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VwGH 20.10.2010, 2009/08/0190

VwGH 20.10.2010, 2009/08/0190

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Die Haftung des Geschäftsführers nach § 25a Abs. 7 BUAG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Zuschlägen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Zuschläge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Zuschläge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Zuschlagsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Zuschlagsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0213, VwSlg 16532 A/2005).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2009/08/0144 E RS 2
Normen
RS 2
Im Unterschied zur Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG kann - wegen des nach dem BUAG weiter reichenden Ausmaßes der den Vertretern im Außenverhältnis auferlegten Pflichten - die Mithaftung des Vertreters für Zuschläge nach dem BUAG an die Verletzung der ihn gegenüber der Kasse treffenden Pflicht, für die Entrichtung der Zuschläge zu sorgen, anknüpfen (Hinweis: E , 97/08/0568).
Normen
RS 3
Die Aufgabenverteilung unter Geschäftsführern kann selbst bei größter Spezialisierung nicht bewirken, dass ein Geschäftsführer sich nur noch auf das ihm zugeteilte Aufgabengebiet beschränken darf und sich um die Tätigkeit der anderen Geschäftsführer nicht mehr kümmern muss. Hinsichtlich der von den anderen Geschäftsführern unmittelbar betreuten Aufgabengebiete bleibt eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung) und gegebenenfalls zur Schaffung von Abhilfe aufrecht. Besteht der Verdacht, dass im Arbeitsbereich eines anderen Geschäftsführers Missstände vorliegen, dann muss sich der Geschäftsführer einschalten, um nicht selbst ersatzpflichtig zu werden. Eine Verletzung dieser Pflicht liegt vor, wenn der von der Wahrnehmung der zu erfüllenden Pflichten entbundene Geschäftsführer trotz Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen. Eine haftungsrechtlich relevante Pflichtverletzung kann auch in einer vorwerfbaren Unkenntnis solcher Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers liegen, welche dann anzunehmen ist, wenn der Geschäftsführer keine geeigneten Überwachungsmaßnahmen getroffen hat, die ihn in die Lage versetzt hätten, Pflichtverstöße des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Geschäftsführers überhaupt zu erkennen. In diesem Zusammenhang liegt ein für die Haftung bedeutsames Verschulden des Geschäftsführers daher auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Einschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt hat und diese Beschränkung dazu führt, dass er beitragsrechtliche (abgabenrechtliche) Pflichtverletzungen nicht erkennen kann (Hinweis: E , 2001/08/0211).
Norm
RS 4
Der Geschäftsführer erkannte (spätestens) in der zweiten Hälfte des August 2002, dass fällige Zuschläge an die Kasse vom Mitgeschäftsführer nicht bezahlt worden waren, dass also der Mitgeschäftsführer gegen seine Pflicht zur Berichtigung der Zuschläge verstoßen hatte. Der eingangs genannte Geschäftsführer wäre daher spätestens ab diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, für eine Gläubigergleichbehandlung zu sorgen. Diese Verpflichtung bezog sich auch auf die zu diesem Zeitpunkt bereits fällig gewordenen, gleichwohl aber nach wie vor nicht entrichteten Zuschläge (Zuschlagszeitraum Mai, allenfalls auch Juni 2002).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des S B in Wien, vertreten durch Dr. Georg Kahlig Rechtsanwalt GmbH in 1070 Wien, Siebensterngasse 42/3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 63 - 4457/04, betreffend Haftung gemäß § 25a Abs. 7 BUAG (mitbeteiligte Partei: Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in 1051 Wien, Kliebergasse 1A), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom teilte die mitbeteiligte Kasse dem Beschwerdeführer mit, die P GmbH schulde ihr für den Verrechnungszeitraum vom bis Zuschläge zum Lohn zuzüglich Kosten und Zinsen in Höhe von insgesamt EUR 161.169,94. Der Beschwerdeführer sei als Vertreter der Zuschlagsschuldnerin für die Einhaltung der Bestimmungen des BUAG verantwortlich und hafte neben der Zuschlagsschuldnerin für die zu entrichtenden Zuschläge insoweit, als die Zuschläge aus Verschulden des Vertreters nicht eingebracht werden könnten. Der Beschwerdeführer werde aufgefordert, binnen 14 Tagen darzulegen, aus welchen Gründen er die ihm obliegende Pflicht zur rechtzeitigen Abführung der Lohnzuschläge nicht erfüllt habe.

Der Beschwerdeführer antwortete - anwaltlich vertreten - mit Schreiben vom . Anlässlich der Bestellung des Beschwerdeführers zum Geschäftsführer sei eine klare Aufteilung der Funktionen und Kompetenzen dahin erfolgt, dass der Beschwerdeführer die bautechnischen und praktischen Belange auf den Baustellen abdecken solle, während die kaufmännische und administrative Leitung einschließlich steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Belange bei dem anderen Geschäftsführer (M.B.) verblieben sei. Diese Kompetenzaufteilung sei aber in der Zeit vom bis faktisch außer Kraft gesetzt worden, weil der Mitgeschäftsführer M.B. aus gesundheitlichen und familiären Gründen Österreich verlassen habe müssen und während dieser Zeit seine Geschäftsführung zurückgelegt habe.

Die mitbeteiligte Kasse erwiderte mit Schreiben vom , der Beschwerdeführer habe schon während seiner alleinigen Geschäftsführung von den zum damaligen Zeitpunkt bei ihr aushaftenden Zuschlägen Kenntnis erlangt. Die immer wieder auflaufenden Zahlungsrückstände hätten im Jänner 2002 zur Einleitung exekutiver Maßnahmen geführt und seien daher bereits zu dieser Zeit nach außen erkennbar in Erscheinung getreten. Die mitbeteiligte Kasse habe in der Folge immer wieder Zuschlagsvorschreibungen exekutiv betreiben müssen. Der Beschwerdeführer sei bei Vollstreckungshandlungen anwesend gewesen. Der Beschwerdeführer sei demnach trotz formeller Aufgabenteilung bereits vor Fälligkeit der einzelnen Haftungszeiträume über die Illiquidität des Unternehmens informiert gewesen, habe es aber trotzdem unterlassen Gegenmaßnahmen zu veranlassen.

Der Beschwerdeführer replizierte mit Schreiben vom . Ab der zweiten Hälfte des Jahres 2002 (wohl gemeint: 2001; in diesem Sinne auch die Beschwerde, Punkt 2.2) sei die P GmbH im Wesentlichen nur noch bei einem großen Bauvorhaben tätig gewesen und dadurch mit der Liquidität auf die Zahlungen der Bauherrschaft angewiesen gewesen. Wie dies in der Baubranche bedauerlicherweise üblich zu sein scheine, habe diese diverse kleinere Differenzen jeweils dadurch zu ihren Gunsten entschieden, dass sie fällige Teilzahlungen zurückgehalten habe. Dadurch sei es vereinzelt zu Liquiditätsengpässen gekommen, ohne dass sich eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft abgezeichnet hätte. Hinzu sei der Wintereinbruch gekommen, der die Wertschöpfung der Gesellschaft auch beeinträchtigt habe. Um diesen kleineren und sich abzeichnenden größeren Problemen Herr zu werden, habe der Beschwerdeführer Herrn M.B. dringend ersucht, wieder die kommerziellen und verwaltungstechnischen Belange zu übernehmen, um sich besser der Baustelle selbst widmen zu können. Trotz der vereinbarten und auch geübten Kompetenzverteilung sei es dem Beschwerdeführer nicht entgangen, dass die mit Juli 2002 fälligen Zuschläge für Mai 2002 nicht bezahlt hätten werden können. Aufgrund der sich verschärfenden Liquiditätsknappheit sei mit der Bauherrschaft verhandelt worden, um raschere Liquiditätsflüsse zu erreichen. Bedingt durch die Sommer- und Urlaubszeit seien Entscheidungsträger nicht oder nur mit wochenlangen Wartezeiten greifbar gewesen. Schließlich sei das Ansinnen der P GmbH kategorisch abgelehnt worden, woraufhin der Beschwerdeführer - nach Einholung von Rechtsberatung - die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt habe.

Die mitbeteiligte Kasse erwiderte (Schreiben vom ) unter anderem, zur Feststellung des konkreten Haftungsausmaßes des Beschwerdeführers sei die Vorlage entsprechender Berechnungsgrößen erforderlich; hiezu wurde eine Frist von 14 Tagen eingeräumt. Es sei darzulegen und entsprechend unter Beweis zu stellen, welche Verbindlichkeiten der P GmbH ausgehaftet hätten, welche liquiden Mittel ihr zur Verfügung gestanden seien und welche Zahlungen auf die Verbindlichkeiten geleistet worden seien.

Mit weiterem Schreiben () wies die mitbeteiligte Kasse darauf hin, dass von der Vorlage der bereits urgierten Liquiditätsaufstellungen nicht abgesehen werden könne, hiezu wurde eine Frist von drei Wochen gesetzt.

Der Beschwerdeführer antwortete (Schreiben vom ). Mangels kompetenzmäßiger Zuständigkeit habe der Beschwerdeführer die Bezahlung der Abgaben und SV-Beiträge "nicht wie ein Schießhund verfolgt"; dass mit Juli 2002 Zahlungsverzug eingetreten sei, sei ihm daher erst in der zweiten Hälfte des August zur Kenntnis gelangt. Zu diesem Zeitpunkt seien bereits zwei Zeiträume fällig gewesen.

Mit Schreiben vom antwortete die mitbeteiligte Kasse, zur Veranschaulichung der erfolgten Gläubigerbefriedigungsquoten sei es unerlässlich, in sämtliche Unterlagen Einsicht zu nehmen, welche dazu geeignet seien, das Maß der erfolgten Gläubigerbefriedigung bezogen auf sämtliche in der Haftungsandrohung vom ausgewiesene Zeiträume darzustellen. Zur Vorlage des Zahlenmaterials werde letztmalig eine Frist von 14 Tagen eingeräumt.

Mit Rückstandsausweis vom verpflichtete die mitbeteiligte Kasse den Beschwerdeführer gemäß § 25a Abs. 7 BUAG als Geschäftsführer der P GmbH zur Zahlung von EUR 161.169,94 samt 7 % Zinsen an rückständigen und vollstreckbaren Zuschlägen samt Nebengebühren (Zuschlagszeitraum Mai bis September 2002).

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Einspruch und wandte ein, die P GmbH sei von zwei handelsrechtlichen Geschäftsführern jeweils selbständig vertreten worden, zwischen welchen eine klare und strikte Kompetenzaufteilung bestanden habe. Der Beschwerdeführer sei für die Arbeitsabläufe auf den Baustellen, also Versorgung mit Werkzeugen, Gerätschaften und Materialien, Bauleitung im weiteren Sinn und Einteilung der Arbeitsabläufe, Überwachung der Sub-Auftragnehmer, Kommunikation mit der Bauherrschaft ausschließlich zuständig gewesen. Der weitere Geschäftsführer M.B. sei für alle Belange der Verwaltung, also des Bürobetriebes an sich, fiskalische und sozialversicherungsrechtliche Melde- und Offenlegungspflichten sowie für die finanziellen Belange der Gesellschaft ausschließlich zuständig und verantwortlich gewesen.

Mit Bescheid vom wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt den Einspruch zurück und bestätigte die Richtigkeit des Rückstandsausweises. Aus dem vorliegenden Schriftverkehr sei zu schließen, dass der Beschwerdeführer vom Verzug der Zuschlagszahlungen bei der mitbeteiligten Kasse Kenntnis gehabt habe. Spätestens ab Kenntnis dieser Mängel wäre er dazu verpflichtet gewesen, für die Einhaltung der gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen Sorge zu tragen. Der Beschwerdeführer wäre ab Kenntnis vom Zahlungsverzug nicht nur dazu verpflichtet gewesen, auf eine Verbesserung der Liquiditätslage der P GmbH oder auf eine zeitgerechte Konkursantragstellung hinzuwirken, sondern auch für eine Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bei der Befriedigung ihrer Verbindlichkeiten Sorge zu tragen. Nur eine gänzliche Zahlungseinstellung oder Gläubigergleichbehandlung schließe bei vorliegender Überschuldung eine haftungsauslösende schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers aus. Der Geschäftsführer sei hinsichtlich des Fehlens ausreichender Mittel und des Vorliegens einer Gläubigergleichbehandlung oder gänzlichen Zahlungseinstellung behauptungs- und beweispflichtig.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, es habe eine Kompetenzaufteilung bestanden. Erstmals sei dem Beschwerdeführer in der zweiten August-Hälfte des Jahres 2002 aufgefallen, dass der sonst so zuverlässige Mitgeschäftsführer die im Juli fällig gewesenen Zuschläge nicht bezahlt habe. Da jener den Verzug auf einen Liquiditätsengpass zurückgeführt habe, habe der Beschwerdeführer ohne Verzug Anstrengungen unternommen, die Liquidität der Gesellschaft zu verbessern. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls bis zur zweiten August-Hälfte des Jahres 2002 niemals über Abgaben, Sozialversicherungsbeiträge, einschließlich Zuschläge nach dem BUAG oder Arbeitsentgelte disponiert. Ab diesem Zeitraum habe er überhaupt keine Zahlungen mehr verfügt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass dem Einspruch für den Zeitraum August 2002 in der Höhe von EUR 35.135,62 und für den Zeitraum September 2002 in der Höhe von EUR 25.378,56 Folge gegeben und festgestellt werde, dass diesbezüglich die Vorschreibung der Zuschläge nicht zu Recht erfolgt sei, im Übrigen werde dem Einspruch insoferne Folge gegeben, als sich der Haftungsbetrag um die ausbezahlte Konkursquote von 3,37 % verringere, und festgestellt werde, dass die Vorschreibung der Zuschläge und Nebengebühren im Umfang von 96,63 % zu Recht erfolgt sei. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Haftung des Geschäftsführers nach § 25a Abs. 7 BUAG sei ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb treffe, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Zuschlägen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genüge) verletzt habe. Der Beschwerdeführer hafte jedenfalls nicht für Zuschläge, die nach erfolgter Konkurseröffnung fällig geworden seien, da mit Konkurseröffnung der Beschwerdeführer nach den Bestimmungen der Konkursordnung keine Verfügungen mehr zur Bezahlung von Forderungen habe treffen können. Eine Haftung des Beschwerdeführers für die Zuschläge zum Lohn für den Zeitraum August 2002 und September 2002 komme somit nicht in Betracht.

Über das Vermögen der P GmbH sei mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom der Konkurs eröffnet und dieser mit abgeschlossen worden; die Verteilungsquote betrage 3,37 %. Damit stehe fest, dass die Forderung der mitbeteiligten Kasse im Ausmaß von 96,63 % gegeben sei; in diesem Umfang könne ein Haftungspflichtiger gemäß § 25a Abs. 7 BUAG herangezogen werden.

Der Beschwerdeführer sei seit als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der P GmbH im Firmenbuch eingetragen. Unter Berücksichtigung einer im Verfahren vorgelegten Urkunde und einer Eingabe des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass zwischen den Geschäftsführern - mit Ausnahme der Zeit zwischen dem und (in diesem Zeitraum sei der Beschwerdeführer sowohl für die kaufmännischen, verwaltungsmäßigen, steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen als auch für die technischen und organisatorischen Belange alleine zuständig gewesen) - eine klare Aufgabenteilung bestanden habe. Die Aufgabenteilung unter Geschäftsführern könne aber selbst bei größter Spezialisierung nicht bewirken, dass ein Geschäftsführer sich nur noch auf das ihm zugeteilte Aufgabengebiet beschränken dürfe und sich um die Tätigkeit des anderen Geschäftsführers nicht mehr kümmern müsse. Hinsichtlich der von den anderen Geschäftsführern unmittelbar betreuten Aufgabengebiete bleibe eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung) und gegebenenfalls zur Schaffung von Abhilfe aufrecht.

Aus der Eingabe des Beschwerdeführers vom sei zu schließen, dass dem Beschwerdeführer mit Ende 2001 die problematische wirtschaftliche Lage der P GmbH und die Liquiditätsprobleme bekannt gewesen seien, sei dies doch für ihn der Anlass gewesen, Herrn M.B. dringend zu ersuchen, wieder als Geschäftsführer der P GmbH tätig zu werden. Es wäre daher in dieser Situation die Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, sich darum zu kümmern, ob die gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen der P GmbH erfüllt oder - bei Fehlen ausreichender liquider Mittel - eine anteilsmäßige Befriedigung der Gläubiger erfolge. Wäre der Beschwerdeführer bereits im Jänner 2002 seiner Verpflichtung zur Beaufsichtigung des zweiten Geschäftsführers nachgekommen, wäre ihm nicht verborgen geblieben, dass aufgrund von Liquiditätsengpässen nicht sämtliche Forderungen befriedigt hätten werden können, sondern einige Gläubiger bedient worden seien und andere Gläubiger keine Zahlung auf ihre Forderung erhalten hätten. Da sich der Beschwerdeführer in Kenntnis von Liquiditätsengpässen sowie kleinerer und sich abzeichnender größerer Probleme nicht darum gekümmert habe, ob die gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen der P GmbH erfüllt würden, sei ihm zumindest die Unkenntnis von Pflichtverstößen des M.B. vorwerfbar. Diese vorwerfbare Unkenntnis der Pflichtverstöße des zweiten Geschäftsführers stelle eine haftungsrechtlich relevante (schuldhafte) Pflichtverletzung des Beschwerdeführers dar. Bei schuldhafter Pflichtverletzung spreche die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Zuschläge durch die Pflichtverletzung und für den Rechtswidrigkeitszusammenhang.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Kasse - eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 25a Abs. 7 BUAG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Zuschlagsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Zuschläge insoweit, als die Zuschläge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

2. Die Haftung des Geschäftsführers nach § 25a Abs. 7 BUAG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Zuschlägen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Zuschläge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der mitbeteiligten Kasse Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Zuschläge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Zuschlagsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Zuschlagsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der mitbeteiligten Kasse in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger.

Ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung, darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Diese besondere Behauptungs- und Beweislast darf aber nicht überspannt und nicht so aufgefasst werden, dass die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat der Geschäftsführer nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat ihn die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung ermöglichen, ob der Geschäftsführer gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht verstoßen hat und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt der haftungspflichtige Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Der Geschäftsführer haftet dann für die von der Haftung betroffenen Zuschlagsschuldigkeiten zur Gänze (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0213, VwSlg. 16.532 A/2005).

Im Unterschied zur Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG kann - wegen des nach dem BUAG weiter reichenden Ausmaßes der den Vertretern im Außenverhältnis auferlegten Pflichten - die Mithaftung des Vertreters für Zuschläge nach dem BUAG an die Verletzung der ihn gegenüber der mitbeteiligten Kasse treffenden Pflicht, für die Entrichtung der Zuschläge zu sorgen, anknüpfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0568). Die Zuschläge zum Lohn wurden für die Zuschlagszeiträume Mai bis September 2002 unstrittig nicht bezahlt. Der Beschwerdeführer war von der mitbeteiligten Kasse wiederholt aufgefordert worden, Vorbringen dazu zu erstatten (und hiezu Bescheinigungen anzubieten), ob in jenem Zeitraum, in welchem die fälligen Zuschläge nicht bezahlt worden waren, andere Verbindlichkeiten bestanden, welche liquiden Mittel zur Verfügung standen und welche Zahlungen geleistet wurden. Der Beschwerdeführer erstattete hiezu weder Vorbringen noch legte er Liquiditätsaufstellungen vor. Da der Beschwerdeführer den Aufforderungen der mitbeteiligten Partei nicht nachgekommen ist, war die belangte Behörde zur Annahme berechtigt, dass der Geschäftsführer seiner Pflicht auf Gläubigergleichbehandlung schuldhaft nicht nachgekommen ist. Damit steht aber - entgegen dem Beschwerdevorbringen - ein Pflichtverstoß des ressortzuständigen Geschäftsführers (M.B.) fest.

3. Die belangte Behörde hat festgestellt, dass eine Verteilung der Geschäftsführeragenden erfolgt ist. Die Aufgabenverteilung unter Geschäftsführern kann jedoch selbst bei größter Spezialisierung nicht bewirken, dass ein Geschäftsführer sich nur noch auf das ihm zugeteilte Aufgabengebiet beschränken darf und sich um die Tätigkeit der anderen Geschäftsführer nicht mehr kümmern muss. Hinsichtlich der von den anderen Geschäftsführern unmittelbar betreuten Aufgabengebiete bleibt eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung) und gegebenenfalls zur Schaffung von Abhilfe aufrecht. Besteht der Verdacht, dass im Arbeitsbereich eines anderen Geschäftsführers Missstände vorliegen, dann muss sich der Geschäftsführer einschalten, um nicht selbst ersatzpflichtig zu werden. Eine Verletzung dieser Pflicht liegt vor, wenn der von der Wahrnehmung der zu erfüllenden Pflichten entbundene Geschäftsführer trotz Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen. Eine haftungsrechtlich relevante Pflichtverletzung kann auch in einer vorwerfbaren Unkenntnis solcher Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers liegen, welche dann anzunehmen ist, wenn der Geschäftsführer keine geeigneten Überwachungsmaßnahmen getroffen hat, die ihn in die Lage versetzt hätten, Pflichtverstöße des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Geschäftsführers überhaupt zu erkennen. In diesem Zusammenhang liegt ein für die Haftung bedeutsames Verschulden des Geschäftsführers daher auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Einschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt hat und diese Beschränkung dazu führt, dass er beitragsrechtliche (abgabenrechtliche) Pflichtverletzungen nicht erkennen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0211, mwN).

Der Beschwerdeführer erkannte (spätestens) in der zweiten Hälfte des August 2002, dass fällige Zuschläge an die mitbeteiligte Kasse vom Mitgeschäftsführer nicht bezahlt worden waren, dass also der Mitgeschäftsführer gegen seine Pflicht zur Berichtigung der Zuschläge verstoßen hatte. Der Beschwerdeführer wäre daher spätestens ab diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, für eine Gläubigergleichbehandlung zu sorgen. Diese Verpflichtung bezog sich - entgegen der Beschwerde, wonach sein Verhalten nicht "rückwirkend ursächlich gewesen sein" könne - auch auf die zu diesem Zeitpunkt bereits fällig gewordenen, gleichwohl aber nach wie vor nicht entrichteten Zuschläge (Zuschlagszeitraum Mai, allenfalls auch Juni 2002). Die Gleichbehandlungspflicht betrifft nicht nur die in der jeweiligen Periode fällig gewordenen Verbindlichkeiten, sondern auch die bereits früher fällig gewesenen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis VwSlg. 16.532 A/2005, Punkt 4.2). Mangels Vorbringens des Beschwerdeführers hiezu trotz mehrmaliger Aufforderung (Darlegung der Verbindlichkeiten, der liquiden Mittel und der Zahlungen) ist auch insoweit von einem schuldhaften Verstoß gegen das Erfordernis, die mitbeteiligte Kasse nicht schlechter zu behandeln als andere Gläubiger auszugehen.

4. Die Beschwerde wendet weiters ein, dem Beschwerdeführer müsse die Bestimmung des § 69 Abs. 2 KO zustatten kommen. Der Gesetzgeber habe es gewollt, dass die Geschäftsführung mit Erkennen einer Krise gleichsam eine Atempause erhalte, um im volkswirtschaftlichen Interesse Anstrengungen zum Erhalt des Unternehmens zu tätigen.

Gemäß § 69 Abs. 2 KO (nunmehr IO) ist bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung des Konkursverfahrens dieses ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber sechzig Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu beantragen. Schuldhaft verzögert ist der Antrag nicht, wenn die Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens sorgfältig betrieben worden ist.

Zunächst ist zu bemerken, dass die Haftung des Beschwerdeführers nicht auf eine allfällig schuldhaft verzögerte Beantragung der Eröffnung des Konkursverfahrens gestützt wurde und im Verwaltungsverfahren auch nicht darauf gestützt werden könnte.

§ 69 Abs. 2 KO steht aber einer Haftung des Beschwerdeführers nach § 25a Abs. 7 BUAG nicht entgegen, wenn der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum Gläubiger ungleich behandelt hat. Zum Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger wäre aber - wie bereits wiederholt dargelegt - vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren Vorbringen zu erstatten gewesen.

5. Die Beschwerde rügt auch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde habe nicht dargetan, warum sie den in die eine Richtung deutenden Beweisergebnissen gefolgt sei und nicht den konträren. Damit kann aber ein relevanter Verfahrensmangel schon deswegen nicht aufgezeigt werden, weil nicht dargetan wird (und auch nicht erkennbar ist), welche konträren Beweisergebnisse gemeint sind und welche Feststellungen konkret bekämpft werden. Soweit Feststellungen zu Pflichtverstößen des Mitgeschäftsführers vermisst werden, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach von einem Verstoß gegen die gebotene Gläubigergleichbehandlung auszugehen ist.

6. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:2009080190.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAE-90114