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VwGH 27.04.2011, 2009/08/0201

VwGH 27.04.2011, 2009/08/0201

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-252107/6/Fi/Mu/Se, betreffend Übertretungen des § 111 ASVG (mitbeteiligte Partei: J R in N; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirksverwaltungsbehörde vom wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als privater Arbeitgeber zu verantworten, dass er auf der Baustelle in N zumindest am von 7.00 Uhr bis 8.45 Uhr drei namentlich genannte slowakische Staatsangehörige als Arbeiter beschäftigt habe, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt als vollbeschäftigte Arbeitnehmer zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden seien. Wegen Übertretung des § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG wurden über den Beschwerdeführer drei Geldstrafen von je EUR 365,-- und für den Fall deren Uneinbringlichkeit drei Ersatzfreiheitsstrafen von je 56 Stunden verhängt.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid Folge und verhängte über den Mitbeteiligten anstelle von drei lediglich eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 365,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 56 Stunden. Zur Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die unterlassene Meldung mehrerer gleichzeitig beschäftigter Personen nur eine Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 ASVG darstelle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde der Abgabenbehörde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift mit dem Begehren auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§§ 33, 111 und 111a ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 31/2007 lauten (auszugweise) wie folgt:

"§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

(1a) Der Dienstgeber kann die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

1. vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und

2. die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

§ 111. (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.

Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.

gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-

mit Geldstrafe von 730 EUR bis zu 2 180 EUR, im Wiederholungsfall von 2 180 EUR bis zu 5 000 EUR,

-

bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 EUR herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

(3) Die Verjährungsfrist bei Verwaltungsübertretungen nach Abs. 2 beträgt ein Jahr.

(4) Die Versicherungsträger und die Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben, sind verpflichtet, alle ihnen auf Grund der Betretung zur Kenntnis gelangenden Ordnungswidrigkeiten nach Abs. 1 bei der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen.

§ 111a. Die Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben, die entgegen § 33 Abs. 1 nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden, haben in den Verwaltungsstrafverfahren nach § 111 Parteistellung und sind berechtigt, gegen Entscheidungen Rechtsmittel und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Verzichten sie auf die Parteistellung, so tritt der Versicherungsträger in diese Parteistellung ein. Der Verzicht ist gegenüber der Bezirksverwaltungsbehörde ausdrücklich zu erklären; diese hat den Versicherungsträger davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Der Verzicht bewirkt die Unterbrechung aller in Betracht kommenden Verfahrensfristen."

Zunächst ist festzuhalten, dass der in der Gegenschrift vom Mitbeteiligten erhobene Einwand der mangelnden Beschwerdelegitimation ins Leere geht, zumal nach dem Akteninhalt die Prüforgane der beschwerdeführenden Partei die drei Arbeitnehmer anlässlich einer Kontrolle am auf der gegenständlichen Baustelle betreten haben, sodass die Abgabenbehörde gemäß § 111a ASVG zur Erhebung der Beschwerde, die auch erkennbar vom Vorstand des Finanzamtes unterfertigt ist, berechtigt gewesen ist.

Der Amtsbeschwerde kommt Berechtigung zu, wenn darin vorgebracht wird, dass bei richtiger Auslegung der Tatbestand des § 111 ASVG auch bei Unterlassung der gleichzeitig vorzunehmenden Meldung hinsichtlich jedes einzelnen Arbeitnehmers erfüllt wird und daher hier drei Verwaltungsübertretungen vorgelegen haben:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0056, in einem ähnlich gelagerten Beschwerdefall zu dieser Rechtsfrage im Wesentlichen ausgeführt, dass "eine Verletzung der Verpflichtung, einen Dienstnehmer zur Pflichtversicherung anzumelden, damit auch Rechtsgüter beeinträchtigt, die dem einzelnen Dienstnehmer zuzuordnen sind und daher - da kein Verstoß gegen dasselbe Rechtsgut vorliegt - nicht gemeinsam mit anderen unterlassenen Anmeldungen weiterer Dienstnehmer als einheitliches (fortgesetztes) Delikt angesehen werden kann" und daher "die Verletzung der Meldepflicht hinsichtlich jedes einzelnen Dienstnehmers eine - gesondert zu verfolgende - Verwaltungsübertretung im Sinne des § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG darstellt". Es genügt daher im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe in diesem Erkenntnis zu verweisen.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ASVG §111 Abs1 Z1 idF 2007/I/031;
ASVG §33 Abs1 idF 2007/I/031;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2009080201.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAE-90144