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VwGH vom 27.05.2008, 2007/05/0235

VwGH vom 27.05.2008, 2007/05/0235

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des Mag. S in Wien, vertreten durch Mag. Werner Piplits, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 25, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AM-07-1003, betreffend Übertretung der NÖ Bauordnung 1996 (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom , AMS2-S-04 10909, wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt:

"Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Tatzeit: bis

Tatort: Fachmarktzentrum 3300 Greinsfurth, Waidhofnerstraße 44, Objekt 1 auf Grundstück Nr. 423/18, KG Mauer, Geschäftsbereich der K Textilien und Non Food GmbH

...

Übertretungsnorm:

§ 37 Abs. 1 Z. 1 und § 14 Z. 1 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200- 11 (NÖ BauO)

Strafnorm:

§ 37 Abs. 2 1. Strafsatz NÖ BauO

Verhängte Geldstrafe:

EUR 2.500,--

Ersatzfreiheitsstrafe im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe:

4 Tage

..."

Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, es als eines der gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenen Organe (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der K Textilien und Non Food GmbH mit Sitz in Wien zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft ein Bauwerk, nämlich das Objekt 1 des Fachmarktzentrums in Greinsfurth, Waidhofnerstraße 44, Geschäftsteil der K Textilien und Non Food GmbH, somit ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (Neu- und Zubau eines Gebäudes gemäß § 14 Z. 1 NÖ Bauordnung), welches ohne rechtskräftige Baubewilligung errichtet wurde, durch das Offenhalten eines Geschäftslokals und Durchführung von Verkaufstätigkeiten benützt hat.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom keine Folge gegeben.

Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0026, wurde dieser Bescheid auf Grund der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde des Beschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil schon mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom dem Beschwerdeführer für dieselbe Tathandlung im Zeitraum vom bis eine Übertretung nach § 37 Abs. 1 Z. 1 NÖ Bauordnung 1996 zur Last gelegt worden war und daher das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom für den Tatvorwurf betreffend den Zeitraum bis gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 des 7. ZPEMRK verstößt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom gemäß § 66 Abs. 4 "keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Tatzeitraum wie folgt zu lauten hat: bis ".

Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG 1991 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, dem Land Niederösterreich einen Kostenbeitrag in der Höhe von EUR 500,-- zum Berufungsverfahren binnen 14 Tagen zu zahlen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass Tatort bei einer unbefugten Bauführung bzw. bei der Benützung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens ohne rechtskräftige Baubewilligung der Ort der Bautätigkeit und nicht der Sitz der Unternehmung sei. Die Strafbehörde erster Instanz sei sohin örtlich zuständig gewesen. Der Tatbestand des § 37 Abs. 1 Z. 1 iVm § 14 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 sei sowohl in objektiver als auch in subjektiver Weise erfüllt. Bei der Strafbemessung sei die Behörde erster Instanz von einem Einkommen von zumindest EUR 1.500,-- und von Sorgepflichten für fünf Personen ausgegangen. Im Verfahren vor der Berufungsbehörde sei der Beschwerdeführer nicht erschienen. Er habe trotz Aufforderung keine näheren Angaben zu den persönlichen Verhältnissen gemacht, weshalb die belangte Behörde das monatliche Nettoeinkommen mit EUR 5.000,-- geschätzt und als Vermögen zumindest ein Einfamilienhaus und eine Sorgepflicht für zwei Kinder angenommen habe. Trotz Einräumung einer Frist von einer Woche, die dem Beschwerdeführer gewährt worden sei, um die tatsächlichen persönlichen und Einkommensverhältnisse nachzuweisen, seien keine Unterlagen vom Beschwerdeführer vorgelegt worden. Straferschwerend habe die belangte Behörde die beiden angeführten rechtskräftigen einschlägigen Strafvormerkungen berücksichtigt. Das Straferkenntnis vom gelte mittlerweile gemäß § 55 Abs. 1 VStG als getilgt und könne daher bei der Strafbemessung gemäß § 55 Abs. 2 leg. cit. nicht mehr berücksichtigt werden. Erschwerend sei der rechtskräftige Schuldspruch auf Grund des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates vom . Als erschwerend sei des Weiteren die vorsätzliche Tatbegehung sowie die Benützung des Mietobjektes über einen Zeitraum von fast eineinhalb Jahren zu berücksichtigen, zumal das Mietverhältnis laut Angaben des Beschwerdeführers bereits zum hätte beendet werden können. Mildernd sei kein Umstand zu werten. Die erstinstanzliche Behörde habe nur eine unterdurchschnittliche Geldstrafe im möglichen Strafrahmen verhängt. In Anbetracht der Erschwerungsgründe sowie unter Berücksichtigung der geschätzten Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei die verhängte Strafe angemessen, auch wenn der Tatzeitraum um fast drei Monate einzuschränken gewesen sei, zumal der verbleibende Tatzeitraum noch immer beträchtlich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer macht örtliche Unzuständigkeit der Strafbehörden geltend. Bei der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit sei zu beachten, dass selbst der Zustand, dass eine Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen sei, nichts an der örtlichen Zuständigkeit der Behörde am Sitz des Unternehmens ändere. Sitz des Unternehmens sei im Beschwerdefall Wien. Der Beschwerdeführer sieht den angefochtenen Bescheid auch mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet, weil ihm Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden sind, obwohl der Tatzeitraum auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers eingeschränkt worden ist. Bei einer Reduktion des Tatzeitraumes im Berufungsbescheid dürfe auch keine gleiche Strafe verhängt werden wie im Erstbescheid. Die belangte Behörde habe selbst keine eigenen Ermittlungen über seine persönlichen Verhältnisse und seine Einkommensverhältnisse gemacht. Sie habe sich auch mit den von ihm geltend gemachten Milderungsgründen nicht auseinander gesetzt. Auch habe die belangte Behörde die Strafe nicht herabgesetzt, obwohl sie als erschwerend nur mehr eine einschlägige Vorstrafe angenommen habe.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 37 Abs. 1 Z. 1 NÖ Bauordnung 1996 zur Last gelegt, ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (§ 14) ohne rechtskräftige Baubewilligung benützt zu haben.

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

Auf Grund des Tatvorwurfes (Benützung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens ohne rechtskräftige Baubewilligung) ist als Tatort der Ort der Benützung des nicht bewilligten Gebäudes und nicht der Sitz der Unternehmung, von welcher dieses Gebäude unzulässigerweise benutzt wurde, anzusehen. Die vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnisse betreffend die örtliche Zuständigkeit am Sitz der Behörde des Unternehmens sind auf den Beschwerdefall nicht anzuwenden. Sie beziehen sich auf Strafbestimmungen anderer Gesetze. Die behauptete örtliche Unzuständigkeit der Strafbehörden liegt somit nicht vor.

Das übrige Beschwerdevorbringen richtet sich nicht gegen den Schuldvorwurf, sondern ausschließlich gegen die Strafbemessung.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 51 Abs. 6 VStG darf auf Grund einer vom Beschuldigten oder auf Grund einer zu seinen Gunsten erhobenen Berufung in einer Berufungsentscheidung oder Berufungsvorentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid.

Das sich aus der letztgenannten Gesetzesstelle ergebene Verbot der reformatio in peius führt dazu, dass dann, wenn im Berufungsbescheid der Tatzeitraum reduziert wird - sofern nicht andere Strafzumessungsgründe heranzuziehen sind als im Erstbescheid -, nicht die gleiche Strafe verhängt werden darf wie im Erstbescheid (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/11/0078).

Zwar haben sich auf Grund der Begründung im angefochtenen Bescheid die Strafzumessungsgründe geändert. Der belangten Behörde ist auch beizupflichten dass sie bei ihrer Entscheidung über die Strafbemessung die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers zur Zeit der Erlassung des Berufungsbescheides zu berücksichtigen hatte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/03/0164). Im Verhältnis zum erstinstanzlichen Straferkenntnis haben sich jedoch die Strafzumessungsgründe nach den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid nur insoweit geändert, als zwar der Schuldvorwurf im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom (rechtskräftig auf Grund des Bescheides der belangten Behörde vom ) als erschwerend bewertet wurde, die im erstinstanzlichen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom weiters als erschwerend berücksichtigte Strafvormerkung im angefochtenen Bescheid nicht mehr als erschwerend angesehen beurteilt wurde. Die belangte Behörde hat zwar ausdrücklich noch andere - jedoch im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnis schon vorgelegene - Gründe für die Strafzumessung als erschwerend ausgeführt, die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung als mildernd angezogenen Gründe jedoch in ihren Begründungsdarlegungen keiner Bewertung unterzogen. Es fehlen im angefochtenen Bescheid Anhaltspunkte dafür, warum die belangte Behörde der Auffassung ist, dass die vom Beschwerdeführer genannten Gründe von der belangten Behörde nicht als mildernd zu beurteilen waren.

Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid aber auch mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes deshalb, weil gemäß § 65 VStG die Kosten des Berufungsverfahrens dem Berufungswerber dann nicht aufzuerlegen sind, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben wurde. Mit der Einschränkung des Tatzeitraumes, die, wie dargelegt, grundsätzlich auch zu einer Herabsetzung der Strafhöhe führt, hat der Beschwerdeführer mit seiner Berufung teilweise Erfolg gehabt, weshalb die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Kosten des Berufungsverfahrens nicht auferlegen hätte dürfen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am