VwGH vom 12.11.1976, 2131/75

VwGH vom 12.11.1976, 2131/75

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2340/75

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Eichler und die Hofräte Dr. Raschauer, Kobzina, Dr. Straßmann und Dr. Salcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Ministerialsekretär Papp, über die Beschwerde des Dr. FR in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 169/39-III-1972, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner beschlossen, dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung des Antrages auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwandersatz nicht Folge zu geben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 52,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Nach Lage der Akten gab der Beschwerdeführer mit Abgabenerklärung vom dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Salzburg bekannt, von der B-Baugesellschaft, einen Grundanteil an der Liegenschaft EZ. 2481 der KG X, Grundbuchsgericht Salzburg, zum Preise von S 215.600,-- zuzüglich der Kosten der Vertragserrichtung durch Kauf erworben zu haben und beantragte u. e. die Grunderwerbsteuerbefreiung "wegen Schaffung einer Arbeiterwohnstätte". Das Finanzamt schrieb daraufhin dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom unter Heranziehung einer Bemessungsgrundlage von S 649.100,-- die Grunderwerbsteuer i.H. v. S 51.928,-- zur Entrichtung vor. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe mit seinem Anbot eine schlüsselfertige Eigentumswohnung "mit Fixpreis" erworben, was der Gewährung der Steuerbefreiung nach dem § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a Grunderwerbsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 140 in der im Beschwerdefall geltenden Fassung (GrEStG), entgegenstehe.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung, der die Finanzlandesdirektion für Salzburg mit Bescheid vom Folge gab. Diese Berufungsentscheidung behob das Bundesministerium für Finanzen mit Bescheid vom gemäß dem § 299 Abs. 2 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. In der Folge erging der Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , mit dem die Berufung des Beschwerdeführers mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG abgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und über die hiezu erstattete Gegenschrift erwogen.

Der Beschwerdeführer erachtet sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in dem ihm "aus der Rechtskraft des (durch das Bundesministerium für Finanzen aufgehobenen) Bescheides der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , erwachsenen" Recht verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes rügt der Beschwerdeführer, es sei ihm der Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom nicht zugestellt worden und er habe bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides von diesen keine Kenntnis erlangt. Der angefochtene Bescheid sei daher schon deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil er sich über den in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der belangten Behörde vom in gesetzloser Weise hinwegsetze. Diesem Vorwurf begegnet die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit dem Hinweis, der bezeichnete Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen sei dem Zustellungsbevollmächtigten des Beschwerdeführers, Hermann R., am zugestellt worden.

Gemäß dem § 101 Abs. 4 BAO haben in den Fällen, in welchen eine im Inland wohnhafte Person zum Empfang von Schriftstücken einer Abgabenbehörde bevollmächtigt ist, Zustellungen an diese zu erfolgen. Die nach der zitierten Gesetzesstelle rechtserhebliche Voraussetzung der Bevollmächtigung eines Dritten zum Empfang von an den Beschwerdeführer gerichteten Schriftstücken der Abgabenbehörde erblickte die belangte Behörde nach ihren Ausführungen in der Gegenschrift in dem Umstand, daß der Beschwerdeführer in allen Eingaben an das Finanzamt "durch die Anführung 'p.Adr.Reg.Rat Hermann R., R.kai 38 bzw. 38/III, S.', zum Ausdruck gebracht hat, daß nach seinem Willen Zustellungen in diesem Verfahren an seinen Vater erfolgen sollen".

Es trifft zu, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz seinem Namen als Zustellanschrift den Vermerk "c/o" - in weiteren Eingaben "p.Adr." - "Regierungsrat Hermann R., S., R.kai 38" angefügt hatte. Unter Bedachtnahme darauf ließen die Abgabenbehörden alle den Verfahrensgegenstand betreffenden Bescheide "z.Hd. Herrn Reg.Rat Hermann R., R.kai 38, S." zustellen. Dies traf auch auf den im Aufsichtswege ergangenen Bescheid vom zu, der, wie dem in Fotokopie bei den Akten erliegenden Rückschein des Bundesministeriums für Finanzen zu entnehmen ist, in der angegebenen Weise am zugestellt wurde.

Es ist zu prüfen, ob der dargestellte Vorgang dem Gesetz entspricht. Der am Berufungsschriftsatz des Beschwerdeführers angebrachte Vermerk "c/o" ist die Abkürzung der Worte "care of"', die dem im deutschen gebräuchlicheren "per Adresse" entsprechen. Er bedeutet als Vermerk des Absenders, daß dieser an der Adresse einer anderen, bestimmt bezeichneten Person (zur Zeit) erreichbar sei. In Hinsicht darauf kann in der wiedergegebenen Adressenbezeichnung des Berufungsschriftsatzes nach dem Sprachgebrauch lediglich die Anschrift erkannt werden, an die dem Beschwerdeführer zugestellt werden soll: Eine Bevollmächtigung des Hermann R. zum Empfang von den Beschwerdeführer betreffenden Schriftstücken der Abgabenbehörden vermag indes aus dieser in der wiedergegebenen Form bezeichneten Anschrift objektiverweise nicht entnommen zu werden. Da die Ermächtigung einer Person zum Empfang von Schriftstücken i. S. des § 101 Abs. 4 erster Satz BAO Rechtens nur dann angenommen werden kann, wenn diese dem Finanzamt gegenüber als Bevollmächtigter ausgewiesen ist - im Zusammenhang sei auf das hg. Erkenntnis Slg. Nr. 4368/F hingewiesen -, eine derartige Vollmacht den Akten nicht entnommen werden kann und von der belangten Behörde auch nicht behauptet wird, entsprach die zu Handen des Hermann R. erfolgte Zustellung des Bescheides vom nicht dem Gesetz. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer, gleichfalls in Verkennung der dargestellten Sach- und Rechtslage, Hermann R. - worauf die belangte Behörde hinweist -, im Beschwerdeschriftsatz als seinen "Zustellungsbevollmächtigten" bezeichnet. Da gemäß dem § 97 Abs. 1 BAO die Rechtswirksamkeit einer Erledigung erst dadurch eintritt, daß sie demjenigen bekanntgegeben wird, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt ist, gilt der die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom aufhebende Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom mangels Zustellung an den Beschwerdeführer als noch nicht erlassen. Dementsprechend ist die bezeichnete, auf der Grundlage des § 299 Abs. 2 BAO ergangene Erledigung der Oberbehörde dem Beschwerdeführer gegenüber bislang nicht rechtswirksam geworden. Da solcherart die Berufungsentscheidung vom noch nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden ist, stand der Erlassung des angefochtenen Bescheides res iudicata entgegen.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

II.

Den Antrag auf Zuerkennung des Aufwandersatzes stellte der Beschwerdeführer in einem gesonderten, eine Woche nach der Beschwerde zur Post gegebenen Schriftsatz, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei "bis auf das Kostenverzeichnis und die Stempelgebühren" vollständig vorbereitet gewesen. Sie sollte jedoch erst mit einem beigeschlossenen Kostenverzeichnis und den entsprechenden Stempelmarken zur Post gebracht werden. Entgegen jeglicher sonstiger Gepflogenheit habe die Ehefrau des Beschwerdeführers "in eigener Initiative" das Schriftstück in der bezeichneten unvollständigen Form zur Post gebracht. Da es bisher noch nie vorgekommen sei, daß Schriftstücke des Beschwerdeführers von seiner Frau zur Post gebracht wurden, sei diese Handlung für den Beschwerdeführer "absolut unvorhersehbar und" (!) "im konkreten Fall auch unabwendbar", gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Entscheidung über diesen Antrag mit seiner Entscheidung über die Beschwerde zu verbinden.

Im Grunde des § 46 Abs. 1 VwGG 1965 ist einer Partei, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Gemäß dem § 59 Abs. 2 lit. a leg. cit. ist der Antrag auf Zuerkennung des Ersatzes für Schriftsatzaufwand im Schriftsatz und nach der lit. d der zitierten Gesetzesstelle der Antrag auf Aufwandersatz u.a. für Stempelgebühren sowie Barauslagen binnen einer Woche nach dem Entstehen der Leistungspflicht einzubringen.

Dem Wiedereinsetzungsantrag muß, soweit er sich auf die Versäumung der Antragstellung für den Ersatz von Schriftsatzaufwand bezieht, schon deshalb ein Erfolg verwehrt bleiben, weil der § 46 Abs. 1 VwGG 1965 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gegen die Versäumung einer Frist vorsieht. Der Antrag auf Zuerkennung des Ersatzes von Schriftsatzaufwand ist hingegen, was der Beschwerdeführer verkennt, nicht an eine bestimmte Frist gebunden, sondern bedarf gemäß dem § 59 Abs. 2 lit. a leg. cit. der Geltendmachung im Schriftsatz. Da sohin die Zuerkennung des Aufwandersatzes einen darauf gerichteten Antrag im Beschwerdeschriftsatz voraussetzt und nicht etwa dessen gleichzeitige Einbringung mit der Beschwerde - wie dies als eine Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im § 30 Abs. 2 VwGG 1965 idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 normiert wird - ist in dem zur Entscheidung stehenden Fall schon das Tatbestandsmerkmal einer "Frist" i.S. des § 46 Abs. 1 leg. cit., an deren Versäumung unter den weiteren rechtserheblichen Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geknüpft wird, nicht gegeben. Solcherart war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - soweit sie den Antrag auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand zum Gegenstand hat - mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen abzuweisen.

Anders als beim Schriftsatzaufwand ist der Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz für Leistungen u.a. betreffend Stempelgebühren an eine Frist geknüpft. Dieser ist nach dem § 59 Abs. 2 lit. d VwGG 1965 binnen einer Woche nach dem Entstehen der Leistungspflicht zu stellen. Die Gebührenschuld entstand im Streitfall gemäß dem § 11 Z. 1 GebG 1957 im Zeitpunkt der Überreichung der Beschwerde. Unter Bedachtnahme auf diesen Zeitpunkt erfolgte die diesbezügliche Antragstellung fristgerecht, aus welchem Grund es insoweit eines Wiedereinsetzungsantrages nicht bedurfte.

Demgemäß war dem Beschwerdeführer der Ersatz der Leistung von Stempelgebühren in der beantragten Höhe von S 52,60 gemäß dem § 48 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 in Verbindung mit dem § 59 Abs. 2 lit. d und Abs. 4 leg. cit. zuzuerkennen.

Wien, am