus dem Inneren der Betriebsanlage im Bereich der nächstgelegenen Nachbarschaft die Orientierungswerte der Richtlinie "Immissionsschutz in der Raumordnung" für den Regelfall eingehalten werden. Die Spitzenpegel der durch das Gästeverhalten im Vorbereich der Betriebsanlage verursachten Immissionen überschritten jedoch im Bereich der nächstgelegenen Nachbarschaft die Orientierungswerte der Handlungsstufe 2 der genannten Richtlinie. Der Vorwurf der Revisionswerber, es wäre richtigerweise von Durchschnittswerten auszugehen, demnach von typischen Spitzen des konkreten Betriebes, geht insofern ins Leere, als sich aus dem oben dargestellten § 30 Abs. 9 ROG 2009 auch eine positivrechtliche Deckung der in den für die Beurteilung herangezogenen Regelwerken vorgesehenen Berücksichtigung von Maximalpegeln ergibt. Bei der Prüfung auf die Einhaltung dieser Werte können sich tatsächlich ergebende Spitzen, auch wenn diese vereinzelt geblieben sind, berücksichtigt werden.

41 Die sich als unbegründet erweisende Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

42 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 4 iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2014060014.J00
Schlagworte:
Planung Widmung BauRallg3 Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1 Beweismittel Vorliegen eines Gutachtens

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