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VwGH vom 15.12.2009, 2007/05/0193

VwGH vom 15.12.2009, 2007/05/0193

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. der EW und 2. der PP, beide in Wels, beide vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Dr. Willibald Berger und Dr. Georg Lehner, Rechtsanwälte in 4614 Marchtrenk, Linzer Straße 11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR-013105/33-2005- Ba/Ein, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadt Wels, 2. S Ges.m.b.H. in Wien, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der Zweitmitbeteiligten in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der Erstmitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Das hier gegenständliche Bauverfahren wurde mittels Antrag der Zweitmitbeteiligten als Bauwerberin am eingeleitet. Die Baubewilligung zur Errichtung eines Einkaufszentrums wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wels vom erteilt, eine von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Berufung blieb ebenso erfolglos wie die gegen die Berufungsentscheidung erstattete Vorstellung.

Diesen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom , Zlen. 2003/05/0091 und 0246 (Vorerkenntnis I), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Tragender Grund der Aufhebung war allein, dass gemäß § 23 Abs. 3 Oö. ROG 1994 Einkaufszentren ausschließlich auf Flächen, die für Geschäftsbauten für den überörtlichen Bedarf gewidmet sind, errichtet werden dürfen. Die projektsgegenständlichen Stellplätze sollten aber teilweise auf Flächen mit der Widmung "Betriebsbaugebiet" errichtet werden. Das als Einheit zu betrachtende Einkaufszentrum war im Betriebsbaugebiet nicht zulässig.

Auf Grund dieses Erkenntnisses hob die belangte Behörde mit Bescheid vom den Berufungsbescheid des Stadtsenates der Stadt Wels vom auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadt Wels zurück.

Ohne weiteres Verfahren wies der Stadtsenat der Stadt Wels mit Bescheid vom die Berufungen der Beschwerdeführerinnen und der X Handelsgesellschaft gegen den Bescheid vom neuerlich als unbegründet ab. In der Begründung wurde auf den Beschluss des Gemeinderates der Stadt Wels vom hingewiesen, wonach auch hinsichtlich des Grundstückes Nr. 1577/1 die Widmung "Gebiet für Geschäftsbauten mit gemischtem Warenangebot" mit einer maximalen Gesamtverkaufsfläche von 17.500 m2 und einer maximalen Gesamtverkaufsfläche für Geschäftsbauten für Lebens- und Genussmittel von 800 m2 erfolgt sei. Diese Widmungsfestlegung sei seit rechtskräftig. (Anmerkung: Der Berufungsbescheid im ersten Rechtsgang, dessen Sach- und Rechtslage die Basis des Vorerkenntnisses I bildete, stammt vom .)

Weiters stellte die Berufungsbehörde fest, dass mit Raumordnungsprogramm der Oö Landesregierung vom , LGBl. Nr. 54, bestimmt worden sei, dass die Verwendung der Grundstücke Nr. 1576/1, 1577/1, 1577/3, 1577/4 und 1577/5, alle KG Lichtenegg, als Gebiet für Geschäftsbauten zulässig sei. Die Gesamtverkaufsfläche für den Fachmarktbereich sei mit 20.500 m2 beschränkt worden, für den Lebensmittelbereich mit 800 m2. In Entsprechung dieses Raumordnungsprogrammes habe der Gemeinderat der Stadt Wels am die Umwidmung von drei der zuletzt genannten Grundstücke auf "Gebiet für Geschäftsbauten für Fachmärkte" mit einer Gesamtverkaufsfläche von 19.700 m2 und "Gebiet für Geschäftsbauten für Lebens- und Genussmittel" mit einer Gesamtverkaufsfläche von 800 m2 beschlossen; die aufsichtsbehördliche Genehmigung stamme vom und habe die Umwidmung am Rechtswirksamkeit erlangt.

Damit sei der vom Verwaltungsgerichtshof bzw. der Aufsichtsbehörde gerügte Mangel beseitigt worden, sodass von einer Widmungskonformität des Bauvorhabens auszugehen sei.

In ihrer Vorstellung machen die Beschwerdeführerinnen geltend, die Berufungsbehörde hätte im zweiten Rechtsgang alle zwischenzeitigen Änderungen des Sachverhaltes ihrer Entscheidung zu Grunde legen müssen. Der Projektsteil, welcher den Gegenstand des ersten Rechtsganges bildete, sei vom Konsenswerber nie beabsichtigt und nie in Angriff genommen worden. Inzwischen habe der Konsenswerber zwei Ansuchen um Änderung/Erweiterung eingebracht und auch bewilligt erhalten. (Diese Änderungen/Erweiterungen werden in der Vorstellungsschrift konkret aufgelistet.) Auch bezüglich der UVP-Pflicht bestehe keine Identität mit dem seinerzeitigen Feststellungsbescheid, weil nunmehr ein riesiges Gesamtprojekt in Fassung der ersten und zweiten Änderung/Erweiterung gegenständlich sei. Nicht auseinander gesetzt hätten sich die Baubehörden mit der Frage, ob es durch die Errichtung und den Betrieb der geplanten baulichen Anlage zu einer Beeinträchtigung der gesundheitlichen Belange der Beschwerdeführerinnen komme. Wesentliche Bedeutung komme den zu erwartenden Immissionsbelastungen zu; die Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen befände sich zur Gänze im Wohngebiet. Wie sich aus der Verhandlungsschrift vom ergeben hätte, solle es zu Lärmimmissionen durch den Betrieb der geplanten baulichen Anlage im Ausmaß bis zu 70 dB kommen. Aus derselben Verhandlungsschrift sei hervorgegangen, dass schon jetzt eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen sei. Der Sachverständige Univ. Doz. Mag. Dr. G. H. sei in seinen Gutachten vom und vom zum Ergebnis gelangt, dass es zu Anhebungen der ortsüblichen Dauerschallpegel und zu Überschreitungen der ortsüblichen Basispegel von mehr als 10 dB kommen werde. Jedenfalls hätte eine bestimmt formulierte und vollstreckbare Auflage die Einhaltung des Standes der Technik sicherstellen müssen, was aber nicht geschehen sei. Auch mit der Beeinträchtigung der Beschwerdeführerinnen durch die Art der Beleuchtung habe sich die Berufungsbehörde nicht auseinander gesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführerinnen keine Folge. Wohl hätte die Bauwerberin zwischenzeitig zwei Erweiterungen bzw. Änderungen des bewilligten Einkaufszentrums beantragt, dabei handle es sich aber um selbstständige Verfahren, die streng voneinander zu trennen seien und mit dem ursprünglichen Projekt nicht vermengt werden dürften. Der Stadtsenat durfte bei seiner Entscheidung die beantragten Erweiterungen bzw. Änderungen nicht berücksichtigen.

Zur befürchteten Beeinträchtigung der Gesundheit der Beschwerdeführerinnen verwies die belangte Behörde darauf, dass im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren nicht nur die Belästigung der Nachbarn durch Lärm, Geruch, Staub, Erschütterungen, sondern auch die Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Nachbarn Berücksichtigung finde. Allein mit der Behauptung, dass aus der geltend gemachten Immissionsbelastung eine Gesundheitsgefährdung zu befürchten sei, könne die durch § 31 Abs. 6 Oö BauO 1994 erfolgte Zuweisung der Frage des Immissionsschutzes an das gewerberechtliche Verfahren nicht umgangen werden. Soweit die Beschwerdeführerinnen Aussagen im gewerberechtlichen Verfahren in Zweifel zögen, vermöchten sie damit keine Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides aufzuzeigen. Auch die Einwendung, dass eine Beeinträchtigung durch die Beleuchtung vorliege, sei bei dieser gewerblichen Betriebsanlage unzulässig.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 3638/05 u.a., ablehnte. Bezüglich der behaupteten Rechtswidrigkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften führte der Verfassungsgerichtshof darin aus, die Neufassung des maßgeblichen Raumordnungsprogrammes der Oberösterreichischen Landesregierung durch LGBl. Nr. 54/2004 sei unbedenklich; der angewendete Flächenwidmungsplan der Stadt Wels widerspreche diesem Raumordnungsprogramm nicht.

In ihrer Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht auf Nichterteilung von Baubewilligungen verletzt. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, wie auch die mitbeteiligte Stadtgemeinde und die mitbeteiligte Bauwerberin, jeweils eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der schon im ersten Rechtsgang von den Beschwerdeführerinnen erhobenen Einrede der Unzuständigkeit der Baubehörden, weil in Wahrheit eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen, entgegnete der Verwaltungsgerichtshof mit dem für alle relevanten Verfahren Bindungswirkung entfaltenden Feststellungsbescheid gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 der belangten Behörde vom . Die Identität des Bauvorhabens mit dem dem Feststellungsverfahren zu Grunde gelegten Projekt wurde bejaht. Im Übrigen wird, da die Beschwerdeführerinnen diese Einrede wiederholen, in Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe im Vorerkenntnis I verwiesen.

Im Vorerkenntnis I hat der Verwaltungsgerichtshof wörtlich ausgeführt:

"Das Baubewilligungsverfahren ist im Übrigen ein Projektgenehmigungsverfahren, bei dem die Zulässigkeit des Bauvorhabens auf Grund der eingereichten Pläne zu beurteilen ist. Gegenstand dieses Verfahrens ist ausschließlich das in den Einreichplänen (und sonstigen Unterlagen) dargestellte Projekt (vgl. ...). Auf eventuell sonst noch beabsichtigte Vorhaben kommt es entgegen der Auffassung der Zweit- und der Drittbeschwerdeführerin nicht an."

Ausgehend davon, dass im zweiten Rechtsgang das hier zu beurteilende Projekt unverändert blieb, kommt es auf die von den Beschwerdeführerinnen immer wieder angesprochenen Änderungen bzw. Erweiterungen nicht an; sie sind Gegenstand eigener Verfahren.

Weiters machen die Beschwerdeführerinnen in ihrer Beschwerdeergänzung geltend, dass gemäß § 3 Z 4 Oö Bautechnikgesetz bauliche Anlagen in allen ihren Teilen nach dem jeweiligen Stand der Technik so geplant und errichtet werden müssten, dass durch ihren Bestand und ihre Benützung schädliche Umwelteinwirkungen vermieden würden, wobei schädliche Umwelteinwirkungen solche seien, die Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im Besonderen für die Nachbarschaft herbeizuführen geeignet seien, wie durch Luftverunreinigung, Lärm oder Erschütterungen. Auf die Einhaltung dieser Bestimmung stehe den Nachbarn ein durchsetzbares subjektiv-öffentliches Recht zu. Es treffe nicht zu, dass die von der Anlage ausgehenden Immissionen ohnehin im Gewerbeverfahren geprüft würden. Die gewerbebehördliche Genehmigung gemäß § 356e Gewerbeordnung beziehe sich ausschließlich auf die nicht nur dem einzelnen Gewerbebetrieb dienenden Anlagenteile wie Rolltreppen, Aufzüge, Brandmeldeeinrichtungen, Sprinklereinrichtungen und Lüftungseinrichtungen, wobei lediglich eine Feststellung der Beschaffenheit der Anlage im gewerberechtlichen Verfahren erfolgt sei. Schließe man die Beschwerdeführerinnen vom Immissionseinwand aus, so stünde ihnen keine Möglichkeit zu, Immissionsbelastungen durch ein riesiges Einkaufszentrum im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Daher hätte sich die belangte Behörde mit den geltend gemachten Immissionsbelastungen und der geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigung im Falle der Errichtung des geplanten Vorhabens auseinander setzen müssen. In der Verhandlungsschrift vom habe die Amtsärztin angeführt, dass auf Grund der schon ohne das geplante Vorhaben starken Immissionsbelastung eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen sei. Verwiesen werde auf das von den Beschwerdeführerinnen eingeholte Gutachten des Univ. Doz. Mag. Dr. G. H., aus dem sich ergebe, dass der ortsübliche Dauerschallpegel durch die geplante Anlage um bis zu 10,5 dB und der ortsübliche Basispegel um bis zu 17 dB überschritten werde.

Auf diese Einwendungen ist der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zlen. 2004/05/0156, 0247, betreffend das am von der Bauwerberin eingereichte Änderungsprojekt, eingegangen (Vorerkenntnis II). Darin hielt der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf ein gleichfalls ein Einkaufszentrum betreffendes früheres Erkenntnis fest, dass im gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren nicht nur die Belästigung der Nachbarn durch Geruch, Lärm, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise, sondern auch die Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Nachbarn Berücksichtigung fänden. Allein mit der Behauptung, dass aus der geltend gemachten Immissionsbelastung eine Gesundheitsgefährdung zu befürchten sei, könne die durch § 31 Abs. 6 Oö BauO erfolgte Zuweisung der Frage des Immissionsschutzes an das gewerberechtliche Verfahren nicht umgangen werden. Im Übrigen wird in Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe im Vorerkenntnis II sowie auf die dort wiedergegebenen Rechtsquellen verwiesen.

Die Beschwerdeführerinnen führen eine Reihe von Unterlagen (meist datiert zwischen und ) an, die nicht einem ordnungsgemäßen Verständigungs- bzw. Kundmachungsverfahren unterzogen worden seien, weshalb sie an einer ordnungsgemäßen Vorbereitung auf die Verhandlung gehindert gewesen wären. Bei ordnungsgemäßer, rechtzeitiger und vollständiger Verständigung über den Verhandlungsgegenstand hätten sie die in der Berufung gegen den Bescheid des Magistrats vom vorgetragenen Argumente und Anträge bereits in der Augenscheinsverhandlung geltend machen können. Damit machen sie aber selbst deutlich, dass die allfällig nicht ausreichende Gewährung von Parteiengehör durch die Behörde erster Instanz mittels der Erhebung eines Rechtsmittels geheilt wurde (Hengstschläger-Leeb, AVG § 45, Rz 40).

Der erhobene Einwand, die Einhaltung der von den Amtssachverständigen zu Grunde gelegten Rahmenbedingungen müsse durch entsprechende, bestimmt formulierte und vollstreckbare Auflagen sichergestellt werden, die dem Stand der Technik entsprechen, wurde bereits im Vorerkenntnis II behandelt und dazu ausgeführt, dass es Sache der Beschwerdeführerinnen gewesen wäre, darzutun, welche weiteren Auflagen erforderlich gewesen wären. Der Verwaltungsgerichtshof verwies auch darauf hin, dass die Oö. BauO kein abstraktes Nachbarrecht auf Einhaltung des Standes der Technik gewähre.

Die fehlende raumordnungsrechtliche Grundlage, die den Grund für die Aufhebung im Vorerkenntnis I bildete, wurde nunmehr nachgeholt. Da sich die Beschwerde auch sonst als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Das Kostenersatzbegehren der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde war abzuweisen, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG idF BGBl. I Nr. 4/2008).

Wien, am