VwGH vom 29.09.2011, 2011/16/0171
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der Mag. (FH) G in W, vertreten durch Dr. Nader Karl Mahdi, Rechtsanwalt in 6112 Wattens, Bahnhofstraße 21, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom , Zl. Jv 50084- 33a/11 - Jv 50086-33a/11, Jv 50673-33a/11 und Jv 50675-33a/11 - Jv 50693-33a/11, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr in Ablichtung vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin brachte am eine Ehescheidungsklage im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) beim Bezirksgericht S ein.
Mit Zahlungsaufforderungen jeweils vom schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichts der Beschwerdeführerin Gerichtsgebühren im Betrag von insgesamt EUR 1.546,75 vor.
Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin, ihr diese Gerichtsgebühren gemäß § 9 Abs. 2 GEG nachzulassen und führte dabei aus, dass sie insgesamt 23 Zahlungsaufforderungen in derselben Sache erhalten habe, weil dieselbe Klage auf Grund eines Programmfehlers in der Anwalts-Software nicht einmal, sondern im Wege des ERV innerhalb von einer Stunde insgesamt 24 Mal eingebracht worden sei. Aufgrund des Programmierfehlers sei die Fehlermeldung, wonach der WebERV-Server der Übermittlungsstelle nicht erreichbar sei, im Programm nicht korrekt verarbeitet worden. Es sei infolge dessen zu vielfachen Einbringungen derselben Klage gekommen. Der Fehler sei mit Update vom behoben worden. Die Einbringung der Gebühr für insgesamt 24 Klagen statt für eine Klage sei mit besonderer Härte für die Klägerin verbunden. Diese sei ohne Beschäftigung und Mutter eines ein- und eines dreijährigen Kindes. Ein Verschulden oder Versehen der Klägerin oder deren Vertretung liege nicht vor. Die Zahlungsverpflichtung sei ausschließlich auf einen technischen Fehler zurückzuführen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin, die ihr mit Zahlungsaufforderungen vom vorgeschriebenen Gerichtsgebühren im Betrag von je EUR 67,25 (gesamt EUR 1.546,75) gemäß § 9 Abs. 2 GEG nachzulassen, nicht stattgegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei darauf zu verweisen, dass eine mit der Einbringung der Gerichtsgebührenforderung verbundene, die Behörde zum Nachlass berechtigende "besondere Härte" nicht allein aus Umständen abgeleitet werden könne, welche die Entstehung der Gebührenpflicht möglicherweise als unbillig erscheinen ließen. § 9 Abs. 2 GEG stelle auch nicht darauf ab, wieso es zur Gebührenvorschreibung gekommen sei, sondern darauf, ob die Einziehung eine besondere Härte für den Zahlungspflichtigen darstelle. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne nicht einmal gesagt werden, dass selbst die Einbringung einer zwar rechtskräftigen, materiell gesehen aber zu Unrecht vorgeschriebenen Gebühr allein schon wegen ihres Unrechtsgehalts eine "besondere Härte" für den Zahlungspflichtigen bedeuten müsse. Die Umstände, weshalb es zur Gebührenvorschreibung gekommen sei, seien für das Nachlassverfahren ohne Relevanz, zumal nicht einmal ein Vorbringen, die Gebührenpflicht wäre durch das Verschulden bestimmter anderer Personen herbeigeführt worden, im Verfahren nach § 9 Abs. 2 GEG zu überprüfen sei.
Die einen Nachlass rechtfertigende besondere Härte setze voraus, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht bloß vorübergehend bestünden, sondern dass mit einer Besserung der wirtschaftlichen Lage des Gebührenschuldners nicht mehr gerechnet werden könne. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Zahlungspflichtigen, welche 1976 geboren und derzeit ohne Beschäftigung sei, in Zukunft keinesfalls mehr ändern könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin - erkennbar - ausschließlich inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in "ihrem Recht, nicht mit Gerichtsgebühren belastet zu werden, wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 GEG 1962 für den Nachlass der Gerichtsgebühren vorliegen", verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Bescheides dem Beschwerdepunkt nach § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Beschwerdeführer behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 2011/16/0006).
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid, der über ein Nachlassansuchen abgesprochen hat, nicht mit Gerichtsgebühren belastet wurde. Dies erfolgte vielmehr bereits durch die Zahlungsaufforderungen jeweils vom .
Durch den angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin somit nicht in dem geltend gemachten Recht verletzt.
Doch selbst wenn man im Beschwerdefall den Beschwerdepunkt dahingehend verstehen wollte, dass die Beschwerdeführerin im Ergebnis nicht mit Gerichtsgebühren belastet bleibe , könnte dies der Beschwerde nicht zu einem Erfolg verhelfen.
Nach § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Bei § 9 Abs. 2 GEG handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde, von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz genannten Alternativvoraussetzungen abhängig. Hinsichtlich des Tatbestandselementes der "besonderen Härte" kommt nach der hg. Rechtsprechung sowohl eine besondere Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung als auch eine solche infolge Vorliegens individueller Gründe in Betracht, die die Einbringung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/17/0029, mwN).
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt nach der hg. Rechtsprechung zur vergleichbaren Regelung des § 236 BAO, welche ebenfalls auf die Unbilligkeit abstellt, vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (vgl. wieder das hg. Erkenntnis vom ). Davon kann aber im Beschwerdefall nicht gesprochen werden, weil gerade im Bereich der Gerichtsgebühren auf Grund der dort geltenden formalen Betrachtungsweise darauf nicht Bedacht zu nehmen ist, ob Parteien (warum auch immer) unnötiger- und überflüssigerweise Akte setzen, die Tatbestände der Gerichtsgebühren verwirklichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0367, mwN). Das hat auch dann zu gelten, wenn aufgrund eines Fehlers des in der Kanzlei des Rechtsfreundes des Gebührenschuldners verwendeten EDV-Programmes die Klage überflüssigerweise öfter als vorgesehen eingebracht wird.
Zu einer allfälligen persönlichen Unbilligkeit enthält die Beschwerde kein Vorbringen.
Die Beschwerdeführerin vertritt überdies die Auffassung, dass "die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs, aber auch die Vermeidung von Umständen, die diese Nutzung hindern, etwa die Vorschreibung von Gerichtsgebühren selbst bei irrtümlichen Eingaben, die nur auf einem technischen Fehler beruhen" im öffentlichen Interesse stehe, das gewichtiger sei als jenes an der Einhebung der Gebühren.
Nach ständiger hg. Judikatur kann ein öffentliches Interesse am Nachlass einer vorgeschriebenen Gebühr nur in jenen Fällen gegeben sein, in denen dieses Interesse unmittelbar am Nachlass der Gebühr besteht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 2008/16/0049, mwN).
Das Verfahren auf Nachlass der Gerichtsgebühren bietet aber keinen Raum dafür, das Ergebnis von Unzulänglichkeiten im EDV-Programm des Parteienvertreters, die zu einer vielfachen Einbringung der Klage geführt haben, zu korrigieren. Vielmehr liegt das öffentliche Interesse im Wesentlichen darin, dass die Parteienvertreter auch beim elektronischen Rechtsverkehr in eindeutiger Weise mit den Gerichten kommunizieren.
Somit ergibt sich bereits aus dem Beschwerdeinhalt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Damit erübrigt sich auch die Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-90146