VwGH vom 13.12.2016, Ro 2014/05/0078
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision des R H in G, vertreten durch die Saxinger Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(BauR)-014453/1-2012- Hd/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. DI C H in G, und 2. Stadtgemeinde G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird soweit er sich auf die baubehördliche Bewilligung des als "Gartenzimmer" bezeichneten Zubaues bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1 Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerber) ist Eigentümer der im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde gelegenen Liegenschaft EZ 482 mit dem Grundstück Nr. 220/7, das im Jahr 2012 mit dem bis dahin derselben EZ inneliegenden Grundstück Nr. 363 vereinigt worden ist (vgl. den in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Grundbuchsauszug vom ).
2 In dem vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde (im Folgenden: Gemeinderat) am beschlossenen rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Nr. 5 ist für die Liegenschaft die Widmung "Bauland-Wohngebiet" ausgewiesen. Der für diese Liegenschaft geltende, vom Gemeinderat am beschlossene, mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung (im Folgenden: Landesregierung) vom aufsichtsbehördlich genehmigte Bebauungsplan Nr. 20 "Marktkern und Schullerfeld" (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis ) erlaubt für Gebäude zwei Vollgeschosse und sieht u.a. eine abweichende Bauweise in Bezug auf die seitlichen Grenzabstände im Bereich der bebaubaren Fläche vor. Die textlichen Bestimmungen dieses Bebauungsplanes ("Schriftliche Ergänzung") lauten auszugsweise:
" ...
2.0 BAUFLUCHTLINIEN
DIE GEBÄUDE SIND INNERHALB DER DURCH DIE BAUFLUCHTLINIEN
ABGEGRENZTEN FLÄCHE ZU SITUIEREN.
ABWEICHEND DAVON KÖNNEN GARAGEN AUCH AUSSERHALB ANGEORDNET
WERDEN, FALLS DIE NUTZUNG EINES BAUPLATZES ANSONSTEN WESENTLICH
BEEINTRÄCHTIGT WERDEN WÜRDE.
DIE BAUFLUCHTLINIE GILT ALS ANBAUVERBINDLICH, WENN IN DER
PLANDARSTELLUNG DIESE MIT DER STRASSENFLUCHTLINIE IDENTISCH IST.
DIE SEITLICHE BZW INNERE BAUFLUCHTLINIE BESTIMMT SICH-ABGESEHEN
VON DEN REGELUNGEN DER ‚ABWEICHENDEN BAUWEISE' NACH PUNKT 3.0-NACH § 32 DER OÖ BAU O, FALLS KEIN DETAILLIERTER BEBAUUNGSPLAN VORLIEGT.
3.0 BAUWEISE
ABWEICHENDE BAUWEISE: DIE SEITLICHEN GRENZABSTÄNDE IM BEREICH
DER BEBAUBAREN FLÄCHE BETRAGEN MINDESTENS 3,0 METER. SIE KÖNNEN MIT ERDGESCHOSSHOHEN HAUPT= ODER NEBENGEBÄUDEN GESCHLOSSEN WERDEN.
GERINGERE GRENZABSTÄNDE BEI BESTEHENDEN GEBÄUDEN SIND ANALOG ZU
GESTALTEN, WOBEI DER ZWISCHENRAUM AUCH MIT EINER CA 2,0 METER
HOHEN MAUER GESCHLOSSEN WERDEN KANN.
..."
3 Mit Eingabe vom , die beim Stadtamt der mitbeteiligten Gemeinde am einlangte, suchte der Bauwerber bei der Baubehörde um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Carports, eines "Gartenzimmers" und eines Geräteraumes auf seiner Liegenschaft an.
4 Der Revisionswerber ist Eigentümer des seitlich (nordwestlich) an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes Nr. 220/5 und erhob mit Schriftsatz vom gegen das Bauvorhaben Einwendungen. Darin brachte er (u.a.) vor, dass eine Baubewilligung für den Anbau eines "Gartenzimmers" an den bereits bestehenden nordseitigen Gebäudebestand, welcher unmittelbar an der Grundstücksgrenze zu ihm (dem Revisionswerber) liege, dem Bebauungsplan widerspreche. Die Ausnahmebestimmung des Bebauungsplanes, wonach geringere Grenzabstände bei bestehenden Gebäuden "analog zu gestalten" seien, sei auf das Bauvorhaben nicht anzuwenden, weil sich diese Bestimmung auf bereits vor Rechtswirksamkeit des Bebauungsplanes im Jahre 1985 bestehende Gebäude beziehe und ein Bauvorhaben den zum Zeitpunkt der Bewilligung geltenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechen müsse. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil der seitliche Grenzabstand nicht 3 m betrage und eine geschlossene Bauweise mit erdgeschosshohen Haupt- oder Nebengebäuden nicht gegeben sei. Durch diese dem Bebauungsplan widersprechende Bauweise werde insbesondere in die subjektiv-öffentlichen Rechte des Revisionswerbers auf Belichtung und Belüftung sowie auf Einhaltung der Bestimmungen zu Lage und Höhe von Gebäuden eingegriffen.
5 In der am durchgeführten Bauverhandlung brachte der Revisionswerber ergänzend vor, dass der geplante Zubau für den Fall der Zulässigkeit der Unterschreitung des Grenzabstandes zu hoch sei, weil er die Höhe des bestehenden Erdgeschosses überschreite.
6 In der Bauverhandlung führte der bautechnische Amtssachverständige Ing. Mag. G. unter Hinweis auf die Einreichunterlagen vom (u.a.) aus, dass der genannte Bebauungsplan eine erdgeschossige Bebauung bis zur Nachbargrundgrenze ermögliche ("abweichende Bauweise"). Nordwestlich solle an das bestehende Wohnhaus ein nicht unterkellerter und erdgeschossiger Zubau im Ausmaß von 7,52 m x 4,25 m errichtet werden, dessen Verwendungszweck als "Gartenzimmer" vorgesehen sei. Die Außenwand zur nördlichen Grundgrenze werde als Feuermauer ausgebildet. Den oberen Abschluss bilde eine Flachdachkonstruktion. Im südöstlichen Bereich des Bauplatzes sei weiters die Errichtung eines überdachten Abstellplatzes zur Aufnahme von zwei Stellplätzen geplant. An der südöstlichen Nachbargrundgrenze solle im Anschluss an das Carport eine 2 m hohe Gartenmauer hergestellt werden. In diesem Zusammenhang werde angemerkt, dass der Gartengeräteraum und das Carport in Form einer Bauanzeige mitangezeigt würden. Gegen die Erteilung der Baubewilligung bestünden in bautechnischer Hinsicht keine Bedenken, wenn die von ihm (dem Amtssachverständigen) vorgeschlagenen (im Einzelnen dargestellten) Auflagen und Bedingungen erfüllt würden.
7 Die (weiters beigezogene) bautechnische Amtssachverständige Ing. M. nahm mit Schreiben vom zu den Einwendungen des Revisionswerbers (u.a.) dahin Stellung, dass der geplante Zubau des "Gartenzimmers" an der nordwestlichen Grundgrenze laut Bauplan eine Höhe von 3,50 m aufweise und somit unter den Begriff "erdgeschosshohes Hauptgebäude" einzustufen sei, wobei auch das bereits bestehende Gebäude an der nordwestlichen Nachbargrundgrenze eine Höhe von 3,50 m habe. Die Höhe des Zubaus überschreite somit nicht die des Bestandes, sondern gleiche sich dieser an, sodass die Bestimmungen des Bebauungsplanes eingehalten würden.
8 Mit Bescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Gemeinde (im Folgenden: Bürgermeisterin) vom wurde dem Bauwerber gemäß § 35 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO) die Bewilligung für die Errichtung eines Carports und eines "Gartenzimmers" auf den Grundstücken Nr. 220/7 und .363 unter der Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen erteilt. In der Begründung des Bescheides verwies die Bürgermeisterin in Bezug auf die Einwendung des Revisionswerbers hinsichtlich der Unterschreitung des Grenzabstandes durch den geplanten Zubau auf die genannte Stellungnahme der bautechnischen Amtssachverständigen Ing. M.
9 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Berufung. 10 Der Gemeinderat holte zur Beurteilung der Übereinstimmung
der Errichtung des "Gartenzimmers" mit den Festlegungen des Bebauungsplanes die stadt- und raumplanerische gutachterliche Stellungnahme des DI L. vom ein. Dieser vertrat darin u.a. die Ansicht, dass in dem genannten Bebauungsplan zu den seitlichen und hinteren Bauplatzgrenzen keine Baufluchtlinien festgelegt seien, daher die gemäß der Bauweise definierten Grenzabstände gälten und, sofern nicht die straßenseitige Baufluchtlinie überschritten werde, keine Einschränkungen der Lage von erdgeschosshohen Haupt- oder Nebengebäuden bestünden. Die geplante Errichtung des "Gartenzimmers" liege innerhalb der ausgewiesenen Baufluchtlinien bzw. innerhalb des Bereiches, der durch erdgeschosshohe Haupt- oder Nebengebäude geschlossen werden dürfe.
11 Mit dem auf Grund des Beschlusses des Gemeinderates vom erlassenen Bescheid vom wurde die Berufung des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen.
12 Dazu führte der Gemeinderat (u.a.) unter Bezugnahme auf die genannte Stellungnahme des DI L. aus, dass er sich dieser vollinhaltlich anschließe, keine die Baubewilligung einschränkende Auslegung des Bebauungsplanes erkennbar sei und es im Sinne der flächensparenden Baulandentwicklung möglich und gewünscht sei, dass die benachbarten Grundeigentümer im gesamten Siedlungsgebiet in gleicher Weise mit Haupt- und Nebengebäuden (womit eine höhere Traufenhöhe als 3 m möglich sei) an die Grundstücksgrenze heranbauen und "schließen" könnten. Der nach § 18 Oö. Bautechnikgesetz (im Folgenden: BTG) geforderte Lichteinfallswinkel von 45 Grad sei auf Grund des Abstandes und der bestehenden zweigeschossigen Hauptbebauung nicht betroffen und gegenüber den beiden Objekten gewährleistet.
13 Der vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben.
14 Dazu führte die Landesregierung im Wesentlichen aus, dass (zwar) rechtzeitig, also bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, Einwendungen bezüglich eines Verstoßes gegen den geltenden Bebauungsplan mit der Begründung, dass das Bauvorhaben direkt an die Grundgrenze "gesetzt" worden sei und dadurch die Belichtung und Belüftung eingeschränkt sei sowie dass durch das Carport unzulässige Immissionen bestünden, erhoben worden seien. Es seien jedoch erst im Berufungsschriftsatz, also nicht rechtzeitig, die Rechtswidrigkeit des anzuwendenden Bebauungsplanes, die Höhe des "Gartenzimmers" und die diesbezügliche Niveauangleichung eingewendet worden.
15 Was den Geräteraum und das Carport betreffe, so sei es möglich, in einem Bauplan sowohl bewilligungspflichtige als auch anzeigepflichtige Maßnahmen darzustellen. Es sei dann jedoch im Bescheidspruch genau zu bezeichnen, was Gegenstand der Baubewilligung sei. Dies sei von der Bürgermeisterin in ihrem Bescheid unterlassen und dieser sei vom Gemeinderat nicht abgeändert worden, was zwar einen Verfahrensfehler darstelle, jedoch nichts an der Anzeigepflicht hinsichtlich des Carports bzw. der Gerätehütte ändere. Daher komme dem Revisionswerber diesbezüglich auch keine Parteistellung zu.
16 Was die rechtzeitig erhobenen Einwände hinsichtlich einer Abstandsverletzung bzw. Belichtung und Belüftung im Zusammenhang mit dem "Gartenzimmer" und betreffend Immissionen durch das Carport anlange, so könne ein Bebauungsplan abweichende Abstandsbestimmungen vorsehen. Die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem gegenständlichen Bebauungsplan sei sowohl vom bautechnischen Amtssachverständigen in der Bauverhandlung als auch in der gutachterlichen Stellungnahme des Ortsplaners (DI L.) vom festgestellt worden. Weiters bestehe bei Einhaltung der Abstandsbestimmungen kein ausdrücklicher Anspruch auf Belichtung und Belüftung aus einem benachbarten, fremden Grundstück und habe grundsätzlich jeder Nachbar für die entsprechenden Freiräume auf seinem Grundstück zu sorgen.
17 Zum Vorbringen des Revisionswerbers betreffend die "abweichende Bauweise" sei auszuführen, dass im gegenständlichen Bebauungsplan laut dieser gutachterlichen Stellungnahme des Ortsplaners keine Festlegung einer hinteren und seitlichen Baufluchtlinie getroffen worden sei und daher keine Einschränkungen der Lage von erdgeschosshohen Haupt- und Nebengebäuden, sofern die straßenseitige Baufluchtlinie nicht überschritten werde, bestünden. Danach liege die geplante Errichtung des "Gartenzimmers" innerhalb der ausgewiesenen Baufluchtlinien bzw. innerhalb des Bereiches, der durch erdgeschosshohe Haupt- und Nebengebäude geschlossen werden dürfe. Deshalb gingen auch die Argumente des Revisionswerbers hinsichtlich der Schließung des Zwischenraumes ins Leere.
18 Was die Lage und Höhe des "Gartenzimmers" anlange, so habe DI L. - entgegen dem Einwand des Revisionswerbers - auch diesbezüglich festgestellt, dass "die Gebäudehöhe des Gartenzimmers von 3,5 m ... die Gebäudehöhe des angrenzenden erdgeschossigen Gebäudebestandes" aufnehme und eine "übliche Gebäudehöhe von erdgeschossigen Hauptgebäuden nicht überschritten" werde. Daran könne auch das erstmals in der Berufungsschrift angeführte Argument hinsichtlich einer Überschreitung dieser Höhe durch eine Geländeangleichung nichts ändern.
19 Zur ebenfalls erstmals in der Berufung aufgeworfenen Frage der Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes sei auszuführen, dass eine allfällige Verfassungs- und Rechtswidrigkeit des Bebauungsplanes einzig und allein der Beurteilung durch den Verfassungsgerichtshof unterliege.
20 Gegen diesen Bescheid, soweit er sich auf die baubehördliche Bewilligung des "Gartenzimmers" bezieht, erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 992/2012-11, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
21 In seinem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten, die nunmehr als Revision geltende Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom beantragt der Revisionswerber, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
22 Das in sinngemäßer Anwendung des Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG an die Stelle der Landesregierung getretene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Revisionsbeantwortung.
23 Der Bauwerber und die mitbeteiligte Gemeinde haben keine Revisionsbeantwortung erstattet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
24 Vorauszuschicken ist, dass in sinngemäßer Anwendung des § 4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013, vorzugehen ist, wenn der Verfassungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall - eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung erst nach dem Ablauf des an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, sodass die Beschwerde als Revision gilt und für deren Behandlung nach § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß gelten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/05/0086, 0087, mwN).
25 In dem für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderates (am ) über den Berufungsbescheid (vgl. nochmals das Erkenntnis, Ro 2014/05/0086, 0087, mwN) standen die BO, LGBl. Nr. 66/1994, idF LGBl. Nr. 36/2008 und das BTG, LGBl. Nr. 67/1994, idF der 2. Oö. Bautechnikgesetz-Novelle 2011, LGBl. Nr. 68/2011, in Geltung. Im Hinblick darauf, dass gemäß Art. II Abs. 2 dieser Novelle im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes anhängige individuelle Verwaltungsverfahren nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiterzuführen sind, findet im Revisionsfall das BTG idF LGBl. Nr. 34/2011 Anwendung.
26 § 31 BO lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 31
Einwendungen der Nachbarn
(1) Nachbarn sind
1. bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind;
2. bei allen anderen Bauvorhaben sowie für die Nachbarrechte im Sinn des Abs. 5: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens 50 Meter entfernt sind.
Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. ...
...
(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.
(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.
..."
27 Die §§ 2 und 5 BTG lauten auszugsweise:
" § 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:
...
46. Zubau: die Vergrößerung eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung."
" § 5
Lage und Höhe der Gebäude, Abstandsvorschriften, Vorgarten
Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für die Lage und Höhe von Gebäuden:
1. Bei Neu- und Zubauten ist zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten.
..."
28 Die maßgeblichen Bestimmungen des anzuwendenden Bebauungsplanes wurden bereits oben (Rz 2) wiedergegeben.
29 Die Revision bringt (u.a.) vor, dass, wie der Revisionswerber bereits im erstinstanzlichen Bewilligungsverfahren und in seiner Berufung geltend gemacht habe, die Bestimmungen des Bebauungsplanes der Bewilligung der Errichtung des "Gartenzimmers" entgegenstünden, weil es auch auf der Grundlage der darin getroffenen Ausnahmeregelung (Punkt 3.0 "Bauweise") nur in jenen Bereichen erlaubt sei, "erdgeschosshohe Haupt- oder Nebengebäude" an einer Grundstücksgrenze zu errichten, in welchen bereits Hauptbzw. Wohngebäude bestünden, "auf den revisionsgegenständlichen Fall umgelegt sohin in den Bereich des bestehenden zweigeschossigen Hauptwohngebäudes und nicht darüber hinaus". Wie aus dem im Behördenakt erliegenden Plan ersichtlich, betreffe dies gegenständlich einen unzulässigen Verbau (parallel zur Grundstücksgrenze zum Revisionswerber) in der Länge von 394 cm, welcher in der (der Revision) beiliegenden Plankopie gelb eingezeichnet sei. Eine andere Interpretation wäre jedenfalls verfassungswidrig, würde diese doch dem Bauwerber die Möglichkeit eröffnen, die gesamte Grundgrenze zum Revisionswerber allenfalls in einer Höhe von bis zu 3,50 m im Sinne einer Einhausung zuzubauen und diesem somit jeden relevanten Lichtbzw. Sonneneinfall zu nehmen. Der Bebauungsplan sei jedenfalls verfassungskonform auszulegen, und die Landesregierung habe sich mit dieser Argumentation nicht auseinandergesetzt, obwohl es sich auf Grund der letztlich unklaren Regelung im Bebauungsplan um eine der rechtlichen Kernfragen bei der Bewilligung des Projektes handle.
30 Unabhängig davon entspreche das "Gartenzimmer" nicht einem "erdgeschosshohen Haupt- oder Nebengebäude", wobei auf die Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen verwiesen werde, welcher die Höhe des "Gartenzimmers" mit 3,50 m festgehalten habe. Ebenso weise das bereits bestehende Gebäude an der nordwestlichen Grundgrenze eine Höhe von 3,50 m auf. Wie sich aus den Einreichunterlagen ergebe, überrage das geplante "Gartenzimmer" die Höhe des Erdgeschosses des Wohnhauses, das nach dem Plan eine Höhe von lediglich 3,10 m aufweise, um etwa 40 cm. Diese Überschreitung der "Erdgeschosshöhe" des Wohnhauses im Sinne der Regelungen des Bebauungsplans ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass der Unterbau, die Dämmung und eine allfällige Attika mit zu berücksichtigen seien. Allein der Plattenbelag mit Zementestrich und Steinbodenplatte weise eine Höhe von mindestens 22 cm auf, was der bautechnische Amtssachverständige unzulässigerweise nicht berücksichtigt habe, obwohl die Bodenplatte den beantragten Zubau im Verhältnis zur Liegenschaft des Revisionswerbers entsprechend erhöhe.
31 Dieses Vorbringen führt die Revision im Ergebnis zum Erfolg. 32 Der Revisionswerber ist unstrittig Nachbar im Sinne des § 31 Abs. 1 BO.
33 Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Daraus folgt, dass die Prüfungsbefugnisse der Berufungsbehörde sowie der Aufsichtsbehörde und auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf Nachbarn nach der BO im Baubewilligungsverfahren zutrifft, auf jene Fragen beschränkt ist, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als subjektivöffentliches Recht besteht und soweit rechtzeitig im Verfahren derartige Einwendungen erhoben wurden (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa Erkenntnis vom , Ro 2014/05/0065, mwN).
34 Der Revisionswerber macht geltend, dass durch den Zubau des "Gartenzimmers" der vorgeschriebene Seitenabstand zur Nachbargrundgrenze nicht eingehalten werde. Damit behauptet er die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des § 31 Abs. 4 BO (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0146, mwN).
35 Sowohl die Landesregierung, die sich im angefochtenen Bescheid der den erstinstanzlichen Bescheid bestätigenden Auffassung des Gemeinderates angeschlossen hat, als auch der Revisionswerber gehen davon aus, dass es sich bei dem geplanten "Gartenzimmer" - wie sich aus dem erstinstanzlichen Bescheid ergibt - um einen Zubau (im Sinne des § 2 Z 46 BTG) handelt. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat gegen diese Rechtsansicht keine Bedenken.
36 § 5 Z 1 BTG ordnet für die Lage und Höhe von Gebäuden (u.a.) an, dass bei einem Zubau ein Mindestabstand von 3 m zu den seitlichen Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen einzuhalten ist, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt.
37 Der im Revisionsfall anzuwendende Bebauungsplan trifft nun, wie oben (I.) dargestellt, in seinen textlichen Bestimmungen ("Schriftliche Ergänzung") unter Punkt 3.0 ("Abweichende Bauweise") die Ausnahmeregelung, dass die darin genannten seitlichen Grenzabstände durch die in diesem Punkt genannten Bauwerke (erdgeschosshohe Haupt- oder Nebengebäude bzw. ca. 2 m hohe Mauer) "geschlossen" werden dürfen.
38 Weder der Bebauungsplan noch die BO, das BTG oder das Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 114/1993, idF LGBl. Nr. 73/2011 (im Folgenden: ROG) enthält eine Definition oder eine nähere Umschreibung hinsichtlich des Ausdruckes, dass seitliche Grenzabstände "... geschlossen werden" können. Hiebei ist in Bezug auf das ROG darauf hinzuweisen, dass zwar der hier anzuwendende Bebauungsplan vor Inkrafttreten des ROG erlassen wurde und sich der Regelungsinhalt eines Bebauungsplanes (ebenso wie eines Flächenwidmungsplanes) grundsätzlich nach den Bestimmungen des Raumplanungsgesetzes zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Gemeinderat und nicht nach später abgeänderten Bestimmungen richtet, dies allerdings nur dann, wenn die Übergangsbestimmungen nicht eine andere Regelung vorsehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0051, mwN; ferner Wolfgang Hauer , Der Nachbar im Baurecht6 349 mwH auf die hg. Rechtsprechung). Die O.ö. Raumordnungsgesetz-Novellen 1996 und 1997, LGBl. Nr. 78/1996 und LGBl. Nr. 83/1997, stellten in § 39 Abs. 1 ROG klar, dass am rechtswirksam bestehende Raumordnungsprogramme, Flächenwidmungspläne, Bebauungspläne und Teilbebauungspläne als Raumordnungsprogramme, Flächenwidmungspläne oder Bebauungspläne im Sinne des ROG sowie für die in solchen Verordnungen enthaltenen Festlegungen die entsprechenden Umschreibungen und Bestimmungen des ROG und der gemäß § 21 Abs. 3 erlassenen Verordnungen gelten und für die in Bebauungsplänen und Teilbebauungsplänen enthaltenen Festlegungen überdies die entsprechenden Umschreibungen und Bestimmungen der BO und des BTG (vgl. in diesem Zusammenhang nochmals das Erkenntnis, Zl. 96/05/0051, mwN). Diese Übergangsbestimmung findet somit auch auf den gegenständlichen Bebauungsplan Anwendung.
39 Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Ra 2016/05/0031, mwN) ist auch im öffentlichen Recht bei der Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind. § 6 ABGB verweist zunächst auf die Bedeutung des Wortlautes in seinem Zusammenhang. Daher ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Normengebers zukommt. Ausnahmebestimmungen sind grundsätzlich restriktiv zu interpretieren (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2013/05/0193, mwN).
40 Gemäß § 32 Abs. 5 Z 2 ROG ist eine "offene Bauweise", die in einem Bebauungsplan festgelegt werden kann (§ 32 Abs. 2 Z 2 leg. cit.), dann gegeben, wenn die Gebäude allseits freistehend mit einem bestimmten Mindestabstand von den seitlichen Grenzen und der hinteren Grenze des Bauplatzes errichtet werden müssen, sofern das BTG nicht Ausnahmen zulässt. In dieser Bestimmung wird somit - ebenso wie in § 5 Z 1 BTG - auf den Abstand zwischen einem Gebäude und einer Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze abgestellt.
41 Die vorliegende Regelung des Bebauungsplanes (Punkt 3.0 zweiter Satz) spricht nun davon, dass seitliche Grenzabstände mit (erdgeschosshohen) Haupt- oder Nebengebäuden geschlossen werden können. Der Wortlaut dieser Regelung deutet darauf hin, dass sich der Verordnungsgeber dabei auf (rechtmäßig bestehende oder gleichzeitig zu errichtende) Gebäude, die den vorgeschriebenen Grenzabstand einhalten, bezieht, deren seitliche Grenzabstände im Bereich der bebaubaren Fläche mit Haupt- oder Nebengebäuden geschlossen werden können, womit offenbar gemeint ist, dass bis an die seitliche Grundgrenze gebaut werden darf. Hätte der Verordnungsgeber eine weitergehende Anordnung in Bezug auf die Zulässigkeit der genannten erdgeschosshohen Gebäude im seitlichen Grenzabstand treffen wollen, hätte er dies entsprechend eindeutig zum Ausdruck gebracht. Hinzu kommt der bereits erwähnte Grundsatz einer restriktiven Auslegung einer Ausnahmebestimmung.
42 Es ist somit der von der Revision vertretenen Auffassung beizupflichten, dass ein erdgeschosshohes Haupt- oder Nebengebäude und somit auch der gegenständliche Zubau zu dem bestehenden Gebäude, der definitionsgemäß einen Teil dieses Gebäudes darstellt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/17/0193), nur dann bis an die Grundgrenze errichtet werden darf, wenn damit der Bereich zwischen dem bisherigen Gebäude und der seitlichen Grundstücksgrenze (also dieser Zwischenraum) "geschlossen wird" und der Bau somit in diesem Zwischenraum errichtet wird. Ein Bauvorhaben, mit dem nicht bloß ein solcher Zwischenraum "geschlossen wird", sondern das über diesen hinausgeht, erfüllt daher nicht die Voraussetzungen der genannten Ausnahmeregelung des Bebauungsplanes.
43 Aus dem der Baubewilligung zugrunde liegenden Einreichplan geht hervor, dass der verfahrensgegenständliche Zubau über die Grundfläche dieses zwischen dem bisherigen Gebäude und der seitlichen Grundgrenze (zur Liegenschaft des Revisionswerbers) bestehenden Zwischenraumes hinausreicht, sodass er jedenfalls nicht die in Punkt 3.0 des Bebauungsplanes getroffenen Festlegungen für ein zulässiges Schließen der Grenzabstände im oben genannten Sinn einhält. Insoweit erweist sich die vorliegende Baubewilligung somit als rechtswidrig.
44 Der angefochtene Bescheid war daher bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
45 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm §§ 3 und 4 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die vom Revisionswerber angesprochene Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der anzuwendenden Verordnung bereits berücksichtigt und ein Streitgenossenzuschlag in diesen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen ist.
Wien, am