VwGH vom 10.11.2015, 2015/13/0001

VwGH vom 10.11.2015, 2015/13/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde der F. privatstiftung in E, vertreten durch die LBG Wirtschaftsprüfung Steuerberatung GmbH in 1030 Wien, Boerhaavegasse 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1163- W/05, betreffend Körperschaftsteuer 2001 und 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Privatstiftung brachte in ihren Steuererklärungen für die beiden Streitjahre jeweils an zwei in Belgien bzw. Deutschland ansässige Begünstigte getätigte Zuwendungen, von denen sie Kapitalertragsteuer einbehalten hatte, bei der Bemessungsgrundlage für die sogenannte Zwischenbesteuerung von Kapitalerträgen und Einkünften aus der Veräußerung von Beteiligungen gemäß § 13 Abs. 3 KStG 1988 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, in Abzug. Die Körperschaftsteuerbescheide ergingen zunächst erklärungsgemäß.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das Finanzamt unter Wiederaufnahme der Verfahren neue Körperschaftsteuerbescheide, in denen der Abzug der erwähnten Zuwendungen von der Bemessungsgrundlage insoweit, als auf Grund der Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien und Deutschland Erstattungen von Kapitalertragsteuer an die beiden ausländischen Begünstigten stattgefunden hatten, nicht mehr berücksichtigt wurde. Dieses Vorgehen gründete sich auf § 13 Abs. 3 letzter Satzteil KStG 1988 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000 ("sowie keine Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt").

In ihrer Berufung gegen diese Bescheide wandte sich die beschwerdeführende Privatstiftung gegen diesen Ausschluss der Zuwendungen an die ausländischen Begünstigten vom Abzug bei der Bemessungsgrundlage. Hilfsweise machte sie geltend, entgegen der Ansicht des Finanzamtes stünde ihr, falls der Ausschluss der Zuwendungen vom Abzug gerechtfertigt sei, im zweiten der beiden Streitjahre gemäß § 24 Abs. 5 KStG 1988 eine Gutschrift für im ersten Streitjahr entrichtete "Zwischensteuer" zu.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde in der Hauptsache die Ansicht des Finanzamtes, wohingegen sie für das zweite Streitjahr im Sinne des Eventualbegehrens eine teilweise Gutschrift der für das erste Streitjahr festgesetzten "Zwischensteuer" gewährte.

In ihrer Beschwerde gegen diesen Bescheid machte die beschwerdeführende Privatstiftung geltend, der Ausschluss der Zuwendungen vom Abzug bei der Bemessungsgrundlage verletze die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß (im Streitzeitraum) Art. 56 EG.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Mit Beschluss vom , 2010/13/0130, EU 2013/0007, legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

"Ist Art. 56 EG (nunmehr Art. 63 AEUV) dahin auszulegen, dass er einem System der Besteuerung von einer österreichischen Privatstiftung erzielter Kapitalerträge und Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen entgegensteht, das eine steuerliche Belastung der Privatstiftung in Form einer 'Zwischensteuer' zur Sicherung einer inländischen Einfachbesteuerung nur für den Fall vorsieht, dass auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens beim Empfänger von Zuwendungen aus der Privatstiftung eine Entlastung von der an sich auf solchen Zuwendungen lastenden Kapitalertragsteuer erfolgt?"

Der EuGH entschied darüber mit Urteil vom , C-589/13, ECLI:EU:C:2015:612, F. E. Familienprivatstiftung Eisenstadt , wie folgt:

"Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der eine im Inland ansässige Privatstiftung im Rahmen der Zwischenbesteuerung der von ihr erzielten Kapitalerträge und Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen nur die Zuwendungen von ihrer Steuerbemessungsgrundlage für einen bestimmten Veranlagungszeitraum in Abzug bringen darf, die in diesem Veranlagungszeitraum vorgenommen und im Mitgliedstaat der Besteuerung der Stiftung bei den Begünstigten dieser Zuwendungen besteuert wurden, während diese nationale Steuerregelung einen derartigen Abzug ausschließt, wenn der Begünstigte in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und in dem Mitgliedstaat der Besteuerung der Stiftung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Steuer, der die Zuwendungen grundsätzlich unterliegen, befreit ist."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 13 Abs. 3 KStG 1988 lautete in der hier maßgeblichen Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, auszugsweise:

"(3) Bei Privatstiftungen, die nicht unter § 5 Z 6 oder 7 oder unter § 7 Abs. 3 fallen, sind weder bei den Einkünften noch beim Einkommen zu berücksichtigen, sondern nach Maßgabe des § 22 Abs. 3 gesondert zu versteuern:

1. In- und ausländische Kapitalerträge aus


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Geldeinlagen und sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten (§ 93 Abs. 2 Z 3 des Einkommensteuergesetzes 1988),
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Forderungswertpapieren im Sinne des § 93 Abs. 3 Z 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes 1988, wenn sie bei ihrer Begebung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten werden,
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Forderungswertpapieren im Sinne des § 93 Abs. 3 Z 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes 1988,
soweit diese Kapitalerträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27 des Einkommensteuergesetzes 1988 gehören.
2.
Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen im Sinne des § 31 des Einkommensteuergesetzes 1988, soweit nicht Abs. 4 angewendet wird.
Die Besteuerung (§ 22 Abs. 3) von Kapitalerträgen und Einkünften aus der Veräußerung von Beteiligungen unterbleibt insoweit, als im Veranlagungszeitraum Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 getätigt worden sind und davon Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist sowie keine Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt."
Aus dem Urteil des EuGH geht hervor, dass der letzte Satzteil dieser Bestimmung ("sowie keine Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt") in Bezug auf Begünstigte in einem anderen Mitgliedstaat mit Art. 56 EG unvereinbar und daher - entgegen der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Ansicht - im vorliegenden Fall nicht anzuwenden war.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf zusätzliche Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am