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VwGH vom 28.03.2018, 2017/07/0001

VwGH vom 28.03.2018, 2017/07/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde des Dr. GF, Rechtsanwalt in K, gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenats für die Steiermark vom , Zl. UVS 503.23-1/2012-9, betreffend Abweisung einer Umweltbeschwerde (weitere Partei: Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang von Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag Umweltbeschwerde gemäß § 11 Bundes-Umwelthaftungsgesetz (B-UHG).

Darin brachte er im Wesentlichen vor:

2 Die W GmbH betreibe aufgrund des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom eine Wasserkraftanlage an der Mürz mit einem Ausleitungsbereich von

1.455 m. Der Beschwerdeführer sei fischereiberechtigt von der Wehranlage flussabwärts an beiden Ufern der Mürz auf einer Länge von rund 12 km. Die Wasserkraftanlage werde seit dem Jahr 2002 betrieben. Durch die Wasserkraftanlage komme es zu erheblichen Umweltbeeinträchtigungen, welche massiv die natürliche Reproduktion der Fische beeinträchtigten bzw. wiederholt zu Fischsterben über lange Fließstreckenbereiche führten, sodass jedenfalls die Erheblichkeitsschwelle überschritten sei. Kurzfristige erhebliche Wasserspiegelschwankungen führten dazu, dass benetzte Bereiche sehr rasch trocken fielen, wobei es zur Abtrennung wasserführender Bereiche von der fließenden Welle komme, wodurch es Kleinfischen und juvenilen Fischen unmöglich werde, dem abfließenden Wasser zu folgen. Die Fische verendeten. Diese Situation trete wiederholt in einer längeren Strecke auf. Ursache sei zum einen das Fehlen einer Bypassleitung beim Kraftwerk, zum anderen dessen Betriebsweise.

3 Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde die Umweltbeschwerde - im Devolutionsweg - abgewiesen.

4 Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass für den Betrieb der Wasserkraftanlage der W GmbH mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt worden sei, in der auch Restwassermengen vorgeschrieben worden seien. Der vom Beschwerdeführer behauptete Schaden sei daher durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt, weshalb gemäß § 4 Z. 1 lit. a B-UHG kein Umweltschaden vorliege.

5 Gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der er unter anderem geltend macht, das B-UHG stehe im Widerspruch zur Umwelthaftungs-Richtlinie, weil nicht jedwede wasserrechtliche Bewilligung zu einem Ausschluss eines Umweltschadens führen dürfe.

6 Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

7 Aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalls legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vor (vgl. EU 2015/0005-1):

"1. Findet die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. L 143 vom , S 56, geändert durch die Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom , ABl. L 102 vom , S 15 und die Richtlinie 2009/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom , ABl. 140 vom , S 114 (Umwelthaftungs-Richtlinie) auch auf Schäden Anwendung, die zwar auch noch nach dem in Art. 19 Abs. 1 der Umwelthaftungs-Richtlinie genannten Datum auftreten, aber aus dem Betrieb einer vor diesem Datum bewilligten und in Betrieb genommenen Anlage (Wasserkraftanlage) herrühren und von einer wasserrechtlichen Bewilligung gedeckt sind?

2. Steht die Umwelthaftungs-Richtlinie, insbesondere deren Art. 12 und 13, einer nationalen Vorschrift entgegen, welche es Fischereiberechtigten verwehrt, ein Prüfungsverfahren im Sinn des Art. 13 der Umwelthaftungs-Richtlinie in Bezug auf einen Umweltschaden im Sinn dieses Art. 2 Z. 1 lit. b der Richtlinie durchführen zu lassen?

3. Steht die Umwelthaftungs-Richtlinie, insbesondere deren Art. 2 Z. 1 lit. b, einer nationalen Vorschrift entgegen, welche einen Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen oder mengenmäßigen Zustand oder das ökologische Potential der betreffenden Gewässer hat, vom Begriff des ‚Umweltschadens' ausnimmt, wenn der Schaden durch eine Bewilligung in Anwendung einer nationalen gesetzlichen Vorschrift gedeckt ist?

4. Für den Fall, dass Frage 3 bejaht wird:

Ist in den Fällen, in denen bei der nach nationalen Vorschriften erteilten Bewilligung die Kriterien des Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60/EG (bzw. dessen nationalen Umsetzung) nicht geprüft wurden, bei der Prüfung der Frage, ob ein Umweltschaden im Sinn des Art. 2 Z. 1 lit. b der Umwelthaftungs-Richtlinie vorliegt, Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60/EG unmittelbar anzuwenden und zu prüfen, ob die Kriterien dieser Bestimmung erfüllt sind?"

8 Aufgrund dieses Vorabentscheidungsersuchens erließ der EuGH folgendes Urteil (vgl. Folk, C-529/15):

"1. Art. 17 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden in der durch die Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung ist vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht anzustellenden Prüfung dahin auszulegen, dass sie zeitlich auf Umweltschäden Anwendung findet, die nach dem aufgetreten sind, aber aus dem Betrieb einer vor diesem Datum wasserrechtlich bewilligten und in Betrieb genommenen Anlage herrühren.

2. Die Richtlinie 2004/35 in der durch die Richtlinie 2009/31 geänderten Fassung, insbesondere ihr Art. 2 Nr. 1 Buchst. b, ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der ein Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen oder mengenmäßigen Zustand oder das ökologische Potenzial der betreffenden Gewässer hat, allein deshalb generell und ohne Weiteres vom Begriff des "Umweltschadens" ausgenommen ist, weil er durch eine Bewilligung in Anwendung des nationalen Rechts gedeckt ist.

3. In den Fällen, in denen nach nationalen Vorschriften eine Bewilligung erteilt wurde, ohne dass die Bedingungen des Art. 4 Abs. 7 Buchst. a bis d der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik geprüft wurden, muss ein nationales Gericht bei der Prüfung der Frage, ob ein Umweltschaden im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/35 in der durch die Richtlinie 2009/31 geänderten Fassung vorliegt, nicht selbst prüfen, ob die Bedingungen des Art. 4 Abs. 7 Buchst. a bis d der Richtlinie 2000/60 erfüllt sind.

4. Die Art. 12 und 13 der Richtlinie 2004/35 in der durch die Richtlinie 2009/31 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die es Fischereiberechtigten verwehrt, ein Prüfungsverfahren in Bezug auf einen Umweltschaden im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Buchst. b dieser Richtlinie durchführen zu lassen.".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

10 Die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden lautet auszugsweise:

"...

in Erwägung nachstehender Gründe:

...

(24) Es ist erforderlich, sicherzustellen, dass für die Um- und Durchsetzung wirksame Mittel zur Verfügung stehen, wobei dafür zu sorgen ist, dass die berechtigten Interessen der betreffenden Betreiber und sonstigen Beteiligten angemessen gewahrt sind. Die zuständigen Behörden sollten besondere Aufgaben wahrnehmen, die eine behördliche Ermessensausübung erfordern, insbesondere die Verpflichtung zur Ermittlung der Erheblichkeit des Schadens und zur Entscheidung darüber, welche Sanierungsmaßnahmen zu treffen sind.

(25) Personen, die von einem Umweltschaden nachteilig betroffen oder wahrscheinlich betroffen sind, sollten berechtigt sein, die zuständige Behörde zum Tätigwerden aufzufordern. Der Umweltschutz stellt jedoch kein klar abgegrenztes Interesse dar, so dass Einzelpersonen sich nicht immer dafür einsetzen oder einsetzen können. Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, sollte daher ebenfalls die Möglichkeit gegeben werden, angemessen zur wirksamen Umsetzung dieser Richtlinie beizutragen.

...

(30) Schäden, die vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie verursacht wurden, sollten nicht von ihren Bestimmungen erfasst werden.

...

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff

1. "Umweltschaden"

...

b) eine Schädigung der Gewässer, d.h. jeden Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen und/oder mengenmäßigen Zustand und/oder das ökologische Potenzial der betreffenden Gewässer im Sinne der Definition der Richtlinie 2000/60/EG hat, mit Ausnahme der nachteiligen Auswirkungen, für die Artikel 4 Absatz 7 jener Richtlinie gilt;

...

Artikel 12

Aufforderung zum Tätigwerden

(1) Natürliche oder juristische Personen, die

a) von einem Umweltschaden betroffen oder wahrscheinlich betroffen sind oder

b) ein ausreichendes Interesse an einem umweltbezogenen Entscheidungsverfahren bezüglich des Schadens haben oder alternativ

c) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert, erhalten das Recht, der zuständigen Behörde Bemerkungen zu ihnen bekannten Umweltschäden oder einer ihnen bekannten unmittelbaren Gefahr solcher Schäden zu unterbreiten und die zuständige Behörde aufzufordern, gemäß dieser Richtlinie tätig zu werden.

Was als ‚ausreichendes Interesse' und als ‚Rechtsverletzung' gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten.

Zu diesem Zweck gilt das Interesse einer Nichtregierungsorganisation, die sich für den Umweltschutz einsetzt und alle nach nationalem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstabens b). Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstabens c) verletzt werden können.

(2) Der Aufforderung zum Tätigwerden sind die sachdienlichen Informationen und Daten beizufügen, die die im Zusammenhang mit dem betreffenden Umweltschaden unterbreiteten Bemerkungen stützen.

(3) Wenn die Aufforderung zum Tätigwerden und die entsprechenden Bemerkungen einen Umweltschaden glaubhaft erscheinen lassen, prüft die zuständige Behörde die Aufforderung zum Tätigwerden und die beigefügten Bemerkungen. Unter diesen Umständen gibt die zuständige Behörde dem betreffenden Betreiber Gelegenheit, sich zu der Aufforderung zum Tätigwerden und den beigefügten Bemerkungen zu äußern.

(4) Die zuständige Behörde unterrichtet so schnell wie möglich und in jedem Fall gemäß den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften die in Absatz 1 genannten Personen, die der Behörde Bemerkungen unterbreitet haben, über ihre Entscheidung, der Aufforderung zum Tätigwerden nachzukommen oder diese zurückzuweisen, und begründet diese Entscheidung.

(5) Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Absätze 1 und 4 auf die Fälle der unmittelbaren Gefahr eines Schadens nicht anzuwenden.

Artikel 13

Prüfungsverfahren

(1) Die in Artikel 12 Absatz 1 genannten Personen können ein Gericht oder eine andere unabhängige und unparteiische öffentliche Stelle anrufen, um Entscheidungen, Handlungen oder die Untätigkeit der nach dieser Richtlinie zuständigen Behörde auf formelle und materielle Rechtmäßigkeit überprüfen

zu lassen.

(2) Diese Richtlinie lässt nationale Rechtsvorschriften über den Zugang zu den Gerichten und diejenigen Rechtsvorschriften unberührt, die vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens die Erschöpfung der Verwaltungsverfahren vorschreiben.

...

Artikel 17

Zeitliche Begrenzung der Anwendung

Diese Richtlinie gilt nicht für

  • Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die vor dem in Artikel 19 Absatz 1 angegebenen Datum stattgefunden haben;

  • Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die nach dem in Artikel 19 Absatz 1 angegebenen Datum stattgefunden haben, sofern sie auf eine spezielle Tätigkeit zurückzuführen sind, die vor dem genannten Datum stattgefunden und geendet hat;

  • Schäden, wenn seit den schadensverursachenden Emissionen, Ereignissen oder Vorfällen mehr als 30 Jahre vergangen sind.

  • ...

  • Artikel 19

  • Umsetzung

(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens bis zum nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

..."

11 Die Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik lautet auszugsweise:

"...

Artikel 4

Umweltziele

...

(7) Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen diese Richtlinie, wenn:

  • das Nichterreichen eines guten Grundwasserzustandes, eines guten ökologischen Zustands oder gegebenenfalls eines guten ökologischen Potentials oder das Nichtverhindern einer Verschlechterung des Zustands eines Oberflächen oder Grundwasserkörpers die Folge von neuen Änderungen der physischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder von Änderungen des Pegels von Grundwasserkörpern ist, oder

  • das Nichtverhindern einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers die Folge einer neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeit des Menschen ist

  • und die folgenden Bedingungen alle erfüllt sind:

  • a)Es werden alle praktikablen Vorkehrungen getroffen, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern;

  • b)die Gründe für die Änderungen werden in dem in Artikel 13 genannten Bewirtschaftungsplan für das Einzugsgebiet im einzelnen dargelegt, und die Ziele werden alle sechs Jahre überprüft;

  • c)die Gründe für die Änderungen sind von übergeordnetem öffentlichem Interesse und/oder der Nutzen, den die Verwirklichung der in Absatz 1 genannten Ziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat, wird übertroffen durch den Nutzen der neuen Änderungen für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung; und

  • d)die nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen des Wasserkörpers dienen sollen, können aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder aufgrund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden.

  • ..."

  • 12 Das zur Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden erlassene Bundes-Umwelthaftungsgesetz (B-UHG) lautet auszugsweise:

  • "Ziele

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt auf der Grundlage des Verursacherprinzips Maßnahmen zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden.

...

Begriffsbestimmungen

§ 4. Für dieses Bundesgesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. Als Umweltschaden gilt

a) jede erhebliche Schädigung der Gewässer, das ist jeder Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen oder mengenmäßigen Zustand oder das ökologische Potenzial der betreffenden Gewässer im Sinn des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), BGBl. Nr. 215, hat und nicht durch eine Bewilligung in Anwendung des WRG 1959 gedeckt ist, und

...

Umweltbeschwerde

§ 11. (1) Natürliche oder juristische Personen, die durch einen eingetretenen Umweltschaden in ihren Rechten verletzt werden können, können die Bezirksverwaltungsbehörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich der behauptete Umweltschaden eingetreten ist, in einer schriftlichen Beschwerde dazu auffordern, im Sinn des § 6 und des § 7 Abs. 2 tätig zu werden. Das Recht zur Umweltbeschwerde steht auch dem Umweltanwalt (§ 2 Abs. 4 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 - UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993) und jenen Umweltorganisationen zu, die gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannt sind, und zwar jeweils im Rahmen ihrer örtlichen Anerkennung.

(2) Als Rechte im Sinn von Abs. 1 erster Satz gelten

  1. der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen sowie

  2. in Bezug auf Gewässer: bestehende Rechte im Sinn von § 12 Abs. 2 WRG 1959 und

  3. 3.in Bezug auf den Boden: das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte an einer betroffenen Liegenschaft, nicht jedoch die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswerts.

  4. ...

  5. Übergangsbestimmungen

§ 18. Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden

1. auf Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes stattgefunden haben,

2. auf Schäden, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes stattgefunden haben, sofern sie auf eine Tätigkeit zurückzuführen sind, die unzweifelhaft vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beendet war, und

3. auf Schäden, wenn seit den schadensverursachenden Emissionen, Ereignissen oder Vorfällen mehr als 30 Jahre vergangen sind.

..."

13 Zur Frage, ob die Richtlinie 2004/35 auch auf Schäden Anwendung findet, die zwar auch noch nach dem in Art. 19 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Datum auftreten, aber aus dem Betrieb einer vor diesem Datum bewilligten und in Betrieb genommenen Anlage (Wasserkraftanlage) herrühren und von einer wasserrechtlichen Bewilligung gedeckt sind, führt der EuGH in den Entscheidungsgründen des Urteils vom auszugsweise aus:

"...

22 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass aus Art. 17 erster und zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2004/35 in Verbindung mit ihrem 30. Erwägungsgrund hervorgeht, dass diese Richtlinie für Schäden gilt, die durch Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle verursacht wurden, die am oder nach dem stattgefunden haben, sofern diese Schäden entweder auf Tätigkeiten zurückzuführen sind, die am oder nach diesem Datum stattgefunden haben, oder auf Tätigkeiten, die vor dem genannten Datum stattgefunden, aber nicht vor ihm geendet haben (vgl. Urteil vom , Fipa Group u.a., C-534/13, EU:C:2015:140, Rn. 44).

23 Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht aber hervor, dass die Wasserkraftanlage, um die es im Ausgangsverfahren geht, vor dem Jahr 2007 bewilligt und in Betrieb genommen wurde. Des Weiteren steht fest, dass ihr Betrieb nach dem zu erheblichen Wasserspiegelschwankungen des Flusses Mürz führte, was eine erhöhte Sterblichkeit der Fische nach sich zog. Die wiederholten Wasserspiegelschwankungen sind als Emissionen, Ereignisse oder Vorfälle zu qualifizieren, die nach dem - bis dahin mussten die Mitgliedstaaten die Richtlinie 2004/35 umgesetzt haben - stattgefunden haben.

24 Wie der Generalanwalt in Nr. 26 seiner Schlussanträge festgestellt hat, ist zudem unerheblich, dass der gerügte Schaden auch schon vor dem entstand und aus dem Betrieb eines Kraftwerks herrührt, das vor diesem Zeitpunkt bewilligt wurde.

25 Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 der Richtlinie 2004/35 vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht anzustellenden Prüfung dahin auszulegen ist, dass diese Richtlinie zeitlich auf Umweltschäden Anwendung findet, die nach dem aufgetreten sind, aber aus dem Betrieb einer vor diesem Datum wasserrechtlich bewilligten und in Betrieb genommenen Anlage herrühren."

14 Zur Frage, ob die Richtlinie 2004/35, insbesondere deren Art. 2 Nr. 1 Buchst. b, einer nationalen Vorschrift entgegensteht, welche einen Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen oder mengenmäßigen Zustand oder das ökologische Potenzial der betreffenden Gewässer hat, vom Begriff des "Umweltschadens" ausnimmt, wenn der Schaden durch eine Bewilligung in Anwendung einer nationalen gesetzlichen Vorschrift gedeckt ist, führt der EuGH in den Entscheidungsgründen des vorzitierten Urteils unter anderem weiter aus:

"...

27 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ergibt sich aus nationalen Rechtsvorschriften, dass Schäden, die aus einer nach dem WRG bewilligten Tätigkeit herrühren, nicht als Umweltschäden im Sinne der Richtlinie 2004/35 qualifiziert werden können. Es möchte wissen, ob solche Rechtsvorschriften mit Art. 2 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/35 im Einklang stehen, der auf Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60 verweist.

28 Art. 2 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/35 sieht jedoch keine allgemeine Ausnahme von Schäden, die durch eine Bewilligung gedeckt sind, vom Begriff des ‚Umweltschadens' vor. Nach dieser Bestimmung besteht eine Ausnahme lediglich für die nachteiligen Auswirkungen, für die Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60 gilt.

29 Nach Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60 verstoßen die Mitgliedstaaten nicht gegen diese Richtlinie, wenn das Nichterreichen eines guten Grundwasserzustands, eines guten ökologischen Zustands oder gegebenenfalls eines guten ökologischen Potenzials oder das Nichtverhindern einer Verschlechterung des Zustands eines Oberflächen- oder Grundwasserkörpers die Folge von neuen Änderungen der physischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder von Änderungen des Pegels von Grundwasserkörpern ist. Ebenso wenig kann den Mitgliedstaaten ein Verstoß entgegengehalten werden, wenn das Nichtverhindern einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers die Folge einer neuen nachhaltigen Entwicklungstätigkeit des Menschen ist.

30 Die Anwendung dieser Ausnahme setzt voraus, dass die in Art. 4 Abs. 7 Buchst. a bis d der Richtlinie 2000/60 vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Nomarchiaki Aftodioikisi Aitoloakarnanias u. a., C-43/10, EU:C:2012:560, Rn. 67, und vom , Kommission/Österreich, C-346/14, EU:C:2016:322, Rn. 65 und 66).

31 Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Bewilligung von Vorhaben zu versagen, die zu einer Verschlechterung des Zustands von Wasserkörpern führen können, es sei denn, diese Vorhaben fallen unter eine der in Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60 vorgesehenen Ausnahmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, C- 461/13, EU:C:2015:433, Rn. 50).

32 Diese Bestimmung bezieht sich nicht nur auf bewilligungspflichtige Vorhaben. Sie erfasst nämlich jede Art von Verschlechterung von Wasserkörpern, ob sie nun von einer Anlage stammt oder nicht, und regelt die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten trotz einer solchen Verschlechterung nicht tätig werden müssen. Daraus folgt, dass diese Bestimmung keine Auswirkung auf den Begriff des Umweltschadens als solchen hat.

33 Diese Feststellungen gelten insbesondere für das Ausgangsverfahren, in dem die Bewilligung für den Betrieb der fraglichen Anlage vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2000/60 erteilt wurde und diese Erteilung daher zum damaligen Zeitpunkt nicht an die Einhaltung der vier kumulativen Kriterien in Art. 4 Abs. 7 Buchst. a bis d dieser Richtlinie geknüpft war. Zudem geht aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten hervor, dass sich die Wasserspiegelschwankungen, die für eine erhöhte Sterblichkeit der Fische verantwortlich gemacht werden, aus dem Regelbetrieb der bewilligten Anlage ergeben.

34 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2004/35, insbesondere ihr Art. 2 Nr. 1 Buchst. b, dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der ein Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen oder mengenmäßigen Zustand oder das ökologische Potenzial der betreffenden Gewässer hat, allein deshalb generell und ohne Weiteres vom Begriff des ‚Umweltschadens' ausgenommen ist, weil er durch eine Bewilligung in Anwendung des nationalen Rechts gedeckt ist."

15 Ausgehend davon hat die belangte Behörde zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs des am in Kraft getretenen und damit nach dessen § 18 anzuwendenden B-UHG zwar zu Recht geprüft, ob ein Umweltschaden nach der Begriffsbestimmung des § 4 Z 1 lit. a B-UHG vorliegt.

16 Die Abweisung der Umweltbeschwerde gemäß § 11 B-UHG mit der Begründung, dass die behauptete Schädigung der Gewässer durch eine Bewilligung nach dem WRG 1959 gedeckt sei, weshalb ein Umweltschaden im Sinne des § 4 Z 1 lit. a B-UHG nicht vorliege, widerspricht aber dem Unionsrecht.

17 Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

18 Der Beschwerdeführer beantragte in der Beschwerde den Ersatz der Eingabengebühr und des Schriftsatzaufwandes. Mit Schriftsatz vom begehrte der Beschwerdeführer für das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zusätzlich den Ersatz seines Aufwandes für den Schriftsatz an den und seiner Fahrt- und Aufenthaltskosten, die für ihn mit der Verhandlung vor dem EuGH am verbunden waren.

19 Im Urteil sprach der EuGH aus, dass das Verfahren für die Parteien des Ausgangsverfahrens ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit und die Kostenentscheidung daher Sache dieses Gerichts ist ( Folk, C-529/15, Rn. 51).

20 Die Regelungen betreffend die Kostenentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof und auch hinsichtlich der Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens selbst finden sich ausschließlich in den §§ 47 VwGG.

21 Nach § 47 Abs. 1 VwGG hat die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei nach Maßgabe der §§ 47 bis 59.

22 Der Kostenersatzanspruch des obsiegenden Beschwerdeführers ist in § 48 Abs. 1 VwGG geregelt. Diese Bestimmung begründet den Anspruch des Beschwerdeführers auf Ersatz der Kommissionsgebühren und der Eingabengebühr nach § 24 Abs. 3, die er im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichten hat, sowie der Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes, für die er aufzukommen hat (Z 1), des Aufwandes, der für ihn mit der Einbringung der Beschwerde durch einen Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) verbunden war (Schriftsatzaufwand) (Z 2), der Reisekosten (Fahrt- und Aufenthaltskosten), die für ihn mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgerichtshof verbunden waren (Z 3) und des sonstigen Aufwandes, der für ihn mit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgerichtshof verbunden war (Verhandlungsaufwand; Z 4).

23 Es besteht somit keine gesetzliche Grundlage für den Ersatz des Aufwandes, der einer Partei auf Grund ihrer Beteiligung an einem Zwischenverfahren (vor dem EuGH), das nicht vor dem Verwaltungsgerichtshof geführt wurde, entstanden ist.

24 Der Ersatz des Aufwandes des Beschwerdeführers für einen an den EuGH gerichteten Schriftsatz und der Fahrt- und Aufenthaltskosten, die dem Beschwerdeführer durch die Teilnahme an der vor dem EuGH durchgeführten Verhandlung erwachsen sind, kommt nach dem VwGG nicht in Betracht (vgl. ; , 2011/22/0313, , Ra 2015/20/0231; jeweils mwN).

25 Die Regelung, dass in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH kein Kostenersatzanspruch besteht, ist unionsrechtskonform, weil ein Kostenersatzanspruch für vergleichbare Zwischenverfahren, wie beispielsweise ein gemäß Art. 140 B-VG auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes eingeleitetes Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen, nicht besteht; diese Regelung ist daher nicht ungünstiger als für vergleichbare Zwischenverfahren (vgl. Clean Car Autoservice GmbH, C-472/99; , , 2008/08/0189, mwN).

26 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012 in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das sich auf das Vorabentscheidungsverfahren beziehende Mehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:2017070001.X00
Schlagworte:
Gemeinschaftsrecht EuGH Verfahren Kostenersatz EURallg9/1 Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3

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