VwGH vom 07.09.2011, 2009/08/0193

VwGH vom 07.09.2011, 2009/08/0193

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der J L in T, vertreten durch Mag. Christoph Arnold und Mag. Fiona Kathrin Arnold, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Stafflerstraße 2/EG, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom , Zl. LGSTi/V/0552/2744 -702/2009, betreffend den Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld,

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird betreffend die Rückforderung von Arbeitslosengeld als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren in diesem Umfang eingestellt.

und II. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Widerrufs des Arbeitslosengeldes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezog auf Grund ihres Antrages vom in der Zeit vom 2. bis Arbeitslosengeld im Ausmaß von insgesamt EUR 330,85. Am meldete sie sich (beim AMS) wegen der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit vom Bezug des Arbeitslosengeldes ab.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der zuständigen regionalen Geschäftsstelle, mit dem gemäß § 24 Abs. 1 AlVG der Arbeitslosengeldbezug der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 2. bis widerrufen und die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. leg. cit. zur Rückzahlung der zu Unrecht empfangenen Leistung in der Höhe von EUR 330,85 verpflichtet wurde, keine Folge gegeben.

In ihrer Bescheidbegründung stützte sich die belangte Behörde - soweit im Beschwerdeverfahren von Relevanz - im Wesentlichen darauf, dass in den beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Versicherungszeiten der Beschwerdeführerin eine Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG "ab dem bis laufend" aufscheine. Damit sei bei der Beschwerdeführerin - unabhängig davon, dass sie die gewerbliche Tätigkeit erst am begonnen habe - ab dem Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 1 AlVG nicht gegeben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, worin sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Unterbleiben des Widerrufs der Zuerkennung des empfangenen Arbeitslosengeldes von EUR 330,85 sowie der Verpflichtung zur Rückzahlung dieses Betrages verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

In dieser Gegenschrift teilte die belangte Behörde mit, dass mit ihrem Bescheid vom der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG dahingehend abgeändert wurde, dass der Berufung der Beschwerdeführerin betreffend die Rückforderung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 330,85 Folge gegeben wurde.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom , VwSlg NF Nr. 10.092/A).

Im vorliegenden Fall ist auf Grund der erwähnten zwischenzeitigen Abänderung des angefochtenen Bescheides im Umfang der bekämpften Verpflichtung zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes nach § 25 Abs. 1 AlVG in diesem Umfang die Beschwer weggefallen, sodass das Verfahren insoweit gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen war.

Hinsichtlich des vom Bescheid der belangten Behörde vom unberührt gelassenen (verbleibenden) Beschwerdepunktes des Widerrufs des Arbeitslosengengeldes nach § 24 Abs. 2 AlVG hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§§ 12 und 24 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 82/2008 lauten auszugsweise:

"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

(2) Ein selbständiger Pecher gilt in der Zeit der saisonmäßigen Erwerbsmöglichkeit, das ist vom dritten Montag im März bis einschließlich dritten Sonntag im November eines jeden Jahres, nicht als arbeitslos. In der übrigen Zeit des Jahres gilt der selbständige Pecher als arbeitslos, wenn er keine andere Beschäftigung gefunden hat.

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

b) wer selbständig erwerbstätig ist;

§ 24. (1) …

(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. …"

§§ 2 und 6 GSVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 131/2006 haben (auszugsweise) folgenden Inhalt:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft;
2.
4.
selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. …

§ 6. (1) Die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung beginnt

1. bei den im § 2 Abs. 1 Z 1 genannten Pflichtversicherten mit dem Tag der Erlangung einer die Pflichtversicherung begründenden Berechtigung;

2. …

(3) Die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung beginnt

1. bei den im § 2 Abs. 1 Z 1 genannten pflichtversicherten Kammermitgliedern mit dem Tag der Erlangung einer die Pflichtversicherung begründenden Berechtigung;

2. …

(4) Bei den im § 2 Abs. 1 Z 4 genannten Personen beginnt die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung

1. mit dem Tag der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit; hat jedoch der Versicherte die Meldung nicht innerhalb der Frist gemäß § 18 erstattet, mit Beginn des Kalenderjahres, in dem die Beitragsgrundlage die Grenzen des § 25 Abs. 4 Z 2 übersteigt, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, daß er die betriebliche Tätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt begonnen hat;

2. bei Personen, bei denen die Ausübung der betrieblichen Tätigkeit von einer berufsrechtlichen Berechtigung abhängt, mit dem Tag der Erlangung der maßgeblichen Berechtigung.

(5) …"

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Verwaltungsakten zweifelsfrei, dass die für die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG maßgebliche Kammermitgliedschaft der Beschwerdeführerin mit der Ausstellung eines Gewerbescheines erst am begonnen hat. Dem entspricht auch die in den vorgelegten Verwaltungsakten befindliche Mitteilung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom , wonach "vor dem keinerlei Pflichtversicherung gem. § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG" bestanden habe. Soweit sich die belangte Behörde dementgegen an den gespeicherten Daten des Hauptverbandes orientiert hat, hat sie übersehen, dass der Kalendermonat März 2009 leistungsrechtlich schon dann als Beitragsmonat zu speichern ist, wenn in ihm eine Beitragszeit liegt (§ 119 Abs. 1 Z. 1 GSVG). Die Frage der Bewertung eines Kalendermonats als Beitragsmonat und der Beginn der Pflichtversicherung sind also unterschiedlich geregelt, sodass in einem Fall wie dem Vorliegenden aus der Datenspeicherung des Hauptverbandes allein für die Frage des Zeitpunktes des Wegfalls der Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld nichts gewonnen werden kann.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang des Ausspruches über den Widerruf des Arbeitslosengeldbezuges gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am