VwGH vom 21.12.2011, 2009/08/0151

VwGH vom 21.12.2011, 2009/08/0151

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des C E in Wien, vertreten durch Dr. Gunther Weichselbaum, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2009-0566-9-001248, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom abgewiesen. Begründend führte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer in der gesetzlichen Rahmenfrist nur 357 Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründende Zeiten (nach der Aktenlage unter Berücksichtigung einer Rahmenfristersterstreckung für den Zeitraum bis gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 AlVG) nachweisen könne.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und wandte ein, er sei ohne Unterbrechung über zwei Jahre lang bis Jänner 2008 bei A beschäftigt gewesen; unmittelbar davor sei er schon über eine "Leihfirma" bei A beschäftigt gewesen (insgesamt daher über drei Jahre lang). Der Beschwerdeführer habe sich unmittelbar nach Beendigung des Dienstverhältnisses bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet. Sein Antrag sei aber offensichtlich nicht ernsthaft bearbeitet worden. Der Beschwerdeführer habe seine Leistungen fristgerecht geltend gemacht.

Am gab der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde an, er habe zwischen März 2008 und März 2009 nicht gearbeitet. Sein Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom Jänner 2008 sei nie bearbeitet worden. Wenn ihm vorgehalten werde, dass der Antrag nicht bearbeitet worden sei, weil er die Arbeitsbescheinigung nicht erbracht habe (und zudem ein Kontrollmeldeversäumnis am eingetragen sei): Dies stimme nicht, er sei "da" gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte sie aus, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice habe die arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründende Zeit in Übereinstimmung mit den beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Versicherungszeiten korrekt berechnet. Mangels Erfüllung der Anwartschaft sei der Antrag abzulehnen gewesen.

Der vom Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs erwähnte Antrag vom Jänner 2008 sei von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am ausgegeben worden. Am habe der Antrag aber nicht entgegen genommen werden können, da die Arbeitsbescheinigung gefehlt habe; der Antrag sei mit einem Verbesserungsauftrag (Beibringung der Arbeitsbescheinigung bis ) wieder ausgefolgt worden. Der Beschwerdeführer habe sodann den Termin ungenutzt verstreichen lassen; er sei auch zum vorgeschriebenen Kontrolltermin am nicht erschienen. Es sei somit (zum Antrag vom Jänner 2008) kein Bescheid ergangen, gegen den berufen hätte werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben (und dem Beschwerdeführer die gesetzlichen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zuzuerkennen).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (Z 1), die Anwartschaft erfüllt (Z 2) und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat (Z 3).

Gemäß § 14 Abs. 1 AlVG ist die Anwartschaft bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Gemäß § 15 Abs. 1 Z 2 AlVG verlängert sich die Rahmenfrist um höchstens fünf Jahre (§ 79 Abs. 94 AlVG) um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland u.a. arbeitsuchend bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet gewesen ist.

§ 46 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet:

"Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Das Arbeitsmarktservice hat neben einem schriftlichen auch ein elektronisches Antragsformular zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat. Hat die arbeitslose Person zum Zweck der Geltendmachung des Anspruches bereits persönlich vorgesprochen und können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so kann die regionale Geschäftsstelle vom Erfordernis der persönlichen Abgabe des Antrages absehen. Eine persönliche Abgabe des Antrages ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind."

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dem Akteninhalt sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit durch mehrere Jahre hindurch im Inland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und daher den Anspruch auf die gesetzlichen Leistungen nach dem AlVG erworben habe. Die belangte Behörde vermöge nicht darzulegen, weshalb die von ihm erworbenen Versicherungszeiten beim Arbeitsmarktservice nicht auflägen. Er habe bis Jänner 2008 mehrere Jahre in beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet und habe sich unmittelbar nach Beendigung des Dienstverhältnisses beim Arbeitsmarktservice gemeldet; sein Antrag sei offensichtlich nicht bearbeitet worden. Er habe damals eine Terminkarte bekommen und habe die Termine wahrgenommen. Informell habe ihm die belangte Behörde aber mitgeteilt, er brauche nicht zu kommen, das ihm übergebene ausgefüllte Formular sei einfach nicht entgegen genommen worden. Danach habe sich in der Sache nichts mehr getan. Da er nie eine Entscheidung des Arbeitsmarktservice erhalten habe, habe er am (wohl gemeint: 2009) noch einmal vorgesprochen und habe einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt bzw. die Erledigung seines ursprünglichen Antrages urgiert. Er habe in seiner Berufung gegen den ersten negativen Bescheid des Arbeitsmarktservice bereits dargelegt, dass in seinem Fall eine Rahmenfristerstreckung vorzunehmen sei. Als Beweis dafür habe er die Terminkarte und das Formular des Antrages für das Arbeitslosengeld vorlegen können. Tatsächlich sei daher davon auszugehen, dass er den Antrag auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bereits zu Beginn des Jahres 2008 gestellt habe und kein Bescheid ergangen sei. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid habe der Beschwerdeführer keine Frist ungenutzt verstreichen lassen. Das ihm gewährte Parteiengehör ersetze nicht die umfassende Führung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens.

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthält § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder verspäteter Antragstellungen. Zur Beibringung des Antrages und der für die Beurteilung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld erforderlichen Arbeitsbescheinigung ist demnach eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu setzen. Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 1 letzter Satz AlVG gilt der Anspruch, wenn diese Frist ohne triftigen Grund versäumt wurde, erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0098).

Wie auch aus dem vom Beschwerdeführer mit Berufungsergänzung in Kopie vorgelegten Antrag auf Arbeitslosengeld, ausgegeben am , hervorgeht, wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, diesen Antrag bis spätestens samt den angeführten Dokumenten (u.a. einer Arbeitsbescheinigung vom letzten Dienstverhältnis) vorzulegen. Weiter geht aus dieser Urkunde hervor, dass die Frist zur Vorlage bis zum verlängert wurde, da noch die "Dokumente" und "AB" (offenbar gemeint: Arbeitsbescheinigung) fehlten. Dass der Beschwerdeführer sodann bis zum den Antrag auf Arbeitslosengeld neuerlich samt den fehlenden Dokumenten, vor allem der Arbeitsbescheinigung vorgelegt habe, geht weder aus dem Akteninhalt hervor, noch wurde dies vom Beschwerdeführer behauptet. Auch in der Beschwerde wird nur allgemein ausgeführt, der Beschwerdeführer habe Termine wahrgenommen, er habe keine Frist ungenutzt verstreichen lassen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf Arbeitslosengeld neuerlich vorgelegt habe (oder dies zumindest versucht habe). Damit liegt aber keine Abgabe des Formulars zur Geltendmachung des Anspruches vor, weil dies die endgültige Belassung des Formulars bei der Behörde vorausgesetzt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0062). Beim weiteren Beschwerdevorbringen, ihm sei mitgeteilt worden, er brauche nicht zu kommen, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG); überdies wird auch nicht dargetan, dass sich dieser Vorfall innerhalb der (verlängerten) Frist zur Vorlage der Arbeitsbescheinigung ereignet habe.

Auch ein triftiger Grund für die Versäumung der (neuerlichen) Vorlage des Antrages auf Arbeitslosengeld (samt Arbeitsbescheinigung) bis zum (ohnehin verlängerten) Fristende () wird damit nicht dargetan.

Damit kann der belangten Behörde aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass eine erstmalige (iSd § 46 Abs. 1 AlVG wirksame) Geltendmachung erst am erfolgte.

4. Somit ist aber gemäß § 14 Abs. 1 AlVG entscheidend, ob der Beschwerdeführer in den letzten 24 Monaten vor dem insgesamt 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Nach der - mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld vom - vorgelegten Arbeitsbescheinigung war der Beschwerdeführer vom bis bei A beschäftigt, wobei der Entgeltanspruch mit dem endete. In der Folge war der Beschwerdeführer - unstrittig - nicht mehr beschäftigt.

Die Rahmenfrist von 24 Monaten (§ 14 Abs. 1 AlVG) wird insbesondere um Zeiten erstreckt, in denen der Arbeitslose im Inland arbeitsuchend bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet gewesen ist (§ 15 Abs. 1 Z 2 AlVG). Da bis zum (verlängerten) Fristende am keine wirksame Geltendmachung des Leistungsanspruchs erfolgte, endete (spätestens) mit diesem Tag der Zeitraum, der insoweit als rahmenfristerstreckend berücksichtigt werden könnte. Damit kann aber der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie zum Ergebnis gelangt, dass innerhalb der (auch erstreckten) Rahmenfrist keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung in der Dauer von 52 Wochen vorliegt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am