VwGH vom 18.02.2015, 2015/03/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der T GmbH in W, vertreten durch MMag. Ewald Lichtenberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 17, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom , Zl F 1/12-58, betreffend Parteistellung in einem Verfahren nach dem TKG 2003 (mitbeteiligte Parteien: 1. H GmbH, 2. Hu GmbH, beide in W, beide vertreten durch Mag. Dr. Bertram Burtscher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, 3. S in L, Luxemburg, vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Universitätsring 10, 4. O in B, Belgien, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1014 Wien, Tuchlauben 17, 5. A AG in W, vertreten durch die Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2; weitere Partei: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden der Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung ihrer Parteistellung in dem vor der belangten Behörde zu F 1/12 geführten Verfahren abgewiesen und die weiteren Anträge der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde möge sie im genannten Verfahren "förmlich anhören und sie ebenso wie die antragstellenden Parteien zu einer Verhandlung laden" sowie ihr "sämtliche Entscheidungsgrundlagen, insbesondere die Schriftsätze der Antragstellerin, das Amtsgutachten und die Verhandlungsprotokolle sowie den abschließenden Bescheid in dieser Verwaltungssache förmlich mit der Möglichkeit der Erhebung von Rechtsmitteln gegen den Bescheid zustellen", zurückgewiesen.
In der Begründung legte die belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefasst - dar, dass in dem von ihr zu F 1/12 geführten Verfahren über einen Antrag auf Genehmigung der Eigentümerstruktur nach § 56 Abs 2 TKG 2003 im Zusammenhang mit der Übernahme des Mobilfunk-Netzbetreibers O GmbH (O) durch die Hu GmbH (Hu) unter Einbindung der A AG (A) zu entscheiden sei. Die Stattgebung dieses Antrags könne im Ergebnis zu einer Reduktion der Anzahl der in Österreich tätigen Mobilfunkbetreiber von vier auf drei führen sowie zu einer Änderung des bisherigen Umfangs der Frequenznutzungsrechte der antragstellenden Mobilfunkbetreiber, nicht aber bei der Beschwerdeführerin selbst.
Auf Grund des Antrags der Beschwerdeführerin auf Beiziehung in diesem Verfahren als Partei sei zu beurteilen, ob ihr Parteistellung auch dann zukomme, wenn sie nicht selbst eine Genehmigung der Änderung der eigenen Eigentümerstruktur anstrebe, aber eine Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen bzw wettbewerblichen Position durch die Änderung der Eigentümerstruktur anderer Mobilfunkbetreiber befürchte.
Im Weiteren legte die belangte Behörde die maßgebenden Bestimmungen des TKG 2003 und der Rahmen- sowie der Genehmigungsrichtlinie dar und verwies auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2005/03/0232.
Die belangte Behörde folgerte, aus den maßgebenden nationalen Vorschriften könne nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe beabsichtigt, Mitbewerbern von Antragstellern eines Verfahrens nach § 56 Abs 2 TKG 2003 eine besondere Rechtsposition einräumen zu wollen, die im Ergebnis zur Parteistellung in einem solchen Verfahren führen würde. Auch Unionsrecht führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung (was von der belangten Behörde näher ausgeführt wurde).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete - unter Vorlage der Verwaltungsakten - ebenso eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde wie die erst- und die fünftmitbeteiligten Parteien.
Vor dem Hintergrund, dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht auszuschließen ist, die Beschwerdeführerin als Inhaberin von Frequenznutzungsrechten als "Betroffene" iSd Art 4 Abs 1 der Rahmenrichtlinie anzusehen, in welchem Fall ihr Parteistellung einzuräumen wäre, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , 2012/03/0181 (EU 2013/0001-1), dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"Sind die Artikel 4 und 9b der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), ABl L 108 vom , S. 33 und Art 5 Abs 6 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie), ABl L 108 vom , S. 21, dahin auszulegen, dass sie einem Mitbewerber in einem nationalen Verfahren nach Art 5 Abs 6 der Genehmigungsrichtlinie die Stellung eines Betroffenen im Sinne des Art 4 Abs 1 der Rahmenrichtlinie einräumen?"
Mit Urteil vom , Rs C-282/13, erkannte der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen in nachfolgender Weise zu Recht:
"Art. 4 Abs. 1 und Art. 9b der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung sowie Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass ein Unternehmen unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens als Betroffener im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/21 in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung angesehen werden kann, wenn dieses Unternehmen, das elektronische Kommunikationsnetze oder -dienste anbietet, ein Wettbewerber des Unternehmens oder der Unternehmen ist, das bzw. die Partei(en) eines Verfahrens zur Genehmigung der Übertragung von Rechten zur Nutzung von Funkfrequenzen nach dem genannten Art. 5 Abs. 6 und Adressat(en) der Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde ist bzw. sind, und wenn diese Entscheidung geeignet ist, sich auf die Marktstellung des erstgenannten Unternehmens auszuwirken."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind - da durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl I Nr 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - gemäß § 79 Abs 11 VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
Was das Verhältnis zwischen Betroffenheit im Sinne des Art 4 Abs 1 der Rahmenrichtlinie und der Parteistellung nach § 8 AVG anlangt, kann gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Zl 2008/03/0020, verwiesen werden: Das Gebot der Effektivität eines gerichtlichen Rechtsschutzes erfordert die Einräumung von Parteistellung in einem Fall nach Art 4 Abs 1 der Rahmenrichtlinie, wenn also (ua) ein Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste von der Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffen ist.
Ausgehend vom Urteil des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren ist der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zugrunde zu legen, dass die Beschwerdeführerin als Betroffene im dargestellten Sinn anzusehen ist: Es ist nicht strittig, dass auch sie elektronische Kommunikationsnetze und -dienste anbietet und sie eine Wettbewerberin der (mitbeteiligten) Unternehmen ist, die Adressaten der Entscheidung im Verfahren zur Genehmigung der Änderung der Eigentümerstruktur nach § 56 Abs 2 TKG 2003 bzw Art 5 Abs 6 der Rahmenrichtlinie sind. Auch kann nicht bezweifelt werden, dass diese Entscheidung zumindest geeignet ist, sich auf die Marktstellung der Beschwerdeführerin auszuwirken.
Aus dem Gesagten folgt, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zu Unrecht keine Parteistellung eingeräumt hat, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 (vgl § 79 Abs 11 VwGG iVm § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr 8/2014).
Wien, am
Fundstelle(n):
YAAAE-90011