VwGH vom 19.01.2010, 2007/05/0221
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des M S in Witzelsberg, vertreten durch Goldsteiner Strebinger Rechtsanwälte GmbH in 2700 Wiener Neustadt, Wiener Straße 14-16, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-786/001-2007, betreffend Kanalanschluss (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Therberg in Scheiblingkirchen, vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. K-H S., der Vater des Beschwerdeführers, betrieb bis zum im Vollerwerb einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, welcher nunmehr vom Beschwerdeführer weitergeführt wird. Dieser Betrieb setzt sich aus rund 19 ha Ackerflächen, 4 ha Grünland und 49 ha Wald zusammen. Im Durchschnitt werden 200 Mutterschafe mit dazugehöriger Nachzucht (insgesamt etwa 250 Schafe) gehalten.
Auf den zum Betrieb gehörenden Grundstücken Nr. 40, 41, 499 und 500 KG Gleißenfeld befinden sich Wohngebäude, Garagen, landwirtschaftliche Hallen zur Maschineneinstellung, zur Futter- und Strohlagerung sowie ein Schafstall. Der Schafstall wurde mit Bescheid vom bewilligt, bei diesem handelt es sich um einen sogenannten Tieflaufstall. Die Haltung der Tiere erfolgt durch einen flüssigkeitsdichten Boden (ohne Spalten) und es wird stets Stroh eingestreut, wodurch eine Mistmatratze entsteht. Im Laufe der Zeit gewinnt diese an Umfang. Der anfallende Harn der Tiere wird vom Stroh aufgesaugt. Nach den Angaben von K-H S. muss dieser den Schafstall dreimal jährlich durch die an der westlichen Längsseite des Stalles gelegenen Tore mittels Bobcat ausmisten, ohne dass dabei die Buchtenabtrennungen entfernt werden müssten. Der Dünger wird sodann auf einen Miststreuer verladen und anschließend gleich auf die Felder gebracht. Gemäß dem Einreichplan ist beim Schafstall keine Düngerstätte für Fest- oder Flüssigmist vorhanden und es ist auch keine Unterkellerung der Güllegrube vorgesehen.
Der Zustand des Gebäudes in Natur weicht allerdings vom Einreichplan dahingehend ab, als am Standort des derzeitigen Schafstalles zuvor ein Stiermaststall bestand. Dieser Stiermaststall besaß an den beiden Längsseiten unterhalb der Spaltenböden zwei Güllekeller mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 260 m3. Im Zuge des Schafstallbaus wurden diese Güllekeller nicht entfernt, sondern es wurden die Fundamentplatten des Neubaus über den Spaltenböden des Rinderstalles hergestellt. Nach Angabe von K-H S. würden die Güllegruben derzeit als Winterlager für Hausabwässer und für die Einleitung der Silosickersäfte dienen.
Die Wohnhäuser auf den Grundstücken Nr. 40 und Nr. 41 weisen die Hausnummern Witzelberg 12 und 13 auf. Für Witzelberg 12 steht eine 40 m3 und für Witzelberg 13 eine 12 m3 große Senkgrube zur Verfügung.
2. Die mitbeteiligte Gemeinde errichtete im Jahr 2005 einen Fäkalkanal in der Rotte Witzelsberg.
Mit Grundsatzbeschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom sprach dieser aus, die Wohnhäuser Witzelberg 12 und 13 durch die öffentliche Kanalanlage versorgen zu wollen.
Mit Schreiben vom beantragte K-H S. die Ausnahme von der Kanalanschlussverpflichtung. Als Begründung brachte er vor, dass eine aufrechte Güllewirtschaft iSd § 62 Abs. 4 Z 1 Niederösterreichische Bauordnung bestehe.
Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer dem Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde (im Folgenden: Gemeindevorstand) mit, er habe den gegenständlichen landwirtschaftlichen Betrieb von seinem Vater übernommen und somit sei er berechtigt, Rechtsmittel zu erheben. Über den Antrag von K-H S. auf Ausnahme von der Kanalanschlussverpflichtung sei noch nicht entschieden worden.
Der Bürgermeister übermittelte an K-H S. das landwirtschaftliche Gutachten des Gebietsbauamtes vom zur Kenntnisnahme. Der Sachverständige R. führt darin aus, um als Betrieb mit Güllewirtschaft zu gelten, sei es gemäß § 3 Z 4 Niederösterreichischen Bodenschutzgesetz erforderlich, einen landwirtschaftlichen Betrieb mit eigenen Nutztieren zu halten, bei denen der Wirtschaftsdünger ganz oder teilweise in flüssiger Form anfalle und das Ausmaß der Tierhaltung zu einer regelmäßigen Marktleistung führe. Bei einer Schafhaltung in der gegenständlichen Form entstehe nur Festmist und keine Gülle und Jauche. Insbesondere hielt der Sachverständige in diesem Gutachten Folgendes fest:
"'Betriebe mit Güllewirtschaft' sind laut § 3 Abs. 14 des NÖ Bodenschutzgesetzes solche Tierhaltungsbetriebe, bei denen der Wirtschaftsdünger ganz oder teilweise in flüssiger Form anfällt. Dass aber bei 'Wirtschaftsdünger in flüssiger Form' nur Gülle gemeint sein kann, ergibt sich aus dem Motivenbericht zum § 10 des NÖ Bodenschutzgesetzes. Dort ist nämlich immer nur von Gülle, nicht aber von Jauche oder Festmist die Rede.
Um dies zu verdeutlichen, werden nachfolgend einige Texte aus diesem Bericht wiedergegeben:
'... dass ein unmittelbarer Bezug der Senkgrubenlieferanten
zum Güllebewirtschafter gegeben ist und damit die Eigenkontrolle der Überbringer sowie das Eigeninteresse des Güllebewirtschafters an möglichst schadstoffarmen Zusätzen zu seiner Gülle durch die unmittelbare Nachbarschaft...'
'Aus volkswirtschaftlicher Sicht bietet diese Einschränkung ebenfalls Vorteile, da einerseits bei der Gülleverdünnung mit Senkgrubeninhalten Trinkwasser gespart werden kann und andererseits durch kurze (Transport)wege ebenso geringe Kosten für die Bereitstellung des 'Verdünnungswassers' anfallen.'
'Diese Ausnahme soll allerdings auf Güllebetriebe beschränkt bleiben, die aus der Tierhaltung regelmäßig Marktleistungen und damit auch Beiträge zu ihrem Jahreseinkommen erzielen.'
'Dies deswegen, da die Aufbringung von häuslichen Abwässern vermischt mit Gülle aus wasserrechtlicher Sicht bei Einhaltung der im Wasserrechtsgesetz bzw. der in diesem Gesetz vorgesehenen Bestimmungen, als unbedenklich angesehen wird und für eine Gülleverdünnung sinnvoller weise das vorhandene bzw. in der unmittelbaren Umgebung anfallende Abwasser eingesetzt werden kann.'
'Dies setzt jedoch voraus, dass sich die Liegenschaft auf der die Schmutzwässer anfallen und der Gülle bewirtschaftende Betrieb in einem räumlichen Nahebezug (Siedlungsverband, Rotte, Ortschaft) befinden.'
'Dies bedeutet, dass es für einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Güllewirtschaft durchaus möglich ist, selbst zu entscheiden, ob er die häuslichen Abwässer weiterhin zur Gülleverdünnung verwenden wird oder sogleich in den öffentlichen Kanal einzuleiten beabsichtigt.'
'Weitere Voraussetzung ist, dass eine Bewirtschaftung von Flächen erfolgt, auf denen unter Einhaltung der im § 10 Abs. 1 bis 8 genannten Voraussetzungen die Gülle vermischt mit den häuslichen Abwässern aufgebracht werden kann.'
'Dabei wird auf Anregung der NÖ Wirtschaftskammer klargestellt, dass eine Güllewirtschaft nicht schon dann vorliegt, wenn ein Landwirt Gülle zukauft und diese dann auf seinen Grundstücken aufbringt (siehe dazu auch § 3 Abs. 14).'
Aus dem Motivenbericht läßt sich auch ableiten, dass die häuslichen Abwässer als Gülleverdünnung für Betriebe mit Güllewirtschaft dienen sollen. Dies ist aber aus fachlicher Sicht nur für echte Gülle (d.h. dem Gemisch von Kot, Harn, Einstreu- und Futterresten; Trockensubstanzgehalt ca. 10%) sinnvoll. Damit wird nämlich die Gülle in eine pumpfähigere Form gebracht, was eine leichtere Ausbringung und gezieltere Dosierung auf den Feldern ermöglicht. Umgekehrt kann daraus geschlossen werden, dass für Betriebe, in denen nur Jauche anfällt, eine solche Verdünnung nicht erforderlich ist. Dem ist auch aus fachlicher Sicht zuzustimmen, weil der Trockensubstanzgehalt der Jauche bei rund 3% liegt und eine weitere Verdünnung für eine gute Ausbringung nicht notwendig erscheint."
In ihrer Stellungnahme vom bestritten der Beschwerdeführer und K-H S., dass der Gesetzgeber mit dem Begriff Wirtschaftsdünger nur Gülle gemeint habe; der Begriff Wirtschaftsdünger müsse auch Tiererhaltungsbetriebe umfassen, bei denen Wirtschaftsdünger in flüssiger Form nur in Form von Jauche anfalle. Es müsse daher genügen, wenn durch den landwirtschaftlichen Betrieb Jauche anfalle und diese mit den häuslichen Schmutzwässern vermengt werde, um diese unter Einhaltung des NÖ Bodenschutzgesetzes zu entsorgen. Entgegen der Ansicht des Sachverständigen entstehe bei der Schafzucht Jauche in erheblichem Ausmaß nach dem Entmisten des Stalles, während der Fütterungsperiode mit Saftfutter sowie während der Ablammperiode.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom wies der Sachverständige u.a. darauf hin, dass der Begriff "Gülle" in den "Richtlinien für die sachgerechte Düngung", herausgegeben vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft im September 2006, fachlich eindeutig als "ein Gemisch von Kot und Harn, das außerdem Wasser und Futterreste und Einstreuteile enthalten könne" umschrieben sei. Der Trockensubstanzgehalt liege bei etwa 10 %. Gülle falle vor allem bei der Rinder- und Schweinehaltung an und werde häufig als Flüssigmist bezeichnet, wodurch die Abgrenzung zu Festmist deutlich werde. Der im Bodenschutzgesetz angeführte Begriff Wirtschaftsdünger in flüssiger Form sei mit dem Begriff "Flüssigmist" identisch, denn sonst hätte der Gesetzgeber von Gülle- und Jauchewirtschaft gesprochen und es wären im Bodenschutzgesetz statt der Wendung "Wirtschaftsdünger in flüssiger Form" die Begriffe "Gülle und Jauche" verwendet worden. Bei Tieflaufställen für Schafe falle weder Gülle noch Jauche an. Hierzu führt der Sachverständige eine Tabelle aus der genannten Richtlinie an, diese Tabelle nenne bei Schafen keine Werte für Gülle und Jauche, sondern nenne dort nur Werte für Tiefstallmist, d. h. Mist in fester Form ohne Flüssigkomponente. Die gegenständlichen Güllekeller unter dem Schafstall seien folglich nicht wegen der Schafhaltung, sondern für Hausabwässer und wegen der Einleitung von Silosickerwässern belassen worden. Die in Ausnahmefällen auftretende Jauche habe ihren Grund alleine in der zu geringen Einstreumenge und trete bei ordnungsgemäß geführten Tieflaufställen nicht auf. In der Praxis werde Gülle mit Senkgrubeninhalten bzw. Wasser verdünnt. Im Gegensatz dazu werde Jauche aufgrund eines Trockenmassegehaltes von 3 % nicht verdünnt, da diese bereits über eine gut fließfähige Konsistenz verfüge. Es sei daher davon auszugehen, dass kein Güllebetrieb iSd NÖ Bodenschutzgesetzes vorliege. Die häuslichen Abwässer müssten in einem untergeordneten Verhältnis zur gesammelten Jauche stehen, um ein geeignetes Düngeresultat zu erzielen. In dieser Stellungnahme vom hält der Sachverständige zu diesem Themenbereich insbesondere Folgendes fest:
"Die häuslichen Abwässer haben den Zweck, den Wirtschaftsdünger 'Gülle' zu verdünnen.
Dieser Aspekt war offenbar 'Aufhänger' für die Novelle des Bodenschutzgesetzes sowie der NÖ Bauordnung im Hinblick auf die Ausnahme zur Anschlussverpflichtung. In Motivenbericht, Synopse und Landtagssitzungsberichten findet sich wiederholt die Begründung, dass bei Umsetzung der Vorlage für die Gülleverdünnung sinnvoller weise das vorhandene bzw. in der unmittelbaren Umgebung anfallende Abwasser eingesetzt werden könne. Die Verwendung von Senkgrubeninhalten würde volkswirtschaftliche Vorteile bieten, da 'einerseits bei der Gülleverdünnung mit Senkgrubeninhalten Trinkwasser gespart werden kann und andererseits durch kurze Transportwege ebenso geringe Kosten für die Bereitstellung des 'Verdünnungswassers' anfallen'.
Jauche wird in der Praxis nicht verdünnt, da sie von Haus aus aufgrund des geringen Trockenmassegehaltes von rund 3% eine gute, fließfähige Konsistenz aufweist (die jeweiligen Werte sind aus der Tabelle auf Seite 8 ersichtlich).
Bei Gülle hingegen ist eine Verflüssigung meistens erwünscht, weil es durch den Trockensubstanzgehalt von ca. 10% Probleme mit der Pumpfähigkeit und einer gleichmäßigen Dosierung geben kann. Zu diesem Zweck verdünnen in der Praxis viele Landwirte ihre Gülle mit Wasser, homogenisieren sie durch Aufrühren und bringen dieses Düngemittel erst danach auf die Felder auf. Einerseits wird dadurch die Düngewirkung verbessert, weil die verflüssigte Gülle schneller in den Boden eindringen kann und für die Pflanzen nicht so scharf ist. Andererseits werden Geruchsprobleme und die Gefahr der Futterverschmutzung wesentlich verringert. Besonders im Grünland und im Sommer ist es angezeigt, die Gülle auf etwa 1:0,5 bis 1:1 zu verdünnen. Man wird daher von der Verdünnung dann Gebrauch machen, wenn die Kosten für das 'Verdünnungswasser' relativ niedrig sind. (Aus: Wirtschaftsdünger - Richtige Gewinnung und Anwendung, herausgegeben vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft). Nach einer Gülleverdünnung auf 1:0,5 bis 1:1 liegt somit der Trockensubstanzgehalt bei etwa 5% - 7%.
In der Praxis erfolgt eine Verdünnung nur bei Gülle, was aus rein fachlicher Sicht auch zweckmäßig ist. Eine weitere Absenkung des Feststoffanteiles bei Gülle auf unter 5% ist weder aus pflanzenbaulicher noch aus betriebswirtschaftlicher Sicht notwendig und sinnvoll. Der Anteil des Wirtschaftsdüngers an der gesamten ausgebrachten Flüssigkeitsmenge (Dünger plus Hausabwässer) beträgt daher stets mehr als 50%.
Dass der Anteil des Wirtschaftsdüngers an der Gesamtmenge nach einer Verdünnung stets überwiegen muss, kann aus einem weiteren Grund angenommen werden.
Die NÖ Bauordnung wurde hinsichtlich des § 62 Abs. 4 (Ausnahmen von der Anschlussverpflichtung an eine öffentliche Kanalisation) mit geändert. Als Grundlage für die Änderung diente ein Antrag, welcher am im Landtag eingebracht wurde.
Darin ist u.a. zu lesen: 'Damit eine aufrechte Güllewirtschaft vorliegt, müssen auch gewisse Mindestmengen an Gülle anfallen, um einen sinnvollen Einsatz der Gülle als Wirtschaftsdünger zu ermöglichen. Die Aufbringung von Schmutzwässern vermischt mit Gülle stellt eine Reinigung dar, die mit einer Reinigung in einer Kläranlage verglichen werden kann."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde der Antrag auf eine Ausnahmebewilligung von der Kanalanschlussverpflichtung abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund des eingeholten landwirtschaftlichen Gutachtens vom beim gegenständlichen Betrieb von keiner Güllewirtschaft iSd NÖ Bodenschutzgesetzes auszugehen sei. Die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung von der Kanalanschlussverpflichtung würde daher nicht vorliegen.
4. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom abgewiesen. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer dem Gutachten des Sachverständigen R., dass keine Güllewirtschaft vorliege, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei.
5. Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Sachverständige habe im Befund seines Gutachtens den Unterschied zwischen Gülle, Jauche und Festmist herausgearbeitet. Gülle sei ein flüssiger Wirtschaftsdünger aus einem Gemisch von Harn, Kot Einstreu und Futterresten und weise einen Trockensubstanzgehalt von 10 % auf. Jauche habe eine wesentlich flüssigere Konsistenz mit einem Trockensubstanzgehalt von 3 %. Gülle müsse verdünnt werden, um pumpfähig gemacht zu werden, Jauche, welche im gegenständlichen Betrieb ausschließlich entstehe, sei aus fachlicher Sicht nicht mehr zu verdünnen. Es liege folglich keine Güllewirtschaft iSd Bodenschutzgesetzes vor. Der Gesetzgeber dieses Gesetzes verwende nicht die Begriffe Gülle und Jauche, sondern vielmehr den Begriff Wirtschaftsdünger in flüssiger Form. Bei ordnungsgemäß geführten Tieflaufställen für Schafe würde weder Gülle noch Jauche entstehen, sondern ausschließlich Tiefstallmist, d. h. Mist in fester Form ohne Flüssigkeitskomponenten. Zudem liege nach Berechnungen des Sachverständigen ein Missverhältnis der häuslichen Abwässer im Vergleich zur anfallenden Jauche vor. Nach Ansicht der belangten Behörde habe der Sachverständige R. in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung von der Kanalanschlussverpflichtung nicht vorliegen würden. Mangels Bestehens einer Güllewirtschaft sei die Vorstellung als unbegründet abzuweisen.
6. Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - wie die mitbeteiligte Marktgemeinde - eine Gegenschrift.
7. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, der Gesetzgeber verstehe unter dem Begriff "aufrechte Güllewirtschaft" in § 62 Abs. 4 NÖ Bauordnung sowohl Gülle als auch Jauche. Diese Bestimmung verweise auf § 3 Z. 14 NÖ Bodenschutzgesetz, welcher nicht auf eine Unterscheidung zwischen Gülle und Jauche in diesem Zusammenhang hindeute. Die von der Konsistenz sehr flüssige Jauche begründe ebenfalls wie die weniger flüssige Gülle eine Ausnahme von der Kanalverpflichtung. Zudem lasse das Gutachten des Sachverständigen R. die anfallenden Flüssigkeiten aus der Silowirtschaft des Beschwerdeführers außer Betracht, obwohl § 62 Abs. 5 NÖ Bauordnung Gülle, Jauche und Silageabwässer, etc. als durchaus gleichwertige landwirtschaftliche Flüssigabfälle behandle. Der Sachverständige R. missachte in seinem Gutachten außerdem, dass im Allgemeinen Jauche nie in so großen Mengen anfalle, um alle Felder düngen zu können. Aus diesem Grund sei die Fäkalverdünnung (egal ob Jauche oder Gülle) für Landwirte unabdingbar. Ohne diese Fäkalverdünnung habe er keinesfalls ausreichenden flüssigen Wirtschaftsdünger für seine Felder im Ausmaß von 17 ha. Mit diesem Grundgedanken der Befreiung der Landwirte von der Kanalanschlussverpflichtung habe sich der Sachverständige R. in seinem Gutachten nicht auseinandergesetzt. Dieser besondere Schutz der Landwirte durch den Gesetzgeber sei zudem auch aus § 7 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz ersichtlich, wonach in Regionen, in denen Fäkalien die nicht durch ein Kanalsystem entsorgt würden, diese nach Abpumpen aus der Senkgrube mittels Tankwagen entsorgt werden können; in diesem Fall sei eine Ausnahme sogar ohne Vorliegen einer Güllewirtschaft zulässig. Dem § 3 Z. 14 NÖ Bodenschutzgesetz könne keinesfalls entnommen werden, dass ein sinnvoller Düngereinsatz nur dann bestehe, wenn der Anteil der Hausabwässer gegenüber dem anfallenden Wirtschaftsdünger nicht um ein Vielfaches größer sei. Diese Ansicht des Beschwerdeführers werde durch eine Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Niederösterreich vom unterstützt.
7.2. Die Wasserver- und -entsorgung für Gebäude wird in § 62 Niederösterreichische Bauordnung 1996 idF LGBl Nr. 8200-12 (BO) geregelt, dessen Abs. 2 hinsichtlich der auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer eine grundsätzliche Kanalanschlusspflicht wie folgt festlegt:
"(2) Die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer sind, wenn eine Anschlußmöglichkeit besteht, grundsätzlich in den öffentlichen Kanal abzuleiten."
Diese grundsätzliche Anschlussverpflichtung ist nur bei dem Bestehen einer Anschlussmöglichkeit anzunehmen (hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0310). Ausnahmen von der Kanalanschlussverpflichtung sehen die folgenden Absätze dieser Bestimmung vor, die lauten:
"(3) Von dieser Anschlußverpflichtung sind Liegenschaften ausgenommen, wenn die anfallenden Schmutzwässer über eine Kläranlage abgeleitet werden, für die eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, und
1. die Bewilligung dieser Kläranlage vor der Kundmachung der Entscheidung der Gemeinde, die Schmutzwässer der Liegenschaften über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen (Grundsatzbeschluß), erfolgte und noch nicht erloschen ist und
2. die Reinigungsleistung dieser Kläranlage
o dem Stand der Technik entspricht und
o zumindest gleichwertig ist mit der Reinigungsleistung jener Kläranlage, in der die Schmutzwässer aus der öffentlichen Anlage gereinigt werden,
und
3. die Ausnahme die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Anlage nicht gefährdet.
Die Entscheidung der Gemeinde nach Z. 1 ist nach Beschlußfassung durch den Gemeinderat durch mindestens sechs Wochen an der Amtstafel der Gemeinde kundzumachen und den Haushalten, die sich im Anschlußbereich der geplanten Kanalisationsanlage befinden, durch eine ortsübliche Aussendung bekanntzugeben.
Innerhalb von vier Wochen nach Ablauf der Kundmachungsfrist hat der Liegenschaftseigentümer einen Antrag um Ausnahme von der Anschlußverpflichtung bei der Baubehörde einzubringen. Diesem Antrag sind der Nachweis der wasserrechtlichen Bewilligung der Kläranlage und wenn diese schon betrieben wird, ein Befund über deren Reinigungsleistung, erstellt von einer hiezu befugten Stelle (staatlich autorisierte Anstalt, in einem EU-Mitgliedsstaat oder EWR-Staat akkreditierte Stelle, Sachverständiger), anzuschließen.
Wird die Ausnahme genehmigt, hat der Liegenschaftseigentümer, beginnend mit der Inbetriebnahme seiner Kläranlage bzw. der Rechtskraft des Ausnahmebescheides, in Zeitabständen von jeweils fünf Jahren unaufgefordert einen Befund über die aktuelle Reinigungsleistung der Baubehörde vorzulegen. Ist die Reinigungsleistung nicht mehr jener der Kläranlage der öffentlichen Kanalisation gleichwertig, ist der Ausnahmebescheid aufzuheben.
(4) Von der Anschlußverpflichtung sind auf Antrag des Liegenschaftseigentümers weiters ausgenommen:
1. landwirtschaftliche Liegenschaften mit aufrechter Güllewirtschaft (§ 3 Z. 14 NÖ Bodenschutzgesetz, LGBl. 6160), die die darauf anfallenden Schmutzwässer gemeinsam mit Gülle, Jauche und sonstigen Schmutzwässern aus Stallungen, Düngerstätten, Silos für Naßsilage und anderen Schmutzwässern, die nicht in den öffentlichen Kanalanlagen eingebracht werden dürfen, entsorgen und
2. Liegenschaften, welche die anfallenden Schmutzwässer über einen Betrieb mit aufrechter Güllewirtschaft entsorgen, der im selben räumlich zusammenhängenden Siedlungsgebiet liegt.
Die Entsorgung der Schmutzwässer muß unter Einhaltung der Bestimmungen des § 10 NÖ Bodenschutzgesetz bereits vor der Kundmachung des Gemeinderatsbeschlusses erfolgen, die Schmutzwässer der betroffenen Liegenschaften über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen (Grundsatzbeschluß).
Für das Verfahren betreffend die Kundmachung und Bekanntgabe des Grundsatzbeschlusses gelten die Bestimmungen des Abs. 3 sinngemäß.
Der Antrag muß unter Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung entsprechend den Bestimmungen des § 10 NÖ Bodenschutzgesetz innerhalb von vier Wochen nach Ablauf der Kundmachungsfrist eingebracht werden.
Die Einstellung der Güllewirtschaft bzw. der Entsorgung der Schmutzwässer über einen Betrieb mit Güllewirtschaft ist vom Liegenschaftseigentümer der Baubehörde unverzüglich anzuzeigen. Wird die Güllewirtschaft eingestellt, hat die Baubehörde den Ausnahmebescheid aufzuheben."
Für den Fall des Fehlens einer Anschlussmöglichkeit bestimmt Abs. 5 folgendes:
"(5) Ist der Anschluß an einen öffentlichen Kanal nicht möglich, sind die Schmutzwässer in eine Senkgrube zu leiten oder über eine Kläranlage, für die eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, abzuleiten.
Jauche, Gülle und sonstige Schmutzwässer aus Stallungen, Düngerstätten und Silos für Naßsilage sowie andere Schmutzwässer, die nicht in den öffentlichen Kanal eingebracht werden dürfen, sind in Sammelgruben einzuleiten.
Ist die Aufbringung häuslicher Abwässer gemeinsam mit den genannten landwirtschaftlichen Schmutzwässern auf landwirtschaftlichen Flächen zulässig, ist keine Senkgrube zu errichten, wenn die häuslichen Abwässer direkt in die Sammelgrube für landwirtschaftliche Schmutzwässer eingeleitet werden."
§ 3 Z. 14 Niederösterreichisches Bodenschutzgesetz 1988 idF LGBl. Nr. 610-4 (NÖ BSG) enthält eine Begriffsbestimmung für den Begriff "Betriebe mit Güllewirtschaft", dieser lautet:
"Betriebe mit Güllewirtschaft sind landwirtschaftliche Betriebe, die eigene Nutztiere halten, bei denen der Wirtschaftsdünger ganz oder teilweise in flüssiger Form anfällt und das Ausmaß der Tierhaltung auch zu einer regelmäßigen Marktleistung führt."
Der Beschwerdeführer führt auch § 7 Abs. 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-2, für seinen Standpunkt ins Treffen. Diese Bestimmung lautet:
"(3) Eigentümer landwirtschaftlicher Betriebe sind von der Verpflichtung zur Teilnahme an der öffentlichen Fäkalienabfuhr kraft Gesetzes ausgenommen. Andere Anschlußpflichtige können über Ansuchen vom Bürgermeister (Magistrat) dann ausgenommen werden, wenn die Fäkalien zur Düngung eines beim Haus befindlichen eigenen oder fremden Grundstückes genügender Größe verwendet werden können und sanitäre oder nachbarliche Rücksichten nicht entgegenstehen, und ferner nach einer gutachtlichen Äußerung der Wasserrechtsbehörde eine Verunreinigung des Grundwassers oder sonstiger Gewässer nicht zu erwarten ist. Die Ausnahmebewilligung ist vom Bürgermeister (Magistrat) zu widerrufen, wenn die erforderlichen Voraussetzungen fälschlicherweise als gegeben erachtet wurden oder diese nachträglich wegfallen."
7.3. Die Ausnahmebestimmung des § 62 Abs. 4 NÖ Bauordnung knüpft an landwirtschaftliche Liegenschaften bzw. Betriebe "mit aufrechter Güllewirtschaft" an. Die aus dem bekämpften Bescheid ersichtlichen Definitionen von "Gülle" bzw. "Jauche", die auf den schlüssigen Ausführungen des im Verfahren vor den Gemeindebehörden beigezogenen landwirtschaftlichen Sachverständigen aufbauen, wurden vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen; auch der Verwaltungsgerichtshof hegt diesbezüglich keine Bedenken.
Unstrittig ist vorliegend, dass im Betrieb des Beschwerdeführers keine Gülle anfällt. Auf dem Boden des § 62 Abs. 4 NÖ Bauordnung kann dem Gesetzgeber aber nicht zugesonnen werden, dass die Definition eines Betriebs "mit aufrechter Güllewirtschaft" sich auch auf einen solchen Betrieb wie den beschwerdegegenständlichen erstreckt. Dies erhellt aus der Regelung des § 62 Abs. 4 Z. 1 leg. cit., die davon ausgeht, dass bei Betrieben mit aufrechter Güllewirtschaft jedenfalls auch Gülle anfällt. Hätte der Gesetzgeber (wie der Beschwerdeführer meint) auch Betriebe erfassen wollen, bei denen bloß Jauche anfällt, hätte er diesbezüglich eine andere Formulierung gewählt, zumal Jauche von Gülle im Sinn des diesbezüglich (wie erwähnt) von Beschwerdeseite nicht in Zweifel gezogenen Gutachtens klar abgrenzbar ist. Dass § 62 Abs. 4 Z. 1 leg. cit. neben Gülle auch Jauche nennt, vermag somit an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Dieser Befund wird auch durch die vom Sachverständigen angeführten (oben wiedergegebenen) Passagen aus den Gesetzesmaterialien gestützt.
Aus § 62 Abs. 5 NÖ Bauordnung, wo gleichermaßen Jauche, Gülle und sonstige Schmutzwässer zur Einleitung in Sammelgruben vorgesehen sind und insofern gleichbehandelt werden, ergibt sich entgegen der Beschwerde nicht, dass ein Betrieb mit Güllewirtschaft auch dann anzunehmen wäre, wenn Gülle überhaupt nicht anfällt. Vielmehr ergibt sich auch aus dieser Bestimmung klar, dass Gülle von Jauche und sonstigen dort angesprochenen Schmutzwässern zu unterscheiden ist.
Da - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - § 7 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Teilnahme an der öffentlichen Fäkalienabfuhr für Eigentümer für landwirtschaftliche Betriebe generell eröffnet und nicht davon abhängig macht, ob Güllewirtschaft besteht, lässt sich aus dieser Bestimmung zur Auslegung des Betriebs "mit aufrechter Güllewirtschaft" in § 62 Abs. 4 NÖ Bauordnung nichts Näheres ableiten.
Vor diesem Hintergrund vermag der Beschwerdeführer mit seiner Auffassung, das Gutachten des Sachverständigen wäre insofern unzutreffend, als es (am Beispiel des landwirtschaftlichen Betriebs des Beschwerdeführers dargestellt) nicht berücksichtige, dass für Landwirte Hauswasser für die Fäkalverdünnung "lebensnotwendig sei" nichts zu gewinnen. Gleiches gilt für die Kritik, der Gesetzgeber sei - anders als der Sachverständige meine - nicht davon ausgegangen, dass ein sinnvoller Düngereinsatz nur dann gegeben sei, wenn das Hauswasser nicht um ein Vielfaches größer sei.
Fehl geht damit auch die Verfahrensrüge, es wäre im Fall des Beschwerdeführers erforderlich gewesen, unter Beiziehung eines Sachverständigen der Landwirtschaftskammer die Ausnahme des Beschwerdeführers von der Anschlussverpflichtung im Wege eines Lokalaugenscheines zu prüfen.
7.4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am