VwGH vom 29.09.2016, Ro 2014/05/0067
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision 1. des DI Dr. A M und 2. der E P, beide in O, beide vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , IKD(BauR)-014613/1-2013- Sg/Wm, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. H W in O, und 2. Gemeinde O, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Dr. Josef Broinger und Mag. Markus Miedl, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Khevenhüllerstraße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerber haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 28,70 (je zu gleichen Teilen) und der mitbeteiligten Marktgemeinde Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 (je zu gleichen Teilen) jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerber sind Eigentümer der westlich an das gegenständliche Baugrundstück Nr. 1471/3, KG O, angrenzenden Liegenschaft. Mit Bescheid vom wurde die Bewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses auf dem gegenständlichen Baugrundstück erteilt. Bei der Überprüfung des Gebäudes wurde 2010 die konsenswidrige Errichtung festgestellt. Mit Beschluss des Gemeinderates vom wurde der das gegenständlichen Baugrundstück betreffende Bebauungsplan Nr. 1 H aufgehoben. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde der Antrag auf (nachträgliche) Baubewilligung für das Bauvorhaben entsprechend dem eingereichten Bauplan in Ergänzung der Baubewilligung vom erteilt. Die dagegen erhobene Berufung der Revisionswerber wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom als unbegründet abgewiesen.
Die von den Revisionswerbern dagegen erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Oö. Landesregierung (im Folgenden: Landesregierung) als unbegründet abgewiesen. Die Landesregierung führte im Wesentlichen aus, dass zwar unstrittig sei, dass das gegenständliche Gebäude nicht entsprechend der Baubewilligung errichtet worden sei. Eine allenfalls mögliche, nachträglich erteilte Baubewilligung iSd § 49 Oberösterreichische Bauordnung 1994 (im Folgenden: Oö. BauO) diene aber gesetzeskonform der Sanierung eines bis dahin rechtswidrigen (weil konsenslosen) Zustandes. Die von den Revisionswerbern geltend gemachten Abweichungen von den Bauplänen stellten keine Verletzung subjektiver Rechte dar. Einwendungen, die sich auf eine Unvollständigkeit bzw. Ungenauigkeit der Planunterlagen bezögen, seien mit der vorgelegten Planänderung - der Stellungnahme des Sachverständigen vom folgend - gegenstandslos geworden. Der Bebauungsplan Nr. 1 H sei bereits vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ersatzlos aufgehoben worden und folglich im gegenständlichen Verfahren nicht mehr anzuwenden, weshalb das Bauvorhaben nur auf Übereinstimmung mit der Oö. BauO und dem Oö. BauTG zu überprüfen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber wegen Verletzung durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1599/2013-7, mit der Begründung abgelehnt hat, dass die Aufhebung des Teilbebauungsplanes Nr. 1 H durch die Verordnung des Gemeinderates entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht der rechtlichen Sanierung bestehender Bauwerke, sondern vorrangig der Herstellung - in Bezug auf die raumordnungsrechtlichen Vorgaben - rechtskonformer bebauungsrechtlicher Grundlagen diene. Der Verfassungsgerichtshof trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der vor dem Verwaltungsgerichtshof nach Aufforderung ergänzten Revision beantragten die Revisionswerber, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig zu beheben. Das in das Verfahren gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B-VG eintretende Oberösterreichische Landesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor und beantragte Kostenersatz. Die mitbeteiligte Marktgemeinde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin, die Revision kostenpflichtig abzuweisen. In einer Replik zur Gegenschrift legten die Revisionswerber ein neu eingeholtes Gutachten von DI TH zur Abstützung ihres Vorbringens vor, in dem ausgeführt wurde, dass sowohl das Hauptgebäude als auch die bauliche Anlage im Eingangsbereich projektgemäß errichtet worden seien. Im Gegensatz dazu sei jedoch westseitig eine Terrassenüberdachung vorhanden, die in den Einreichplänen nicht vermerkt sei.
2 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
3 Vorauszuschicken ist, dass in sinngemäßer Anwendung des § 4 iVm § 6 Abs. 1 Vewaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013, idF BGBl. I Nr. 122/2013 vorzugehen ist, wenn der Verfassungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall - eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung erst nach dem Ablauf des an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, sodass die Beschwerde als Revision gilt und für deren Behandlung nach § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß gelten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/05/0073, mwN).
4 Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung der Oö. Bauordnung 1994 LGBl. Nr. 66, in der Fassung LGBI. 96/2006 (Oö. BauO) lautet auszugsweise:
"§ 31
Einwendungen der Nachbarn
...
(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.
(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.
..."
5 Die Revisionswerber rügen, ihre Einwendungen betreffend die Abweichung der Baupläne zum tatsächlichen Bestand beträfen - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - einen Eingriff in subjektive Rechte, weshalb sich die Behörde zu Unrecht nicht damit befasst habe.
6 Dazu ist zunächst klarzustellen, dass das Baubewilligungsverfahren (auch im Fall des Antrages auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung) ein Projektgenehmigungsverfahren ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/05/0157). Maßgeblicher Gegenstand des Verfahrens ist das eingereichte, mit Plänen belegte Projekt. In Bezug auf dieses hätte der Nachbar allfällige Verletzungen subjektiv-öffentlicher Rechte entsprechend rechtzeitig im Verfahren geltend zu machen. In der ergänzten Revision berufen sich die Revisionswerber allein auf ein Recht auf Nichtabänderung des Bebauungsplanes. Damit machen sie kein Nachbarrecht im Sinne des § 31 Abs. 4 Oö. BauO geltend. Dies gilt auch für ihr Vorbringen, es sei keine Baufertigstellungsanzeige erfolgt, weshalb die Wohnnutzung des Gebäudes rechtswidrig sei und es sei zu Unrecht kein Beseitigungsauftrag ergangen.
7 Weiters reichen Verfahrensrechte immer nur soweit, als materielle Rechte verletzt sein können (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0003). Schon mangels Geltendmachung einer Verletzung in einem subjektivöffentlichen Nachbarrecht, kommt eine Verletzung der Revisionswerber in Verfahrensrechten nicht in Betracht.
8 Weiters bringen die Revisionswerber vor, die Verordnung des Gemeinderates, mit der der Bebauungsplan aufgehoben wurde und auf die sich der angefochtene Bescheid gestützt habe, sei rechtswidrig. Die Aufhebung des Bebauungsplanes habe nur der rechtlichen Sanierung des konsenswidrigen Gebäudes gedient. Die Aufhebung sei auch nicht iSd Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 oder Abs. 2 OÖ ROG erfolgt. Weiters habe die Aufhebung des Bebauungsplanes den Planungszielen der Gemeinde widersprochen. Aus alldem folge, dass die Aufhebung des Flächenwidmungsplanes rechtswidrig gewesen sei und somit der Bescheid auf einer rechtswidrigen Grundlage beruht habe.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , B 1599/2013-7 die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und ausdrücklich festgehalten, dass die Aufhebung des Teilbebauungsplanes Nr. 1 H durch die Verordnung des Gemeinderates entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht der rechtlichen Sanierung bestehender Bauwerke, sondern vorrangig der Herstellung rechtskonformer bebauungsrechtlicher Grundlagen diene. Vor dem Verwaltungsgerichtshof haben die Revisionswerber keine neuen Gesichtspunkte betreffend die allfällige Rechtswidrigkeit des Flächenwidmungsplanes dargelegt. Vor diesem Hintergrund vermag der Verwaltungsgerichtshof die von den Revisionswerbern vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zu teilen.
9 Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
10 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Da die Aktenvorlage zu dem vorliegenden Revisionsverfahren und zu dem Revisionsverfahren Zl. Ro 2016/05/0070 erfolgte, war für die Aktenvorlage die Hälfte des in der Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrages zuzusprechen.
Wien, am